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Danny Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Samstag, 27. Februar 2016 - 21:05 Uhr: | |
Nach genauerer Betrachtung der Verfassungen von Monaco und Liechtenstein bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es sich um absolutistische Monarchien mit angeschlossener Demokratiesimulation handelt. Eingeschränkt konnte man das bis vor wenigen Jahrzehnten wohl auch von Luxenburg sagen. Diese drei Staaten sind die reichsten Staaten der Welt (GDP pro Person, laut UN); auf Platz 4 ist auch eine Monarchie (Qatar), über deren Absolutheit ich aber nichts weiss. Die Menschenrechte sind auch gewahrt, jedenfalls was Monaco und Liechtenstein betrifft. (Allerdings gibt es glaubwürdige Hinweise, dass Monaco vor 70 Jahren einen jüdischen Kunstsammler nach Frankreich ausgeliefert hat. Heute hat Monaco dagegen die niedrigste Kriminalitätsrate weltweit.) Etwas detaillierter am Beispiel Liechtenstein: Hier ist die aktuelle Verfassung: https://www.gesetze.li/lilexprod/lgsystpage2.jsp?formname=showlaw&lgblid=1921015000&gueltigdate=27022016 Es existiert zwar ein Parlament und insofern gibt es auch demokratische Wahlen und Parteien, allerdings bedarf jedes Gesetz der Zustimmung des Fürsten (Art. 9). Weiterhin kann er das Parlament jederzeit auflösen und Notverordnungen erlassen (Art. 10). Die Regierung wird zwar in der Regel auch demokratisch bestimmt, aber der Fürst kann sie jederzeit entlassen und nach eigenem gutdünken neu besetzen (Art 80). Die Judikative ist keine Ausnahme, Richter bedürfen der Zustimmung und Ernennung durch den Fürsten (Artt. 11 und 96). Ausserdem kann der Fürst beliebig begnadigen und es gilt natürlich auch: "Die Person des Landesfürsten untersteht nicht der Gerichtsbarkeit und ist rechtlich nicht verantwortlich. " (Art. 7; "the king can do no wrong"). In wenigen Jahren gab es einige Versuche fanatischer Jakobiner die Rechte des Fürsten zu beschränken, aber die dazu durchgeführten Volksabstimmungen waren ein totaler Reinfall. Über 3/4 waren mit der Unterdrückungsqualität zufrieden: "In 2011, Alois threatened to exercise his royal veto if voters approved a forthcoming referendum to legalize abortion in the principality.[4] Such a veto was not necessary as the voters rejected the proposal.[5] Following the Prince's threat, the "Damit deine Stimme zählt" ("So that your voice counts") initiative was launched to change the constitution to prevent the Prince from vetoing legislation approved in referendums. The referendum was held on 1 July 2012 and 76% of voters upheld the Prince's power to veto referendum results.[6]" (Natürlich war der Ausgang egal, weil der Fürst ohnehin sein Veto hätte nutzen können.) Man kann also wohl sagen, dass die demokratischen Elemente nur beratende Funktion haben und vermutlich in erster Linie der Verhinderung von Luftsicherheitszonen dienen (ähnlich wie in Japan). Dieses Posting ist eine Antwort auf die Frage, welche Alternativen es denn zu der von mir oft kritisierten Demokratie gäbe. |
Jan W.
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Samstag, 27. Februar 2016 - 21:21 Uhr: | |
Warum macht man statt der Abstimmung nicht einfach regelmäßig eine Wahl, um die Position des Fürsten zu besetzen? Ohne Amtszeitbegrenzung ist dem jetzigen Amtsinhaber ja so auch möglich, am Ende im Amt zu versterben. Und ein "Thronfolger" kann zeigen, dass er tatsächlich der einzige ist, der auch in der Position gewollt ist. Dann wäre die Macht des Fürsten nämlich durch das Volk legitimiert statt durch ... naja, genau genommen eigentlich gar nichts. Was soll eigentlich ein fanatischer Jakobiner sein? Gerade bei den europäischen Beispielen handelt es sich übrigens um Zwergstaaten, die sich als Steueroasen verdingen. Ein weltweites Konzept kann das also nicht sein. |
Danny Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 05:22 Uhr: | |
Naja, Jakobiner sind Leute, die die Monarchie abschaffen und durch Demokratie ersetzen wollen, wie erstmals in der frz. Revolution, wo es ja bekanntlich zu Blutmeeren führte. Heute sagt man meistens Freiheitskämpfer dazu, mitunter auch Rebell oder Terrorist. Meine Theorie ist, dass es diesen Staaten wesentlich schlechter gehen würde wenn sie demokratisch regiert (mit Wahlfürst oder anders) werden würden, vermutlich genauso schlecht wie ihren Nachbarstaaten. Das Steueroasen-Argument hab ich noch nie wirklich verstanden. Effiziente (d.h. absolutistische) Verwaltung braucht halt weniger Steuern und macht Staaten dadurch attraktiver. Soweit das für einen Drittstaat schädlich ist kann der ja einfach die eigenen Gesetze ändern und z.B. Handel etc. mit der Oase verbieten. Imho ist das nur eine Ausrede dafür, dass man die eigene Steuergesetzgebung nicht vernünftig hinbekommt, denn da wo Werte entstehen können sie immer auch besteuert werden. Z.b. wenn Boris Becker nach Monaco zieht kann Deutschland trotzdem alle seine Spiele, die in Deutschland stattfinden, besteuern. |
Martial00120 Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 08:37 Uhr: | |
@Danny Liechtenstein ist keine absolute Monarchie sondern eine konstitutionelle mit vielen direktdemokratischen Elementen. Allerdings weigert sich der Fürst, nur als Grüßaugust zu dienen. Die Monarchie kann jedoch jederzeit abgeschafft werden, in einer Initiative, die 1500 Stimmberechtigte unterzeichnen müssen. Nach Art. 113 Verfassung. Sie kombinieren also tatsächlich Obrigkeitsstaat und direkte Demokratie. Es gibt sonst sogar noch viele direktdemokratische Element Insgesamt finde ich die Liechtensteinische Verfassung genial. Monarchie und direkte Demokratie! |
Danny Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 09:35 Uhr: | |
Ich find die Kombination auch sehr attraktiv, nur das Parlament könnte man sich eigentlich sparen :] Was Art. 113 betrifft bin ich mir unsicher. Die neue Verfassung wäre ziemlich klar ein Gesetz, es wird ja sogar explizit auf Art 66 Abs. 4 verwiesen. Demnach würde es die Sanktion des Fürsten benötigen. Ob Art. 112 das per Nebensatz ändert, darüber kann man sich sicher streiten, v.a. weil dort 1. nur von "nachfolgender Zustimmung" und nicht von Sanktion die Rede ist und 2. sich der letzte Nebensatz vermutlich auf den ganzen Absatz bezieht (sprich das Änderungsverfahren) bezieht. Davon abgesehen wär eine Gegenzeichnung durch die Regierung notwendig, welche der Fürst ja beliebig besetzen kann. Praktisch scheint es wohl eh Konsens zu sein, dass die Hürden zu hoch sind, v.a. die Jahresverzögerung. Zumal die Initiative an sich der Konkretisierung durch Gesetz bedarf, und man dort noch beliebig Hürden einbauen kann. |
Martial00120 Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 11:56 Uhr: | |
Nein, die Zustimmungserfordernis des Fürsten entfällt natürlich beim Referendum nach Art. 113. Wäre ja sonst sinnlos |
Thomas Frings
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 14:33 Uhr: | |
"Nein, die Zustimmungserfordernis des Fürsten entfällt natürlich beim Referendum nach Art. 113. Wäre ja sonst sinnlos" Auch bei einem durch Volksabstimmung beschlossenen Gesetz muss der Fürst sanktionieren. Vor der Abstimmung zur Legalisierung der Abtreibung hatte der Erbprinz (der den Fürsten vertritt) 2011 ausdrücklich erklärt, die Zustimmung zu verweigern. Es stimmten dann 52,3% dagegen. |
Martial00120 Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 15:43 Uhr: | |
Ich sehe keinen Widerspruch. Das Volk sitzt im äußersten Fall am längeren Hebel. Es muss dazu aber die Monarchie abschaffen. Gegen alle anderen Gesetze, auch vom Volk beschlossen, kann der Fürst sein Veto einlegen, aber nicht im Referendum über die Abschaffung der Monarchie. Ist geregelt im Art. 112, 2) "Abänderungen oder allgemein verbindliche Erläuterungen dieses Grundgesetzes können sowohl von der Regierung als auch vom Landtage oder im Wege der Initiative (Art. 64) beantragt werden. Sie erfordern (...) und jedenfalls die nachfolgende Zustimmung des Landesfürsten, abgesehen von dem Verfahren zur Abschaffung der Monarchie (Art. 113).} |
Thomas Frings
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 15:52 Uhr: | |
@Martial Ja, deinen Beitrag nicht richtig gelesen. Es ist aber äußerst unwahrscheinlich, dass die Mehrheit die Monarchie abschaffen will. Andernfalls wäre es kaum zur neuen Verfassung gekommen. |
Martial00120 Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 16:03 Uhr: | |
Ja, das ist aber genau das Prinzip: Das Fürstenhaus ist gegen Abtreibung und sagt indirekt: nur über unsere Leiche, also mit Abschaffung der Monarchie. Ich finde das Arrangement ok. Oder wo seht ihr Probleme? |
oechr
Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 16:18 Uhr: | |
Ist nicht rein theoretisch gesehen auch die Britische Monarchie noch heute ein Absolutismus? Denn der Monarch müsste sich dort nur über Gewohnheitsrechte (keine fixierte Verfassung!) hinwegsetzen. |
Thomas Frings
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 16:30 Uhr: | |
@oechr Im Vereinigte Königreich herrscht selbstverständlich weder theoretisch noch praktisch Absolutismus. Man muss doch nicht jede unsinnige Behauptung ernst nehmen. |
Danny Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 28. Februar 2016 - 16:35 Uhr: | |
Aber in Art. 113 steht auch: "Das im Folgenden geregelte Verfahren tritt insoweit an die Stelle des Verfassungsänderungsverfahrens nach Art. 112 Abs. 2." oechr: Naja, mit dem Argument könnte England dann auch eine direkte Demokratie, Losdemokratie oder sonstwas sein. Teilweise ist das aber auch durch Gesetze geregelt; man braucht nicht zwingend einen Extrastatus für Verfassungsgesetze. |