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Archiv bis 02. November 2015

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Umfragewerte für Angela Merkel sinkt ra­pi­de ab. » Archiv bis 02. November 2015 « Zurück Weiter »

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Jan W.
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Veröffentlicht am Mittwoch, 14. Oktober 2015 - 22:49 Uhr:   

Ich find ich mehr als fraglich, ob Merkel also rein-exekutive Kanzlerin funktioniert, mit einem separaten Mehrheitsführer Gabriel im Hintergrund.

Das konstruktive Misstrauensvotum wäre vollkommener Blödsinn - selbst wenn man annimmt, Merkel habe keine Mehrheit mehr, so wäre eine Kanzlermehrheit links von Merkel oder eine Kanzlermehrheit rechts von Merkel nötig. Und die gibt es nicht.
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Ratinger Linke
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Veröffentlicht am Mittwoch, 14. Oktober 2015 - 23:18 Uhr:   

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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 14. Oktober 2015 - 23:35 Uhr:   

"Am Können scheitert das Bundeskanzlerin-Sein sicher nicht, wenn man es schon ist. Die Frage ist halt, ob man dann noch will."
Natürlich kann man sich theoretisch ohne eigene Partei durchwurschteln bis zum Ende der Wahlperiode. Das ist aber perspektivlos, denn spätestens nach der nächsten Wahl ist man definitiv weg vom Fenster und bis dahin ist man kaum handlungsfähig. Da ist nur Rücktritt oder Neugründung einer Partei realistisch.

"Partei und Fraktion ist auch ein Unterschied."
Ohne Partei gibt es die Fraktion aber spätestens nach der nächsten Wahl nicht mehr.
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Marc
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Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 00:29 Uhr:   

@Jan W.,

wenn die Mehrheit der Unionsfraktion Merkels Politik nicht mehr unterstützen sollte hätte auch Schwarz-Rot nicht unbedingt mehr eine Mehrheit im Bundestag. Und falls dann die Grünen die Koalition nicht stützen sollten wäre diese handlungsunfähig.

Das Grundgesetz gibt übrigens auch für diesen Fall ein politisches Lösungsinstrument in die Hand - jenseits des in dem Fall unbrauchbaren (da mangels kohärenter Mehrheit gegen den Bundeskanzler nicht möglichen) konstruktiven Mißtrauensvotums -, nämlich die Vertrauensfrage, die in dem Fall zur Herbeiführung von Neuwahlen verwendet werden kann.

Gerhard Schröder hat 2005 diesen Weg vorgemacht. Kohl hat ihn 1982/83 gewählt und vor ihm schon Willy Brandt 1972.

Die Frage ist ob die Zauderin Merkel diesen Mum aufbringt sollte sie nächstes Jahr nach verlorenen Landtagswahlen politisch in eine ähnliche Situation geraten wie Schröder 2005 nach der verlorenen Landtagswahl in NRW. SPD, Grüne und Linke könnten theoretisch einen solchen Schachzug natürlich vereiteln wenn sie geschlossen für Merkel stimmen würden. Aber das ist extrem unwahrscheinlich. Die Union könnte sich auch geschlossen bzw. weitgehend geschlossen enthalten (wie 2005 die SPD). Begründet werden könnte dieser Schritt mit den zunehmender Kontroversen in der Flüchtlingspolitik - sowohl zwischen den Koalitionsparteien als auch innerhalb der Koalitionsparteien und -fraktionen (insbesondere CDU/CSU, aber auch SPD-Linke, die jede Beschränkung ablehnt, usw.) - die die Stabilität der Regierung, deren Zusammenhalt und Handlungsfähigkeit bedroht. Kurzum: Merkel könnte argumentieren, dass sie nicht mehr das stetige und stabile Vertrauen aus den Koalitionsfraktionen erhält, dass sie zur Regierungsführung benötigt. Es gebe Drohungen mit abweichenden Stimmverhalten und ggf. Parteiaustritt einerseits und Weigerungen des kleineren Koalitionspartners SPD zu Kompromissen zur Beschleunigung des Asylverfahrens und der Abschiebungen andererseits.

Angesichts des Zickzack-Kurses den die SPD unter Gabriel fährt und der auch dort bestehenden Kontroversen und den zunehmenden Unmut in der Union erscheint eine Entwicklung vorstellbar, in der ein solcher Schritt sich auch verfassungspolitisch gut begründen lässt (zumal das BVerfG 2005 die Kontrolldichte seiner diesbezüglichen Prüfung im Hinblick auf den verfassungsmäßig gebotenen Grundsatz der Organtreue und des freien Mandats der Bundestagsabgeordneten (und damit auch ihres Abstimmungsverhaltens)) noch einmal deutlich gegenüber 1982/83 reduziert hat.

In dieser Konstellation hinge es an Bundespräsident Gauck, ob er - in der Tradition seiner Amtsvorgänger Carstens und Köhler - staatspolitisch verantwortlich handelt oder sich in die Quere stellt, wozu er verfassungsrechtlich durchaus das Recht hat. Politisch klug wäre eine solche Entscheidung aber wohl nicht.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 00:46 Uhr:   

Vielleicht sollte man einfach mal darauf schauen, wieviele Stimmen die Koalition Schröder II über den Durst hatte und wie dieser Wert bei Merkel III ist.
Schröder hat damals mit dem Verlust der Mehrheit in beiden Kammern gerechtfertigt: durch die verlorenen Landtagswahlen, durch die entschwundenen Überhangmandate, durch Abweichler.
Er hatte die Hoffnung, die Bundestagsprobleme durch die Neuwahl zu lösen und für den Bundesrat ein stärkeres Verhandlungsmandat für den Vermittlungsausschuss zu bekommen, ggf. durch die Zuspitzung im Bundestagswahlkampf nach einem Sieg auch künftige Landtagswahlen positiv zu beeinflussen.
Merkel III muss vor einer Wiederholung der Causa Reiche weniger Angst haben und ich unterstelle keine "reinigende Nominierungsrunde", bei der die Abweichler reihenweise in den Wahlkreisen hinweggefegt werden.

Das ist alles überhaupt nicht vergleichbar.

Übrigens find ich den Stoiber-Sturz als Beispiel auch eher abschreckend: dessen Nachfolge war 2005 ja eigentlich schon geregelt und keineswegs so unklar wie die heutige Merkel-Kronprinzen/-prinzessinnen-Riege und dann stürzte man aus der Zweidrittelmehrheit in eine Koalition ab.
Für die CSU ein Trauma. Ein bisschen sehe ich hier sogar die Ursache für die Zugpferdtreue in der Schwesterpartei.
Und auch in den Ländern hat es sich bitter gerächt, wenn man in der Legislaturperiode den Regierungschef gewechselt hat: Ahlhaus, Mappus und McAllister - und Bouffier musste lagerübergreifend koalieren. Einzig AKK hat sich ein Ziel gesetzt, das dann auch erreichbar war.
Carstensen und Böhmer haben dagegen gezeigt: der Übergang funktioniert, wenn er nicht holprig bzw. allzu "kinderlieb" ist.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 10:30 Uhr:   

@Ratinger Linke,

ich schätze Merkel auch so ein, dass sie versuchen wird die Sache auszusitzen. Angesichts der politischen Lage - große Koalition, zunehmend schlechte Aussichten der Union und Schwierigkeiten innerhalb der gegenwärtigen Koalition einen Kurswechsel durchzusetzen - dürften sich potenzielle Nachfolger auch nicht nach vorne drängeln. Diese dürften vielmehr abwarten, bis Merkel selbst mal eine Wahl krachend verliert. Das könnte bei der Bundestagswahl 2017 allerdings leicht der Fall sein. Schon 2005 fuhr Merkel eine Wahlniederlage ein und konnte sich nur auf Grund der noch größeren Verluste der SPD - in dem Fall auch unterstützt durch den unqualifizierten Auftritt von Schröder und der SPD im Wahlnachgang, der zu einer Schließung der Reihen bei der Union führte - in ihrer Position als Parteivorsitzender halten und außerdem noch Kanzlerin werden.

Ein Sturz Merkels 2016 erscheint mir derzeit noch unwahrscheinlich. Allerdings befindet sich derzeit alles im Fluss. Bestehende Grenzen werden nicht mehr gesichert, die Lage gerät zunehmend außer Kontrolle. In dem nun entstandenen Szenario ist sehr viele denkbar - auch das im nachfolgenden Beitrag beschriebene. Psychologisch schätze ich Frau Merkel allerdings auch so ein, dass sie - wie Kohl - darauf setzen wird die Krise auszusitzen und nicht wie Schröder 2005 die Flucht nach vorn antritt.

(Beitrag nachträglich am 15., Oktober. 2015 von Marc editiert)
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 11:50 Uhr:   

@Jan W.,

Gegenbeispiele gibt es auch in großer Zahl. So stürzte Helmut Kohl 1969 seinen Amtsvorgänger Peter Altmaier und etablierte sich damit zu einer Führungspersönlichkeit, die die deutsche Politik Jahrzehnte entscheidend mitprägte und mitbestimmte. Edmund Stoiber selbst kam 1993 ins Amt des bayerischen Ministerpräsidenten, weil die Parteifunktionäre überzeugt waren, dass mit dem durch Affären geschwächten Streibl die Landtagswahl 1994 verloren gehen würde. Diese Rechnung ging ebenfalls auf.

Kurzum: Für die von Ihnen aufgeführten negativen Beispiele (wobei naturgemäß offen ist, ob die Wahlergebnisse bei einem Festhalten an dem jeweiligen Amtsinhaber besser gewesen wären) lassen sich historisch auch positive Gegenbeispiele anführen.

Größe der Mehrheit ist im Übrigen kein Argument für politische Stabilität oder Instabilität. In der Geschichte der Bundesrepublik gibt es eine ganze Reihe von Regierungen mit knapper Mehrheit, die völlig stabil gearbeitet haben. Auch rot-grün hatte 2005 keine einzige Bundestagsabstimmung verloren. So schwach war der Stand von Schröder 2005 in seiner Fraktion nicht (Partei ist nicht gleich Fraktion). Die Auflösung seinerzeit war ein politisches Manöver, da die SPD sich bei vorgezogenen Neuwahlen bessere Chancen ausrechnete als beim regulären Wahltermin 2006. Diese Rechnung ist aufgegangen (auch wenn das Kalkül möglicherweise stärkste Kraft zu werden knapp scheiterte, so rette die SPD hierdurch jedoch ihre Stellung als Regierungspartei). Ähnliche Kalküle könnte es in der Union geben. Der Unmut in der Bevölkerung wächst mehr und mehr - und dürfte 2017 noch größer sein als 2016 und 2016 größer sein als derzeit. Die Basis der Union erodiert auf Grund einer Politik, die mehr mit grünen Positionen anstelle von Unionspositionen übereinstimmt. Und so etwas schadet dem Profil einer Partei, vergrault Stammwähler und ist selbst für Wähler die diese Positionen teilen nicht attraktiv. Diese wählen dann doch lieber das grüne Original als eine angegrünte Union, die ganz offensichtlich nicht hinter dieser erneuten Kehrtwende ihrer Vorsitzenden steht.

Das wird die Union auch nicht für Wähler der sog. Mitte (was immer das genau sein soll, die Mitte ist ein Punkt, keine Fläche) nicht attraktiv machen, da sie mehr und mehr zu einer orientierungslosen und sprunghaften Partei ohne Profil wird. Sie droht zu einer zweiten SPD (in ihrem gegenwärtigen Zustand) zu werden. Sigmar Gabriel ist bereits bei der Niedersachsenwahl 2003 durch tägliche mehrfache Meinungswechsel aufgefallen. Eine klare Linie ist auch heute bei ihm nicht erkennbar (auch wenn er nicht mehr mehrfach täglich die Meinung wechselt, ändert er seine Linie doch im Verlaufe der Wochen mehrfach (auch in der Flüchtlingspolitik)). Sonderlich attraktiv scheint diese "mittige" Bundes-SPD für Wähler jedenfalls nicht zu sein, da sie (zurecht) als beliebig wahrgenommen wird und so Wähler an beiden Ende ihres Wählerspektrums (Mitte und ganz links) verprellt. Das droht nunmehr auch der Union an den beiden Enden ihres Wählerspektrums, besonders beim konservativen Flügel.
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Björn
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Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 12:47 Uhr:   

Das Gejammer der Deutschen ist echt amüsant zu sehen, zumal vieles durch Waffenexport und subventionierte EU-Handelspolitik selbst verschuldet ist, die andere Länder destabilisiert, weil sie wirtschaftlich in Abhängigkeit und klein gehalten werden.

Der Libanon hat 4,4 Mio. Einwohner und 1,1 Mio. Flüchtlinge aufgenommen und hier schreit man gleich rum, wie schlimm alles ist und man zündet hier fleißig Heime an, möchte Politiker auf den Galgen bringen, gibt Morddrohungen an Staatsanwälte ab. Im Osten (ohne Berlin) gibt es einen Ausländeranteil von unter 5% und die Leute in Dresden brüllen was von Masseneinwanderung. Auch schön, wie sich die Begründungen verschieben. Vor einem Jahr hat man Masseneinwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen thematisiert...das Thema ist ja bei den "bürgerlichen" Rechtsextremen nicht mehr so en vogue, da muss jetzt natürlich die "Islamisierung" (was immer das ganz konkret heißen soll) der deutschen Gesellschaft herhalten. Vor 20 Jahren waren es Sinti und Roma, die angeblich in Millionenmassen über Deutschland herfallen und nie wieder hier wegwollen. Die Statistiken zeigen diesbezüglich ein ganz anderes Bild. Die Begründung verschiebt sich nach Laune von Tag zu Tag, ist ja auch zweitrangig, sie dienen ja nur dazu, grundlegende Ressentiments ein wenig zu kaschieren - Hauptsache Deutschland den Deutschen. Und wenn man schon etliche Milliarden nach Griechenland schicken kann, dann kann man die selbstverschuldeten Flüchtlinge auch noch verkraften.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 13:42 Uhr:   

@Björn,

der Libanon ist eine instabiles Ex-Bürgerkriegsland, in dem durchaus auch wieder ein Bürgerkrieg ausbrechen könnte (Stichwort Hisbollah, Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten). Die zunehmende Fluchtbewegung von Sunniten in den Libanon könnte das äußerst fragile politische Gleichgewicht dieses Landes destabilisieren.

Ihr Versuch hier den Libanon als Modell vorzuführen zeugt von einer erschreckenden Unkenntnis über die politischen Verhältnisse dieses Landes. Die kann man sich nun wirklich nicht wünschen.

Im Libanon gab es übrigens kürzlich erst Massenproteste gegen die Unfähigkeit der dortigen Regierung. Angesichts der politischen und religiösen Fragmentierung dieses Landes könnte die Lage dort leicht explodieren. Dieses Land ist weit instabiler als Deutschland - trotz Merkels verheerender und falscher Politik. Im Übrigen: Wenn Sie sich deswegen so große Sorgen machen, sollten Sie ihre Position überdenken. Es gibt durchaus die Möglichkeit die Grenzen zu überwachen und den Zustrom zu kontrollieren. Für diese Funktionen gab und gibt es den Bundesgrenzschutz, der hierfür personell aufgestockt werden könnte, es gibt eine Bundeswehr, die gemeinsam mit europäischen Partnern das Mittelmeer und andere Staatsgrenzen (Griechenland-Türkei) patrouillieren könnte, und schließlich gibt es eine Außen- und Entwicklungspolitik in deren Rahmen man Flüchtlingslager vor Ort betreiben könnte. Sobald der Zuzug in dieses Land beschränkt wird, wird die politische Unzufriedenheit bezüglich dieser Frage auch wieder abnehmen - so war es auch nach dem Asylkompromiss 1993 und der Abnahme des Zustroms in den folgenden Jahren. Diesen Schritt sollte man jetzt wieder gehen, statt unbegrenzten Zuzug zu ermöglichen und keinerlei Grenzen hierfür zu setzen, obwohl man weder verfassungsrechtlich noch völkerrechtlich verpflichtet ist ungesteuerten Zuzug hinzunehmen, ganz abgesehen davon, dass man Gesetze auch ändern kann (wozu gibt es eigentlich Parlamente?). Eine solche Politik ist sowohl wirtschaftspolitisch wie sozialpolitisch verantwortungslos und wird zu zunehmenden Widerspruch in der Bevölkerung führen. In einer Demokratie ist das Volk der Souverän und nicht eine sich für überlegen haltende Elite. Von daher sollte die Politik auf die Mehrheitsmeinungen im Volk hören, die - artikuliert von vielen Kommunalpolitikern, die auf die Überforderung hinweisen - eine Zuzugsbegrenzung fordern. Erfolgt dies nicht wird die Folge ein anderes Wahlverhalten der Bevölkerung und leider auch zunehmende Gewaltbereitschaft sein. Letzteres verurteile ich ausdrücklich. Aber um Gewalt einzudämmen muss man andere Meinungen wenigsten tolerieren und sie in den politischen Prozess einbinden. Anderenfalls kommt es zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen großen Teilen der Bevölkerung und der politischen Klasse, die unweigerlich zu zunehmenden auch gewaltsamen Spannungen führen dürfte. Es gibt hierfür auch ein ganz anderes Beispiel - die Atompolitik - in der sich große Teile der Bevölkerung ab den 80er-Jahren von der Politik nicht mehr vertreten fühlte, wobei ein kleiner Teil auch vor gewaltsamen Aktionen nicht zurückschreckte. Erst seitdem die Politik auf diesem Meinungsumschwung reagierte, beruhigte sich die Lage, die zuvor während jedes Castortransports immer wieder eskalierte (dabei ging es nur um wenige Transporte, so gut wie niemand war unmittelbar selbst von diesen betroffen, die Ängste und Gefahren waren zumindest diffus, usw. - im Vergleich dazu sind die Veränderungen die sich durch Massenzuwanderung ergeben viel deutlicher und evidenter als theoretische Gefahren auf Grund der friedlichen Nutzung der Atomenergie).


Die Krise in der arabischen Welt ist weitgehend selbst verschuldet auf Grund einer konsequenten Verweigerung zur Durchführung grundlegender wirtschaftlicher Reformen. China - immerhin auch ein Drittweltland und am Ende der Mao-Ära wirtschaftlich völlig ausgeblutet - hat sich hingegen hervorragend an die Bedingungen der Weltwirtschaft angepasst. Es ist kein Naturgesetz, dass die Textilindustrie in Südostasien sitzt und nicht etwa in Mittelasien (Usbekistan ist einer der weltgrößten Baumwollproduzenten), Afghanistan oder sogar Ägypten oder Syrien. Hierfür eine Hauptschuld des Westens zu konstruieren ist grotesk. Das sind eigenständige Staaten und Gesellschaften, keine Kinder, die wir erziehen können. Dieser Paternalismus zeugt von einer unglaublichen westlichen Arroganz. In Afghanistan ist der Versuch zur "Zivilisierung" ja nun gründlich gescheitert. Diese Gesellschaften müssen ihren eigenen Weg gehen. Und sie können dass auch, wenn sie sich halbwegs zusammenreißen. Die dortige Staats- und Gesellschaftsstruktur mag uns nicht gefallen, aber das ist zunächst mal Problem der Menschen dort. Auch solche patriarchalisch-autoritären Gesellschaften können relativ stabil sein, soweit ein Mindestmaß an Homogenität besteht (Indien, Iran, Ägypten, Saudi-Arabien, Türkei), was in anderen Fällen nicht gegeben ist, weshalb die Gesellschaften und Staaten weit instabiler sind (von Bosnien über Afghanistan, Syrien, Libanon, Mali, usw.).
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 14:00 Uhr:   

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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 14:30 Uhr:   

@Ratinger Linke,

die meisten der heute hier ankommenden fliehen aber gar nicht direkt aus Syrien hierher, sondern sind bereits in der Türkei oder gehen dorthin und zahlen dort Schlepper um hierher zu kommen. Da Deutschland Personen nicht mehr zurückführt gibt es auch objektiv keinen abschreckenden Effekt für Flüchtlinge deren Dienste in Anspruch zu nehmen. Dies ist ja nun auf einmal in der Mehrzahl der Fälle erfolgreich - während vorher eine hohe Rückführungsquote zumindest in die Erstankunftsländer der EU bestand, in der die Unterbringung nun auch nicht viel besser ist als in der Türkei.

Es ist durchaus möglich diese Personen in der Türkei, in Jordanien oder im Libanon ordentlich unterzubringen. Der Bau adäquater Einrichtungen dort sollte auch erheblich günstiger sein als hierzulande (zumal in der Region ohnehin andere Standards gelten, Heizungen sind z.B. nicht unbedingt erforderlich und sanitäre Gemeinschaftseinrichtungen - anders als hierzulande - ohnehin üblich). Abgesehen davon wären die Flüchtlinge dort in einer kulturell vertrauten Umgebung untergebracht - arabischen Nachbarländern bzw. etwas kulturell fremder, doch immer noch nah, der sunnitisch-islamisch geprägten Türkei. Eine solche Umgebung ist den ganz überwiegend konservativ-sunnitischen Flüchtlingen viel vertrauter, als die hierzulande herrschende Kultur. Dass hierzulande bestehende Geschlechterverhältnis, die relativ freizügige Kleidung insbesondere - im kulturellen Vergleich - der Frauen, die offene Homosexualität und der offene Alkoholkonsum ist für einen Großteil dieser Personen moralisch inakzeptabel. Und das wird unweigerlich zu kulturellen Konflikten führen.

In der Türkei und den arabischen Staaten dürfte es hingegen keine größeren kulturellen Anpassungsprobleme auf Grund des überwiegend bestehenden gemeinsamen sunnitisch-islamischen Hintergrunds geben (von Kleidung, Speisen bis Feiertagen besteht eine große Konvergenz, während hierzulande naturgemäß Probleme und Spannungen auf Grund der kulturellen Differenzen auftreten). In diese können sie sich daher leichter integrieren bzw. von dort können sie - auf Grund der räumlichen Nähe - nach Ende des syrischen Bürgerkriegs (das irgendwann in der Zukunft einmal kommen wird) auch leichter in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden und dort beim Wiederaufbau mitwirken (unabhängig davon, ob es danach noch einen syrischen Staat gibt oder mehrere Kleinstaaten oder - am wahrscheinlichsten - eine fragile Föderation nach dem Muster von Bosnien).
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Ratinger Linke
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Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 14:33 Uhr:   

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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 14:50 Uhr:   

@Ratinger Linke,

der Flüchtlingszustrom hat im Libanon ohne Zweifel destabilisierende Wirkung - wie auch die palästinensischen Flüchtlinge destabilisierende Wirkung auf Jordanien hatten und haben (man denke nur an den Schwarzen September 1970 in Jordanien und den zunehmenden Einfluss der insbesondere von palästinensischen Flüchtlingen und deren Nachkommen unterstützen Muslimbruderschaft (während die traditionellen Stämme Jordaniens königstreu sind)).

Kurzum: Ohne eine Stabilisierung der Lage in Syrien droht ein Flächenbrand, im Worst-Case-Szenario von Europa bis zum Hindukusch. Außer den USA ist kein Staat wirklich handlungsfähig, wobei diese leider bis zur Präsidentschaftswahl politisch handlungsunfähig sind. Danach werden sie hoffentlich wieder die Führung übernehmen und eine Schutzzone in Nordsyrien einrichten. Dort könnte dann ein Großteil der weiteren aus Kernsyrien zu erwartenden Flüchtlinge untergebracht werden.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 15:07 Uhr:   

Der Kohl-Vorgänger schreibt sich übrigens Peter Altmeier und ist weder zu verwechseln noch verwandt mit heutigen Bundesministern ähnlichen Namens.
Altmeier ist ein Musterbeispiel für einen Generationswechsel - niemand war länger Ministerpräsident eines (!) Bundeslandes.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46477742.html
Kohl wollte Altmeiers mittelalterlichen Gottesstaat ins 20. Jahrhundert bringen. Schwimmende Mädchen waren damals ein Gräuel, für den Sportunterricht galten strenge Kleidervorschriften, und der Protestantismus gehörte damals nicht zum kleinen Weinstaat.

Ein Vergleich Streibl/Merkel ist mehr als geschmacklos.

Schröder hatte es mit einer schrumpfenden Mehrheit zu tun, die sich bereits halbiert hatte. Die Wahlrechtsmechanik (nicht wiederzubesetzende Überhangmandate) und das Abweichlertum drückten ihn absehbar an die Wand.
Brandt, Kohl und Schröder verbanden mit ihren vorzeitigen Wahl per Vertrauensfrage übrigens die Hoffnung auf eine parlamentarische Stärkung; ich weiß nicht, ob Angela Merkel in Schkeuditz den Eindruck hatte, sie könnte sich per Neuwahl eine gefälligere Unionsfraktion schnitzen.
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Marc
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Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Oktober 2015 - 15:38 Uhr:   

@Jan W.,

besten Dank für den Hinweis bezüglich Altmeier.

Ihr polemischer Beitrag gegen Ministerpräsident Altmeier passt allerdings nicht zu der von Ihnen sonst doch immer angemahnten Sachlichkeit. Rheinland-Pfalz war damals kein "mittelalterlicher Gottesstaat". Eine solche Charakterisierung mag auf den bis 1870 in Italien bestehenden Kirchenstaat noch halbwegs zutreffen, aber nicht mehr auf spätere Staatsformen in der westlichen Welt.

Der Vergleich Streibl/Merkel bezieht sich im übrigen nur auf den Popularitätsverfall in der Bevölkerung, nicht auf die Ursachen. Das ist machtpolitisch im Übrigen auch belanglos. Ob ein Politiker das Vertrauen in der Bevölkerung verliert, weil er in Affären verstrickt ist (wobei im Nachhinein der Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags alle Vorwürfe gegen Streibl fallen ließ) oder weil dessen Politik von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird macht für die Wahlchancen keinen Unterschied. Wenn Parteien Vereinigungen sind deren Zweck Machterhalt bzw. Machtgewinn ist (Schumpeter), ist es nur logisch dass Spitzenpersonal auszutauschen wenn anderenfalls ein Machtverlust zu erwarten ist (unabhängig davon aus welchen Gründen ein Spitzenpolitiker an Zustimmung in der Bevölkerung eingebüßt hat). Natürlich muss sich immer erst ein "Brutus" finden, aber das ist häufig der Fall.

Zum historischen Aufriss lässt sich sagen: Brandt und Kohl waren mit ihrer Neuwahlstrategie erfolgreich, Schröder nicht. Wobei Schröders SPD bei einer regulären Wahl 2006 wohl noch schlechter abgeschnitten hätte und wahrscheinlich in der Opposition gelandet wäre. Insoweit war es zumindest ein Teilerfolg.

Merkel hätte nach Neuwahlen jedenfalls eine neue Legitimation - wäre aber u.U. aufgrund von Wahlverlusten auch geschwächt. Andererseits stellt sich die Frage ob sie angeschlagen wie sie ist bis 2017 durchhält. Ich glaube auch dass sie versuchen wird die Probleme auszusitzen.

Aber die Frage ist ob ihr das gelingt. Mit bloßen Durchhalteparolen ("Wir schaffen das") dürfte sie jedenfalls nicht durchkommen. Denn die Fragen kommen - sowohl aus der Partei wie der Bevölkerung - was sie denn dafür tut die Probleme einzudämmen und zu lösen, anstatt sie durch unverantwortliches Gerede (es gebe keine Obergrenzen) noch zu verschärfen.

(Beitrag nachträglich am 15., Oktober. 2015 von Marc editiert)
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 31. Oktober 2015 - 23:13 Uhr:   

Die Umfragen der Union sinken weiter, und auch der Merkel-Bonus schwindet:



http://www.rp-online.de/politik/der-angela-merkel-bonus-ist-weg-umfrage-werte-sinken-aid-1.5502769

Insa/YouGov sieht die Union nur noch bei 35% und selbst das renomierte Emnid-Institut taxiert die Union nur noch bei 36%. Die AfD profitiert am meisten vom Niedergang der Unionsparteien mit aktuellen Umfragewerten zwischen 6-8%. Auch die FDP kann leicht zulegen und liegt bei den meisten Umfrageninstituten nunmehr bei über 5%.

Die linken Parteien können hingegen in den Umfragen nicht profitieren: SPD, Grüne und Linke erhalten zusammengenommen nur magere 45%.

Vieles deutet darauf hin, dass sich diese politische Entwicklungstendenz in den nächsten Monaten und Jahren fortsetzen wird.
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Interessierter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 01. November 2015 - 01:57 Uhr:   

Okay, wenn die CSU wirklich ernst machen würde und die derzeitige Koalition gefährdet, dann gäbe es noch eine dritte Möglichkeit, wie die Merkel-Regierung stürzt.
Das habe ich nicht kommen sehen als ich meinen Beitrag schrieb.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 01. November 2015 - 02:52 Uhr:   

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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 01. November 2015 - 18:28 Uhr:   

"Langfristig muss es für die Union nicht schlecht ausschaun. Sind ja hauptsächlich Probleme, wo ihr selber die größte Kompetenz zugesprochen wird."
Bisher sind die Umfragewerte der Union tatsächlich (noch?) nicht so schlecht. Bei der vorletzten Bundestagswahl holte sie nur 33,8%. Merkels Problem ist aber, dass sie das Zuwanderungsthema für lange Zeit, wahrscheinlich bis zum Ende ihrer politischen Laufbahn, nicht mehr los wird, während die üblichen Affären nach ein paar Monaten vergessen sind. Merkel wird eher als Hauptverantwortliche für das Problem statt als Problemlöserin wahrgenommen. Wenn Merkel bei ihrem Kurs bleibt, wird das der Union ganz sicher massiv schaden. Abgemildert wird das nur dadurch, dass viele in anderen Parteien keine bessere Alternative sehen werden. Nur eine Minderheit der Gegner ihrer Asylpolitik wird zur AfD gehen. SPD, Grüne, Linkspartei und FDP sind da entweder ungefähr auf Merkels Linie oder noch stärker dafür, möglichst alle reinzulassen.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 02. November 2015 - 18:38 Uhr:   

@R.L.,

den von Ihnen gezogene Vergleich halte ich für ungeeignet.
Die Spendenaffäre 1999 war ein temporäres Phänomen, eine Affäre, die aufkommt und wieder vergeht, so wie viele vor ihr und nach ihr.

Bei der jetzigen Massenzuwanderung handelt es sich um ein dauerhaftes Phänomen. Die von der Bundesregierung bisher in dieser Frage betriebene Politik widerspricht grundsätzlichen Positionen der Union und eines großen Teils von ihren Wählern. Insofern halte ich eher den Vergleich mit der Agenda 2010-Politik der SPD ab 2003 für passender.

Bei der folgenden Bundestagswahl 2005 hat diese Politik zu einer Zersplitterung des "linke Lagers" geführt. Rot-Grün verlor die Mehrheit, es gab aber weiterhin eine linke Mehrheit im Bundestag, die jedoch nicht zu einer Regierungsbildung genutzt werden konnte. Die Union verlor sogar noch an Stimmen.

Ein vergleichbares Szenario halte ich für 2017 für wahrscheinlich. Die Union dürfte einbüßen und die AfD als Pendant zur Linkspartei von 2005 den Einzug in den Bundestag schaffen. Es dürfte wieder eine Mitte-Rechts-Mehrheit im Bundestag geben. Die SPD dürfte tendenziell eher leichte Verluste einfahren bzw. sich höchstens auf dem Niveau der letzten Bundestagswahl halten. Die Linken dürften angesichts ihrer schwachen neuen Führung Einbußen einfahren und die Grünen möglicherweise von der Schwäche der SPD und der Linken profitieren. Auch ein Wiedereinzug der FDP erscheint möglich, hauptsächlich auf Grund des Niedergangs der Union und nicht auf Grund eigener Verdienste.

Die Verhältnisse zwischen den "Lagern" nach Zahl der Wählerstimmen dürften sich kaum verändern - so wie sie sich 2005 gegenüber 2002 bei Betrachtung von zwei "Lagern" auch kaum verändert haben. Die Bewegungen fanden innerhalb der "Lager" statt.

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