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Kanzlermehrheit

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Archiv bis 03. März 2012Arno Nymus20 03.03.12, 09:22h 
Archiv bis 24. März 2012Ingo Zachos20 24.03.12, 12:18h 
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Gregor Kaller
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 24. März 2012 - 22:25 Uhr:   

@ Holger81:

In Baden-Württemberg braucht es zur Wahl des MP die absolute Mehrheit der Mitglieder des Landtages.

Art. 46 Abs. 1 LV bestimmt hierzu kurz und knapp:
"Der Ministerpräsident wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder ohne Aussprache in geheimer Abstimmung gewählt. Wählbar ist, wer zum Abgeordneten gewählt werden kann und das 35. Lebensjahr vollendet hat."
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Gregor Kaller
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 24. März 2012 - 22:41 Uhr:   

Gleiches gilt in Rheinland-Pfalz.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 25. März 2012 - 11:39 Uhr:   

@Gregor Kaller
Rheinland-Pfalz ist aber das einzige Bundesland, wo die Amtszeit des Ministerpräsidenten unbefristet ist. Es ist zwar üblich, dass der Ministerpräsident vor der konstituierenden Sitzung zurücktritt, aber er kann das auch sein lassen, wenn ihm das Risiko zu groß ist.

@Holger
Die absolute Mehrheit ist unbedingt erforderlich in BW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Hamburg und dem Saarland. In Bayern und Bremen reicht dagegen die einfache Mehrheit immer.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 27. April 2012 - 20:03 Uhr:   

Danke f�r die zusammengetragenen L�nder-Infos. Eins kann ich noch erg�nzen: In Schleswig-Holstein reicht im 3. Wahlgang die relative Mehrheit (was Simonis 2005 trotzdem nicht geholfen hat). Insgesamt steht es damit unter den "bekannten" L�ndern 5:4 f�r die absolute Mehrheit, also fast h�lftige Teilung. Wei� noch jemand, wie es in Niedersachsen und den ostdeutschen L�ndern aussieht?
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 28. April 2012 - 09:14 Uhr:   

Ohne es im Detail überprüft zu haben, war das vermutlich so gemeint, dass in den restlichen Ländern eine absolute Mehrheit der Mitglieder unter bestimmten Umständen entbehrlich ist. Das lässt sich aus den Verfassungen ziemlich leicht ermitteln.

In Niedersachsen muss z.B. der Landtag nach fehlgeschlagener Ministerpräsidentenwahl über seine Auflösung beschließen. Wenn es dafür keine absolute Mehrheit der Mitglieder gibt, wird ein Ministerpräsident mit relativer Mehrheit gewählt.

In Bayern wird die relative Mehrheit dadurch relativiert, dass der Ministerpräsident zurücktreten muss, "wenn die politischen Verhältnisse ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen ihm und dem Landtag unmöglich machen". Das ist mit voller Absicht windelweich formuliert; im Zweifel entscheidet der Verfassungsgerichtshof.

Im Alternativentwurf wär der bayrische Ministerpräsident vom Staatspräsidenten ernannt worden (bei ignorierbarer Zustimmung des Landtags). Der Staatspräsident wär asynchron mit Stichwahl von der Landesversammlung, bestehend aus Landtag plus Landesrat, gewählt worden. Der Landesrat wär eine richtige zweite Kammer gewesen, halb so groß wie der Landtag und zusammen mit dem Landtag auch mit Verhältniswahl gewählt. Bei zwischen Landtag und Landesrat strittigen Gesetzen hätt es stets einen Volksentscheid gegeben. Wobei sich das natürlich alles ändern hätte können, wenn sich die verfassunggebende Landesversammlung tatsächlich für einen Staatspräsidenten entschieden hätte (was eine ernsthafte Option war).
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 28. April 2012 - 11:07 Uhr:   

"war das vermutlich so gemeint, dass in den restlichen Ländern eine absolute Mehrheit der Mitglieder unter bestimmten Umständen entbehrlich ist."
Richtig.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 29. April 2012 - 17:51 Uhr:   

@Thomas Frings:
""war das vermutlich so gemeint, dass in den restlichen Ländern eine absolute Mehrheit der Mitglieder unter bestimmten Umständen entbehrlich ist."
Richtig."

Ah, dann hatte ich den vorigen Beitrag falsch verstanden. Danke für die Klarstellung

@Ratinger Linke: Danke für den Link, damit konnte ich das in der Tat selbst ermitteln.

Um meine und Thomas' Ergebnisse zusammenzufassen (nach dem "machttechnisch" entscheidenden letzten Wahlgang gibt es ja z.B. keinen Unterscheid zwischen NRW und Bremen):

*In BW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Hamburg und dem Saarland ist immer die absolute Mehrheit der Mitglieder erforderlich.

*In Berlin und Sachsen ist "im letzten Wahlgang" die Mehrheit der abgegebenen Stimmen nötig.

*In Niedersachsen, MV, S-A kann sich der Landtag mit Mehrheitsbeschluss auflösen, wenn keine absolute Mehrheit zustande kommt. Tut er es nicht, wird der MP mit relativer Mehrheit gewählt.

*In Bayern, Bremen, NRW, Thür., Brandenburg, Schl.-Holst. reicht "im letzten Wahlgang" die relative Mehrheit.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 29. April 2012 - 22:09 Uhr:   

BW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Saarland: immer Mehrheit der Mitglieder erforderlich

Bayern, Bremen: Mehrheit der abgegebenen Stimmen

Schleswig-Holstein, Berlin, Brandenburg, Thüringen: erste beide Wahlgänge Mehrheit der Mitglieder, 3. WG meiste Stimmen

NRW: 1. WG Mehrheit der Mitglieder, 2. und 3. WG Mehrheit der abgegebenen Stimmen, dann Stichwahl der beiden Stimmenstärksten des 3. WG

Niedersachsen, S.-Anhalt, MV: 1 und 2. WG Mehrheit der Mitglieder (in NI zusätzlich Bestätigung der Regierung durch Landtag), dann Beschluss über Auflösung, beschließt Landtag nicht Auflösung mit Mehrheit der Mitglieder, dann 3. WG, wobei dann in NI und MV der Bewerber mit den meisten Stimmen gewählt ist, in ST ist die Mehrheit abgegebenen Stimmen erforderlich.

Sachsen: 1. WG Mehrheit der Mitglieder, dann Mehrheit der abgegebenen Stimmen

In der Praxis und nach der staatsrechtlichen Kommentarliteratur zählen Enthaltungen übrigens nicht zu "abgegebenen Stimmen".
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 30. April 2012 - 19:58 Uhr:   

"Bayern, Bremen: Mehrheit der abgegebenen Stimmen

Schleswig-Holstein, Berlin, Brandenburg, Thüringen: erste beide Wahlgänge Mehrheit der Mitglieder, 3. WG meiste Stimmen"

Nein, in Berlin ist laut der von RL verlinkten Verfassung nur die Mehrheit der abgegebenen Stimmen nötig, und kein weiterer Wahlgang mit relativer Mehrheit vorgesehen. Und für Bayern und Bremen meinten Sie vermutlich wie oben die relative Mehrheit. Ansonsten kann ich die Details zu den Wahlgängen bestätigen, danke fürs Auflisten.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 01. Mai 2012 - 09:58 Uhr:   

Was genau mit "Mehrheit" gemeint ist (auch wenn das näher spezifiziert ist), ist so gut wie nie klar. In Berlin könnte relevant sein, dass "abgegebene Stimmen" nach der dortigen Interpretation bei Abgeordnetenhauswahlen auch ungültige Stimmen einschließen.

In Bayern wird "Mehrheit" (insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung) gewöhnlich als einfache Mehrheit interpretiert. In der Verfassung steht zwar zur Wahl des Ministerpräsidenten nichts Konkretes, aber was Anderes würd der Verfassungsgerichtshof wahrscheinlich beanstanden. In der Geschäftsordnung des Landtags findet sich eine der wenigen weitgehend eindeutig anwendbaren Regelungen (gilt generell für Wahlen):

"§ 42 Wahlvorschläge und Durchführung der Wahl
(1) Für die Wahlen gelten folgende Regeln:
1. Wahlvorschläge können von jedem wahlberechtigten Mitglied des Landtags gemacht werden.
2. Die Wahl findet geheim statt.
3. Für die Geheimhaltung ist durch Bereitstellung von Namenskarten und amtlichen Stimmzetteln Sorge zu tragen.
4. Es werden getrennte Urnen für die Namenskarten und für die Stimmzettel bereitgestellt.
5. Namenskarte und Stimmzettel sind im Beisein der oder des Stimmberechtigten von einer Schriftführerin oder einem Schriftführer bzw. einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter des Landtagsamts in die jeweilige Urne zu werfen.
(2) Die Vollversammlung kann von geheimer Wahl Abstand nehmen, es sei denn, ein Drittel der Mitglieder widerspricht.
(3) Die Wahl erfolgt durch Kennzeichnung einer Kandidatin oder eines Kandidaten oder einer Liste oder durch die Beschriftung des Stimmzettels mit dem Namen einer Kandidatin oder eines Kandidaten oder mit einem der Worte „Ja“, „Nein“, „Enthaltung“ oder mit einer gleich bedeutenden Formulierung."


"§ 43 Gültigkeit der Stimmen
(1) Ungültig sind abgegebene Stimmzettel,
1. wenn sie anders als im Sinn des § 42 Abs. 3 verändert sind,
2. wenn sie den Willen der Wählerin oder des Wählers nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder
3. wenn die Person der Wählerin oder des Wählers erkennbar wird.
(2) Enthaltungen sind gültige Stimmen. Unverändert abgegebene Stimmzettel gelten als Enthaltungen."


"§ 44 Wahlergebnis
Gewählt ist die Kandidatin oder der Kandidat, die oder der mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhält. Bei der Ermittlung der erforderlichen Mehrheit werden Enthaltungen und im Fall einer Wahl mit mehreren Kandidatinnen und Kandidaten für einen Sitz auch Neinstimmen nicht berücksichtigt. Entsprechendes gilt, wenn nur eine Liste zur Wahl steht."


"§ 45 Stichwahl
(1) Erreicht keine der Bewerberinnen oder keiner der Bewerber die erforderliche Mehrheit nach § 44, so findet eine Stichwahl zwischen den zwei Bewerberinnen oder Bewerbern statt, die die meisten Stimmen erlangt haben. Steht infolge Stimmengleichheit nicht fest, wer in die Stichwahl kommt, so gilt Folgendes:
1. Erreichen mehr als zwei Bewerberinnen oder Bewerber die höchste Stimmenzahl, so wird unter ihnen die Wahl wiederholt.
2. Erreichen mehr als eine Bewerberin oder mehr als ein Bewerber die zweithöchste Stimmenzahl, so entscheidet das Los, wer von diesen in die Stichwahl kommt.
(2) Ergibt sich bei der Stichwahl Stimmengleichheit, wird die Stichwahl wiederholt. Erreichen dabei wiederum beide Bewerberinnen oder Bewerber die gleiche Stimmenzahl, entscheidet das Los.
(3) Bei der Stichwahl findet § 44 Anwendung."


Ungeregelt ist allerdings der Fall, dass es nur 1 Bewerber gibt und der die Mehrheit nach § 44 nicht erreicht.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 01. Mai 2012 - 11:11 Uhr:   

@Holger
"Nein, in Berlin ist laut der von RL verlinkten Verfassung nur die Mehrheit der abgegebenen Stimmen nötig"
Der Verfassungswortlaut in Berlin ist eindeutig:
1) Der Regierende Bürgermeister wird mit der Mehrheit der Mitglieder des Abgeordnetenhauses gewählt. Kommt eine Wahl nach Satz 1 nicht zustande, so findet ein zweiter Wahlgang statt. Kommt die Wahl auch in diesem Wahlgang nicht zustande, so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält.
http://www.berlin.de/rbmskzl/verfassung/abschnitt4.html

Die jetzige Regelung ist allerdings noch ziemlich neu.


In Bremen steht "Mehrheit der abgegebenen Stimmen" wörtlich in der Verfassung.

In Bayern sagt Art. 23 Abs. 1:
Der Landtag beschließt mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sofern die Verfassung kein anderes Stimmverhältnis vorschreibt.

Das gilt mangels abweichender Regelung auch für die MP-Wahl. Mit der "einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen" ist bei Abstimmungen schlicht mehr Ja- als Nein-Stimmen gemeint. Nur kann es bei einer Wahl natürlich mehr als zwei Bewerber geben. Der Wortlaut lässte sich m. E. aber nicht so auslegen, dass bei der MP-Wahl die meisten Stimmen reichen und auch die GO-Regelung geht von einer anderen Auslegung aus.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 01. Mai 2012 - 18:22 Uhr:   

Bei mehr als 2 Alternativen ist schon ziemlich klar, dass auch da die absolute Mehrheit der sich nicht enthaltenden gültigen Stimmen gemeint ist. Es ist halt in der Verfassung ungeregelt, wie man zu der kommt. Die Geschäftsordnung selektiert eine von vielen Möglichkeiten.

Kritisch ist der Losentscheid. Normalerweise hat der Status quo bei Stimmengleichheit Vorrang, aber bei einem vakanten Posten scheidet das aus. Wenn man ein Ergebnis will, kommt man da bei Stimmengleichheit nicht drumrum, auf ein anderes Verfahren als die Mehrheit zurückzugreifen.

Das Hauptproblem ist aber der Fall, dass es nur 1 Alternative gibt und auch der Status quo ausscheidet. Dass ausgerechnet da eine Entscheidung blockierbar sein soll, ist wenig einsichtig. Ohne Gegenkandidat reichen 90 von 180 Stimmen nicht zur Wahl, aber wenn man zusätzlich einen Dummykandidaten aufstellt, soll plötzlich 1 von 180 Stimmen reichen (oder bei Losentscheid auch 0 Stimmen).

Praktisch ist das aber irrelevant, weil der bayrische Landtag nur bei Anwesenheit der Mehrheit der Mitglieder beschlussfähig ist und damit auch nur diese Mehrheit eine Wahl oder Abstimmung erzwingen kann. Ursprünglich war eine 2/3-Anwesenheit zur Beschlussfähigkeit vorgesehn. Dass das faktisch eine 2/3-Mehrheit für jeden Beschluss bedeuten würde, hat der Verfassungsausschuss noch erkannt, aber dass die schließlich beschlossene Fasssung faktisch auch die einfache Mehrheit aushebelt, ist nicht weiter problematisiert worden.

Die "einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen" war übrigens schon im Vorentwurf Hoegners drin und ist nicht weiter diskutiert worden. In der Bamberger Verfassung hat es nur "Mehrheit der abgegebenen Stimmen" geheißen, in der Weimarer Verfassung (die auch ein Vorbild für Hoegner war) "einfache Stimmenmehrheit". Im Grundgesetz steht "Mehrheit der abgegebenen Stimmen" (wie in Weimar mit Ausnahmen durch die Geschäftsordnung bei Wahlen, was momentan bei den Präsidenten genutzt wird (qualifiziertere Mehrheit) und in der Geschäftsordnung des Reichstags bei den Schriftführern (geringere Mehrheit)).
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 01. Mai 2012 - 18:33 Uhr:   

Dann haben wir verschiedene Versionen der Verfassung; in der oben verlinkten Verfassungsliste lautet die Berliner Verfassung (Stand 1998) so:

"Artikel 56.
(1) Der Regierende Bürgermeister wird mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen vom Abgeordnetenhaus gewählt.
(2) Die Wahl der Bürgermeister und der Senatoren erfolgt auf Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters durch das Abgeordnetenhaus.
(3) Kommt aufgrund des Vorschlages des Regierenden Bürgermeisters innerhalb einer Frist von 21 Tagen ein Senat nicht zustande, so ist der Auftrag zur Senatsbildung erlöschen und eine Neuwahl vorzunehmen.
(4) Die Mitglieder des Senats können jederzeit von ihrem Amt zurücktreten."

Es kann aber natürlich gut sein, dass die Version veraltet ist.


Bei Bremen haben Sie recht, da habe ich mich vertan, Entschuldigung. Bei Bayern bin ich mir nicht ganz sicher, ob Ihre Argumentation hier zutrifft: Ist die Wahl des MP ein "Beschluss"? Unter einem Beschluss verstehe ich normalerweise eine Sachentscheidung. Sonst würde ja die von Ratinger Linke zitierte Geschäftsordnung der Verfassung widersprechen.

Nach dieser ist ja zunächst die einfache Mehrheit nötig, aber falls kein Kandidat diese erreicht, findet eine Stichwahl zwischen den beiden stärksten Kandidaten statt, bei der der mit den meisten Stimmen gewinnt (wie im 4. WG in NRW). Also faktisch relative Mehrheit im 2. WG.

@RL:
"Ungeregelt ist allerdings der Fall, dass es nur 1 Bewerber gibt und der die Mehrheit nach § 44 nicht erreicht."

Für mich ergibt eine logische Anwendung von § 45 in diesem Fall, dass es eine "Stichwahl" mit nur einem Kandidaten gibt, der dann automatisch gewählt ist, wenn er mindestens eine Stimme erhält.
Wäre dem nicht so, könnte die Regierungskoalition in spe einfach einen zweiten (für die Opposition noch inakzeptableren) "Zählkandidaten" aufstellen und diesem im 1. WG eine Stimme geben, sodass eine Stichwahl mit 2 Regierungskandidaten zustande käme, in der dann der Wunschkandidat "einstimmig" gewählt würde.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 01. Mai 2012 - 22:28 Uhr:   

Zu Berlin:

Das ist Ende 2009 im Eilverfahren von allen gegen die Grünen beschlossen worden. Es hat weder in der ersten noch der zweiten ("dringlichen") Lesung eine Aussprache gegeben. Begründung war:

"Derzeit wird der/die Regierende Bürgermeister/in mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen vom Abgeordnetenhaus gewählt (Art. 56, Abs. 1 VvB). Diese Regelung ist im Vergleich der Länderverfassungen einmalig. Zudem ist der Verfassung nicht klar zu entnehmen, ob Enthaltungen und ungültige Stimmen bei der Ermittlung der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu berücksichtigen sind. Ziel ist eine eindeutige und dem Verfahren im Deutschen Bundestag und in den meisten anderen Landtagen vergleichbare Regelung."

Hintergrund ist die Wahl 2006. Wowereit war einziger Kandidat; es hat 74 Jastimmen, 73 Neinstimmen und 2 Enthaltungen gegeben. Wowereit hat die Wahl schon angenommen und war kurz vor der Vereidigung, wie der Präsident (Momper) nach Protesten von CDU und Grünen festgestellt hat, dass die Wahl doch nicht erfolgreich war. In der GO war damals geregelt:

"Bei der Ermittlung der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zählen die Stimmenthaltungen und die ungültigen Stimmen mit."

Im zweiten Wahlgang waren es 75 Ja- und 74 Neinstimmen (bei einer theoretischen Meherheit von 76 Stimmen; alle anwesend).

Ausschussprotokoll (ab Seite 11)

Daraus geht übrigens hervor, dass sie auch künftig gedenken, das anders auszulegen, als es drinsteht, nämlich dass die "meisten Stimmen" in Wirklichkeit eine einfache Mehrheit sein sollen, wenn es nur 1 Kandidaten gibt (oder gar auch bei mehreren?). Die Grünen wollten auf jeden Fall eine absolute Mehrheit der Mitglieder.

verfassungen.de hat den Nachteil, dass die Verfassungen nicht immer ganz aktuell sind. Die letzte Grundgesetzänderung ist auch noch nicht drin.

In Bremen steht in der GO: "Dabei zählen Stimmenthaltungen nicht mit. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los."

Bei der Stichwahl in Bayern ist eine einfache Mehrheit nötig. Einfache und relative Mehrheit sind (in der üblichen Interpretation) bei 2 Kandidaten identisch.

Bei nur 1 Kandidaten gibts jedenfalls das Problem, dass § 45 explizit von 2 Kandidaten spricht und das Verfahren sonst auch unklar ist. Andererseits regelt er aber, dass eine Stichwahl gegebenenfalls auch bei 1 Kandidaten stattfindet. Also effektiv eine Regelungslücke. Ziemlich sicher wird das so interpretiert, dass dann eine Wahl nicht erfolgreich ist, wenn sie das selbst in Berlin tun, wo der Wortlaut eigentlich eindeutig entgegengesetzt ist.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 01. Mai 2012 - 23:18 Uhr:   

"Bei der Stichwahl in Bayern ist eine einfache Mehrheit nötig. Einfache und relative Mehrheit sind (in der üblichen Interpretation) bei 2 Kandidaten identisch."
Richtig; was ich meinte, ist, dass ein Kandidat, der im 1. Wahlgang nur die relative Mehrheit erreicht, dann im 2. Wahlgang gewählt wird, wenn die Unterstützer der "ausgeschiedenen" Kandidaten sich dann ("erwartungsgemäß") enthalten.

Die Geschichte zur Berliner Verfassungsänderung ist interessant; erstaunlich, dass die Geschäftsordnung da gewissermaßen über die Verfassung gestellt wurde. (Wobei in der verlinkten Diskussion einfache und relative Mehrheit verwechselt werden, und die behauptete "Einmaligkeit" ja wie oben festgestellt falsch ist.)

"Im zweiten Wahlgang waren es 75 Ja- und 74 Neinstimmen (bei einer theoretischen Mehrheit von 76 Stimmen; alle anwesend)."
Wie ist das möglich, wenn es 150 anwesende Abgeordnete gab? Falls es noch eine Enthaltung gab, wäre die absolute Mehrheit ja wieder nicht erreicht worden.
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Hanseat
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 01. Mai 2012 - 23:55 Uhr:   

@Holger 81:

Dass alle anwesend waren, heißt ja nicht, dass alle auch abgestimmt haben müssen. Eventuell war auch eine Stimme ungültig.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 02. Mai 2012 - 14:23 Uhr:   

Mit der "theoretischen Mehrheit" war die Summe der Sitze der Koalitionsfraktionen (SPD und Linke) gemeint. Anwesend waren alle 149.

Die Berliner Verfassung war einfach uneindeutig und ist es bei der 5- bzw- 3-Prozent-Klausel immernoch. Die Auslegung in den beiden Fällen war zumindest konsistent. Einmalig war die Regel insofern, als nicht abgegebene Stimmzettel (und nur die) bei der Berechnung der Mehrheit nicht mitgezählt haben. Es schaut aber nicht danach aus, dass ihnen dieser Unterschied überhaupt bewusst war.

Zur Stichwahl: Wenn sich die, deren Erstpräferenz nicht in die Stichwahl gekommen ist, enthalten, dann ist das deren Problem und ändert nichts daran, dass ein Kandidat schließlich mit einfacher Mehrheit gewählt wird (die Frage ist nur, ob es der bestmögliche ist). Wenn man generell von so einem Verhalten ausgehn würde, bräuchte man sowieso keine Stichwahl durchführen. Insofern ist das sicher nicht "erwartungsgemäß".
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 02. Mai 2012 - 15:43 Uhr:   

"Mit der "theoretischen Mehrheit" war die Summe der Sitze der Koalitionsfraktionen (SPD und Linke) gemeint. Anwesend waren alle 149."
Verstehe, ich hatte darunter die nötige "Kanzlermehrheit" verstanden.

"Die Berliner Verfassung war einfach uneindeutig [...]. Einmalig war die Regel insofern, als nicht abgegebene Stimmzettel (und nur die) bei der Berechnung der Mehrheit nicht mitgezählt haben."
Die Unterschiede zu Bremen lagen aber doch nur in der Auslegung durch die Geschäftsordnung, nicht in der Verfassung selbst?

"Zur Stichwahl: Wenn sich die, deren Erstpräferenz nicht in die Stichwahl gekommen ist, enthalten, dann ist das deren Problem und ändert nichts daran, dass ein Kandidat schließlich mit einfacher Mehrheit gewählt wird (die Frage ist nur, ob es der bestmögliche ist). Wenn man generell von so einem Verhalten ausgehn würde, bräuchte man sowieso keine Stichwahl durchführen. Insofern ist das sicher nicht "erwartungsgemäß"."
Natürlich ist eine Enthaltung "ihr Problem", aber genauso ist das Festhalten an einem aussichtslosen 3. Kandidaten in einem Wahlgang mit relativer Mehrheit "ihr Problem". Bei taktisch klug wählenden Abgeordneten gibt es keinen Unterschied zwischen einer Stichwahl und einem Wahlgang mit relativer Mehrheit, wenn die Mehrheitsverhältnisse durch einen vorherigen Wahlgang klar sind und nicht drei Kandidaten realistische Chancen auf eine relative Mehrheit haben. (Nur im letzteren Fall entsteht durch die Stichwahl in der Tat eine andere Situation.)
"Erwartungsgemäß" finde ich Enthaltungen insofern, dass mir kein Fall einer MP-Wahl bekannt ist, wo eine Fraktion in aufeinanderfolgenden Wahlgängen nur aufgrund unterschiedlicher Wahlmodi unterschiedlich abgestimmt hätte.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 03. Mai 2012 - 06:16 Uhr:   

Es hat ja in Deutschland nach 1945 noch fast nie eine wirkliche Minderheitsregierung direkt nach ihrer Wahl gegeben, bei der nicht faktisch weitgehend konstante absolute Mehrheiten abzusehn gewesen wären. Abgesehn von Niedersachsen 1976, wo es eine absolute Mehrheit der Mitglieder gegeben hat, war da eigentlich NRW 2010 der erste Fall, und da hat die Regierung zumindest eine relative Mehrheit gehabt. Ohne die relative Mehrheit hätte die Linke in einer Stichwahl garantiert für Kraft gestimmt.

In solchen Fällen, wo die Fronten klar sind, sind die Spezialregelungen aber auch noch nicht wirklich nötig; notfalls lässt sich da auch von vornherein eine absolute Mehrheit der Mitglieder für die Ministerpräsidentenwahl organisieren. Notwendig sind sie aber dann, wenn bei Abgeordneten das Verhalten unklar ist und entweder mehr als 2 ernsthafte Alternativen existieren oder Enthaltungen und dergleichen eine Rolle spielen. Erkenntnisse aus vorherigen Wahlgängen helfen wenig, wenn man davon ausgehn muss, dass sie auch von anderen Abgeordneten genutzt werden und die Situation damit wieder offen ist.

Bei 3 Kandidaten müssen nicht alle Chancen auf eine relative Mehrheit haben. Es reicht schon, wenn unklar ist, wer Zweiter und wer Dritter ist. Außerdem hat u.U. auch ein Kandidat einer ganz kleinen Minderheit Chancen auf eine relative (oder auch absolute) Mehrheit durch taktische Wahl, wenn er entweder der Condorcetsieger ist oder seine Anhänger glaubhaft machen, dass sie stur an ihm festhalten werden. Letzteres schließt eine Stichwahl aus.

Zu Berlin und Bremen: Woher der praktische Unterschied kommt, ist sekundär; jedenfalls war er vorhanden, und die Verfassungen sind auch nicht eindeutig. Vermutlich hat keine Geschäftsordnung rein willkürlich eine Festlegung getroffen, sondern nur Auslegungen festgeschrieben, die sich aus irgendwelchen Gründen so ergeben haben.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 03. Mai 2012 - 07:59 Uhr:   

In Niedersachsen hat es 1976 übrigens 2 Ministerpräsidentenwahlen gegeben. Nach dem (altersbedingten) Rücktritt von Kubel (SPD; Koalition mit der FDP) hat es im ersten Wahlgang keine ausreichende Mehrheit gegeben (CDU:SPD 77:75 bei 3 ungültigen). Im zweiten Wahlgang ist überraschend Albrecht (CDU) mit knapper absoluter Mehrheit der Mitglieder gewählt worden (78:74 bei 3 ungültigen).

In der Folge ist es aber nicht zu einer Regierungsbildung gekommen, weshalb der Landtag verfassungsgemäß über seine Auflösung entschieden hat (einstimmig abgelehnt). Also hat es eine Neuwahl des Ministerpräsidenten mit relativer Mehrheit gegeben. Albrecht hat aber wieder eine absolute Mehrheit bekommen (79:75 bei 1 ungültigen). Er hat dann zunächst eine Minderheitsregierung gebildet, erst knapp 1 Jahr später eine Koalition mit der FDP.

Die Protokolle sind im Parlamentsspiegel (8/32 ff.). In der Wikipedia steht das überall ganz oder teilweise falsch.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Mai 2012 - 01:01 Uhr:   

Es stimmt, dass es bei Bundestags-/Landtagswahlen bisher fast immer absolute Mehrheiten gab. Ich hatte aber z.B. an die Bundesversammlung 2010 gedacht; der dritte Wahlgang war zwar offiziell keine Stichwahl, wurde aber von den Parteien praktisch zu einer gemacht, indem die beiden schwächsten Kandidaten zurückgezogen wurden. Da hat sich die Linke ja bekanntlich enthalten, statt mit einem Votum für den rot-grünen Kandidaten diesem eine realistische Chance gegen Wulff zu geben. Genauso denke ich auch, dass die Linke in NRW nicht ohne eine konkrete Gegenleistung in einer Stichwahl für Kraft gestimmt hätte, selbst wenn Kraft ihre Stimmen gebraucht hätte.

"Bei 3 Kandidaten müssen nicht alle Chancen auf eine relative Mehrheit haben. Es reicht schon, wenn unklar ist, wer Zweiter und wer Dritter ist."
Wieso das? Wer Zweiter wird, hat doch höchstens psychologische Bedeutung, aber keine politische. (M.W. gibt es kein Bundesland, das das offizielle Amt eines Oppositionsführers hat und dies automatisch an den Kandidaten mit den zweitmeisten Stimmen vergibt.)

"Außerdem hat u.U. auch ein Kandidat einer ganz kleinen Minderheit Chancen auf eine relative (oder auch absolute) Mehrheit durch taktische Wahl, wenn er entweder der Condorcetsieger ist oder seine Anhänger glaubhaft machen, dass sie stur an ihm festhalten werden."
Theoretisch wäre das möglich, in der politischen Praxis halte ich das aber für fast ausgeschlossen. Selbst in Koalitionen mit ähnlich großen Partnern bekommt praktisch immer der größte Koalitionspartner den MP-Posten, nicht der Condorcet-Sieger. Sonst müssten Große Koalitionen in den letzten 10 Jahren praktisch immer von der SPD geführt werden (z.B. bei der BTW 2005 war Schröder Condorcet-Sieger, was ihm aber trotz Polterei gegen Merkel nichts nützte), und Baden-Württemberg jetzt wohl auch "Rot-Grün" sein. (Ausnahmen gab es in der jüngeren Vergangenheit m.W. nur zuungunsten "demokratisch zweifelhafter" Parteien wie der PDS/Linke in Ostdeutschland oder der FPÖ in Österreich.)
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 18. Mai 2012 - 04:56 Uhr:   

Wulff war doch für die Linke überwiegend eher akzeptabler als Gauck. Abgesehn davon, dass diese Wahl eh keine wirklichen Konsequenzen gehabt hat, warum hätten sie dann Gauck wählen sollen? Ob CDU+FDP oder SPD+Grüne regiern, macht für die Linke dagegen schon einen Unterschied; insbesondere dann, wenn sie selber zumindest teilweise dran beteiligt sein können.

Ich bin mir sicher, dass sie notfalls Kraft gewählt hätten. Solang die nominelle Mehrheit auch so reicht, hätten sie vielleicht gepokert, aber sowas kann ins Auge gehn. Eigentlich erstaunlich, dass die CDU das nicht herausgefordert hat. Aber für einen potenziellen Erfolg (direkt oder durch die offensichtliche Unterstützung der Linken) war der Abstand wohl zu groß.


Bei ungefährem Gleichstand zwischen Zweitem und Dritten kann der Zweite die Stichwahl gewinnen, aber bei relativer Mehrheitswahl wird er keine Stimmen von der Seite des Dritten bekommen, solang die eher auf den umgekehrten Fall hofft. Die Stichwahl (bzw. der vorherige Wahlgang) ermittelt die fehlende Information und führt deshalb selbst bei taktisch voll optimiertem Verhalten zu einem anderen Ergebnis.

Wenn es schon eine Koalition mit absoluter Mehrheit gibt, stellt sich das Problem garnicht. Richtig ist allerdings, dass die SPD ziemlich blöd ist, wenn sie eine Koalition als Juniorpartner eingeht, wenn sie auch erst wen von sich wählen lassen kann und dann immernoch alle Optionen hat. Beim Bundestag muss da aber auchnoch der Bundespräsident mitspielen (und anderswo geht es auch nicht überall so leicht).

Ob den Condorcetsieger bei derzeit typischen Konstellationen immer die SPD stellt, ist zudem fraglich. In Baden-Württemberg bin ich mir ziemlich sicher, dass Kretschmann zumindest bei der Bevölkerung der Condorcetsieger ist. Eventuell schaut es bei den Abgeordneten noch anders aus. Beim Bundestag (wenn man sich die aktuelle Mehrheit wegdenkt) ist es eher umgekehrt: Klar SPD bei der Bevölkerung, aber eventuell Grüne bei den Abgeordneten.

Außerdem muss man natürlich bedenken, dass die Abgeordneten keine rationalen Wähler sind, sondern sich häufig noch viel irrationaler als normale Wähler verhalten (bzw. sich von sachfremden Motiven leiten lassen). (Und die Wahlbeteiligung bei allgemeinen Wahlen ist meist auch noch besser als im Bundestag.)
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 18. Mai 2012 - 13:50 Uhr:   

"Wulff war doch für die Linke überwiegend eher akzeptabler als Gauck."
War das so? Ich will es nicht ausschließen, aber ich habe eine solche Aussage von keinem Linken in Erinnerung. In diesem Fall hätte die Linke ja Wulff im 3. Wahlgang wählen müssen, statt sich zu enthalten.

"Bei ungefährem Gleichstand zwischen Zweitem und Dritten kann der Zweite die Stichwahl gewinnen, aber bei relativer Mehrheitswahl wird er keine Stimmen von der Seite des Dritten bekommen, solang die eher auf den umgekehrten Fall hofft. Die Stichwahl (bzw. der vorherige Wahlgang) ermittelt die fehlende Information und führt deshalb selbst bei taktisch voll optimiertem Verhalten zu einem anderen Ergebnis."
Wenn Zweiter und Dritter beide "alleine" keine Chancen auf die relative Mehrheit haben, sich aber (wie hier angenommen) gegenseitig näher stehen als dem Ersten, wären sie sehr blöd, wenn sie nicht vor dem Wahlgang mit relativer Mehrheit sich auf einen Kandidaten einigen und der andere zurückzieht. Der Unterschied zur Stichwahl ist nur, dass die Kandidaten sich selbst einigen müssen und nicht der vorherige Wahlgang "automatisch" entscheidet.

"Ob den Condorcetsieger bei derzeit typischen Konstellationen immer die SPD stellt, ist zudem fraglich. In Baden-Württemberg bin ich mir ziemlich sicher, dass Kretschmann zumindest bei der Bevölkerung der Condorcetsieger ist. Eventuell schaut es bei den Abgeordneten noch anders aus. Beim Bundestag (wenn man sich die aktuelle Mehrheit wegdenkt) ist es eher umgekehrt: Klar SPD bei der Bevölkerung, aber eventuell Grüne bei den Abgeordneten."
Zumindest in der Frage Stuttgart 21 wäre die SPD Condorcetsieger geworden (und hat sich ja letztlich auch durchgesetzt): Grüne waren dagegen, CDU klar dafür, SPD war dafür, aber bereit zu einer Volksabstimmung. Allgemeinpolitisch mag das jetzt anders aussehen.

"Wenn es schon eine Koalition mit absoluter Mehrheit gibt, stellt sich das Problem garnicht."
Es ging mir hierbei nicht um die Stichwahl an sich, sondern die Überprüfung Ihrer These, dass "auch ein Kandidat einer ganz kleinen Minderheit Chancen auf eine relative (oder auch absolute) Mehrheit durch taktische Wahl [hat], wenn er entweder der Condorcetsieger ist oder seine Anhänger glaubhaft machen, dass sie stur an ihm festhalten werden." Die Frage, wer Ministerpräsident wird, stellt sich ja auch bei Koalitionen mit absoluter Mehrheit.

"Ob den Condorcetsieger bei derzeit typischen Konstellationen immer die SPD stellt, ist zudem fraglich. "
Die meisten CDU-Landtagsfraktionen bevorzugen m.W. eine Große Koalition gegenüber einer schwarz-grünen, was (bei nicht vorhandener schwarz-gelber Mehrheit, in einem Parlament ohne die noch unberechenbaren Piraten) zu einem Condorcet-Sieg für die SPD führt. Insbesondere gilt dies in den ostdeutschen Bundesländern mit den drei Volksparteien CDU, SPD, Linke, wo die Grünen kaum eine Rolle spielen, und bei der BTW 2005, wo die Union die SPD gegenüber den Grünen als Koalitionspartner bevorzugte. Ansonsten (etwa HH, Saarland 2009) wären die Grünen Condorcetsieger, die mit 5-15% Stimmenanteil erst recht keine Chancen auf das MP-Amt hatten.
Da spielt wohl in der Tat die "sachfremde" Überlegung, dass man einen Regierungschef vom Juniorpartner dem Wähler nicht "verkaufen" kann, eine große Rolle.
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Ratinger Linke
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Veröffentlicht am Freitag, 18. Mai 2012 - 22:36 Uhr:   

Mit Wulff und Gauck waren zwei Konservative für ein belangloses Amt zur Auswahl. Da war für die Linke die Enthaltung natürlich eine sinnvolle Lösung, auch wenn leichte Präferenzen in der einen oder anderen Richtung da waren.

Bei der Wahl eines Regierungschefs nochmal: In Deutschland ist es üblich, dass sich absolute Mehrheiten vor einer Entscheidung bilden, unabhängig vom Wahlverfahren. Solang das so ist, ist das Wahlverfahren völlig egal (wenn es das Mehrheitskriterium erfüllt). Alles Weitere ist nur relevant, wenn ausnahmsweise keine Einigung im Vorfeld zustande kommt oder die Beteiligten absichtlich eine Minderheitsregierung bilden oder auf die gebotenen Mittel als Hilfestellung zur Entscheidung zurückgreifen wollen.

Wer Regierungschef wird, ist zwar auch innerhalb einer Koalition relevant, dann aber nurnoch eine Personalie in der normalen internen Verhandlungsmasse und keine Richtungsentscheidung mehr. Wer seinen Kandidaten in einer Wahl ohne vorherige Festlegungen durchsetzen könnte, hat halt einen strategischen Vorteil in den Verhandlungen.

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