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Falsche Sitzverteilung im Vermittlung...

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Ratinger Linke
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Veröffentlicht am Donnerstag, 07. Juli 2011 - 01:53 Uhr:   

Mit dem Wegfall von 2 Überhangmandaten durch das Ausscheiden von Guttenberg und Klöckner hat die Union theoretisch einen Sitz im Vermittlungsausschuss an die Grünen verloren, besetzt ihn aber weiterhin. Den Grünen ist die Lage offenbar bekannt; sie haben aber zumindest formal nicht versucht, das zu verhindern.

Zu Beginn der Wahlperiode war von allen Fraktionen einstimmig beschlossen worden, dass die Sitze nach Sainte-Laguë verteilt werden, wenn damit kein Patt auftritt und die Mehrheitsverhältnisse dadurch abgebildet werden. Ansosten wird nach D'Hondt verteilt. Im Vermittlungsausschuss hat die Bundestagsbank nach Sainte-Laguë eindeutig 6 Sitze für die Union, 4 für die SPD und je 2 für FDP, Linke und Grüne. D'Hondt verschiebt einen Sitz von den Grünen zur Union.

Dabei war von Anfang an völlig klar, dass dabei ein Problem im Vermittlungsausschuss nur eine Frage der Zeit ist. Das Problem des ungeregelten Patts hat sich dadurch erledigt, dass der Vermittlungsausschuss zwischen dem Ausscheiden von Guttenberg und Klöckner nicht getagt hat. Nun müsste aber die Union einen Sitz an die Grünen abgeben.

Zudem muss im Vermittlungsausschuss ohnehin ein Sitz neu besetzt werden, nachdem Hans-Peter Friedrich nach der Ernennung zum Innenminister ausscheidet. Die Union hat dazu einen Wahlvorschlag vorgelegt. Sie war sich aber offenbar bewusst, dass sie keinen Anspruch mehr auf diesen Sitz hat. In der Tagesordnung für Mittwoch [Link verfällt] war vor der Wahl ein Punkt "Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen" mit einer Debatte von 25 Minuten vorgesehn. Das zugehörige Dokument ist nie veröffentlicht worden. Kommentar dazu auf der Site der Unionsfraktion:

"Das zu Beginn der Wahlperiode festgelegte Verteilverfahren führt nicht zuverlässig zu einer korrekten Abbildung der Mehrheitsverhältnisse im Vermittlungsausschuss. Der entsprechende Beschluss des Bundestages muss daher ergänzt werden."

Nun widerspricht aber ein Verfahren, das den Mehrheitssitz der Koalition den Grünen nimmt und der Union gibt, sehr eindeutig den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die auf Antrag der Union selbst getroffen worden sind. Aus heutiger Sicht interessant ist die damalige Debatte im Bundestagsplenum dazu. Konsequenzen hat das damals keine gehabt. Es hat noch eine öffentliche Anhörung dazu gegeben, bevor der Bundestag vorzeitig aufgelöst worden ist.

Diesmal ist der Unterschied der Vertretungsgewichte (die das Bundesverfassungsgericht wie üblich fälschlicherweise als Maßstab für die Erfolgswertungleichheit genommen hat) sogar noch deutlich höher als 2002: Die Union hat weniger als 34, die Grünen 68 Abgeordnete pro Sitz (2002: SPD 31, Union 41, Grüne 55). Ein Verfahren, das die Mehrheit der Koalition auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschuss erhält und ansonsten die Erfolgswertgleichheit nicht unnötig verzerrt, müsste ganz eindeutig den Zusatzsitz der Koalition der FDP statt der Union geben und ihn von der SPD statt den Grünen nehmen.

Am Dienstag ist der Tagesordnungspunkt nochmal in "Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen im Vermittlungsausschuss" geändert worden; es sollte sich also nur noch um eine Spezialregelung für den Vermittlungsausschuss handeln. Am Abend ist der Punkt dann samt der Wahl ganz von der Tagesordnung abgesetzt worden. Entgegen der offiziellen Tagesordnung hat die Darstellung der Union ganz am Anfang einen Punkt "Nachwahl von CDU/CSU-Mitgliedern im Vermittlungsausschuss (ohne Debatte)" angeführt. Lapidarer Kommentar (an der falschen Stelle):

"Nach der Ernennung von Hans-Peter Friedrich zum Bundesminister des Innern ist dessen ordentliche Mitgliedschaft im Ausschuss nach Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) neu zu besetzen."

Tasächlich hat Bundestagspräsident Lammert vor Eintritt in die Tagesordnung einfach mitgeteilt, dass die Unionsfraktion mitgeteilt hat, dass Stefan Müller Nachfolger von Friedrich im Vermittlungsausschuss werden soll, und nach dem Einverständnis gefragt. Nachdem sich kein Widerspruch geregt hat, hat er festgestellt: "Dann ist auch das offenkundig so vereinbart." Zu der "gerade vorgenommenen Wahl" sind schriftliche Erklärungen der Union und der Grünen abgegeben worden, die bisher nicht veröffentlicht sind. Von der SPD war zu dem Zeitpunkt kein Abgeordneter anwesend.

[Mitteldeutsche Zeitung]
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. Juli 2011 - 09:18 Uhr:   

Jetzt gibts das Protokoll mit den schriftlichen Erklärungen von Grünen (Beck) und Union (Altmaier).

Der Geschäftsordnungsausschuss soll die Sache regeln. Wie es ausschaut, haben sich aber Union und Grüne schon darauf geeinigt, dass einerseits die Mehrheit auch auf der Bundestagsbank erhalten bleiben soll (zugunsten der Koalition), dass aber andererseits die Spiegelbildlichkeit ansonsten möglichst gewahrt bleibt (zugunsten der Grünen).

Konkret bekommen also die Grünen und die FDP je 1 Sitz, den Union und SPD abgeben müssen. Intern zwischen CDU und CSU verliert die CDU den Sitz. Drum hat man gestern unauffällig den unveränderten Sitz der CSU nachbesetzt. Ein Vertreter der CDU soll einstweilen nicht mehr an Abstimmungen teilnehmen.
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Zaungast
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. Juli 2011 - 14:27 Uhr:   

Wieso steht der nächste Sitz denn bitte Grün zu? Müssten dann nicht vorher FDP bzw. Linke zum Zuge kommen? - Die sind doch viel stärker vertreten.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. Juli 2011 - 14:58 Uhr:   

Die Grünen haben ja momentan nur 1 Sitz, FDP und Linke je 2. Bei allen üblichen Verfahren von Adams bis D'Hondt inkl. Hare/Niemeyer müssten die Grünen 2 Sitze bekommen; die Union dürfte nur 6 statt 7 haben.

Wenn man der Koalition trotzdem eine Mehrheit auf der Bundestagsbank zugestehn will, ohne die Sitzverteilung zu sehr zu verzerren, muss man zunächst der Koalition 9 Sitze geben und der Opposition 7. Wenn man 9 Sitze gerecht auf die Koalition aufteilt, bekommt die Union 6 Sitze und die FDP 3 (nur nach D'Hondt wären es noch 7:2). 7 Sitze auf die Opposition verteilt macht für die SPD 3 und für Linke und Grüne je 2 (D'Hondt weicht auch hier von den anderen Verfahren ab und gibt der SPD einen 4. Sitz zulasten der Grünen).
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. Juli 2011 - 15:15 Uhr:   

PS: Auch wenn man alle Fraktionen insgesamt betrachtet, hat die FDP gegenüber der normalen Verteilung (6:4:2:2:2) den höchsten Anspruch auf den nächsten Sitz, die SPD den niedrigsten auf den letzten Sitz. Eine vernünftige Mehrheitsklausel muss hier also nur die Ansprüche auf den 16. und den 17. Sitz umdrehen. Die Differenz ist allerdings recht hoch.

Die letzten Höchstzahlen (Sainte-Laguë), auf die die normale Verteilung gerade noch einen Sitz vergibt bzw. keinen mehr vergibt:
                    CDU/CSU   SPD     FDP    Linke   Grüne 
Sitze 237 146 93 76 68
Idealanspruch 6,116 3,768 2,400 1,961 1,755
Letzte Höchstzahl 43,091 41,714 62,000 50,667 45,333
Nächste Höchstzahl 36,462 32,444 37,200 30,400 27,200
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. Juli 2011 - 18:14 Uhr:   

Ich seh das Problem nicht so ganz, denn d'Hondt liefert ja die Koalitionsmehrheit. 2002 dagegen lieferte kein Verfahren Rot-Grün die Mehrheit bei 16 zu verteilenden Sitzen.
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Demokratie statt FDP
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. Juli 2011 - 18:12 Uhr:   

@Ratinger Linke

Man muß aber auch das seit der Wahl veränderte politische Klima beachten. Die FDP hat ca. 70% ihrer Wähler von 2005 verloren (von 14,6% auf 4% bis 5%, je nachdem, ob das Institut der FDP wohlgesonnen ist oder nicht). Da kann man keinem Bürger erklären, daß die FDP einen Sitz in irgendeinem Gremium in diesem Land mehr bekommt. Das wäre ein glatter Schlag ins Gesicht all' jener, die von der FDP zurecht enttäuscht sind, weil sie nur neoliberale Klientelpolitik macht.
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ne Hacke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. Juli 2011 - 23:58 Uhr:   

D'Hondt alleine liefert die Mehrheit nicht mehr. Bei 238 hätte die Union so noch den 7. Sitz bekommen, bei 237 nicht mehr:
Höchstzahlen
Union: 237; 118,5; 79; 59,25; 47,4; 39,5; 33,857
Grüne: 68; 34
Also: Union 6, SPD 4, FDP, Linke und Grüne 2. Keine Koalitionsmehrheit.

Somit benötigt man für eine Koalitionsmehrheit eine Sonderregelung, sprich 9 Sitze für die Koalition festsetzen. Warum muss aber danach D'Hondt gelten? Dann kann man ja wieder Sainte-Laguë nutzen.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juli 2011 - 10:36 Uhr:   

> Man muß aber auch das seit der Wahl veränderte politische Klima beachten.
Wenn man Demokrat ist, darf man das nicht.
Denn in einer Demokratie entscheiden Wahlen, nicht Umfrageinstitute.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juli 2011 - 12:00 Uhr:   

"Somit benötigt man für eine Koalitionsmehrheit eine Sonderregelung, sprich 9 Sitze für die Koalition festsetzen."
Nicht unbedingt. Das kriegt man auch mit d'Hondt hin, wenn man eine Oberverteilung auf Regierung und Opposition macht und dann auf die Fraktionen unterverteilt. Derzeit gibt es 330 Regierungs- und 290 Oppositionsabgeordnete. Da kommt bei d'Hondt, 9 Sitze für die Regierungs- und 7 Sitze für die Oppositionsfraktionen raus. Die Union müsste noch 4 Sitze verlieren, bis auch das nicht mehr hinhaut (wenn sich sonst nichts ändert). Bei der Unterverteilung auf Regierungsseite bliebe es bei CDU/CSU 7 und FDP 2, auf der Oppositionsseite bei SPD 4, Linke 2 und Grüne 1.
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nowhereman
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juli 2011 - 12:14 Uhr:   

@ Ralf Annemann:

...entscheiden Wahlen, nicht Umfrageinstitute...
das stimmt ohne wenn und aber!!!
Es sei denn, die Mehrheit geht verloren, Helmut Schmidt 1982 und/oder viele Beispiele auf Länder- oder Kommunalebene, wo dann doch gewählte Vertreter festlegen, was so nicht der Wählerwille gewesen ist.
Vor den Ereignissen 1982 oder 2005 hätten Anhänger der jetzigen Regierungskoalition sicher ähnlich polemisch reagiert wie Blocker "Demokratie statt FDP" heute. Aber auch das ist normal in einer Demokratie:-).
Ich halte das Problem für akademisch. Wenn eine parlamentarische Mehrheit existiert, dann muss auch diese in davon abgeleiteten Gremien sich darstellen lassen, das wie ist eine Geschmacksfrage.
Das habe ich 2002-2005 so gesehen und das sehe ich 2011 genauso. Übrigens ließe sich das Problem auch durch Verringerung der Sitzanzahl des Kremiums um einen Sitz regeln. Es hieße dann: 6-4-2-2-1. Was spricht dagegen?
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nowhereman
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 08. Juli 2011 - 12:20 Uhr:   

@ Ralf Annemann:

...entscheiden Wahlen, nicht Umfrageinstitute...
das stimmt ohne wenn und aber!!!
Es sei denn, die Mehrheit geht verloren, Helmut Schmidt 1982 und/oder viele Beispiele auf Länder- oder Kommunalebene, wo dann doch gewählte Vertreter festlegen, was so nicht der Wählerwille gewesen ist.
Vor den Ereignissen 1982 oder 2005 hätten Anhänger der jetzigen Regierungskoalition sicher ähnlich polemisch reagiert wie Blocker "Demokratie statt FDP" heute. Aber auch das ist normal in einer Demokratie:-).
Ich halte das Problem für akademisch. Wenn eine parlamentarische Mehrheit existiert, dann muss auch diese in davon abgeleiteten Gremien sich darstellen lassen, das wie ist eine Geschmacksfrage.
Das habe ich 2002-2005 so gesehen und das sehe ich 2011 genauso. Übrigens ließe sich das Problem auch durch Verringerung der Sitzanzahl des Kremiums um einen Sitz regeln. Es hieße dann: 6-4-2-2-1. Was spricht dagegen? Die Bundesländer haben 16 Sitz okay, aber muss hier 50-50 wirklich gelten?
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 11. Juli 2012 - 17:24 Uhr:   

Jetzt haben sie das so unauffällig gelöst, dass ich es übersehn hab. Überraschendes Ergebnis: Es hat nicht nur die CDU auf den Sitz (auf den sie keinen Anspruch mehr hat) verzichtet, sondern die Koalition insgesamt auf ihre Mehrheit.

Es hat zwar lang gedauert (sollte "unmittelbar nach der Sommerpause" (2011?) entscheiden werden), aber jetzt ist es wieder so unauffällig gegangen, dass womöglich selbst die meisten Abgeordneten nicht mitgekriegt haben, was sie da gewählt haben.

http://dbtg.tv/fvid/1769400 (erste 2 Minuten)

Lammert: "Vor Aufrufen unseres Zusatzpunktes 1 habe ich Ihnen bekannt zu geben, dass die Fraktionen CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen mitgeteilt haben, dass die Kollegen Helmut Brandt und Wolfgang Bosbach als ordentliches Mitglied bzw. als stellvertretendes Mitglied des Vermittlungsausschusses ausscheiden. Die bisher als stellvertretendes Mitglied berufene Kollegin Britta Haßelmann soll als neues ordentliches Mitglied bestimmt werden. Ihre Stellvertretung soll die Kollegin Renate Künast übernehmen. Als neuer Stellvertreter des Kollegen Volker Beck ist der Kollege Jürgen Trittin benannt worden. Sind Sie damit einverstanden? [Desinteresse bei den Abgeordneten] – Das ist auch deshalb besonders zu begrüßen, weil damit eine lang schwebende Frage offensichtlich einvernehmlich gelöst ist. Damit sind die Kollegen Britta Haßelmann als ordentliches Mitglied und die Kollegen Renate Künast und Jürgen Trittin als stellvertretende Mitglieder im Vermittlungsausschuss bestimmt."

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/vermittlungsausschuss-kompromiss-ist-eine-strategie-11802608.html

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