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Ratinger Linke Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Dienstag, 29. Juni 2010 - 06:05 Uhr: | |
Der Gesetzentwurf der Regierung für ein Wahlgesetz, das Landes- und Kommunalwahl- sowie das Wahlprüfungsgesetz ersetzen soll, liegt nun vor. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass seinerzeit unter großem Zeitdruck erstellte Gesetze nun gründlich überarbeitet werden, aber wesentliche Verbesserungen sind nicht zu erkennen. Insbesondere soll es weiter bei Hare/Niemeyer bleiben. Bemerkenswerteste Änderung ist, dass das Nachrücken in den Überhang (und Ausgleich) mehrfach im Wahlgesetz abgesichert werden soll, insbesondere schon in der Beschreibung des Landtagswahlsystems (ehemals § 1 LWG). Offenbar war man bemüht, so auch das Nachrücken in unausgeglichenen Überhang zu ermöglichen (die bisherige Argumentation der Gerichte hebelt man damit aus). Dummerweise hat man dabei aber übersehen, das Nachrücken in reguläre Wahlkreismandate zu regeln. Laut Entwurf bleibt der Sitz unbesetzt, wenn die Partei nicht überhängt. Dass man die Zusammenhänge nicht ganz durchschaut hat, zeigt auch die Formulierung "die mit der Zweitstimme gewählte Liste" in der Begründung. Das Problem ist ja gerade, dass diese Liste von den Wählern des Wahlkreiskandidaten nicht gewählt worden ist (jedenfalls nicht zwingend). An der Überhangregelung selbst werden die Teile klargestellt, die meines Erachtens ohnehin klar sind, während der Rest weiter unklar bleibt. So werden die "Mehrsitze" in "Überhangmandate" umbenannt und die "weiteren Sitze" in "Ausgleichsmandate". Damit ist der "große Ausgleich" (d.h. der weniger kleine Ausgleich) absolut klar. Wie bei auftretenden Paradoxien von Hare/Niemeyer zu verfahren ist, ist weiter ebenso unklar wie die konkrete Vergabe vom Zusatzsitz zur Herstellung einer ungeraden Sitzzahl (insbesondere im Kappungsfall). W |
Kay Karpinsky
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| Veröffentlicht am Dienstag, 29. Juni 2010 - 12:40 Uhr: | |
Der Hare-Niemeyer-Murks ist besonders für die natürliche Sperrwirkung in kleineren Gemeinden ärgerlich. Dass niemandem das Fehlen einer mathematisch eindeutigen Interpretation der Ausgleisregelung auffällt, ist beeindruckend. Soviele Leute befassen sich damit, und alles Matheluschen. Die 15%-Regelung aus §61 ist als direkte Folge der neu zu bildenden Riesenkreise zu sehen. Da sollen in vier Fällen bisherige kreisfreie Städte eingekreist werden. Um hier gewisse Stadt-Land-Rivalitäten nicht über die Wahlgebietseinteilung beeinflussen zu können, schien einigen ein eher enger Rahmen geboten. Das ändert natürlich nichts daran, dass in den Riesenkreisen die Städte überall gegenüber dem ländlichen Raum unterzugehen drohen. Die Regelung läuft nun sogar darauf hinaus, dass die eingekreisten Städte Neubrandenburg, Stralsund, Greifswald und Wismar in mehrere Wahlgebiete zerschnitten werden müssen, wodurch sie gegenüber einer freieren Regelung bei den listeninternen Unterverteilungen eher an Mandaten verlieren werden. Die Regelung ist also im Prinzip sinnvoll, im Zusammenhang mit der Kreisgebietsreform aber tendenziell als antiurban zu werten. |
Ratinger Linke Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Dienstag, 29. Juni 2010 - 17:40 Uhr: | |
Die weitgehend zufallsabhängige Sperrwirkung von Hare/Niemeyer dürfte praktisch eher in den großen Gemeinden und in den Landkreisen problematisch sein, weil dort eher mehr Listen antreten (weiß nicht, wie das in Mecklenburg-Vorpommern in der Praxis genau ausschaut), was die Varianz erhöht. In Mecklenburg-Vorpommern ist das Festhalten daran speziell erstaunlich, weil gerade die Hauptleidtragenden in der Regierung sitzen. Sobald es mehrere Listen mit einem Idealanspruch unter 0,5 gibt, stimmt die Annahme, dass die Restansprüche gleichverteilt sind, nicht mehr, und Hare/Niemeyer ist dann nicht mehr neutral bezüglich der Parteigröße, sondern bevorzugt kleine Parteien. Ohne explizite Sperrklausel funktioniert Hare/Niemeyer noch weniger als ohnehin. |
Ratinger Linke Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Donnerstag, 15. Juli 2010 - 14:28 Uhr: | |
Letzte Woche war die erste Lesung. Das Plenarprotokoll gibts noch nicht, aber eine Zusammenfassung von der SPD. Online sind auch die Reden von Innenminister und der Linken. Nicht viel Bemerkenswertes, außer dass der Innenminister immer noch stolz auf die angeblich klare Überhangregelung ist und dass die Linke das Wahlalter auch bei der Landtagswahl auf 16 senken will (tatsächlich wirkt die uneinheitliche Regelung nach Zusammenfassung der Wahlgesetze noch willkürlicher). Zwar kritisiert die Linke die fehlende inhaltliche Weiterentwicklung, wird aber ansonsten nicht konkret. |
Ratinger Linke
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| Veröffentlicht am Samstag, 11. Dezember 2010 - 22:56 Uhr: | |
Der Gesetzentwurf steht am Mittwoch ungefähr von 11:45 bis 13:10 auf der Tagesordnung des Plenums. In der Beschlussempfehlung sind zwar etliche Details geändert worden, aber nicht bei der Sitzzuteilung. Der Entwurf streicht weiterhin offenbar unabsichtlich das Nachrücken aus der Landesliste in Direktmandate (außer im Überhangfall), geschweigedenn dass alte Mängel behoben werden. Auch in der dokumentierten öffentlichen Anhörung sind derartige Fehler offenbar nicht angesprochen worden. Bemerkenswert ist, dass das Innenministerium eine Senkung des Wahlalters bei Landtagswahlen (einer der Hauptkonfliktpunkte) nicht für vereinbar mit Art. 38 GG hält. Der Städte- und Gemeindetag wollte für Wahlscheininhaber die Briefwahl obligatorisch machen, was die Linke als Änderungsantrag übernommen hat; die FDP wollte die Urnenwahlmöglichkeit auf den eigenen Wahlbezirk beschränken (womit Sonderwahlbezirke und bewegliche Wahlvorstände zumindest teilweise möglich blieben). Ist aber beides abgelehnt worden. Wobei nach dem Entwurf die Wahl im eigenen (Sonder-)Wahlbezirk kein zulässiger Grund mehr für einen Wahlscheinantrag ist (nichtsdestotrotz muss er ausgestellt werden). Die FDP wollte weitgehende Beschränkungen des passiven Wahlrechts für politisch Unzuverlässige (praktisch wohl die NPD) durchsetzen. Die SPD wollte (in der Anhörung) bei Kommunalwahlen Listenstimmen und (sinnvollerweise) Mindestgrößen für die Wahlbereiche einführen. Überhaupt waren die Wahlbereichsgrößen umstritten. Die FDP wollte umgekehrt Höchstgrößen, angeblich um die Persönlichkeitswahl zu stärken. Tatsächlich ist zumindest da, wo für die Wahlentscheidung die Partei wichtiger als die Person ist, das Gegenteil der Fall, und die Änderung hätte gerade die großen Kommunen betroffen, wo Personen eher nur das sekundäre Entscheidungskriterium sind. Außerdem hätte nach FDP-Antrag ein eigener Wahlbereich in Ortsteilen ab 500 Einwohnern zwingend eingerichtet werden müssen. Das könnte dazu führen, dass der Ortsteil komplett von einer Vertretung ausgeschlossen wird. Der Städte- und Gemeindetag wollte (wie die FDP) auch die neue Beschränkung der Größenabweichung auf ±15% kippen. Erstaunlicherweise wollte er gleichzeitig die Möglichkeit der Mehrfachkandidatur in mehreren Wahlbereichen ausschließen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu Sachsen-Anhalt, der verhindert, dass das dortige Urteil ohne Weiteres auf Mecklenburg-Vorpommern anwendbar ist. Ganz im Gegenteil sollte man für ganze Listen Mehrfachkandidaturen erlauben (oder zumindest Unterlistenverbindungen), um das Problem der ungleichen Wahlchancen bei kleineren Listen zu vermeiden. Dann könnte man auch unbedenklicher relativ kleine Wahlbereiche einrichten. Mit der Regelung, die wohl beschlossen wird, gibt es noch das praktische Problem, dass die 15%-Regel zusammen mit der Bedingung, dass Wahlbereiche der Landkreise nur ganze Wahlbereiche der Gemeinden umfassen dürfen, sehr viele Zwangspunkte schafft. Mit den getrennten Zuständigkeiten ist das eigentlich unmöglich. Praktisch werden da wohl die Landkreise die Wahlbereichseinteilung der größeren Gemeinden zu einem guten Teil determinieren, mit einer Tendenz zu zu kleinen Wahlbereichen. Bisher sind Wahlbereiche in vernünftiger Größe zumindest zulässig und praktisch möglich (im Gegensatz zu Niedersachsen). |
Matthias Cantow
Moderator
| Veröffentlicht am Sonntag, 12. Dezember 2010 - 15:54 Uhr: | |
Noch zur Dokumentation: die 1. Lesung des Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Wahlrechts im Land Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung anderer Rechtsvorschriften 8. Juli 2010 (LT MV Drucksache 5/3568), LT-Plenarprotokoll 5/100, S. 44 ff. |
Ratinger Linke
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| Veröffentlicht am Freitag, 26. September 2014 - 04:02 Uhr: | |
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Freitag, 12. Dezember 2014 - 17:25 Uhr: | |
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Ratinger Linke
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| Veröffentlicht am Dienstag, 19. Januar 2016 - 14:56 Uhr: | |
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Jan W.
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| Veröffentlicht am Dienstag, 19. Januar 2016 - 15:11 Uhr: | |
@R.L. Es bleibt die Frage, ob die bisherigen Konstituierungsdaten teilweise ein Lösungsansatz für das bisherige Problem war ... Eine Lösungsmöglichkeit wäre: frühestens 59 Monate nach der letzten Wahl, spätestens 61 Monate nach der Konstituierung. Ansonsten dürfte doch einfach ein Verfassungsplagiat mit Inspiration in einem anderen Bundesland auch statthaft sein. |
Ratinger Linke
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| Veröffentlicht am Dienstag, 19. Januar 2016 - 15:44 Uhr: | |
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