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Ralf Arnemann
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| Veröffentlicht am Dienstag, 16. Juni 2009 - 10:01 Uhr: | |
Eigentlich sind die Wahlen im Iran ja sowieso eine Farce, weil nur wenige vom Regime ausgewählte Kandidaten antreten dürfen und eine freie Presse nicht existiert. Und trotzdem muß dann noch massiv betrogen werden, weil die Menschen selbst diese kleine Chance zum Widersprechen genutzt haben: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/1798175_Verrechnet-Inoffizielle-Informationen-belegen-Wahlbetrug.html Das erinnert sehr an die Wende in der DDR 1989. Da waren ja auch Wahlfälschungen des Regimes der Auslöser. Auch damals waren die Wahlen selber ja ein Witz - man hätte gegen viele Punkte protestieren können (und wäre damit sofort in den Knast gewandert). Aber das Regime hatte eben sogar gegen die eigenen Spielregeln verstoßen, die Proteste gegen die Wahlfälschungen waren daher nicht so ohne weiteres als gesetzwidrig zu denunzieren und konnten sich daher ausbreiten. Hoffen wir mal sehr, daß es im Iran ähnlich gut ausgeht wie damals, die Chancen dafür sind leider nicht so gut. |
Wahlticker
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| Veröffentlicht am Dienstag, 16. Juni 2009 - 10:12 Uhr: | |
Meine Vermutung ist allerdings dass die Wahlfälscher eher unter Achmadinedjads Anhängern als im Regime zu suchen sind. Denn der Ajatollah sitzt ja eigentlich fest im Sattel und hat derartige fälschungen nicht nötig, im Gegenteil, sie gefähreden ihn sogar wie man im Moment sieht. |
Marc K.
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| Veröffentlicht am Dienstag, 16. Juni 2009 - 12:15 Uhr: | |
Man darf andererseits nicht vergessen, dass Ahmadinedschad gerade in der Unterschicht eine große Anhängerschaft hat. Seine Attacken gegen hochrangige Vertreter der "1. Garde" der Islamischen Revolution, die heute viele hochrangige Positionen inne haben, könnte ihm hier zulauf gebracht haben. Er nannte etwa Rafsandschani "korrupt" und nannte auch weiter hochrangige Namen. Vorwürfe die im übrigen so unbegründet nicht genannt werden können. Es scheint einen Machtkampf innerhalb der Führungselite des Irans zu geben (ähnlich wie etwa 1989 in China und 1991 in der Sowjetunion), über den Kurs der nun einzuschlagen ist. Mutmaßungen gegen dahin, dass es einen Machtkampf zwischen der Rafsandschani-Clique, die große Teile der iranischen Wirtschaft kontrolliert, und den Revolutionsgarden - Pasderan- um die Macht gibt. Auch die Revolutionsgarden haben über sog. Stiftungen und eigene Betriebe mehr und mehr wirtschaftlichen Einfluß - und wollen offensichtliche Rafsandschani ausboten. Das Land könnte nun in eine quasi-Militärdiktatur schlittern - ähnlich wie Pakistan und de facto auch Ägypten. Die 1. Garde der Revolution - Mussavi war in den 1980er-Jahren Ministerpräsident, zu einer Zeit in der regelmäßig Dissidenten hingerichtet worden, er ist also alles andere als ein Demokrat - wird von der 2. Garde herausgefordert. Die 2. Garde, die vor allem im Iranisch-Irakischen Krieg 1980-88 politisch sozialisiert wurde und die inzwischen Führungspositionen im Sicherheitsbereich inne hat (Militär, Geheimdienst, etc.) will die Macht an sich reißen. "Die Revolution frißt ihre Kinder" - so könnte es Rafsandschani, Mussawi und Co. ergehen. Eine weitere politische Radikalisierung des Regimes zeichnet sich ab. Die Bevölkerung hat hierauf letztlich wenig Einfluß. Schon vor etwa einen Jahrzehnt hat das Regime Massendemonstrationen durch eine Strategie des Aussitzens und der Unterdrückung bewältigen können. Auch diesmal scheint es diese Strategie einzuschlagen. Und ob Mussavi - der selbst ein Vertreter des Regimes ist - dieses wirklich substanziell herausfordert ist mehr als zweifelhaft. Schließlich hat er ihm selbst sehr lange gedient... |
zigzag
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| Veröffentlicht am Dienstag, 16. Juni 2009 - 13:55 Uhr: | |
Zur Wahl im Iran gibt es schon einen Thread: http://www.wahlrecht.de/forum/messages/40/3820.html?1244988187 |
Ralf Arnemann
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| Veröffentlicht am Dienstag, 16. Juni 2009 - 14:02 Uhr: | |
@zigzag: Danke für den Hinweis, aber das aktuelle Geschehen im Iran rechtfertigt m. E. eine eigenständige Diskussion außerhalb "irgendwelche Wahlen sonstwo". |
Ralf Arnemann
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| Veröffentlicht am Dienstag, 16. Juni 2009 - 14:08 Uhr: | |
@Wahlticker: > Meine Vermutung ist allerdings dass die > Wahlfälscher eher unter Achmadinedjads > Anhängern als im Regime zu suchen sind. Na ja, derzeit ist Adolfidschihad Repräsentant des Regimes und hat offenbar die entscheidenden Stellen (Innenministerium) in der Hand. Marc hat das ja schön dargestellt: Bisher geht es sehr stark um einen Machtkampf innerhalb der Mullahs, die Demonstranten unterstützen Mussawi bestimmt nicht, weil er so ein überzeugender Demokrat wäre, sondern weil er der Hebel ist, um überhaupt mal etwas zu bewegen. Ich finde es übrigens völlig absurd (und beispielhaft für das niedrige journalistische Niveau unserer Staatssender), wenn Mussawi und andere Reaktionäre als "Reformer" bezeichnet werden. Inhaltlich geben die sich mit den "Hardlinern" ganz wenig, da geht es maximal um Details, ob man z. B. kleine Mädchen ein Jahr früher oder später per Zwangs-Ehe vergewaltigen darf. Die einzige Reform-Hoffnung für den Iran besteht darin, daß die Ereignisse eine Eigendynamik entwickeln und die diversen konkurrierenden Mullah-Gruppen am Ende komplett entmachtet werden können. |
Thomas Frings
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| Veröffentlicht am Dienstag, 16. Juni 2009 - 21:10 Uhr: | |
"Das erinnert sehr an die Wende in der DDR 1989." Es ist ja überhaupt nicht klar, daß Achmadinedschad nur durch Manipulation gewonnen hat. In der DDR war die gefälschte Kommunalwahl war doch nicht wirklich entscheidend, auch wenn damit die Montagsdemos begannen. Entscheidend war die WEnde in der UdSSR. Die Montagsdemonstrationen niederzuknüppeln, wäre auch im Oktober 1989 immer noch locker möglich gewesen. Warum tat man es nicht (mehr)? Weil das Politbüro nur zu gut wußte, daß die Macht der SED von der Sowjetunion abhing. Mit Rückendeckung aus dem Kreml hätte man es zur Not auch auf eine chinesische Lösung ankommen lassen (Krenz hatte die ja auch öffentlich gelobt). An der Loyalität der Staatsorgane gab es bis zum Schluß keinen Zweifel. Die Situation im Iran ist grundlegend anders. Die Mullahs sind nicht abhängig von irgendwem und werden einen Umsturzversuch gnadenlos zusammenschießen. Die Revolutionsgardisten und Tugendwächter wären ja auch ohne theokratischen Staat überflüssig. "Ich finde es übrigens völlig absurd (und beispielhaft für das niedrige journalistische Niveau unserer Staatssender), wenn Mussawi und andere Reaktionäre als "Reformer" bezeichnet werden. Inhaltlich geben die sich mit den "Hardlinern" ganz wenig, da geht es maximal um Details, ob man z. B. kleine Mädchen ein Jahr früher oder später per Zwangs-Ehe vergewaltigen darf." Richtig. Mussawi war Ministerpräsident zu Chomeinis Zeit. "Die einzige Reform-Hoffnung für den Iran besteht darin, daß die Ereignisse eine Eigendynamik entwickeln und die diversen konkurrierenden Mullah-Gruppen am Ende komplett entmachtet werden können." Was da im inneren Zirkel vor sich geht, da haben wir alle keine Ahnung. Aber ich kann mir kaum vorstellen, daß es wirklich zu einem Umsturz kommt. Sowohl Armee als auch Revolutionsgarden (mal ganz grob übertragen Wehrmacht und SS) hätten bei einer solchen Aktion ja immer den anderen gegen sich - ganz abgesehen von der Frage, ob sich die beide Streitkräfte intern einig sind. Eine so große Wahlfälschung, wie sie Mussavi behauptet, wäre bei internen Rivalitäten bis aufs Messer nicht vorstellbar. |
Marc K.
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| Veröffentlicht am Mittwoch, 17. Juni 2009 - 01:01 Uhr: | |
Man sollte mit historischen Parallelen vorsichtig sein. Jede Situation ist einzigartig und hat ihre Besonderheiten. Zur DDR wurde schon zurecht gesagt, dass das Regime - wie alle kommunistischen Regime des Ostblocks - von der Sowjetunion abhing. Diese hatte ja nach dem 2. Weltkrieg diese Regime installiert, sonst wären diese nicht an die Macht gekommen. China hatte in den 1980er-Jahren einen relativ erfolgreichen Modernisierungskurs eingeleiten (mit den sog. 4. Modernisierungen). Von daher war das chinesische Regime in einer ganz anderen Position als die maroden Regime in Osteuropa und der Sowjetunion. Sie konnten - trotz des Problems der Inflation - wirtschaftliche Erfolge verbuchen. Und es gelang ihr teilweise die Demonstranten als Unruhestifter zu diskreditieren. Die Angst vor dem Machtverlust - aber auch vor Chaos im Land - haben zur Entscheidung der Niederschlagung der Demonstrationen geführt. Dennoch haben auch diese Ereignisse Meinungsverschiedenheiten in der Führungselite gezeigt. Der erzwungene Rücktritt von Zhao Ziyang, damals immerhin Generalsekretär der KPCh, zeigte dies. Dieser war bis zu seinem Tod 2005 unter Hausarrest. Auch wenn die Machtelite nach außen den Eindruck vermittelt ist sie auch heute keineswegs ein völlig homogener Block. Die Sowjetunion stand im Gegensatz dazu ab 1988 vor Auflösungstendenzen. Im Kaukasus brachen gewaltsame Nationalitätenkonflikte aus. Die Wirtschaft befand sich im kontinuierlichen Niedergang. Und in der Machtelite gab es zunehmend Meinungsverschiedenheiten. Der Putsch von 1991 zeigte dies. Die Putschisten waren strukturell in einer schlechten Ausgangsposition. Sie wurden weder von der Bevölkerung noch von zahlreichen Staatsorganen - etwa den Präsidenten der Sowjetrepubliken - anerkannt. Und diese waren ab 1990 zu eigenständigen Machtzentren geworden (ganz anders als in der VR China in der das Politbüro das einzige Machtzentrum war). Nur Teile der Sicherheitsorgane waren bereit ihren Anordnungen Folge zu leisten und am Ende waren sie nicht bereit es auf eine Konfrontation ankommen zu lassen. Im Iran ist die Lage kompliziert. Im Grunde genommen ist es mit keinem der vorgegangenen Beispiele vergleichbar. Die iranische Gesellschaft ist zutiefst gespalten. Neben einer sehr stark reformorientierten oberen Mittelschicht - die letztlich gar nicht in der Lage ist eine Revolution herbeizuführen (das Bürgertum allein kann keine Revolution ausführen, dass wissen wir selbst aus der deutschen Geschichte) - steht auf der anderen Seite eine große Zahl auch gewaltbereiter Anhänger des islamistischen Staates und die traditionelle Landbevölkerung. Daneben gibt es eine breite städtische Unterschicht, die einst Chatami und die Reformer unterstützten, weil sie sich die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage erwarteten. Diese Hoffnung wurde indes enttäuscht. 2005 ging ein großer Teil deren Stimmen an Ahmadinedschad. Die wirtschaftliche Lage hat sich in der Zeit allerdings weiter verschlechtert. Ahmadinedschad hat versucht dies mit Populismus, Nationalismus und eine Politik der Stärke nach außen zu verdecken um damit dennoch die Stimmen der Unterschicht zu erringen. Dies scheint ihn auch zum Teil gelungen zu sein. Sicher wird es bei dieser Wahl - wie bei jeder - gewisse Unregelmäßigkeiten gegeben haben. Ob diese aber substanziell am Ergebnis etwa geändert hätten ist - trotz Zweifeln - fraglich: http://voices.washingtonpost.com/behind-the-numbers/2009/06/about_those_iran_polls.html Sicherlich wurden die Umfragen einige Zeit vor der Wahl durchgeführt. Aber sie zeigen doch, dass die Ergebnisse jedenfalls nicht offensichtlich unglaubwürdig sind. Moussavi sah sich in der Endphase des Wahlkampfes zwar im Auftrieb. Aber es könnte hier auch der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen sein. Wir haben also eine verworrene Situation. Die Proteste lassen sich auch nur teilweise mit der Wahl erklären. Es ist auch ein Ausbruch von Protesten, von Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage und allgemein mit dem Regime. Die Wahl ist dafür nur der Aufhänger. Ohne Zweifel stehen dem Iran unruhige Zeiten bevor. Aber einen Umsturz ist kaum vorstellbar. Dafür hat das Regime - hat auch Ahmadinedschad - zu viele Anhänger. Die Lage ist nicht mit der DDR vergleichbar, in der nur 10-15% der Bevölkerung hinter dem Regime standen. Im Iran ist dieser Anteil leider wohl (noch) erheblich höher. Die Zeit der Implosion dieses Regimes ist (noch) nicht gekommen. |
zigzag
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| Veröffentlicht am Mittwoch, 17. Juni 2009 - 14:09 Uhr: | |
Eine Übersicht der Umfragen gibt es hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Iranian_presidential_election,_2009#Opinion_polls Mal führt Achmadinedschad, mal Mussawi deutlich. (Zu beachten ist bei den Umfragen, ob im ganzen Land oder nur in einigen Städten oder Teheran befragt wurde.) |
Marc K.
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| Veröffentlicht am Samstag, 20. Juni 2009 - 23:56 Uhr: | |
Inzwischen zeichnet sich eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste im Iran ab. Nach dem Rede des religiösen Führers am gestrigen Freitag, in dem dieser ein Ende der Demonstrationen gefordert hatte, scheint das Regime zu allem entschlossen. http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/488954/index.do?direct=486568&_vl_backlink=/home/index.do&selChannel=100 http://www.ln-online.de/artikel/2610648/Selbstmord-Attentat_vor_Khomeini-Mausoleum.htm Heute sah man bereits Bilder des brutale Vorgehens der Sicherheitskräfte, insbesondere der Basidsch. Aufgrund der massiven Einschränkungen der Berichterstattung durch die iranische Regierung und der Kappung von Kommunikationsverbindungen dürften wir nur von einem Bruchteil der Vorfälle erfahren. |
Maik Otter Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Donnerstag, 14. Juli 2016 - 12:05 Uhr: | |
In der Islamischen Republik Iran (IRI) regieren die Theokraten. In diesem Jahr haben die Reformer Jahr besser abgeschnitten, als bei der letzten Wahl. Besonders in Teheran konnten sie sich durchsetzen. |
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