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Volker (Unregistrierter Gast)
| Veröffentlicht am Mittwoch, 22. November 2006 - 16:58 Uhr: | |
Was meint ihr über die Wählererosion bei großer Koalition zu FDP-Linkspartei-Grüne ? http://www.ftd.de/politik/deutschland/134119.html Angriff aus dem Abseits von Friederike von Tiesenhausen, Timm Krägenow und Maike Rademaker (Berlin) Nach einem Jahr mühsamer Oppositionsarbeit stehen die kleinen Parteien in Umfragen gut da. Noch profitieren FDP, Linkspartei und Grüne vor allem von der Enttäuschung der Wähler über die Große Koalition. Doch im Hintergrund arbeiten alle drei emsig an einem neuen Profil für die Zeit nach der ungeliebten Dickhäuter-Herrschaft. Montag, 11.55 Uhr, Berlin, Reinhardtstraße. "Hat noch jemand eine Frage zum Thema Afghanistan", möchte Wulf Oehme wissen. Gelangweilt schauen sechs Journalisten im Saal herum, keiner hebt die Hand. "Eine Frage zur Steuerreform?", fragt Oehme weiter. Nichts rührt sich. "Eine Frage zum Thema Gerechtigkeit?", fragt der FDP-Pressesprecher beinah bittend. Aber auch dazu will niemand etwas von FDP-Generalsekretär Dirk Niebel wissen. Am Ende tröpfeln zwei kleine Fragen in die Runde bei der größten Oppositionspartei. Nach wenigen Minuten ist die Pressekonferenz zur Präsidiumssitzung der Liberalen gelaufen. Niebel verschwindet dennoch wohlgemut ins Büro. Opposition im Schatten der Großen Koalition ist nicht Mist, sondern mühsam. Im politischen Tagesgeschäft spielen die kleinen Parteien kaum eine Rolle. Die Koalition kann nicht nur schalten und walten, wie sie will. Kritiker und Abweichler in Union und SPD übernehmen auch oft genug die Rolle der Opposition gleich selbst. Dennoch ist die Stimmung bei den kleinen Parteien nicht schlecht. Denn sie füllen eine im wahrsten Sinne des Wortes attraktive Rolle: Wie die hübsche Nebenbuhlerin lauern sie in Wartestellung und bieten sich als möglicher neuer Partner für die Zeit nach dem Ende der ungeliebten Elefantenhochzeit an. Ihre Stunde kommt immer dann, wenn es um Alternativen zur Großen Koalition geht. Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn hat erkannt, dass vor allem ein Thema Aufmerksamkeit garantiert: "Ist doch klar, dass alle interessiert, wie es nach 2009 weitergehen soll." Auch die Wähler flüchten aus Unzufriedenheit mit den beiden Großen zu den Kleinen. Von gemeinsam knapp 27 Prozent bei der Bundestagswahl haben die Oppositionsparteien ihr Stimmenkonto je nach Umfrage zum Teil bis auf 36 Prozent steigern können. Im Schnitt steht jede Partei ein bis zwei Prozentpunkte besser da. Allerdings nicht, weil sie inhaltlich überzeugt hätten. "Das sind keine Werte aus eigener Kraft, sondern Verzweiflungstaten der armen Wähler", sagt Forsa-Chef Manfred Güllner. Der Demoskop bezweifelt, ob die Sympathien lange halten. "Die fluktuierenden Wähler sind im Augenblick bei den Kleinen angedockt. Die können aber auch wieder wegschwimmen." Für Güllner sind FDP, Linkspartei und Grüne wie die Märchenfigur des Scheinriesen aus "Jim Knopf" von Michael Ende. Der wird umso kleiner, je näher man ihm kommt. Dünne Bilanz Denn nach einem Jahr Opposition sieht die Bilanz mager aus: Mit tollen Konzepten bestochen hat keiner der drei. Am ernsthaftesten versuchen noch die Grünen, "Ideenwerkstatt" zu sein. In Bedrängnis gebracht haben aber auch ihre Alternativen die Regierung nicht. Selbst der BND-Untersuchungsausschuss, bei dem die drei Oppositionsparteien einmal richtig gut zusammenarbeiteten, dümpelt vor sich hin. Zudem sind alle drei ausgiebig mit sich selbst beschäftigt. Denn während die Koalitionsparteien in Verantwortung feststecken, können die drei Kleinen emsig an einem neuen Profil für die Zeit nach dem Ende von Schwarz-Rot arbeiten. FDP und Grüne wagen sich dabei an neue Inhalte, die Linke geht einen institutionellen Weg und will durch die Fusion von Linkspartei und WASG gesamtdeutscher werden. Guido Westerwelle, der als Chef der größten Oppositionsfraktion regelmäßig als Erster den Regierungsvertretern antworten darf und damit inoffizieller Oppositionsführer ist, hat seine FDP in den letzten Monaten etwas nach links gerückt - weg vom Image der reinen Steuersenkungs- und Apothekerpartei. Auch in der Umweltpolitik organisierte er einen vorsichtigen Schwenk. Geschickt nutzte Westerwelle den BND-Ausschuss, um seine Partei als Bürgerrechts- und Rechtsstaatspartei sichtbar zu machen. "Man stelle sich mal vor, was in Amerika los wäre, wenn der deutsche Geheimdienst einen US-Bürger entführen sollte", legte er treffsicher den Finger auf die schwache Stelle der Koalition. Westerwelle ist, seit er im Mai auch den Fraktionsvorsitz übernommen hat, in der FDP mächtiger denn je. Zwar wird er von der Partei immer noch nicht geliebt, aber doch erstmals von allen Seiten akzeptiert. Die Phasen, in denen er für bessere Umfragewerte den Konsens der Demokraten über Bord wirft, sind seltener geworden. Aber es gibt sie noch. So machte Westerwelle in der vergangenen Woche die Große Koalition indirekt für die Wahlerfolge der NPD verantwortlich. Doch diesmal sind sich die Liberalen sicher, dass ihr Vorsitzender nicht noch einmal ins Messer des Populismus laufen wird wie beim Spaßwahlkampf mit antisemitischen Untertönen 2002. Bei der nächsten Wahl werde Westerwelle so seriös dastehen, dass er den Anspruch auf das Außenministerium erheben könne, heißt es. Linke außen vor Auch die Grünen wagen mit Blick auf die Wahlen 2009 einen Vorstoß in fremde Lager. Zu Anfang der Legislaturperiode hatten sie noch deutliche Anpassungsschwierigkeiten. "Da war die eine Hälfte der Fraktion im Kopf noch Regierungskoalition und die andere Hälfte schon Opposition", sagt Fraktionschef Kuhn. Die Verwirrung war beim BND-Untersuchungsausschuss nur zu deutlich. Aktuell diskutieren die Grünen über ein Papier der Fraktionschefs Kuhn und Renate Künast zur "grünen Marktwirtschaft". Damit wollen die beiden Realos der Partei ein wirtschaftsnäheres Profil verpassen. "Uns stinkt es, dass den Leuten bei Wirtschaftskompetenz immer FDP und CDU einfällt, obwohl wir in der Wirtschaft was vorzuweisen haben", so Kuhn. Doch der Schwenk zu einer wirtschafts- und unternehmerfreundlichen Programmatik stößt nicht bei allen in der Partei auf große Freude - Parteichefin Claudia Roth ist davon kein Fan. Allerdings gibt Kuhn sich selbst noch Zeit: "Ich möchte, dass das, was wir jetzt erarbeiten, in drei Jahren ins Wahlprogramm eingeht und es dann heißt, die Grünen haben aber bei der Wirtschaftskompetenz aufgeholt." Die Linkspartei ist nach wie vor ein wenig außen vor. "Wir sind immer noch die Schmuddelkinder", seufzt Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher (WASG). Schon der erste Schlag zu Anfang der parlamentarischen Arbeit ernüchterte die gesamte Fraktion: Als der altgediente Parteichef Lothar Bisky vor knapp einem Jahr trotz Rückversicherung bei den Fraktionen und mehrfacher Wahlen nicht die notwendige Mehrheit als Bundestagsvizepräsident erhielt, standen so manchem die Tränen in den Augen. Die Attacke schweißte die Fraktion aus WASGlern, Linksparteimitgliedern, Parteilosen, aus ehemals Arbeitslosen, frustrierten Ex-SPD-Genossen, Friedens- und Umweltbewegten fest zusammen. Inzwischen sieht die Linkspartei ihre Oppositionsarbeit als positiv. Als ihren größten Erfolg machen Linksparteiler ihre indirekte Wirkung auf die großen Parteien aus. "Wir sind an die Stelle der SPD getreten, die blendet das Thema Verteilungsgerechtigkeit aus", sagt WASG-Vorstandsmitglied und Ex-SPD-Mitglied Ulrich Maurer. "Am Anfang haben sie die dicken Muskeln gezeigt. Das ist vorbei. Die haben begriffen, dass wir kein vorübergehendes Phänomen sind." Laut Troost hätte SPD-Vizekanzler Franz Müntefering das Thema Mindestlöhne ohne den Druck der Linkspartei nicht so klar aufgenommen. Nach dem "guten ersten Jahr" sollen WASG und Linkspartei in den kommenden zwölf Monaten in eine neue, gemeinsame Linke überführen und damit der SPD noch mehr Wasser abgraben. Laut Richard Hilmer von Infratest Dimap hat die Opposition noch Zeit. "Die Bürger gehen davon aus, dass die Große Koalition bis 2009 hält", sagt der Demoskop. Die Kleinen spielten mittelfristig eine wichtige Rolle. "Sie können Alternativen deutlich machen. Das ist eine Riesenchance." |
Thomas Frings
| Veröffentlicht am Mittwoch, 22. November 2006 - 21:15 Uhr: | |
Im Grunde logisch, daß eine große Koalition den drei Kleinen hilft. Eine ganz andere Frage ist aber, ob sich das 2009 auszahlt. Bis dahin ist es zwar noch lang, aber in jedem Fall werden sich Union und SPD im Wahlkampf wieder sehr viel deutlicher abgrenzen. Man darf auch die Eigendynamik des Wahlkampfes nicht unterschätzen. Gute Umfragewerte können sich ganz schnell in Luft auflösen. Das haben die Wahlen 2002 und 2005 ja sehr deutlich gezeigt. |
Ralf Lang
| Veröffentlicht am Mittwoch, 22. November 2006 - 23:43 Uhr: | |
Solche Artikel regen zu Spekulationen an, wenn sonst nichts handfestes da ist. Aber unterhaltsam ist es ja wohl schon. Vielleicht kommt ja schwarzgrün oder rotgelb oder rotrot oder schwarzdunkelrot oder CSU mit SPD ;) |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Donnerstag, 23. November 2006 - 17:09 Uhr: | |
Na ja, Zukunftsvorhersagen darf man getrost Hellsehern und Propheten überlassen. Falls die Annahme stimmt, dass die gegenwärtige Regierungskoalition bis 2009 hält, dann kann noch so gar vieles geschehen. 2005 wähnten viele die SPD bereits am Ende und sahen CDU-CSU-FDP gleichsam schon fest im Sattel sitzen. In der nur kurzen Zeit bis zur Wahl änderte sich dies dann doch. Ob eine grosse Koalition den kleinen Parteien wesentlich hilft, lässt sich vermutlich schwer allgemein sagen, allzuviele grosse Koalitionen gab es in Deutschland bisher ja noch nicht. Die Frage lautet aber vielmehr, ob diese gegenwärtige grosse Koalition den kleinen Parteien hilft oder nicht. Mir will nun scheinen, dass es angesichts des Zeithorizontes wohl doch vor allem darauf ankommt, wie die Leistungen der gegenwärtigen Regierung in der Endphase vor der nächsten Wahl beurteilt werden. Fällt diese Bilanz, ob verdient oder unverdient, dürfte dabei gleichgültig sein, positiv aus, werden die Kleinen vermutlich eher schlechter abschneiden; sollte die Bilanz dürftig oder gar negativ ausfallen, dann werden vermutlich auch die Kleinen davon profitieren. Im Augenblick scheint mir aus Aussensicht der Leistungsausweis der Koalition allerdings nicht sonderlich überzeugend; allerdings ist auch erstaunlich, dass sie wider manches Erwarten und viele Unkenrufe das erste Jahr doch ohne grössere Streitigkeiten überlebt hat. Schwer einzuschätzen ist auch der stete Begleitlärm von Klagen und Vorwürfen gegen die Politik. In der Vergangenheit war ja solcher Lärm so gut wie bei jeder wichtigeren Massnahme der Politik zu hören, ganz gleich, wer nun gerade die Regierung führte. Dies kann also leicht auch eine Attitüde sein, die im heutigen Deutschland nun einmal zum guten Ton zu gehören scheint. Interessant zu wissen wäre es, ob und wenn ja wie solcher Begleitlärm sich auf das tatsächliche politische Agieren sowohl der Politiker als auch der Nur-Wähler auswirkt. |
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