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tg
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 09:57 Uhr: | |
Wer ist zur Zeit eigentlich Regierungschef und wer ist Staatsoberhaupt des Staates der Vatikanstadt? Ein bestimmter Kardinal oder das Kardinalskollegium als Kollektiv? Und wer ist Regierungschef des Vatikans während des Konklaves? Ein Kardinal, der gerade weder Zeitung lesen noch mit der Außenwelt Kontakt aufnehmen darf? |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 13:56 Uhr: | |
Also, im Groben verhält es sich etwa so (wobei Feinheiten mit Absicht beiseite gelassen sein sollen): Das Staatsoberhaupt im engeren Sinne gibt es nicht. Die päpstliche Souveränität ruht gleichsam im Kardinalskollegium. Diesem oder einem Ausschuss aus Kardinälen müssen alle besonderen Geschäfte vorgelegt werden, die sonst dem Papst vorgelegt werden müssten. "Regierungschef" und ausserordentlicher "Hausherr" ist während der Sedisvakanz der Camerlengo, dessen Amt nur während dieser Zeit tatsächliche Vollmacht besitzt. Im übrigen führen die ordentlichen Behörden die Geschäfte weiter, nur ohne ihre vorsitzenden Kardinäle (diese sind ja im Konklave oder anderweitig beschäftigt, und es macht sich nicht eben gut, wenn ein Kardinal gleichzeitig als Präfekt amtet und dann im Kollegium noch den quasi-päpstlichen Segen zu einem ansonsten dem Papst vorzulegenden Geschäft gibt - ein klassischer Fall von Selbstkontraktion); ausserordentliche Geschäfte, die sich nicht bis nach der Inthronisation aufschieben lassen, werden dem Kardinalskollegium anstelle des Papstes unterbreitet (wie vorstehend bemerkt) oder einem Ausschuss desselben resp. dem Camerlengo, wenn es den Vatikan betrifft, bzw. dem Generalvikar für Rom, wenn es die Diözese Rom im engeren Sinne betrifft. |
tg
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 14:36 Uhr: | |
@ Philipp: So ähnlich hatte ich es vermutet, danke für die Bestätigung. Also ruht tatsächlich ein Teil der Regierungsbefugnis. Aber der Vatikan ist ja auch kein gewöhnlicher Staat, der zu jeder Zeit eine voll funktionstüchtige Regierung braucht, um auf plötzliche Krisen jedweder Art zu reagieren. |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 15:01 Uhr: | |
@tg: Richtig ist auf jeden Fall, daß der Vatikan kein gewöhnlicher Staat ist ;-) Aber der übliche Bundestagswahlkampf dauert deutlich länger als ein Konklave, und da ist die Regierung nur noch de jure "voll funktionstüchtig", de facto aber ähnlich auf Geschäftsführendes reduziert wie die Arbeit des Camerlengo. Und beim Tod des Regierungschefs gibt es eigentlich in jedem Staat - egal welcher Staatsform - eine Phase, in der die Regierungstätigkeit ruht. |
tg
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 17:13 Uhr: | |
@ Ralf: Aber ein weltlicher Staat kann schnell in eine plötzliche Krisensituation geraten, in der auch ein "lame duck" - Regierungschef Handlungsstärke zeigen muß. Und daß nach dem Tod des Regierungschef die Regierungstätigkeit ruht, gilt auch nur in ruhigen Zeiten. Wäre am 11.9.2001 auch Bush unter den Opfern gewesen, hätte der neue Präsident gleich wichtige Entscheidungen treffen müssen. Der Vatikan hingegen wird wohl kaum in die Lage kommen, in einer Krisensituation schnelle Entscheidungen zum Schutz seiner Bürger zu fällen. Wesentliche Entscheidungen dieses States beziehen sich eher auf größere Zeitmaßstäbe und können eine 3-wöchige Pause überstehen. (Daher auch meine Behauptung, der Vatikan sei kein gewöhnlicher Staat) |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 17:42 Uhr: | |
@tg: > Der Vatikan hingegen wird wohl kaum in die Lage kommen, in einer > Krisensituation schnelle Entscheidungen zum Schutz seiner Bürger zu > fällen. Das hat aber wenig mit der besonderen internen Struktur dieses Staats zu tun, sondern mit der derzeit ruhigen Situation. Sollte z. B. Italien mal wieder auf die Idee kommen, sich ein Stück päpstliches Gebiet einzuverleiben (ist natürlich nicht mehr viel ;-) - dann würde die Vatikan-Spitze m. E. auch während einer Sedisvakanz ähnlich schnell reagieren wie eine Bundesregierung während des Wahlkampfs oder nach einem Kanzlertod. |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 18:50 Uhr: | |
Pius IX. hatte ja im Hinblick auf derartige Vorfälle vorkehrende Massnahmen angeordnet für die Zeit der Sedisvakanz. Grundsätzlich gilt bei der Sedisvakanz jedes Bistums, gleichgültig, ob es sich nun um eine ganz gewöhnliche, unbedeutende Diözese irgendwo in der tiefsten katholischen Provinz, um eine Diaspora-Diözese in einem erzreformierten Gebiet oder in einem Missionsland, um eine Erzdiözese und vielleicht sogar den ersten Stuhl einer Nation oder aber eben um die römische Diözese handelt, dass während dieser Zeit "nichts verändert" werden dürfe. Daher sind auch gewisse Ämter bzw. Organe in dieser Zeit vakant, z. B. der Priesterrat einer Diözese, der vom neuen Bischof dann neu bestellt werden muss. Andere Organe, z. B. das Konsultorenkollegium, erhalten dann zusätzliche Kompetenzen. Allerdings handelt es sich dabei regelmässig um Organe, die engstens mit dem ehemaligen Amtsinhaber verbunden sind. In gewisser Weise sind diese dann während der Sedisvakanz nur seine Willensvollstrecker. Gerade am Beispiel des Konsultorenkollegiums lässt sich dies veranschaulichen: Der Bischof bestimmt grundsätzlich, wer in seiner Diözese Priester wird. Aus den Priestern wird dann ein Priesterrat gebildet, wobei die Zahl der Mitglieder, deren Wahl oder Bestellung und die Aufgaben im einzelnen durch Statut des Bischofs bestimmt wird. Etwa die Hälfte der Mitglieder soll von den Priestern gewählt werden, und zwar so, dass alle Klassen von Priestern (wie: Pfarrer, Kaplane, Kirchenrektoren, Vikare, Kanoniker usw.) angemessen vertreten seien. Die andere Hälfte soll aus "geborenen" Mitgliedern bestehen, d. h. aus Priestern, die durch ein bestimmtes Amt gleichzeitig Mitglieder des Priesterrates werden, also z. B. die Dekane einer Diözese, bestimmte Mitglieder der Diözesankurie o. ä. Zusätzlich steht es einem Bischof frei, einige Mitglieder frei zu ernennen. Wie man sieht, kommt man immer wieder zum Bischof: Denn 1.) bestimmt er die Priester seiner Diözese, 2.) bestimmt er die Zusammensetzung und Bestellungsart des Rates, 3.) vergibt er die Funktionen, die mit einem Sitz im Rat verbunden sind und 4.) kann er auch noch Mitglieder des Rates frei ernennen. Aus diesem so bestellten Gremium bestimmt er dann schliesslich (5.) 6 bis 12 als Konsultorenkollegium, das nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Diözesanbischofs über die Diözese wacht und das so ziemlich mächtigste Organ während der Sedisvakanz ist. Das gilt in ähnlicher Weise auch für den Vatikan: Den Camerlengo hat der verstorbene Papst ernannt, desgleichen die Mitglieder der Kammer ernannt oder wenigstens bestätigt, ferner den Camerlengo zum Kardinal ernannt, ebenso den Generalvikar für die römische Diözese zum Kardinal und zum Vikar ernannt usw. Die Leute, die zur Zeit im Vatikan an der Spitze stehen, sind alle engste Vertraute des gewesenen Papstes. Auch die Mitglieder untergeordneter Organe sind vom ehemaligen Papst ernannt oder doch grösstenteils zumindest bestätigt worden. Somit darf man annehmen, dass während der Sedisvakanz nicht gerade eine Revolution ausbricht und dass, sollte wirklich ein Eingriff von aussen stattfinden oder aus andern Gründen eine wesentliche Entscheidung zu fällen sein, die nicht einige Wochen aufgeschoben werden kann, die Organe der Sedisvakanz im grossen und ganzen ähnlich entscheiden dürften, wie es der verstorbene Papst persönlich getan hätte. Im übrigen gibt es aus der Geschichte des Papsttums auch eine Reihe Beispiele, dass eine Wahl unter ausserordentlichen Umständen auch einmal erstaunlich schnell gelingen kann. Unter äusserem Druck oder bei anstehen einer wirklich ernsthaften, unaufschiebbaren Entscheidung oder andern notstandähnlichen Verhältnissen könnte es schon vorkommen, dass erstens der Beginn des Konklaves vorverlegt wird und dass zweitens eine Wahl schon nach wenigen Wahlgängen binnen eines oder vielleicht zweier Tage zustande kommt. Da es sich seit Jahrhunderten stets um Kardinäle gehandelt hat, die gewählt wurden, und da diese die Bischofsweihe erhalten haben, ist der neugewählte mit der Annahme seiner Wahl sogleich Papst und kann im Prinzip auf der Stelle entscheiden. |
Bernhard Nowak
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 19:46 Uhr: | |
Ist der Papst lediglich Staatsoberhaupt oder - wie der amerikanische Präsident - in Personalunion auch Regierungschef? Oft wird ja der Kardinalstaatssekretär (z. Zt. Sodano) als "Regierungschef" tituliert, meines Wissens ist er aber eher Bürochef (wie etwa der Kanzleramtsminister in Bonn/Berlin)und kein "Premierminister" im Sinne einer Trennung beider Ämter. Oder irre ich mich da? |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 22:13 Uhr: | |
Im Prinzip herrscht im Vatikanstaat Gewalteneinheit statt Gewaltenteilung: Der Papst besitzt oberste legislative, exekutive und iudicative Gewalt. Er ist somit zugleich Staatsoberhaupt, Regierungschef und oberster Richter. So verhält es sich im Prinzip, in der Realität sieht es ein wenig komplizierter aus, lässt sich doch meist die Realität nicht in ein eindeutiges Schema pressen. So sind die in der Theorie sauber getrennten Gewalten in der Praxis meist nicht so scharf abzugrenzen, so dass man heute auch meist nicht mehr von Gewaltetrennung, sondern von Gewaltenteilung spricht. Zunächst historisch: Im Vatikan hat der Papst eine Stellung, wie sie früher souveränen Fürsten zukam. Der Kardinalstaatssekretär ist insofern schon auch ein Stück weit einem Regierungschef vergleichbar, aber doch auch nicht wirklich. Am ehesten hat er vielleicht Ähnlichkeit mit dem Stabschef des amerikanischen Präsidenten. Allerdings war die Stellung der Kanzler/Ministerpräsidenten im absolutistischen Staat seinerzeit sehr ähnlich; die Vorläufer-Kanzler des heutigen Bundeskanzlers waren quasi nur die Kanzleramtsminister ihrer Fürsten, trugen aber schon denselben Titel wie heute. Sodann systematisch: Der Vatikan ist ein vielfältiges Gebilde. Da gibt es einerseits den Vatikanstaat, und dessen souveränes Oberhaupt ist der Papst. Zugleich bestimmt er auch die Grundzüge der ausführenden Tätigkeiten. Diese sind aber in der Praxis weitgehend untergeordneten Behörden delegiert, wobei zu unterscheiden ist zwischen der inneren Leitung des Vatikanstaates und seinen äusseren Beziehungen, die durch jeweils weitgehend voneinander unabhängigen Behörden wahrgenommen werden. Insofern gibt es nicht einen, sondern zwei "Kabinettschefs". Sodann gibt es die Güterverwaltung, die Verwaltung des päpstlichen Haushaltes u. a. m., die ebenfalls selbständigen Organen übertragen sind. Und schliesslich ist von dem völkerrechtlichen Gebilde "Vatikanstaat" zu unterscheiden die Leitung der Diözese Rom und die Leitung der gesamten römisch-katholischen Kirche und der unierten Kirchen, wofür wiederum weitgehend eigene Organe zuständig sind, teilweise aber auch solche, die zum Vatikanstaat im engeren Sinne gehören und auch der gesamte diplomatische Dienst: Nuntien sind einerseits diplomatische Vertreter des Vatikanstaates bei den jeweiligen Staaten, anderseits Erzbischöfe und Vertreter des Papstes gegenüber den jeweiligen Lokalkirchen. Die Sache ist also im einzelnen komplexer, als es die einfache Formel andeutet. |
Bernhard Nowak
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 22:27 Uhr: | |
@Philipp: Vielen Dank für die ausführliche Info! |
Martin Fehndrich
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. April 2005 - 22:33 Uhr: | |
Der Vatikanstaat hat als solches keine diplomatischen Beziehungen, sondern die Beziehungen hat der Heilige Stuhl als eigenes, vom Staat unabhängiges, Völkerrechtssubjekt. |
tg
| Veröffentlicht am Mittwoch, 13. April 2005 - 09:52 Uhr: | |
@ Martin Fehndrich: Warum dieses? Es wäre doch logischer, wenn der Staat die diplomatischen Beziehungen hätte? @ Ralf Arnemann: Sollte der Vatikan tatsächlich jemals von außen angegriffen werden, wäre Italien für die Verteidigung zuständig, zumindest laut CIA World Factbook (zu finden unter www.cia.gov). Was freilich passieren würde, wenn die Italiener selbst angreifen würden ... ;-)? |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Mittwoch, 13. April 2005 - 11:41 Uhr: | |
@tg: > Es wäre doch logischer, wenn der Staat die diplomatischen Beziehungen > hätte? Die Institution Papsttum ist ja viel älter als der Vatikanstaat und das wesentliche Völkerrechtssubjekt. Seine Wichtigkeit beruht ja nicht auf der Herrschaft über das winzige Gebiet innerhalb Roms, die diplomatischen Beziehungen wären fast unberührt, wenn der Papst seinen Sitz irgendwo anders nehmen würde. > Sollte der Vatikan tatsächlich jemals von außen angegriffen werden, > wäre Italien für die Verteidigung zuständig, ... Also wenn wir überhaupt über ein so unrealistisches Szenario spekulieren, dann wäre ein Bruch des entsprechendes Vertrags ja noch das wenigste ... Eine solche Zuständigkeit klingt im Gegenteil eher nach einer guten Propaganda-Basis, um einen Einmarsch mit irgendwelchen Schutznotwendigkeiten zu begründen. |
Florian
| Veröffentlicht am Mittwoch, 13. April 2005 - 11:53 Uhr: | |
@ tg: Völkerrechtssubjekt heiliger Stuhl: Zum einen ist das wohl einfach historisch bedingt. Zum anderen hat das aber auch praktische Vorteile. Sollte z.B. der Vatikan einst wieder an Italien zurückfallen (wie es vor den Lateranverträgen der Fall war und wie es angesichts der Stärke der italienischen kommunistischen Partei auch im Nachkriegsitalien vielleicht nicht völlig ausgeschlossen war), dann wäre der Papst weiterhin auch ohne Staatsgebiet diplomatisch handlungsfähig. Hierzu übrigens noch eine weitere kleine Skurilität: Rom ist Sitz nicht nur von zwei Völkerrechtssubjekten (Italien und Heiliger Stuhl) sondern sogar von drei. Die Nummer Drei ist der Souveräne Malteser-Orden: Ein eigenständiges Völkerrechtssubjekt, wenn auch derzeit ohne eigenes Staatsgebiet (aber immerhin mit eigener Regierung und mit exterritorialem Sitz). |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Mittwoch, 13. April 2005 - 12:38 Uhr: | |
> Die Nummer Drei ist der Souveräne Malteser-Orden Richtig - wirklich niedlich, was die Geschichte so alles an Relikten hinterlassen hat, die immer noch ernst genommen werden. > Ein eigenständiges Völkerrechtssubjekt, wenn auch derzeit ohne eigenes > Staatsgebiet "Derzeit", hihi. Kann einem ja schon mal abhanden kommen, so ein Staatsgebiet. Ich vermute mal, daß der Orden auch keine wirklich eigenen Staatsbürger hat, d.h. das dürften alles maximal Doppelpaß-Leute sein. Wobei ich nicht weiß, ob das nicht auch beim Vatikan der Fall ist - geboren wird da ja keiner, aber vielleicht geben die Vatikan-Bürger ihre alte Staatsbürgerschaft auf. Ist eigentlich schwer vorstellbar, daß ein Staatsoberhaupt noch eine fremde Staatsbürgerschaft mit entsprechenden Verpflichtungen hat (würde analog auch für den Malteser-Orden gelten). |
John Rawls
| Veröffentlicht am Mittwoch, 13. April 2005 - 14:51 Uhr: | |
>>>Ist eigentlich schwer vorstellbar, daß ein Staatsoberhaupt noch eine fremde Staatsbürgerschaft mit entsprechenden Verpflichtungen hat (würde analog auch für den Malteser-Orden gelten). Ach, wieso eigentlich nicht. Weil es der Ästhetik der Ordnung entgegenläuft? Etwas mehr Mut, Kollege Arnemann! Wie heißt es so schön bei Gerhard Seyfried: "Die Welt ist rund und kunterbunt. Und wem das nicht geheuer ist, der wird in Deutschland Polizist." |
Immanuel Goldstein
| Veröffentlicht am Mittwoch, 13. April 2005 - 15:22 Uhr: | |
Der Malteser-Orden ist nicht zum erstenmal ohne Staatsgebiet (ich glaube er war es auch schon mal 1523 bis 1530 - bin mir jetzt aber nicht sicher). Vielleicht bekommt er ja nach dem hl. Land, Rhodos und Malta (zeitweise mit Tripolis) ja doch noch eine vierte Chance. Vielleicht müsste er nur eine unbewohnte Insel kaufen und zum eigenen Staatsgebiet ausrufen. Klingt zwar erst einmal abwegig - aber z.B. im Zeitalter des Steuerwettbewerbs (ich denke an Post-, Bank- und sonstige Fächer) wäre dies eine Möglichkeit die Ordenskasse aufzupolieren - also nicht unbedingt unvernünftig. |
tg
| Veröffentlicht am Mittwoch, 13. April 2005 - 22:21 Uhr: | |
Ich habe mal gelesen, daß der Papst auch Oberhaupt des Malteserordens ist und damit als einziger zwei Völkerrechtssubjekten in derselben Stadt vorsteht. Weitere Kuriosität: Die Währung des Malteserrordens ist die letzte nicht-dezimale der Welt: 1 Scudo = 12 Tari ; 1 Tari = 20 Grani. Hat aber mehr symbolischen als praktischen Wert. |
tg
| Veröffentlicht am Donnerstag, 14. April 2005 - 07:39 Uhr: | |
Informationen zum Malteserorden gibt es auf der Homepage www.orderofmalta.org Allerdings habe ich die gestern geäußerte Vermutung, der Papst sei Oberhaupt, dort nirgends bestätigt gefunden. Oberhaupt ist vielmahr der Großmeister, der vom Großen Staatsrat auf Lebenszeit gewählt wird. Da gibt es also schon eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Vatikan. |
Florian
| Veröffentlicht am Donnerstag, 14. April 2005 - 11:00 Uhr: | |
@ tg: Im Falle des M-Ordens ist Deine Vermutung tatsächlich falsch. Es gibt aber natürlich andere Fälle, bei denen eine Person Staatsoberhaupt mehrerer Völkerrechtssubjekte ist. Etwa die Queen, die auch Staats-Oberhaupt von z.B. Kanada und Australien ist. Oder der franz. Präsident - im Nebenamt Staats-Oberhaupt von Andorra. Historisch gibt es natürlich noch viele weitere Fälle von Personalunion. Legendär ist z.B. der Titel-Rattenschwanz von Karl V. Zur Vollständigkeit: Es gibt noch ein drittes staatenloses Völkerrechtssubjekt: Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. |
Kai
| Veröffentlicht am Donnerstag, 14. April 2005 - 12:32 Uhr: | |
@Florian: Bei der Queen kommen noch zahlreiche andere Staaten hinzu: Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Grenada, Jamaika, Neuseeland, Papua-Neuguines, Salomonen, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen und Tuvalu (wenn ich nicht noch welche vergessen habe) Und der Französische Präsident ist nur Co-Princep von Andorra. Gleichberechtigt neben ihm steht der Bischof von La Seu d'Urgell. |
Bernhard Nowak
| Veröffentlicht am Freitag, 15. April 2005 - 21:42 Uhr: | |
Eine Notiz am Rande. Der französische Schriftsteller Maurice Druon beschreibt in seinem historischen Roman: "Die unseligen Könige" die Umstände des Konklaves 1314-1316. 1314 war Papst Klemens gestorben. Die Päpste konnten sich zwei Jahre nicht auf einen Nachfolger einigen. 1314 starb ebenfalls Philipp IV. der Schöne von Frankreich. Nach dem Tode seines Sohnes und Nachfolgers, Ludwigs X. kam Philipp V., der Lange, der zweite Sohn Philipps des Schönen, an die Regierung. Das Konklave versammelte sich in Vincennes zu einem Gedenkgottesdienst für den verstorbenen König Ludwig X. Während des Gedenkgottesdienst ließ Philipp V. die Kirche zumauern, damit die Kardinäle nach zwei Jahren endlich einen Nachfolger wählen sollten. Im Konklave herrschte Ratlosigkeit. Der mit Philipp V. befreundete französische Kardinal Duèze wandte einen Trick an, um gewählt zu werden. Duèze war 72 Jahre alt. Er simulierte daher, er sei von den Umständen der Entwicklung so mitgenommen, dass er vor Schreck erkrankt sei und im Sterben läge. Die übrigen Kardinäle beeilten sich daher, ihn zum Papst zu wählen, in der Annahme seines baldigen Todes. Doch - siehe da! - nach seiner Wahl "gesundete" er rasch und stand bis zu seinem Tode, der mit 90 Jahren (!) erfolgte, 18 Jahre lang der Kirche als Johannes XXII. vor. Tja, so ist das mit "Übergangspäpsten"... |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Samstag, 16. April 2005 - 13:43 Uhr: | |
Nun ja, beim unmittelbar bevorstehenden Konklave sollten sich derartige Zustände eigentlich nicht wiederholen. Erstens sind Eingriffe durch die Staaten höchst unwahrscheinlich. Zweitens bietet die neue Konklaveordnung ja jetzt die Möglichkeit, wenn sonst keine Wahl getroffen werden kann, mit Mehrheit zu wählen. Drittens stellt sich die Frage, ob ein "Übergangspapst" erwünscht sei. Es gibt zwar Gerüchte, die sowas läuten hören wollen, doch dazu ist festzuhalten, dass die Entscheidungsmechanismen des Vatikan generell und die des Konklaves im Besonderen undurchschaubar sind, was selbst "Kenner" des Vatikan offen zugeben. Prognosen über Entscheidungen des Vatikan sind im allgemeinen sehr unsicher, solche über den Ausgang des Konklaves so gut wie wertlos. Es ist eher noch möglich anzugeben, wer vermutlich nicht gewählt wird, als eine Prognose abzugeben, wer gewählt werden wird. Einen Umstand sollte man allerdings bedenken: Der verstorbene Papst hat eine verhältnismässig lange Zeit regiert. In dieser Zeit hat er durch seine Ernennungen auch das Kardinalskollegium entscheidend geprägt. Zudem ist damit zu rechnen, dass auch künftig die Lebenserwartung katholischer Kleriker nicht schlecht ist. Wäre im 16. Jh. ein Kardinal mit 58 Jahren Papst geworden, so hätte er nur noch eine ganz kurze Lebenserwartung gehabt. Das Konklave dürfte sich darüber im Klaren sein, dass es, wenn es sich einen "Übergangspapst" wünscht, schon einen alten Mann wählen muss, der mindestens um die 70 ist. Ob dieser Schritt opportun erscheint, dürfte zumindest fraglich sein. Es wäre natürlich denkbar, einen Kardinal zu wählen, der versprochen hat, als Papst zurückzutreten. Für einen Rücktritt gibt es allerdings keine Garantie, und ich glaube persönlich auch, dass sogar ein Ratzinger, von dem gerüchteweise behauptet wurde, er sei zu einem solchen Schritt bereit, klug genug sein dürfte, diesen unerhörten Schritt nicht zu wagen. Soweit historisch bezeugt, gab es nur ein einziges Mal einen wirklichen Rücktritt eines Papstes, dies war Coelestin V., auf den Bonifaz VIII. folgte - wobei die katholische Kirche eine ihrer schlimmsten Perioden durchlebte. Von der später folgenden Zeit des grossen Schismas ganz zu schweigen. Ich halte es für gefährlich und somit faktisch für unmöglich, dass ein Papst je zurücktritt, die historischen Erfahrungen sprechen ganz eindeutig dagegen, selbst wenn es theoretisch möglich und im Kirchenrecht sogar vorgesehen ist. Der verstorbene Papst wusste das jedenfalls, und trotz aller Unkenrufe hielt er bis zum Tod durch. Viel potentielle Päpste im Kardinalskollegium sind mindestens ebenso gescheit und gebildet wie der verstorbene Papst oder ihm sogar intellektuell noch voraus; es fällt daher schwer sich vorzustellen, sie könnten dies nicht ebenso klar sehen. Anderseits hat das Konklave auch wenig Spielraum nach unten. In Frage kommende Kandidaten sind nach langer Tradition nur Kardinäle. Kardinal wird man aber in der Regel erst in vorgerücktem Alter, ca. ab 50. Sollte das Konklave von der langen Tradition abweichen, dann käme am ehesten ein prominenter Bischof in Frage. Aber auch Bischof wird man nicht so bald; vielleicht lässt sich noch ein Bischof finden, der erst in den Vierzigern steht und als Papst qualifiziert wäre. Dann könnte allerdings auch ein Pontifikat von 40 Jahren herausschauen. Am wahrscheinlichsten dürfte daher wiederum die Wahl auf einen Kandidaten fallen, der um die 60 ist. Je nach Gesundheitszustand und Glück kann sich dabei wiederum ein Pontifikat von 15 bis 25 Jahren ergeben. Schliesslich ist anzunehmen, dass es innerhalb des Konklaves eine Kerngruppe gibt, die stark vom verstorbenen Papst geprägt ist. Das muss absolut nicht bedeuten, dass diese Gruppe einen Mann sucht, der gleichsam eine zweite Ausgabe von JP2 abgibt. Dies dürfte aber wohl bedeuten, dass es eine nicht unerhebliche Gruppe gibt, die in vielem ähnlich denkt, gewisse Gemeinsamkeiten aufweist usf. Es lässt sich nicht ausmachen, wie gross diese Gruppe tatsächlich ist; sollte sie stark genug sein, so könnte das Konklave eine ungeahnte Dynamik aufweisen und sich möglicherweise erstaunlich schnell auf einen Namen einigen. Damit bleibt immer noch (fast) alles denkbar und möglich; es scheint mir allerdings vermessen, mehr prognostizieren zu wollen. |
Mörsberg
| Veröffentlicht am Samstag, 16. April 2005 - 14:21 Uhr: | |
Es gibt auch historische Beispiele, dass auf einen Papst, der das seinen Nachfolger wählende Konklave überwiegend oder gar ausschließlich bestimmt hat, einer folgte, der dem Vorgänger gar nicht so sehr glich. Gute Beispiele sind Pius IX./Leo XIII. sowie Pius XII./Johannes XXIII. Diese Überlegung taugt also wohl auch nicht zur Orakelverbesserung. |
Bernhard Nowak
| Veröffentlicht am Samstag, 16. April 2005 - 18:06 Uhr: | |
Moersberg hat recht. Schon Guido Knopp stellte in seinem Buch: "Vatikan: Die Macht der Päpste" folgendes fest: "Gibt es eine Art von vatikanischem Gesetz, warum gerade dieser und nicht jener Kardinal zum Papst gewählt wird? Die Wege des Herrn sind unerforschlich, und wenn der Heilige Geist schon einmal in den Mauern der Sixtinischen Kapelle umgeht, dann nach Kräften. Doch wenn wir uns die letzten fünf Pontifikate [von Pius XII. bis Johannes Paul II., diese Päpste portraitiert Knopp in diesem lesenswerten Buch, B.N.]noch einmal vor Augen halten, drängt sich der Verdacht auf, die erlauchten Eminenzen kürten immer eher das Gegenteil des gerade verblichenen Pontifex zum Nachfolger. Auf den Diplomaten Pius XII. folgte der Seelsorger Johannes XXIII., auf diesen der Politiker Paul VI., auf diesen der Seelsorger Johannes Paul IL. auf diesen der Politiker Johanes Paul II. Wir dürfen also vermuten, daß der nächste Papst einer eher pastorale Gestalt sein wird. Einer, der es schaffen soll, nicht nur die widerstrebenden Flügel der Kirche zu versöhnen, sondern durch sein Vorbild auch noch einer wunderbaren Botschaft neuen Auftrieb geben kann, die durch die Sünden mancher ihrer amtlichen Verkünder nicht geringer wird." (Vorwort zur Taschenbuchausgabe von 1998, S. 14." Die Anspielung, die widerstrebenden Flügel zu versöhnen, spricht im übrigen gegen Ratzinger. Vgl. auch die folgende dpa-Meldung von heute. Aber: durch die de-facto-Abschaffung der Zweidrittelmehrheit nach 30/34 Wahlgängen ist der Zwang zu einem Konsens- oder Kompromisskandidaten geringer geworden. Es steigen daher die Möglichkeiten, dass sich der Exponent eines Kirchenflügels (etwa Ratzinger) gegen einen anderen (etwa Martini) durchsetzt, da keiner der beiden Exponenten auf eine Zweidrittelmehrheit angewiesen ist. Anbei der Artikel. dpa-Meldung bei AOL-Nachrichten: Ratzinger spaltet die Papst-Wähler Chancen des konservativen deutschen Kardinals sinken Feiert seinen 78. Geburtstag: Kardinal und Papst-Favorit Joseph Ratzinger. (Foto: Reuters) Rom - Kurz vor Beginn des Konklave haben sich die in Rom versammelten 115 Papst-Wähler offenkundig in zwei größere Lager gespalten. Dabei handelt es sich nach italienischen Presseberichten vom Samstag um Anhänger und Kritiker des konservativen deutschen Kardinals Joseph Ratzinger (78). Als "Anti-Ratzinger" wird nach wie vor der frühere Erzbischof von Mailand, Carlo Maria Martini (78), genannt: Er ist seit Jahren die Leitfigur der Reformer innerhalb der katholischen Kirche Italiens. Ratzinger: Ein "scharfer Hund" aus Bayern Konklave: So wird der Papst gewählt Drei Phasen: So wird beim Konklave abgestimmt Namen: Wie wird sich der neue Papst nennen? Bildergalerie: Die aussichtsreichsten Kandidaten Am Samstag trafen sich die in Rom versammelten mehr als 130 Kardinäle aus allen Teilen der Welt zur letzten Kongregationssitzung. Daran nahmen auch die nicht wahlberechtigten Kardinäle über 80 Jahren teil. Zugleich gingen die Trauerfeiern (Novendiale) für Johannes Paul II. zu Ende. Ratzinger angeblich noch in Führung Ratzinger und Martini gelten zwar als Schlüsselfiguren im Richtungsstreit, nach Klärung der Fronten soll allerdings über andere Kandidaten abgestimmt werden, wie gut informierte Vatikanisten in Rom berichten. "Ratzinger liegt immer noch klar in Führung, aber seinen Unterstützern gelingt es nicht, weitere Zustimmung zu bekommen", schreibt die römische Zeitung "La Repubblica". Ähnliche Situation wie vor Karol Wojtylas Wahl Gleichzeitig sei die große Gruppe der 20 wahlberechtigten italienischen Kardinäle in sich gespalten. Dennoch gibt es unter ihnen "heiße Favoriten". Zugleich heißt es immer wieder, auch Lateinamerikaner hätten Chancen. Die Situation sei ähnlich wie 1978, als sich die Italiener spalteten und der damalige Wiener Erzbischof Franz König den polnischen Kandidaten Karol Wojtyla ins Spiel brachte. Dennoch kurzes Konklave erwartet Trotz aller Unstimmigkeiten gehen Vatikankenner aber weiterhin von einem kurzen Konklave aus. Die Wahl findet streng abgeschirmt hinter verschlossenen Türen in der Sixtinischen Kapelle in Rom statt. "In der jüngeren Geschichte gab es rasche Wahlen", schreibt der "Corriere della Sera": Pius XII. sei in drei Abstimmungen gewählt worden, Johannes Paul I. in vier, Paul VI. in fünf, Johannes XXIII. in elf und Johannes Paul II. in acht Abstimmungen. "Hoffen wir auf ein kurzes Konklave", sagte der mexikanische Kardinal Norberto Rivera Carrera (62), der zum Kreis der Favoriten gehört. Erste Abstimmung am Montagabend? Von diesem Montag an blickt die katholische Welt auf den zwei Meter hohen Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle. Nach einer Messe und einer feierlichen Prozession wird die erste Abstimmung noch am Montagabend erwartet. Eine endgültige Entscheidung träfen die Kardinäle allerdings erst nach Beginn des Konklave, sagte Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls. Jeweils nach zwei Abstimmungen soll gegen 12 Uhr und 19 Uhr Rauch aufsteigen, wenn die Stimmzettel verbrannt werden. Schwarzer Rauch bedeutet, es wurde kein Pontifex gefunden; weißer Rauch heißt: "habemus papam" (Wir haben einen Papst). Damit wird frühestens Dienstag oder Mittwoch gerechnet. (joe/dpa) |
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