Themen Themen Profil Profil Hilfe/Anleitungen Hilfe Teilnehmerliste Teilnehmerliste [Wahlrecht.de Startseite]
Suche Letzte 1|3|7 Tage Suche Suche Verzeichnis Verzeichnis  

151-175

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Papstwahl » 151-175 « Zurück Weiter »

Autor Beitrag
 Link zu diesem Beitrag

Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Montag, 04. April 2005 - 18:03 Uhr:   

@Carsten Heine
In der deutschen Übersetzung von UDG Nr. 75 steht "entweder ... oder". Demnach muß die 2/3 Pflicht abgeschafft werden.
 Link zu diesem Beitrag

Carsten Heine
Veröffentlicht am Montag, 04. April 2005 - 21:22 Uhr:   

@Martin Fendrich
Danke für die Info. Da möchten sich die Kardinäle dann aber nach dem 30/34 Wahlgang entsprechend entscheiden, sonst kann es wohl seeehr lange dauern. Denn eine Grenze zeitlicher Art gibt es wohl nicht.
 Link zu diesem Beitrag

sebu
Veröffentlicht am Montag, 04. April 2005 - 21:50 Uhr:   

@Fragender:
ad 1:Wieder ein Blick in "Universi Dominici Gregis":
"[...]
Nr. 87 [..] ; darauf fragt der Kardinaldekan oder der ranghöchste und älteste Kardinal im Namen des ganzen Wählerkollegiums den Gewählten bezüglich der Annahme der Wahl mit folgenden Worten
[...]"
Vermutlich kommt dann diese Regelung analog zur Anwendung.

ad 2 und 3: Die drei Rangordnungen der Kardinäle haben historische Hintergründe, die ich nicht mehr so ganz im Kopf habe, nur grob: ursprüngl. waren die Kardinäle eng verbunden mit dem Klerus von Rom, unter den Geistlichen gibt es Diakone, Priester und Bischöfe. Jeder Kardinal hat eine Titelkirche/-diakonie in Rom, um diese Verbundenheit zur Stadt Rom zu demonstrieren, die Kardinal-Bischöfe haben als Titel (zusätzlich) eines der suburbikanen Bistümer. Im Zweifel muss man ganz unten anfangen als Kardinal-Diakon und arbeitet sich dann hoch zum Kardinal-Priester (durch warten und älter werden). Kardinal-Bischof wird man nicht automatisch, dazu wird man gesondert ernannt. Die Kardinal-Bischöfe waren bis vor ca. 40 Jahren gleichzeitig Bischöfe der suburbikanen Bistümer.
Bis Johannes XXIII. waren die Kardinäle nicht automatisch Bischöfe, jetzt ist vorgesehen, sie bei der Ernennung auch zu Bischöfen zu weihen. Es gibt also heute keine "einfachen Priester" mehr unter den Kardinälen. Die Rangordnungen hat man aber beibehalten. Jeder Kardinal sollte sich in seiner Titelkirche hin und wieder blicken lassen.
Vielleicht darf der ranghöchste Kardinal-Bischof ermuntern, weil er quasi der "allerweiseste unter Gleichen" ist, vielleicht wollte man aber auch nur ein bisschen Abwechslung in der Formulierung haben ;-)

Der "in pectore" ernannte Kardinal nimmt seinen Rang innerhalb der Kardinäle-Hierarchie ausgehend von seinem Ernennungsdatum und nicht von seinem Bekanntwerden ein - sollte also jetzt (z. B. aus dem Testament) klar werden, wer das ist, haben wir 118 Papstwähler?!
 Link zu diesem Beitrag

Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Dienstag, 05. April 2005 - 10:27 Uhr:   

Wiederum auf die Gefahr hin, als Nicht-Katholik Katholiken aufzuscheuchen, ein paar Bemerkungen zu den Kardinälen:
Allgemein nimmt man an, dass die Vorläufer des Kardinalskollegiums tatsächlich nichts anderes als der stadtrömische Klerus gewesen sei, aus dem heraus sich später gleichsam ein engeres, qualifiziertes Gremium, vielleicht an der Hauptkirche Roms, herausgebildet habe. Sicher ist das allerdings nicht belegt. Es gibt aber schon vor Beginn des Mittelalters Bezeichnungen wie "presbyter cardinalis" u. dgl.
Was die Kardinäle heute sind, welche Stellung sie einnehmen, wie sie ernannt werden usw. steht übrigens im CIC ziemlich weit vorne, gleich nach dem Abschnitt über den Papst.
Die drei traditionellen Rangklassen der Kardinaldiakone, Kardinalpriester und Kardinalbischöfe spiegeln aber neben historischer Herkunft auch den Klerus der katholischen Kirche überhaupt. Heute stellt das Kardinalskollegium in verschiedener Hinsicht eine Art qualifizierten Ausschuss des gesamten katholischen Klerus dar: So sind in ihm Kardinäle aus der ganzen weiten katholischen Welt vertreten, die drei Rangklassen spiegeln die Klassen des Klerus an sich wider; manche Kardinäle sind in Rom im AUftrag des Papstes tätig, etwa als Mitglieder und Vorsitzende einer Kongregation, andere aber sind Bischöfe von Diözesen, Legaten usw. in der weiten Welt und kommen nur gelegentlich nach Rom, um an Konsistorien teilzunehmen oder eine bestimmte Aufgabe durchzuführen, die ihnen der Papst von Fall zu Fall zuweist.
So sind also im Kardinalskollegium Personen aus der unmittelbaren Umgebung des Papstes, die ihn in der Kirchenleitung unterstützen und gleichsam vertreten, ebenso vertreten wie Repräsentanten der Diözesen aus aller Welt.
Daher ist es tatsächlich, nach dem weiter oben erwähnten Prinzip der katholischen repraesentatio, sinnvoll, dass das Kardinalskollegium den Papst als obersten Repräsentanten der weltweiten Kirche und Inbegriff der Einheit (wie sie katholischerseits verstanden wird) wählt.
Zu den Titelkirchen noch folgende Bemerkung: Jeder Kardinal erhält eine Titelkirche in Rom oder eine Diakonie, wenn es sich um einen Kardinaldiakon handelt. Kardinalbischöfe sind jene Kardinäle, denen eine suburbikarische Kirche zugewiesen wird. Der Kardinaldekan, der nur aus den Kardinalbischöfen gewählt werden kann und nur von diesen und zudem der Bestätigung durch den Papst bedarf, erhält zusätzlich noch das Bistum Ostia und ist daher Kardinalbischof von Ostia. Der Kardinalprotodiakon hat ebenfalls eine besondere Stellung, denn er hat nicht nur gewisse Aufgaben bei der Krönung des neuen Papstes zu erfüllen, sondern legt in Stellvertretung des Papstes den Metropoliten/Erzbischöfen die Pallien an.
Orientalische Patriarchen, die aus unierten Kirchen stammen und Kardinal werden, tragen als Titel ihren Patriarchensitz. In der lateinischen Kirche ist der Titel eines Patriarchen reiner Ehrentitel (der Papst ist selbst auch Patriarch des Abendlandes), ansonsten sind Patriarchen einfach nur Erzbischöfe.
 Link zu diesem Beitrag

Fragender
Veröffentlicht am Dienstag, 05. April 2005 - 12:55 Uhr:   

Da ich nicht so recht an sinnfreie Regelungen glauben mag, stellt sich mir immer noch die Frage warum ein Kardinal in der Pause ermanht und der andere ermuntert und warum gerade dieser dieses und jener jenes tut. Eine rein historische Erklärung wäre zwar nett, aber dann hätte gerne eine schlüssige Erklärung, warum daran auch heute festgehalten wird.
 Link zu diesem Beitrag

kai
Veröffentlicht am Dienstag, 05. April 2005 - 13:38 Uhr:   

@Fragender

Die Frage ist einfach zu beantworten: die Una Sancta ändert nichts, was nicht zwingend geändert werden muss. Vor allem der soeben verblichene Heilige Vater hatte dazu überhaupt keine Neigung.
 Link zu diesem Beitrag

Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 05. April 2005 - 19:40 Uhr:   

Das kürzeste und das längste Papst-Konklave: dpa-Meldung auf http://www.web.de/:
Hamburg - Papst Johannes Paul II. wurde 1978 nach dreitägiger Konklave im achten Wahlgang zum neuen Kirchenoberhaupt bestimmt. Nicht immer verliefen Papstwahlen innerhalb weniger Tage.
Das längste Konklave begann 1268 im mittelitalienischen Viterbo und dauerte zwei Jahre, neun Monate und zwei Tagen. Die Kardinäle konnten sich auch nach einer drastischen Kürzung der Lebensmittel nicht auf die notwendige Zwei-Drittel Mehrheit einigen. Erst als die wutentbrannte Bevölkerung begann, das Dach über dem Wahlraum abzutragen, wurde im September 1271 aus Angst vor den ersten herbstlichen Gewitterregen Papst Gregor X. gewählt.

Besonders dramatisch entwickelte sich 1314 ein Konklave im südfranzösischen Carpentras. Ungeduldige Massen steckten den Bischofspalast, in dem die Purpurträger berieten, in Brand, so dass diese die Flucht ergreifen mussten. Ende Juni 1316 schloss Prinz Philipp die Wahlgesellschaft kurzerhand im Dominikanerkloster von Lyon ein. Nach weiteren 40 Tagen wurde dann endlich am 7. August 1316 Johannes XXII. zum neuen Papst bestimmt.

Die kürzeste Wahlversammlung fand am 31. Oktober 1503 in Rom statt: Nach wenigen Stunden ging daraus Papst Julius II. hervor. Mit einer Dauer von 20 Stunden zählt auch die Wahl von Pius XII. 1939 zu den kürzesten Konklaven der Geschichte.



© dpa - Meldung vom 05.04.2005 07:38 Uhr

4
 Link zu diesem Beitrag

Victor
Veröffentlicht am Dienstag, 05. April 2005 - 21:04 Uhr:   

Viele news's gibt es bei
http://www.vaticanhistory.de/
 Link zu diesem Beitrag

gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Dienstag, 05. April 2005 - 23:14 Uhr:   

@Fragender

In der englischen Fassung heißen alle drei Ansprachen "exhortation", was man mit Ermahnung oder mit Ermunterung übersetzen kann. In den dort verlinkten Fassungen in verschiedenen romanischen Sprachen (die ich allerdings nicht verstehe) scheint es ebenso zu sein. Leider scheint eine lateinische Fassung nicht erhältlich zu sein. Vor diesem Hintergrund spekuliere ich, dass die Unterscheidung in "Ansprache", "Ermahnung" und "Ermunterung" eher vom Übersetzer als vom Papst kommt.

Während ich mir über die erste Ansprache keine Vorhersage zutraue bin ich mir übrigens ziemlich sicher, dass die zweite und dritte Ansprache mangels Anlass nicht stattfinden, d.h. dass der neue Papst vorher gewählt ist.

@alle

Übrigens sollte man nicht vergessen, dass diese Wahl eigentlich keine Wahl im üblichen Sinne ist. Der in Nr. 66 vorgeschriebene Eid ist durchaus so gemeint, wie er da steht. Die Wahl ist also nicht im engeren Sinne frei. Das ist auch sinnvoll, weil der eigentliche Wähler eben der heilige Geist sein soll.
 Link zu diesem Beitrag

Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. April 2005 - 09:45 Uhr:   

Nun ja, dass die Wahl nicht "echt" frei sei, ist wohl keine Besonderheit der katholischen Kirche. In der Geschichte der Wahl braucht man nur ein wenig zurückzugehen, und schon kommt man darauf, dass einst gewählt wurde, um die geeignetste Person zu finden. Das setzte allerdings feststehende oder doch zumindest halbwegs objektivierbare Kriterien voraus, an denen die Eignung gemessen werden konnte. Symptomatisch ist der Zustand in Athen: Auslosung für alle möglichen Ämter, nur nicht für die Strategen und für den Schreiber des Rates. Das Heer wollte man nun doch nicht irgendwem anvertrauen und in eine Katastrophe führen lassen, sondern dafür begabte Heerführer finden, und der Schreiber sollte der Schrift mächtig, zuverlässig und vertrauenswürdig sein - daher also Wahl statt Losung.
In der katholischen Kirche ist dies heute noch nicht wesentlich anders, sondern es geht bei Wahlen darum, dass (in der Regel qualifizierte Wähler) das zu erkennen suchen, was der hl. Geist vorzeichnet. Wie ich weiter oben schon bemerkte: Formal herrscht vielleicht in der katholischen Kirche Wahlfreiheit, es herrscht aber deswegen nicht Beliebigkeit.
Im übrigen verhält es sich auch mit Wahlen in andern, modernen Gemeinschaften nicht wesentlich anders: So sind die Aktionäre nicht im Sinne einer Demokratie frei, einen Aufsichtsrat zu wählen, sondern sie sind verpflichtet, auf das Gesamtinteresse der Unternehmung, auf deren Gewinnstrebigkeit, auf verschiedene Kategorien von Aktionären usw. Rücksicht zu nehmen. Eine Wahl, die solchen Kriterien krass widerspricht, könnte im Einzefall selbst von einem einzigen Aktionär vor Gericht angefochten und kassiert werden. Dasselbe gilt für eine Eigentümergemeinschaft z. B. bei der Wahl eines Verwalters u. dgl. m.
Als Reformierter möchte ich noch hinzufügen, dass "Freiheit" ohnehin kritisch betrachtet werden müsste. Von den Naturgesetzen kann sich niemand dispensieren, auch nicht von den Eigenschaften seines menschlichen Körpers, abgesehen von Traditionen, Einflüssen, Mentalitäten und selbst Zufällen, die uns prägen. An dieser Stelle greift in unsern Kreisen die Lehre über die Vorsehung bzw. (calvinistisch) die Prädestination; daher wissen zumindest wir Reformierten, dass wir ganz und gar nicht so frei sind, wie dies manch einer gerne hätte.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. April 2005 - 12:11 Uhr:   

Naja, vermutlich gibt es im Vatikan Ränkespiele wie in jedem Parlament. Und natürlich gibt es einflußreiche und weniger einflußreiche Kardinäle. Nur bekommen wir davon durch den medienfeindlichen Wahlmodus und die- trotz vorgeblichen Offenheit unter dem verblichenen Papst- traditionelle Diskretion nichts mit. Wir sehen nur, wie oft schwarzer Rauch aufsteigt.
 Link zu diesem Beitrag

Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. April 2005 - 12:19 Uhr:   

@gelegentlicher Besucher, Philipp Wälchli: Es ist ein großer Nachteil der deutschen Sprache, daß sie die Differenzierung zwischen freedom und liberty, die die englische hat, nicht kennt und deswegen solche Begriffsverwirrungen erlaubt. Das "frei" in der "freien Wahl" trifft überhaupt keine metaphysische Aussage etwa über die angenommene Willensfreiheit des Menschen, sondern fordert nur, daß bestimmte politische Maßnahmen, die wir als "Zwang" bezeichnen, unterbleiben. Würde man den Begriff "Freiheit" so weit auffassen, wie Sie es anklingen lassen - also eine Entscheidung frei von jeder Beeinflussung, d.h. faktisch frei von der Realität, aus dem Nichts plötzlich und unbegründet auftauchend - könnte man die Wahl tatsächlich durch eine Verlosung ersetzen. Wobei man argumentieren könnte, daß selbst die nicht frei von Naturgesetzen stattfindet. Der Begriff "Freiheit" wird in dieser Weite daher unbrauchbar. Weswegen ich den ersteren nehme und damit die Papstwahl durchaus als freie Wahl bezeichnen würde.
 Link zu diesem Beitrag

Florian
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. April 2005 - 14:35 Uhr:   

@ Torsten Schoneberg:

Folgendes ist etwas off-topic (aber daran sind wir in diesem Thread ja gewohnt...;-) ).

Bei Ihrem Beitrag musste ich an den Anhang von Orwells 1984 denken, bei dem der Einfluss der Sprache auf das Denken sehr schön dargestellt wird.
Orwell nimmt dort als Beispiel das Wort "free" und stellt sich eine Welt vor, in der "free" von aller politischer Bedeutung entkleidet ist sondern nur noch im Sinne von z.B. "free of lice", d.h. "entlaust" verwendet wird. - und damit letztlich auch den Menschen die Möglichkeit genommen wird, das politische Konzept der Freiheit überhaupt zu artikulieren. (Nachdem alle Worte fehlen, um dieses Konzept auszudrücken, kann man das Konzept in letzter Konsequenz nur noch mit dem Wort "thought crime" beschreiben).
Ähnliche Probleme, aufgrund unzureichend differenzierter Sprache auch gedanklich nicht sauber zu differenzieren gibt es im deutschen öfter als man denkt (z.B. "Bürger" für so völlig unterschiedliche Konzepte wie "citizen/citoyen" und "burgher/burgeois"). Natürlich gibt es ähnliche Probleme auch in anderen Sprachen.

1984 ist wirklich ein sehr empfehlenswertes Buch - und nicht nur als Metapher für den Überwachungsstaat geeignet.
 Link zu diesem Beitrag

Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. April 2005 - 14:41 Uhr:   

Nun, ob es sich nun um ein bloss sprachliches Phänomen handelt oder nicht, bleibe dahingestellt. Mir ging es ganz massgeblich darum,
a) dass das Problem der Unterscheidung metaphysischer und politischer Freiheit schon Bakunin bechäftigte, der sie im selben Sinne wie meine Unmassgeblichkeit beantwortete,
b) dass eben ein gut Teil unserer deutschsprachigen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen, insonderheit jüngsten Alters, tatsächlich "Freiheit" in einem sehr weitgehend Sinne missverstehen und meinen, buchstäblich ALLES nicht bloss zu dürfen, sondern auch zu können,
c) und bei dieser Gelegenheit auch einmal etwas polemisch Stimmung für meine Konfession und eine in der Vergangenheit heftig befehdete besondere Auffassung derselben, die dem unter b) genannten Irrtum frontal widerspricht, Stimmung zu machen,
was mir angesichts des bisherigen Diskussionsverlaufes nicht unangemessen scheinen wollte.
 Link zu diesem Beitrag

Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. April 2005 - 19:31 Uhr:   

@Florian: Mir gefällt auch die englische Unterscheidung zwischen "sky" und "heaven", die im Deutschen so gar nicht gegeben ist. Andererseits versuche man mal einem Anglophonen den Unterschied zwischen "Sein" und "Seiendem" zu erklären.

@Philipp Wälchli:
zu b: Naja ... sollte es Leute geben, die glauben, daß sie fähig wären, in dem Sinne "freie" Entscheidungen zu treffen, ist das traurig, aber nicht weiter relevant. Wir scheinen aber in eine weitere Verwirrung zu stolpern, wenn wir nicht weiter trennen. Ich sehe
A. metaphysische Freiheit
B. politische Freiheit

A ist eine interessante Frage, die uns aber so weit abführen würde, daß es den Forumsbetreibern irgendwann zu bunt werden dürfte. B unterteile ich nach einer gegebenen Begriffstradition in
B1 negative Freiheit
B2 positive Freiheit
wobei erstere die Freiheit VON Zwängen (klassische Abwehrrechte) und zweitere die Freiheit ZU irgendwelchen Dingen (Ansprüche) umfaßt. Daß es hier oft zu Verwechslungen kommt, ist klar - die Trennung läßt sich auch nicht immer strikt durchhalten. Welche man allerdings politisch fordern soll und wie man diese Forderung bewertet, ist dann wieder eine moralische Frage (in der ich wahrscheinlich eine ähnliche Position einnehme wie Sie, aber mir auch andere vorstellen kann).

Im politich-juristischen Sinne ist die Papstwahl eine freie Wahl. Wenn die Kardinäle glauben, dabei einer höheren Macht zu folgen, und sich in dem Sinne nicht frei fühlen, können sie das gerne tun, ändert aber nichts am gesagten.
 Link zu diesem Beitrag

John Rawls
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. April 2005 - 20:59 Uhr:   

>B unterteile ich nach einer gegebenen Begriffstradition in
>B1 negative Freiheit
>B2 positive Freiheit
>wobei erstere die Freiheit VON Zwängen (klassische Abwehrrechte) und >zweitere die Freiheit ZU irgendwelchen Dingen (Ansprüche) umfaßt.

Dazu gibt übrigens einiges Lesenswertes von Isaac Berlin.
 Link zu diesem Beitrag

Victor
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. April 2005 - 21:06 Uhr:   

Konklavebeginn und erste Wahltag ist der 18. April 2005.
 Link zu diesem Beitrag

Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. April 2005 - 22:16 Uhr:   

@John Rawls: Isaiah heißt der gute Mann. Man lese auch Ralf Dahrendorfs Anmerkungen dazu: http://www.nzz.ch/2005/03/19/li/articleCMCGT.html
 Link zu diesem Beitrag

John Rawls
Veröffentlicht am Mittwoch, 06. April 2005 - 23:58 Uhr:   

Oh ja, natürlich. Da war ich in Gedanken schon wieder...ja wo eigentlich? Aus welchem Kontext heraus hat sich denn jetzt "Isaac" Berlin bei mir festgefressen? ;-)

(*grübelnd ab*)
 Link zu diesem Beitrag

gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. April 2005 - 00:27 Uhr:   

Dass das Wort "frei" verschiedene Bedeutungen hat ist mir völlig klar, deshalb schrieb ich ja auch "im engeren Sinne frei". Trotzdem habe ich mich wohl nicht klar genug ausgedrückt. Mir scheint, dass hier schon 3 Bedeutungen im Umlauf sind und ich meine eine vierte. Es geht mir nicht um metaphysische oder politische Freiheit und schon gar nicht um Allmacht sondern um moralische Freiheit also nicht um können sondern um dürfen. Bei einer politischen Wahl berücksichtige ich zwar auch aber nicht nur moralische Erwägungen, d.h. mein Privatinteresse hat einen erheblichen und m.E. legitimen Einfluss auf meine Stimmabgabe.

Ich bringe dazu eine Analogie, die natürlich wie alle Analogien hinkt. In den USA ist der Freispruch durch eine jury unanfechtbar und die jury selbst kann für ihren Urteilsspruch nicht belangt werden. Daher hat sie effektiv die Macht aber eben nicht das Recht auch einen ihrer Ansicht nach Schuldigen freizusetzen. Man sagt normalerweise, sie hätte "power" aber nicht "freedom" das zu tun. Man könnte analog sagen das Konklave hat "power" aber nicht "freedom" einen beliebigen nichthäretischen männlichen Katholiken zum Papst zu wählen. In Deutschland kennt man andeutungsweise eine ähnliche Unterscheidung , weil es Handelungen gibt, die von der Rechtsordnung missbilligt aber nicht geahndet werden, z.B. Abtreibung, Schlagen der eigenen Kinder und Wehrdienstverweigerung aus nur vorgeschobenen aber nicht vorhandenen Gewissensgründen.

Die katholische Vorstellung ist, dass die Kardinäle moralisch verpflichtet sind und das Konklave fähig ist, bei der Papstwahl den Willen des heiligen Geistes umzusetzen. Wenn ein Kardinal das ignorierte wäre es natürlich eine Sache zwischen ihm und Gott, der ihm anders als ich nicht nur vor sondern auch hinter die Stirn schauen kann. Aber die Pflicht bleibt.

Das erklärt auch, warum die Kardinäle auch schon vor Einführung der Notfallklausel in Nr. 74 normalerweise in recht kurzer Zeit fertig wurden: Ein Kardinal der die anderen Kardinäle für ehrlich hält und erkennt, dass sie seinen Favoriten nicht wählen werden, kann daraus eigentlich nur schließen, dass sein Favorit nicht der richtige Kandidat ist. (Wohingegen ich bei einer politischen Wahl öfter meine, dass die anders abstimmende Mehrheit ehrlich abstimmt und doch falsch liegt.) Dies ist wohl auch einer der Gründe, warum das Ergebnis der Papstwahl so unvorhersagbar ist.

Natürlich wird ein Nichtkatholik in diesen Gedanken entweder meine Naivität oder eine kollektive Wahnvorstellung der Kardinäle sehen. Aber man kann die Regeln auch dann nicht ohne ihren beabsichtigten Sinn ganz verstehen, wenn man diesen Sinn (irrtümlich) für faktisch nicht gegeben hält. Das Wahlverfahren ist eben nicht darauf konstruiert den Willen der Kardinäle optimal abzubilden. Auch die Förderung von Kompromissen ist eher ein Nebeneffekt, den man mit einem Condorcetverfahren einfacher, schneller und zuverlässiger haben könnte.

Was ich sagen will ist, dass das als Papstwahl bezeichnete Verfahren zwar einer politischen Wahl in der Verfahrensweise stark ähnelt aber im Grunde zu einem anderen Zweck bestimmt ist und nach katholischer Überzeugung auch diesem anderen Zweck dient. Der Begriff "unfrei" ist zugegebenermaßen für diesen Gedanken nicht ideal aber offen gesagt ist es mir egal wie das Kind heißen soll.

Soviel zu dem was ich eigentlich sagen wollte. Zu den "neuen" philosophischen Fragen sage ich auch etwas, allerdings bis auf evtl. Klarstellungen eigener Undeutlichkeiten nur einmal, weil wir uns tatsächlich hoffnungslos vom Thema entfernen. Man vergebe mir, dass ich somit in einem Diskussionsforum Aussagen mache die ich eigentlich (zumindestens hier) nicht diskutieren möchte. Falls es jemand wünscht, wäre ich allerdings wie immer bereit die Diskussion dazu in einem anderen Forum nach Wahl eines anderen Teilnehmers fortzuführen, in dem sie on-topic ist.

Zur Frage des freien Willens:

Ich glaube schon, dass Menschen einen freien Willen haben, d.h.
1. dass es Situationen gibt in denen ein Mensch auf verschiedene Weisen handeln kann ohne dass die tatsächlich realisierte Handelungsweise selbst bei vollständiger Kenntnis der Naturgesetze der Welt und des inneren Zustandes des Menschen aus der vorherighen Situation ableitbar wäre und
2. dass die tatsächliche Handlungsweise dennoch eine Ursache in diesem Menschen hat, die ich als seinen Willen bezeichne.

Zugegebenermaßen sind die einzigen Begründungen die ich dafür angeben kann die evtl. trügerische Selbstbeobachtung und eben das sichere Urteil meines Gewissens. Ich kann aber darauf hinweisen, dass die Gegenthese intersubjektiv auch nicht besser (subjektiv ohnehin überhaupt nicht) begründbar ist.

Der freie Wille im von mir gemeinten Sinne wird gelegentlich von Menschen geleugnet, die meinen besonders naturwissenschaftlich zu denken. Dazu sage ich einfach, dass (1) nach dem derzeitigen Stand der Naturwissenschaft unentschieden und (2) im Falle der Wahrheit von (1) naturwissenschaftlich prinzipiell unentscheidbar ist. Naturwissenschaftlich kann man in diese Frage also zur Zeit nicht beantworten und was einige Naturwissenschaftler oder vermeintlich naturwissenschaftlich Denkende glauben glauben sie eben im durchaus religiös gemeinten Sinne des Wortes.

Bleibt die calvinistische Position.
Die Prädestination beseitigt zwar die menschliche aber eben gerade nicht die göttliche Willensfreiheit, die soger auf Angelegenheiten ausgedehnt wird, die ich der menschlichen Willensfreiheit zuordne. Das halte ich (und mit mir der größte Teil der Christenheit) für problematisch, weil man die Freiheit eben nicht von der Verantwortung trennen kann. Da nun Menschen zweifellos Böses tun, müsste man Gott für dieses Böse verantwortlich machen. Oder polemisch überspitzt: Aus der Prädestinationslehre folgt die Bosheit Gottes. Das erscheint mir sozusagen noch "falscher" als die Prädestinationslehre an sich. Und aus dem gleichen Grund lehrt auch die heilige, römische katholische und apostolische Kirche den freien Willen.(So, jetzt habe ich meinen Werbespot auch untergebracht.)

Zur Frage der Sprache:

Ich möchte mich an dieser Stelle outen und zugeben, dass ich den gesamten linguistic turn der Philosophie für Schwachfug halte. Darüber hinaus bin ich ein Anhänger der Metaphysik.

Nachdem nun alle mitlesenden postmodernen Philosophen unsanft aufgewacht sind etwas konkreter: Ich denke nicht, dass die Sprache das Denken beschränkt sondern umgekehrt. Die Grenzen meiner Sprache sind nur deshalb die Grenzen meiner Welt, weil erstere ständig dynamisch an letztere erweitert werden. Ich gebe allerdings zu, dass diese Erweiterung das Weiterdenken enorm erleichtert und daher oft praktisch notwendig ist.

Zum Orwellschen Beispiel: Man kann wohl eine Sprache konstruieren, in der "free" nicht mehr in einem Wort formulierbar ist. Ich halte es aber für unmöglich eine Sprache zu konstruieren die gleichzeitig die Alltagssprache einer technisierten Gesellschaft ist und die Denotation von "free" gänzlich unformulierbar macht. Wenn man "free" im Sinne von "free of lice" hat, dann kann man auch "free of concept of tought-crime" sagen. Wenn man dafür eine Abkürzung einführt, hat schon ein Wort für Gedankenfreiheit rekonstruiert. Der new-speak-Erfinder könnte höchstens noch versuchen das Wort "concept" zu streichen aber damit müsste er schon die gesammte Wissenschaft eliminieren und selbst dann wäre das Konzept eines Konzeptes auf ähnliche Weise und notfalls durch Aufzählung von Beispielen erklärbar.

Ich glaube ganz allgemein, dass jede als Alltagssprache verwendbare Sprache durch derartige Erweiterungen die Versprachlichung aller überhaupt versprachlichbaren Konzepte erlaubt. Natürlich hat eine beliebige Sprache stets endlich viele Wörter und daher gibt es immer Konzepte, für die es zu einem festen Zeitpunkt kein Wort gibt. Aber das sagt nur, dass man manche Konzepte in mehreren Worten erklären muss. Wenn man das häufig tun muss, dann führt man eben ein neues Wort als Abkürzung ein.

Auch wenn jemand, der nur Deutsch spricht, sowohl "heaven" als auch "sky" mit "Himmel" bezeichnet, macht ihn das nicht unfähig beides zu unterscheiden. Das weiß ich, weil ich monolingual Deutsche diese Unterscheidung habe treffen hören.

Auch ein Anglophoner kann zwischen "sein" und "seiendem" unterscheiden, und zwar sogar ohne Erklärung aus dem grammatischen Kontext in dem das Wort "being" auftritt. Für einen Deutschen stellt es ja auch kein Problem dar zwischen "Sie" und "sie" zu unterscheiden, und zwar auch beim Sprechen wo die Unterscheidung durch Großschreibung fehlt.

Das ändert nichts daran, dass man 1984 gelesen haben sollte. Aber in diesem Punkt irrt Orwell - zusammen mit der ganzen postmodernen Philosophie.
 Link zu diesem Beitrag

gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. April 2005 - 00:39 Uhr:   

kleine Korrektur:
Wenn ich es mir genau überlege irrt Orwell weniger als die postmoderne Philosophie. Er meint nämlich anscheinend "nur" Unkommunizierbarkeit und nicht Undenkbarkeit.
 Link zu diesem Beitrag

Sole
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. April 2005 - 00:43 Uhr:   

Man kann Gedanken nicht erfolgreich wegadministrieren
 Link zu diesem Beitrag

Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. April 2005 - 09:42 Uhr:   

Auch als Nichtkatholik (und übrigens auch Nicht-Calvinist) ist mehr sehr klar, worin der Unterschied zwischen Können und Nicht Dürfen besteht.
Im übrigen ist das Problem, um das es geht, ein alter Hut. In der Diskussion sind offensichtlich die von mir angeführten Beispiele der Aktiengesellschaft und der Eigentümergemeinschaft nicht beachtet worden. Dort haben wir aber im Prinzip dasselbe:
Formal KÖNNEN die Aktionäre auch eine Person wählen, die nicht den gesetzlichen, statutarischen und geschäftlich "räsonnablen" Kriterien entspricht; sie DÜRFEN das aber streng genommen nicht. Sie sind also im demokratisch-politischen Sinne nicht frei. Gleichermassen gilt dies für Miteigentümer/Gesamteigentümer etc., die ebenfalls gewissen Verpflichtungen unterliegen und somit nicht frei sind, formal aber ebenso unbegrenzte Wahlfreiheit zu haben scheinen wie irgendwer sonst.
In diesen Fällen ist allerdings eine gerichtliche Anfechtung möglich, wobei aber den Akteuren ein meist sehr weiter Ermessensspielraum zugestanden wird.
Der Unterschied zum Konklave ist eigentlich nur der, dass nach dem alten Satz summa sedes a nemine iudicetur oberhalb des Konklaves keine Rechtsmittelinstanz vorhanden ist, bei der eine Papstwahl angefochten werden könnte. IM PRINZIP wäre der neugewählte Papst dazu in der Lage - doch wie und warum sollte er seine eigene Wahl kassieren? Der Unterschied zu einer AG ist in der Praxis allerdings gering, weil erfolgreiche gerichtliche Anfechtungen zumindest von Wahlentscheiden sehr selten sind (bei Sachentscheiden deutlich häufiger).
Historisch betrachtet ist die moralische Bindung des Wählers ebenfalls ein alter Hut, gibt es doch heute noch Landsgemeinden, die zuerst die Geistlichkeit um Gottes Segen und den Beistand des hl. Geistes bitten lassen, bevor sie in die Sachgeschäfte eintreten. Das war früher die Regel und spiegelt sich z. B. noch in den Deckengemälden alter Ratssäle.
Das Wort "Volkes Stimme, Gottes Stimem" meint denn auch nicht, dass das Volk Gottes Stelle einnehmen, sondern dass aus der Stimme des Volkes Gottes Stimme spreche, weil Gott es zu seinen Entscheidungen erleuchtet habe.
Gesellschaften werden im übrigen im allgemeinen nicht durch technokratische Bande oder gemeinsame Währungen zusammengehalten, sondern durch soziale Bindungen, die ihrer Natur nach moralischer Art sind und somit letztlich religiöser Natur. Somit ist es zwar möglich, dass sich Staatsbürger von Beliebigkeit leiten lassen können, doch wenn dies zuviele tun, wird ein Staatswesen zusammenbrechen; ein Staatswesen wird nur solange zusammenhalten können, wie ausreichend viele seiner Mitglieder sich zumindest ein kleines bisschen moralisch verhalten.
 Link zu diesem Beitrag

Immanuel Goldstein
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. April 2005 - 13:00 Uhr:   

Zur Postmoderne- und Linguistic-turn-Debatte will ich mich jetzt nicht einmischen (wobei meine Position dazu bekannt sein sollte); nur kurz daraufhinweisen, dass inzwischen der Linguistic-turn in einen symbolic-turn integriert wurde und somit diese phil. Gesamtrichtung erklärungsstärker gemacht wurde.

Aber zu liberty und freedom würde ich gerne auf eine Ebene hinweisen die bis jetzt etwas vernachlässigt wurde. Sprache gibt nämlich nicht nur Informationen, Intentionen, Gewohnheiten und Konventionen des Sprechers und der Sprachgruppe wieder sondern erzählt auch etwas über den historischen Rahmen in dem sie sich entwickelt hat und spiegelt alte (und aktuelle) Konflikte wieder. Der Begriff freedom entstammt der germanisch-angelsächsischen Sprachtradition (die von Bevölkerungen ohne kodifiziertes Recht geprägt wurden), der Begriff liberty einer lateinischen (durch die frankisierten Normannen nach England gebrachten) Sprach- und Rechtstradition. Im 12. und 13 Jhdt. wurde die Begriffe in England von verschiedenen Bevölkerungsgruppen verwendet (die angelsächsischen Unterworfenen verwendeten das altertümliche freedom in seiner Intention von direkter, freier Handlung (eine kodifizierte, rechtliche Freiheit genossen sie nicht)) ; die herrschenden (Domsday Book), frz. sprechenden Normannen verwendeten liberty mit seiner Beutung von politischer Freiheit auf grundlagfe kodifizierten Rechts. Es war bereits damals abzusehen, dass freedom (als Wort der Unterschicht) stets eine negative Nebenbedeutung behalten wird, wohingegen liberty als zuerreichendes Ideal der nicht-herrschenden und als Legitimation für die Herrschenden sich zu einem stets positiv verwendeten Begriff festigte.
Eine ähnliche Analogie findet sich bei den Begriffen pig (angelsäch. Schwein; modernes Englisch: lebendes Schwein (wie es der politisch machtlose Bauer sah); norm.-frz. porque/pork, modernes Englisch: zum essen gedachtesSchweinegericht (wie es der herrschende Normanne zu Gesicht bekopmmen hat).

Im englischen wird also nicht aus irgendeiner metaphysischen Einsicht zwischen den Begriffen liberty und freedom bzw. pig und pork differenziert. Begriffe und Vorstellungen einer Eroberschicht haben älteres Kulturgut unter sich begraben und tlw. negativ umgedeutet.
Es gab im 18.Jhdt. einige brit. Intelektuelle (u.a. Godwin, Spence) die auf dies bereits hingewiesen haben und eine Umdeutung bzw. Rückdeutung der Begriffe freedom und liberty versucht haben. Nach der damaligen (tlw. idealisierten) Umdeutung wäre freeedom dann, die komplette Freiheit in jederlei hinsicht in einem System von Organisation durch personelle Freundschaften und freiwiliige Bünde; wohingegen Liberty immer die Freiheit der herrschenden war, die diese den anderen in kleinen Stücken immer mehr gewährten.
Aus dieser Interpratationsweise entwickelten sich interesanterweise zwei ziemlich verschiedene politische Richtungen: die konservative Libertären und die Tradition des angelsächsischen, intellektuellen Anarchismus bzw. Soziallibertäre (u.a. gehört auch Orwell hierzu oder Chomsky - um einen Rückgriff auf Literatur und Linguistik zu machen).

Ich persönlich schätze freedom als wichtiger und elementarer als liberty ein, wenn zweiteres aber auch ohne Zweifel den modernen Zeiten angenmessener ist.
 Link zu diesem Beitrag

Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 08. April 2005 - 20:12 Uhr:   

Wer da sucht, der da findet (mit Lutherdeutsch gesprochen):
In der lateinischen Fassung lauten die fraglichen Passagen wie folgt:

"74. Quodsi contingit, ut Cardinales electores cum difficultate de persona eligendi concordia ineant consilia, tunc per tres dies scrutiniis secundum formam supra descriptam, nn. 62 et sequentibus, frustra peractis, scrutinia ipsa tempore summum unius diei intermittuntur, ut preces Deo admoveantur, electores inter se libere colloquantur fiatque per Cardinalem primum ex ordine Diaconorum brevis *adhortatio* spiritalis. Post quae, scrutinia secundum eandem formam exsequenda resumuntur; quae, si antequam electio interveniat sint septem, rursus intervallum interponitur, ut precationi, colloquio et *adhortationi* per Cardinalem primum ex ordine Presbyterorum faciendae sit locus. Demum septem, si casus fert, scrutinia secundum praedictam formam peraguntur; quae si ad irritum ceciderint, denuo orationes ad Deum fundantur, colloquia serantur, *adhortatio* a Cardinale primo ex ordine Episcoporum electoribus adhibeatur. Exinde scrutinia ad eandem formam rursus peragantur, quae, nisi electio interveniet, erunt septem.

75. Si autem scrutinia ad nihilum reciderint, his peractis rebus de quibus supra dictum est, Cardinales electores consulat Camerarius de modo procedendi, atque agetur prout eorum maior absoluta pars decreverit. Ne recedatur tamen a ratione ut electio valida evadat *aut* maiore absoluta parte suffragiorum *aut* duo nomina tantum suffragando, quae in superiore scrutinio maiorem suffragiorum partem obtinuerunt, dum hoc quoque in casu sola maior absoluta pars poscatur."

Die einschlägigen Stellen habe ich mit ** markiert:
1. In Nr. 74 steht jedesmal dasselbe Wort, nämlich "adhoratio", was sowohl Ermahnung als auch Ermunterung bedeuten kann. Diese adhortationes erfolgen in aufsteigender Rangfolge vom Kardinalprotodiakon über den Kardinalarchipresbyter hin zum Kardinaldekan (resp. Cardinalis Hostiensis). Die Reihenfolge ist also nicht zufällig, sondern entspricht einer ansteigenden Autorität, ist doch formell der Kardinaldekan Nr. 2 nach dem Papst selbst.
2. In Nr. 75 steht eindeutig aut-aut, das lateinische exklusive Oder (im Gegemsatz zu vel-vel, dem inklusiven Oder). Somit gibt es nur diese beiden ausschliesslichen Möglichkeiten. Auch die Berechnung der maior absoluta pars ist eindeutig, nänmlich eorum maior absoluta pars, sc. cardinalium electorum, d. h. die Mehrheit aller an der Wahl teilnehmenden Kardinäle (unter Ausschluss etwa dem Konklave fernbleibender Kardinäle). Zu den beiden Kandidaten, die die maior pars suffragiorum erhalten haben, dürfte die allgemeine Bestimmung von CIC 119 n. 1 zu beachten sein.

Admin Admin Logout Logout   Vorige Seite Vorige Seite Nächste Seite Nächste Seite