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Niklas
| Veröffentlicht am Donnerstag, 24. Februar 2005 - 23:46 Uhr: | |
Eine Demokratie im Sinne einer Mitbestimmung der Gläubigen, wer Papst werden sollte, geht einfach nicht, sehe ich auch so. Bei den meisten Protestanten (jene, die sich nicht als "katholisch" bezeichnen, also die Apostelsukzession ablehnen)konzentriert sich alles auf die Schlagworte sola fide und sola scriptura. Priester spielen hier keine notwendige Rolle. Der Katholizismus beruft sich auf mehrere Quellen: - Die Heilige Schrift (im Wesentlichen wie die Protestanten, aber einige zusätzliche Passagen umfassend) - Die Überlieferung der Kirchenväter (eng zusammenhängend mit der Apostelsukzession) - Die Naturrechtslehre Dieses System erfordert ein hohes Maß an theologischer Expertise, die durch ein demokratisches System mit allgemeinem Wahlrecht nur in moralische Beliebigkeit abgleiten kann. Von meinem Landsmann in purpur stammt folgendes Zitat (original englisch?): "Truth is not determined by majority vote". Die katholische Kirche ist für mich auch kein Staat, sondern profan ausgedrückt ein wissenschaftliches Expertengremium. Es geht um ewige Wahrheiten, Kontinuität ist also ein Wert an sich. Wenn die Kirche das Fähnchen zu sehr nach dem Zeitgeist richten würde, wie es durch Wahlen (Extremszenario: TED-Abstimmung über moralische Fragen), wäre sie mE schnell am Ende. In diesem System ist es nur konsequent, dass eine Behörde wie die Glaubenskongregation für die Einheit des Glaubens sorgt und moralischen Relativismus verhindert. Beim Protestantismus, bei dem die Lehre der Kirche höchstens eine untergeordnete Rolle spielt, für die Erlösung nicht nötig ist (sola fide und sola scriptura), wäre es leichter denkbar, wenn die Priester/Bischöfe durch die Wahl der Gläubigen bestimmt werden würden. Auch wenn ich einen etwas anderen Argumentationsstrang als die exzellenten Beiträge von Phillip Wälchli und dem "gelegentlichen Besucher" verfolge, stimme ich ihnen doch weitgehend zu, dass die Frage einer "Demokratisierung der Kirche" einfach falsch gestellt ist. Übrigens hat der Papst vor kurzem Kardinal Sodano dazu ermächtigt, Heiligsprechungen durchzuführen. Das ist entspricht nicht den Traditionen, da das immer ureigenste Aufgabe des Papstes war. |
Sole
| Veröffentlicht am Freitag, 25. Februar 2005 - 08:17 Uhr: | |
"Die katholische Kirche ist für mich auch kein Staat, sondern profan ausgedrückt ein wissenschaftliches Expertengremium." Als solches hat es sich aber so weit von historisch nachvollziehbarem entfernt wie Stalin, Honecker & co von Marx und Engels. Zugegeben, ich bin ein wenig Fan der Christusdarstellung im Islam und im Johannes-Evangelium. |
gelegentlicher Besucher
| Veröffentlicht am Freitag, 25. Februar 2005 - 13:44 Uhr: | |
@Niklas
Niklas schrieb: " Übrigens hat der Papst vor kurzem Kardinal Sodano dazu ermächtigt, Heiligsprechungen durchzuführen. " Hat er nicht. @Sole
Niklas schrieb: " Die katholische Kirche ist für mich auch kein Staat, sondern profan ausgedrückt ein wissenschaftliches Expertengremium. "
Darauf antwortete Sole: " Als solches hat es sich aber so weit von historisch nachvollziehbarem entfernt wie Stalin, Honecker & co von Marx und Engels. " Wie Sie wünschen Sole, dann eben jetzt die Schlacht der Grundüberzeugungen: Stalin hat sich nicht allzu weit von Marx und Engels entfernt. Wenn es, wie Marx meinte, auf Klassen mehr als auf Individuen ankommt und wenn es, wie Marx ebenfalls meinte, eine Gesellschaft geben kann in der der Klassenkampf überwunden ist, dann hatte Stalin schlicht und ergreifend Recht und war eben nur konsequenter als Marx. Natürlich sind beide Prämissen falsch, aber das waren sie auch schon bei Marx. Die weniger bedeutenden theoretischen Abweichungen ergaben sich eben aus der Tatsache, dass sich die Geschichte nicht wie erwartet entwickelt hatte und sollten einem Kommunisten eigentlich als wissenschaftlicher Fortschritt erscheinen. Was die Kirche angeht: Leider hat sie sich in der Praxis oft von der Lehre entfernt und zwar immer dann, wenn sie weltliche Macht hatte. Was die Entfernung der Lehre von der Realität angeht freue ich mich auf Ihre Argumente, falls Sie denn welche haben.
Sole schrieb: " Zugegeben, ich bin ein wenig Fan der Christusdarstellung im Islam und im Johannes-Evangelium. " Das ist etwas merkwürdig, weil diese Darstellungen sich widersprechen. Die Darstellung im Johannesevangelium entspricht der der Kirche. Die Darstellung im Islam wird einem genau dann überzeugend erscheinen, wenn man Moslem ist, d.h. wenn man Mohamed für einen Propheten hält. Als Nichtmoslem denke ich dagegen, dass Mohamed vom historischen Jesus wenig wissen konnte. |
Sole
| Veröffentlicht am Freitag, 25. Februar 2005 - 14:36 Uhr: | |
"Stalin hat sich nicht allzu weit von Marx und Engels entfernt. Wenn es, wie Marx meinte, auf Klassen mehr als auf Individuen ankommt und wenn es, wie Marx ebenfalls meinte, eine Gesellschaft geben kann in der der Klassenkampf überwunden ist, dann hatte Stalin schlicht und ergreifend Recht und war eben nur konsequenter als Marx. Natürlich sind beide Prämissen falsch, aber das waren sie auch schon bei Marx. Die weniger bedeutenden theoretischen Abweichungen ergaben sich eben aus der Tatsache, dass sich die Geschichte nicht wie erwartet entwickelt hatte und sollten einem Kommunisten eigentlich als wissenschaftlicher Fortschritt erscheinen. " Ich weiß nicht, ob hier der richtige Platz dafür ist. Die Antwort wird etwas dauern und kommt dann im Sonstigen. "Was die Kirche angeht: Leider hat sie sich in der Praxis oft von der Lehre entfernt und zwar immer dann, wenn sie weltliche Macht hatte. Was die Entfernung der Lehre von der Realität angeht freue ich mich auf Ihre Argumente, falls Sie denn welche haben." "Das ist etwas merkwürdig, weil diese Darstellungen sich widersprechen. Die Darstellung im Johannesevangelium entspricht der der Kirche. Die Darstellung im Islam wird einem genau dann überzeugend erscheinen, wenn man Moslem ist, d.h. wenn man Mohamed für einen Propheten hält. Als Nichtmoslem denke ich dagegen, dass Mohamed vom historischen Jesus wenig wissen konnte." Nun, die Muslime glauben, Jesus sei nicht am Kreuze gestorben und er sei nicht göttlich, sondern nur irgendein Prophet. Die Testamente beruhen höchstwahrscheinlich, wie auch der Koran, auf wesentlich älteren Dokumenten, die heute nicht mehr verfügbar sind. Ob sie der Zeit zum Opfer fielen oder nicht mehr opportun waren und absichtlich entfernt wurden ist mir relativ egal. In beiden Fällen taucht hie und da irgendwelches Zeug auf, das entweder selbst ein älteres Dokument ist oder jüngeren Datums ist, aber nicht auf denselben Quellen beruht, wie die kanonischen Evangelien. Während ich mit den drei synoptischen Märchenbüchern wenig anfangen kann, erscheint mir persönlich das Johannes-Evangelium sehr faszinierend. Es liefert eine andere Darstellung und befasst sich im Wesentlichen auch mit anderen Aspekten. Es existieren oder existierten abweichende Fassungen dieses sehr jungen Evangeliums, die von der Kirche nicht akzeptiert werden. Wenn nun die Kirchenaristokratie ein Expertengremium ist, sollte sie sich doch immer wieder mit neuen Methoden der apokryphen Texte annehmen, sollte auch die Authentizität, die richtige Übersetzung und die richtige Deutung der kanonischen Texte immer wieder auf jede nur erdenkliche Weise in Frage stellen und evtl berichtigen, falls neue Quellenfunde eine andere Variante plausibler machen. Das ist meine Aussage im Sinne des oben geschriebenen. Das erwarte ich von einem Expertengremium, das über Jahrtausende besteht. Die Kirche stellt sich dieser Aufgabe von einem sehr konservativen Standpunkt aus. Die Forschung muss doch über das Leben in Iesu Zeiten irgendwas entdeckt haben, wenn nicht die kirchliche, dann die wissenschaftliche, das gängige Interpretationen in Frage stellt. War es für einen jüdischen (ich nenne das jetzt mal so) "Meister" wirklich so normal, unverheiratet mit fremden, evtl ebenfalls unverheirateten Frauen durch die Lande zu ziehen? Warum wurde ein religiöser Irrläufer gekreuzigt und nicht gesteinigt? Wenn das allgemein akzeptierte Bild des römischen Statthalters stimmt, dann war er grausam und bestechlich. Und genau deshalb halte ich es für möglich, dass bestimmte Formeln im Johannes-Evangelium anders zu verstehen sind. War Lazarus wirklich tot, oder war seine "Auferweckung" ein symbolisches mystisches Ritual, wie wir es von vielen Sekten kennen? War der Mann am Kreuz wirklich Jesus und war er wirklich tot? Als Nicht-Gläubiger kann ich mir hier wilde Spekulationen erlauben und muss sie auch nicht gedanklich in irgendein Dogma einordnen. Ich würde aber niemals behaupten "es ist so". Mir sind weder die Texte soweit geläufig, dass ich dazu eine schlüssige Argumentation führen könnte, noch habe ich eine formale Ausbildung, die mir souverän erlaubt mit diesen Spekulationen umzugehen. Meine Behauptung steht ja unabhängig von einer Behauptung, wie die "Wahrheit" denn genau ist. Ich behaupte, die Kirche als Institution würdigt das wachsende Quellenwissen und die wachsenden Möglichkeiten, mit als historisch gesicherten Annahmen zu verglechen nicht ausreichend. Man kann ja sagen, die Kirche ist verpflichtet, das Dogma zu pflegen bis es nicht mehr geglaubt werden KANN. Man kann auch jede einzelne historische Vermutung oder Erkenntnis anzweifeln, die die Bibel tangiert. Ich bin aber der Auffassung, dass die Kirche kein Interesse daran hat, etwa den Verrat Iesu durch Juden oder den gütigen römischen Statthalter neu zu überdenken - streng auf Grundlage vorliegenden Materials natürlich. Der Katholizismus wird bei der für römisches Publikum akzeptablen Darstellung des zahmen Lammes Iesus bleiben, das von bösen Juden gegen den Willen eines gütigen Römer-Chefs getötet wurde, keinerlei weltlichen Plan hegte, nicht gegen die Okkupation aufbegehrte und - wie sich das für einen römertauglichen Kult gehört - eine mystische Geburt und Lebensgeschichte hatte. Ich will die Kirche hier nicht religiös angreifen. Ich greife die Behauptung niklas' an. (So, ich hoffe ich bin jetzt so weit, dass mir niemand irgendwas böses vorwirft) Die moralischen Aussagen der Bibel stehen so oder so, ob Jesus nun unbefleckt empfangen wurde oder nicht, ob er nun Hoffnung spendete durch Tricks oder durch Wunder. Dagegen könnte rein hypothetisch, das wissen wir nicht, das Leben des Jesus eine wahrhaft revolutionäre weltliche Botschaft enthalten, die so in den heute gültigen Büchern nicht drin steht. Die Beschäftigung mit solchen Texten ist für mich eine geistige Abwechslung. Ich betreibe das nicht ernsthaft, räume dem wenig Zeit und Priorität ein und betreibe das ganz privat. Bisweilen kommen ganz interessante Ideen heraus. Das alles ist aber nur Motivation und Hintergrund für meine Entgegnung auf Niklas und soll hier keine weiteren Seitendebatten aufreißen. Zu Marx demnächst etwas, das wird aber hochgradig eine Glaubensfrage ;) |
Niklas
| Veröffentlicht am Freitag, 25. Februar 2005 - 16:16 Uhr: | |
sole: Du beschränkst die Tätigkeit der Theologen auf die Auslegung der Bibel, was ich ausdrücklich ich tue. Dazu (auch wenn ich die Protestanten eigentlich nicht angreifen wollte)greife ich am besten auf die katholische Apologetik zurück: Die Protestanten behaupten ja, dass sich die Kirche zu sehr von der Schrift entfernt hätte und ihren eigenen Kult verfolgten. Viele extreme Protestanten sehen auch heute im Katholizismus noch eine Art Voodoo. Auch wenn einige Kritik bis zum Konzil von Trient angebracht war, sehe ich die katholische "Distanz" zur Bibel eher als Vorteil: Die Bibel in seiner heutigen Form entstand erst um 400 nach Christus. Sie ist eine wichtige, aber eben nicht die einzige Quelle für die christliche Religion. Die traditionellen Überlieferungen der Kirchenväter ist genauso wichtig. Ebenso die Naturrechtslehre, die man übrigens auch als nicht besonders Gläubiger gut nachvollziehen kann und sich im Katechismus niederschlägt. Die katholische Kirche warnt ausdrücklich vor einer falschen Interpretation der Bibel. Wen Du diejenigen, die die Bibel wortwörtlich auslegen, kritisieren willst, sind wir Katholiken heute relativ uninteressante Adressaten. Wer meint, dass die Erde ca. 6000 Jahre alt sei und die Evolutionslehre ablehnt, weil in der Bibel etwas anderes steht, wird wahrscheinlich von keinem katholischen Theologen für voll genommen. Hier begegehst Du den klassischen Fehler, der Katholischen Kirche etwas zu unterstellen, was sie gar nicht vertritt: Man kann ja sagen, die Kirche ist verpflichtet, das Dogma zu pflegen bis es nicht mehr geglaubt werden KANN. Man kann auch jede einzelne historische Vermutung oder Erkenntnis anzweifeln, die die Bibel tangiert. Ich bin aber der Auffassung, dass die Kirche kein Interesse daran hat, etwa den Verrat Iesu durch Juden oder den gütigen römischen Statthalter neu zu überdenken - streng auf Grundlage vorliegenden Materials natürlich. Der Katholizismus wird bei der für römisches Publikum akzeptablen Darstellung des zahmen Lammes Iesus bleiben, das von bösen Juden gegen den Willen eines gütigen Römer-Chefs getötet wurde, keinerlei weltlichen Plan hegte, nicht gegen die Okkupation aufbegehrte und - wie sich das für einen römertauglichen Kult gehört - eine mystische Geburt und Lebensgeschichte hatte Dazu in der Enzyklika Nostra aetate (1965, link: http://www.stjosef.at/konzil/NA.htm): ... Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüderlichen Gespräches ist. Obgleich die jüdischen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben, kann man dennoch die Ereignisse seines Leidens weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen. Gewiß ist die Kirche das neue Volk Gottes, trotzdem darf man die Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht darstellen, als wäre dies aus der Heiligen Schrift zu folgern. Darum sollen alle dafür Sorge tragen, daß niemand in der Katechese oder bei der Predigt des Gotteswortes etwas lehre, das mit der evangelischen Wahrheit und dem Geiste Christi nicht im Einklang steht. Im Bewußtsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche, die alle VerfoIgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft, nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben. ... Wenn das nicht tolerant und fortschrittlich ist, weiß ich auch nicht :-) @gelegentlicher Besucher: Da bin ich wohl einer Information aus zweiter oder dritter Hand aufgesessen. Bei der heutigen Qualität des Journalismus, v.a. was Fachthemen betrifft, auch kein Wunder :-) |
Sole
| Veröffentlicht am Freitag, 25. Februar 2005 - 16:27 Uhr: | |
Niklas: Der verlinkte Text bestätigt mich eher. Die Kirche distanziert sich vom Antisemitismus, aber nicht von dem (anzuzweifelnden) Text, auf den er sich mal berief. Meiner Meinung nach wäre es angebracht, das Standardwerk, die Lehrmeinung gewissermaßen, zu updaten soweit man es heute anders sieht. Ich bin da wohl zu sehr Informatiker ;) Wenn ich ein Programm habe, das bei der Fallberechnung die Bremswirkung der Luft vergisst, kann ich dem Kunden sagen: "Dieser Wert ist aber wie folgt zu interpretieren" oder ich kann nach bestem Wissen die Formel korrigieren. Ich unterscheide also zwischen der Wissensbasis (sämtliche als echt anerkannten kirchlichen Texte + historisches Wissen) und einer Arbeitsgrundlage (einem aktuell akzeptierten Kanon von bestimmten Versionen bestimmter Schriften). Die Kirche tut das offenbar nicht, worauf mein Irrtum beruht. |
ego
| Veröffentlicht am Samstag, 26. Februar 2005 - 23:11 Uhr: | |
http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/983/9974/ Der SZ scheint es auch nicht schnell genug gehen zu können. Schon ein fertiger Nachruf. |
Niklas
| Veröffentlicht am Sonntag, 27. Februar 2005 - 00:01 Uhr: | |
@ego: Sehr interessanter Fund! Ich hoffe mal, dass die Nachricht ungefähr die Qualität von "Dewey beats Truman" hat und der Totgesagte wieder gesundet. Interessant ist das Datum: 27.02.2005 10:33 Uhr "...Als Mensch ist Karol Wojtyla nun tot. Als Christ ist er es nicht. In kleiner Runde hat er einmal einen Satz von Horaz zitiert: „Ich werde nicht völlig sterben“. Den Schluß des "Nachrufs" kopiere ich mal für die Ewigkeit, da die Süddeutsche früher oder später den Bock entdeckt, den sie geschossen hat! |
gelegentlicher Besucher
| Veröffentlicht am Sonntag, 27. Februar 2005 - 00:37 Uhr: | |
@Sole Man kann die Kirche tatsächlich nicht als reines Expertengremium verstehen. Das ist aber auch nicht der Punkt, denn Niklas hatte ja eben einen profanen Vergleich gesucht. Und da passt der Vergleich mit einem Wissenschaftlergremium eben wesentlich besser als der mit einem Staat. Wenn ich das etwas erörtern darf: Ein Staat entscheidet die Fragen seines Zuständigkeitsbereiches. Die Kirche ist dagegen wie die Wissenschaft an eine evtl. nicht ganz bekannte aber jedenfalls feststehende Wirklichkeit gebunden. Man kann diese Wirklichkeit vielleicht immer besser beschreiben aber eben nicht ändern. Dabei geht es übrigens nicht nur um den Bibeltext, sondern eben um die gesamte chrisliche Lehre. Der Vergleich hinkt allerdings in so fern, als der für die Kirche notwendige Teil der Wirklichkeit fertig offenbahrt ist. Man kann also anders als in den Naturwissenschaften nicht hoffen etwas Wesentliches Neues rauszukriegen. Weiterhin verfügt die Kirche ähnlich wie die Naturwissenschaft über einen Filter, mit dem sie falsche Theorien ausscheiden kann. Die Naturwissenschaft verwendet dazu das Experiment, die Kirche das Lehramt (so weit es, was es nicht immer tut, unfehlbar spricht). Der Vergleich hat aber auch eine wesentliche Anwendbarkeitsgrenze: Die Kirche sieht sich durch Beistand des heiligen Geistes in den Grundprinzipien ihrer Lehre (wie gesagt nicht in der ganzen Lehre) vor Irrtum geschützt. In so fern hat sie es anders als der Naturwissenschaftler (der das in der Praxis aber meistens auch nicht tut) nicht nötig die eigentlichen Grundlagen ständig in Frage zu stellen. Die Liste der kanonischen Bibelbücher steht endgültig fest. Über die Übersetzung einzelner Bibelverse, die jeweils vertrauenswürdigste Quelle u.ä wird allerdings gestritten. Davon bekommt man in der für den Hausgebrauch bestimmten Einheitsübersetzung tatsächlich wenig mit. Es gibt aber durchaus auch wissenschaftliche Übersetzungen und Bibelkommentare, die man in solchen Fragen eben verwenden kann. Das ist für Katholiken übrigens alles weniger problematisch als für Protestanten, weil ja für die Lehre nicht nur die Bibel sondern auch die Tradition und Naturrechtslehre herangezogen wird. Nun zu Ihren konkreten Aussagen:
Sole schrieb: " Ich will die Kirche hier nicht religiös angreifen.[...] Die moralischen Aussagen der Bibel stehen so oder so, ob Jesus nun unbefleckt empfangen wurde oder nicht, ob er nun Hoffnung spendete durch Tricks oder durch Wunder. " Das Christentum auf ein paar Wohlfühlmoralismen zu reduzieren ist zwar eine beliebte aber gewiss keine christliche Sichtweise. Wenn ich Ihr Zitat mal anolog für den Marxismus formulieren darf: Nein, ich will den Marxismus üüühberhaupt nicht inhaltlich angreifen. Das man zu den Arbeitern nett sein sollte steht so oder so, ob die Geschichte nun eine Geschichte der Klassenkämpe ist oder nicht und ob der Sozialismus nun die bessere Zukunft ist oder eine menschenverachtende Idee die nur mit faschistoiden Mitteln durchsetzbar ist. Eine derartige Verniedlichung schützt natürlich davor die fremde Meinung ernst nehmen zu müssen. Sie erlaubt damit eine gewissermaßen kostenlose Scheintoleranz. Aber letzendlich ist das nur eine höflich verklausulierte Sprechweise für "Euch Hinterwäldler nehme ich nicht ganz ernst." Im Übrigen haben Sie weiter oben ausdrücklich (und immernoch ohne Beleg) behauptet, die Kirche hätte sich weit vom historisch Nachvollziehbaren entfernt. Ob Sie es so nennen wollen oder nicht: Die christliche Jesusdarstellung zu leugnen ist ein Angriff auf den Kern der christlichen Lehre und damit selbstverständlich ein religiöser Angriff.
Sole schrieb: " Wenn nun die Kirchenaristokratie ein Expertengremium ist, sollte sie sich doch immer wieder mit neuen Methoden der apokryphen Texte annehmen, sollte auch die Authentizität, die richtige Übersetzung und die richtige Deutung der kanonischen Texte immer wieder auf jede nur erdenkliche Weise in Frage stellen und evtl berichtigen, falls neue Quellenfunde eine andere Variante plausibler machen. " Z.T. passiert das auch. Mit einer 100 Jahre alten Bibelübersetzung kann man ja auch heute nicht mehr viel anfangen. Tatsächlich gibt es massenhaft Bibelverse über dehren genauen Wortlaut man sich nicht einig ist. Es geht allerdings tatsächlich um die 2000 Jahre alte Überlieferung, d.h. man kann die Bibel nicht einfach dem jeweiligen Zeitgeist anpassen. Die Apokryphen (Anmerkung: Dieser Begriff bedeutet bei den Protestanten etwas Anderes. Sie nennen den Deuterokanon Apokryphen und die Apokryphen Pseudepigraphen.) erhellen allerdings weniger die christliche Lehre als das gnostische Umfeld in dem sie größtenteils entstanden sind.
Sole schrieb: " Dagegen könnte rein hypothetisch, das wissen wir nicht, das Leben des Jesus eine wahrhaft revolutionäre weltliche Botschaft enthalten, die so in den heute gültigen Büchern nicht drin steht. " Rein hypothetisch könnte auch der Erdkern aus grünem Käse bestehen. Für ungewöhnliche Thesen sollte man schon ungewöhnliche Belege haben.
Sole schrieb: " Die Forschung muss doch über das Leben in Iesu Zeiten irgendwas entdeckt haben, wenn nicht die kirchliche, dann die wissenschaftliche, das gängige Interpretationen in Frage stellt. " Nein. Die gängige Interpretation könnte nämlich auch einfach richtig sein.
Sole schrieb: " War es für einen jüdischen (ich nenne das jetzt mal so) "Meister" wirklich so normal, unverheiratet mit fremden, evtl ebenfalls unverheirateten Frauen durch die Lande zu ziehen? " Keine Ahnung. Aber wer behauptet denn, dass Jesus normal ist?
Sole schrieb: " Warum wurde ein religiöser Irrläufer gekreuzigt und nicht gesteinigt? " Weil die römische Besatzungsmacht dem hohen Rat keine Steinigungen mehr erlaubte. Darum erfand man eben politische Vorwürfe.
Sole schrieb: " Wenn das allgemein akzeptierte Bild des römischen Statthalters stimmt, dann war er grausam und bestechlich. " Zweifellos grausam. Bestechlich weiß ich nicht, wär ihm aber zuzutrauen. Vor allem war er aber feige. Er hat sich als Politiker eben gefragt, was die für ihn am wenigsten schädliche Lösung ist und nicht was richtig ist. Aber Sie können ja mal versuchen eine Bibelstelle und/oder lehramtliche Aussage zu finden die dem widerspricht :-).
Sole schrieb: " Und genau deshalb halte ich es für möglich, dass bestimmte Formeln im Johannes-Evangelium anders zu verstehen sind. " Genau weshalb?
Sole schrieb: " War Lazarus wirklich tot, oder war seine "Auferweckung" ein symbolisches mystisches Ritual, wie wir es von vielen Sekten kennen? " Wenn sie sich den eigentlichen Bericht (Joh. 11:1-44) noch einmal durchlesen wird Ihnen auffallen, das der Text diese Deutung ausschließt. Natürlich kann man den Bericht für ein Märchen halten. Aber ihn rein symbolisch zu "deuten" ist absurd.
Sole schrieb: " War der Mann am Kreuz wirklich Jesus und war er wirklich tot? " Ja und ja. Auch hier gibt der Text keine andere Deutung her. Er ist entweder wahr oder gelogen.
Sole schrieb: " Als Nicht-Gläubiger kann ich mir hier wilde Spekulationen erlauben und muss sie auch nicht gedanklich in irgendein Dogma einordnen. " Außer natürlich in das Dogma das es nicht einfach stimmen kann :-).
Sole schrieb: " Meine Behauptung steht ja unabhängig von einer Behauptung, wie die "Wahrheit" denn genau ist. Ich behaupte, die Kirche als Institution würdigt das wachsende Quellenwissen und die wachsenden Möglichkeiten, mit als historisch gesicherten Annahmen zu verglechen nicht ausreichend. " Und das behaupten Sie eben ohne den Hauch eines Beleges.
Sole schrieb: " Ich bin aber der Auffassung, dass die Kirche kein Interesse daran hat, etwa den Verrat Iesu durch Juden oder den gütigen römischen Statthalter neu zu überdenken - streng auf Grundlage vorliegenden Materials natürlich. Der Katholizismus wird bei der für römisches Publikum akzeptablen Darstellung des zahmen Lammes Iesus bleiben, das von bösen Juden gegen den Willen eines gütigen Römer-Chefs getötet wurde, keinerlei weltlichen Plan hegte, nicht gegen die Okkupation aufbegehrte und - wie sich das für einen römertauglichen Kult gehört - eine mystische Geburt und Lebensgeschichte hatte. " Was die Juden angeht hat Niklas ja schon den entsprechenden Konzilsbeschluss zitiert. Was Pilatus angeht: Im Weltkathechismus (Das ist die Lehre der katholischen Kirche in Buchform) findet man zu ihm genau diese zehn Fundstellen. Welche davon stellt ihn als gütig dar? Da kritisieren Sie also einfach ein Phantom einer nichtexistenten Lehre. Der weltlichen Widerstand gegen die Okkupation ist einfach eine (allerding erstaunlich beliebte) Wunschvorstellung. Die Auferstehung war für die Römer ebenso inakzeptabel wie heute für Sie.
Sole schrieb(als Antwort auf Niklas Erwiderung): " Die Kirche distanziert sich vom Antisemitismus, aber nicht von dem (anzuzweifelnden) Text, auf den er sich mal berief. Meiner Meinung nach wäre es angebracht, das Standardwerk, die Lehrmeinung gewissermaßen, zu updaten soweit man es heute anders sieht. " Sie meinen die Bibel? Nun, die Authentizität der dazu zitierten Bibelstellen ist nicht zweifelhaft. Die Bibel ist eben das überlieferte Quellenmaterial und daher nicht änderbar. Die Bibel selbst ist ja aber auch nicht antisemitisch. Und die antisemitische Deutung lehnt die Kirche eben ab. Die Lehrmeinung ist übrigens im Kathechismus dargelegt - und der enthält dazu eben im Wesentlichen das was Niklas sagte.
Sole schrieb: " Man kann ja sagen, die Kirche ist verpflichtet, das Dogma zu pflegen bis es nicht mehr geglaubt werden KANN. Man kann auch jede einzelne historische Vermutung oder Erkenntnis anzweifeln, die die Bibel tangiert. " Mann kann sich auch ein Zerrbild der gegnerischen Meinung basteln, das dann viel leichter als das Original zu widerlegen ist. Eine persönliche Anmerkung: Ich diskutiere eigentlich gern über fast jede Frage (z.B. ja auch über die oben von Immanuel Goldstein gestellten). Der Grund das ich hier so gereizt reagiere liegt darin, dass Sie die Falschheit des Christentums einfach mal so eben wie eine Selbstverständlichkeit erwähnt haben. Fast alle Atheisten und Agnostiker haben nämlich heute die Vorstellung, dass sie die kritischen Denker und die Christen die unkritischen Übernehmer sind. Diese Vorstellung ist fast immer unkritisch von der herrschenden Meinung übernommen. |
AeD
| Veröffentlicht am Sonntag, 27. Februar 2005 - 00:39 Uhr: | |
Kann passieren, früher lag so etwas in Schubladen, im Online-Zeitalter ist das halt nicht möglich. Einen ähnlichen Artikel der Autorin wurde schon am 12.10.2004 veröffentlicht, mal sehen, wie oft das noch passieren wird. |
ego
| Veröffentlicht am Sonntag, 27. Februar 2005 - 00:52 Uhr: | |
@AeD: Mir ist klar, daß solche Artikel existieren und schon immer existiert haben. Nur finde ich es ausgesprochen peinlich, einen solchen Artikel dann auch schon zu verlinken. So etwas gehört bis zum Fall der Fälle in den Giftschrank und nicht schon mal auf den Server. Interessant finde ich nur, daß Sie von einem weiteren Artikel der gleichen Autorin sprechen. Ich habe das damals gar nicht mitgekriegt. |
Martin Fehndrich
| Veröffentlicht am Sonntag, 27. Februar 2005 - 16:06 Uhr: | |
Anzahl der Wahlgänge Ich bin mir nicht sicher, wieviele Wahlgänge es bei der Papstwahl mit 2/3 Erfordernis gibt. Die Deutsche Übersetzung der UNIVERSI DOMINICI GREGIS ist an einigen Stellen nicht eindeutig und die Englische hilft auch nicht immer weiter. Offen ist, wieviele Wahlgänge in dem ersten Block, den "drei Tage hindurch" in Nr. 75, stattfinden, inbs. ob der Tag mit nur einem Wahlgang Nr. 63, dazugehört oder danach noch 3 Tage gewählt wird. Die Vorschriften auf Deutsch, Englisch und Italienisch. |
Immanuel Goldstein
| Veröffentlicht am Montag, 28. Februar 2005 - 14:37 Uhr: | |
@ gelegentlicher Besucher und Sole Ich will mich jetzt nicht zu sehr in Ihre Diskussion einmischen, will aber trotzdem ein paar Sachen loswerden. 1. Alle historischen Diskussionen über das "Jesus-Phänomen" (ich hoffe das ist jetzt wertneutral) sind äußerst spekulativ da eigentlich keine zeitgenössischen Überlieferungen zu diesem Thema erhalten sind (und nach 30 Jahren etwas zu beschreiben ohne schriftliche Quellen heranziehen zu können ist immer im gewissen Sinn unseriös). Ob z.B. Piltaus ein schlechter, böser, brutaler oder gar feiger Mensch war, lässt sich nicht zurückverfolgen (dass die Verantwortung für Hinrichtungen innerhalb des röm. Imperiums normalerweise bei den Römern lag, liegt jedoch auf der Hand) - aber die Notwendigkeit ihn zu entlasten geht auf die Fusion röm. und christl. Vorstellungen zurück (da ist dann auch Augustus eine von Gott geschickte Notwendigkeit). Antisemitismus kann man den Römern wie auch den Christen auch nicht so einfach vorwerfen (es gab bei beiden Zeiten der universalen Toleranz und Zeiten der regionalen Verfolgung und Diskriminierung). Wenn es zu antisemitischen Verhalten kam, fand man Bibelauslegungen sowohl auf Seiten der christl. Antisemiten wie auch auf seiten von deren (meiner Meinung nach sympathischeren) christlichen Gegnern. Ob die damaligen jüdischen Eliten die Hinrichtung Jesus (sofern es eine solche gab) befürworteten ist auch nicht rekonstruierbar (und unter den damaligen Zuständen wäre dies schwer nachzuvollziehen, es gab damals ganz andere Kaliber in der Region) 2. Viele Topoi der Christusgeschichte sind in der Antike auch in Zusammenhang mit anderen Personen (tlw. vorchristlichen) bekannt (was jezt nicht unbedingt heißen soll dass sie im Falle Jesus erfunden wurden). Die Römer hatten auch kein wirkliches Problem mit Auferstehungsglauben per se (das gibt es auch in einigen antiken Mysterienkulten; oder einfach mal bei den klassischen Sagen nachschlagen), sondern mit Unruhe in ihrem Einflussbereich (unabhängig von deren Ursache). 3. Die Person Jesus anders zu sehen als die kath. Kirche ist nicht notwendigerweise ein Angriff auf sie (einige unierte Kirchen beweisen das, aber auch tolerante Agnostiker, die die Rolle der Kirche insgesamt als positiv bewerten) 4. Die Bibel ist ein einflußreiches (wenn auch immer wieder verändertes) Element in der Geschichte - ob sie der Wahrheit entspricht oder als uninterpretierte Text irgendwelche Aussagen per se besitzt ist eher sekundär. Ihre deskriptive Bedeutung ist wesentlich unwichtiger als ihre appelative (wobei wie bereits erwähnt worden ist, sie für die Kath. nicht die zentrale Bedeutung hat wie für andere Christen) 5.Der epistemologische Unterschied zwischen Marxismus und Christentum liegt auf der Hand - Marx und sein Werk sind durch direkt nachvollziehbare Urheberschaft unauflöslicxh miteinander verknüpft, von Jesus selbst ist nichts direkt und ohne Bearbeitung durch andere hinterlassen worden (es darf angezweifelt werden ob er sich als Religionsstifter und somit als Chrssit gesehen hat - vermutlich hielt er sich selbst für einen Juden (was kein Widerspruch zur Dreifaltigkeit ist)). Was Jesus (sofern es ihn denn gab) wirklich gesagt und getan hat wird immer im Dunkeln bleiben - das ändert aber nichts daran, dass ein Personenkreis für sich beanspruchen darf einen direkten Überlieferungsstrang (egal ob wahr oder falsch) zu folgen und weiterzuentickeln (ohne dabei die Grundlagen ändern zu müssen). @ Sole Ich verstehe tlw. Ihre Meinung, will Ihnen aber sagen, dass Sie das ganze viel zu pauschal und abwertend angehen. Auch die sozialistische Tradition besitzt viele wertvolle Wurzeln mit christl.-religiösen Hintergrund (sowohl unter Katholiken (auch viele Mönchgemeinschaften waren "kommunistische" Laboratorien) als auch unter Protestanten (Thomas Müntzers Wirken müsste Ihnen doch zusagen; Werkheiligkeit und Internationalismus sind kath. wie auch sozialistische Tugenden). Christentum und Sozialismus haben allgemein mehr gemeinsam als man ahnt im Negativen (siehe z.B. Popper) wie im Positiven (siehe z.B. Ernst Bloch, Erich Fromm) @gelegentlicher Besucher Auch wenn es Ihnen vielleicht häufig nicht so vorkommt: ich habe großen Respekt vor der kath. Tradition und halte einen gläubigen Menschen (egal welcher Religion oder Wissenschaft) nicht für unkritisch oder naiv, sondern halt nur für anders als mich selbst. P.S. Meine persönliche Meinung zum "Jesus-Phänomen" (und warum ich seit 28 Jahren nichtr mehr Orthodoxer bin): Wir wissen zuwenig darüber, was damals wirklich geschah und Glaube allein kann mich nicht glücklich machen. Eine 2000 Jährige Tradition macht das Wissen um damalige Verhältnisse eher noch dünner und schafft keinen Glauben sondern v.a. eine Eigendynamik. Man kann diese Eigendynamik und ihre Folgen bejahen oder auch nicht - ich tue es nicht, freue mich aber, dass es Menschen gibt die es können (und das ist jetzt nicht naiv-idealisierend gemeint). |
J.A.L.
| Veröffentlicht am Montag, 28. Februar 2005 - 15:02 Uhr: | |
Generell ist diese Diskussion, wenn auch teilweise off-topic, es wert, als Gegenargument gegen eine behauptete generelle Plattheit und Minderqualität in Internet-Foren verewigt zu werden. |
Torsten Schoeneberg
| Veröffentlicht am Montag, 28. Februar 2005 - 18:08 Uhr: | |
Jetzt bin ich auch dabei. Soles Aussage Die moralischen Aussagen der Bibel stehen so oder so, ob Jesus nun unbefleckt empfangen wurde oder nicht, ob er nun Hoffnung spendete durch Tricks oder durch Wunder. kann man für das Alte Testament gelten lassen, aber nicht für das Christentum. Entweder ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, gewesen und damit das größte Ereignis der Weltgeschichte, nach dem ich mein Leben auszurichten habe, oder nicht. Wenn ich das nicht glaube, habe ich zunächst keinen Grund, die moralischen Sätze des NT anzunehmen. (Ich kann natürlich äquivalente Sätze aus meinem eigenen System haben. Aber dann stimme ich nur zufällig mit dem Xtum überein und es kann mir als ganzes gleich sein). Ähnliches gilt für Immanuel Goldsteins Punkt Die Person Jesus anders zu sehen als die kath. Kirche ist nicht notwendigerweise ein Angriff auf sie (einige unierte Kirchen beweisen das, aber auch tolerante Agnostiker, die die Rolle der Kirche insgesamt als positiv bewerten) Natürlich ist das aus Sicht der katholischen Kirche ein Angriff. Vielleicht aus Sicht des "Angreifers" nicht, was dann zu Mißverständnissen wie in diesem Thread führen kann. Da scheitert auch der weitere Diskurs. Soweit ich es sehe, werde ich z.B. mit dem gelegentlichen Besucher nicht diskutieren können, weil ich in der Tat die "Falschheit" des Xtums für a) leicht einsichtig bezüglich der Dogmatik b) sogar selbstverständlich bezüglich meines eigenen Empfindens halte. |
gelegentlicher Besucher
| Veröffentlicht am Montag, 28. Februar 2005 - 19:09 Uhr: | |
@Immanuel Goldstein
immanuel Goldstein schrieb: " Auch wenn es Ihnen vielleicht häufig nicht so vorkommt: ich habe großen Respekt vor der kath. Tradition und halte einen gläubigen Menschen (egal welcher Religion oder Wissenschaft) nicht für unkritisch oder naiv, sondern halt nur für anders als mich selbst. " Deshalb habe ich ja auch gern mit Ihnen diskutiert. Abweichende Meinungen ermöglichen ja Diskussionen und machen damit Spass. Ich ärgere mich aber, wenn (was Sie eben gerade nicht getan haben) jemand meine grundlegenden Überzeugungen als selbstverständlich falsch darstellt. Das imliziert dann nämlich tatsächlich die Behauptung ich wäre "unkritisch oder naiv". |
Sole
| Veröffentlicht am Dienstag, 01. März 2005 - 13:25 Uhr: | |
Die Diskussion ist wahnsinnig interessant, aber ich bin ihr nur begrenzt gewachsen. Hier jeweils einige Reaktionen. "Das Christentum auf ein paar Wohlfühlmoralismen zu reduzieren ist zwar eine beliebte aber gewiss keine christliche Sichtweise. Wenn ich Ihr Zitat mal anolog für den Marxismus formulieren darf: Nein, ich will den Marxismus üüühberhaupt nicht inhaltlich angreifen. Das man zu den Arbeitern nett sein sollte steht so oder so, ob die Geschichte nun eine Geschichte der Klassenkämpe ist oder nicht und ob der Sozialismus nun die bessere Zukunft ist oder eine menschenverachtende Idee die nur mit faschistoiden Mitteln durchsetzbar ist. Eine derartige Verniedlichung schützt natürlich davor die fremde Meinung ernst nehmen zu müssen. Sie erlaubt damit eine gewissermaßen kostenlose Scheintoleranz." Also selbst ich halte den Appell der Bibel für mehr als "sei lieb und nett". Für mich ist es eben in erster Linie ein Appell, sich selbst nicht aufzugeben sondern sich einzusetzen für andere, aber vor allem auch für sich selbst. Und das steht und fällt nicht mit der Frage, ob diese oder jene Geschichte nun ein Wunder, ein Trick oder eine nachträgliche Erfindung ist. "Aber letzendlich ist das nur eine höflich verklausulierte Sprechweise für "Euch Hinterwäldler nehme ich nicht ganz ernst." Im Übrigen haben Sie weiter oben ausdrücklich (und immernoch ohne Beleg) behauptet, die Kirche hätte sich weit vom historisch Nachvollziehbaren entfernt. Ob Sie es so nennen wollen oder nicht: Die christliche Jesusdarstellung zu leugnen ist ein Angriff auf den Kern der christlichen Lehre und damit selbstverständlich ein religiöser Angriff." Wenn das so ist, ist die Kirche wohl mehr Angriffen unter ihren Anhängern ausgesetzt als unter denen, denen sie suspekt oder schlimmer noch egal ist. Ich bin nicht überzeugt, dass die Mehrheit der Gläubigen "Betlehem" hört, "Betlehem" glaubt und "Betlehem" als wesentlich hinnimmt, besonders wenn sie die Hinweise gehört haben, der Ort habe zu dieser Zeit möglicherweise nicht existiert. Das ist doch gar nicht wichtig. Für die von der Kirche gelehrte Darstellung ist überhaupt nicht wichtig, ob es Betlehem war. Und doch hält sie an dieser Behauptung fest und wird es wohl auch tun, wenn irgendwann mit großer Sicherheit feststeht, dass der Ort erst später existierte. Mir persönlich ist es übrigens relativ gleichgültig, ich werde hier keine unumstößlichen Beweise für die Existenz oder nicht-Existenz dieses Ortes bringen, bringen können oder wollen. " Es geht allerdings tatsächlich um die 2000 Jahre alte Überlieferung, d.h. man kann die Bibel nicht einfach dem jeweiligen Zeitgeist anpassen. " Sollte man nicht. Vermutlich hat man es mehrfach getan. "Außer natürlich in das Dogma, dass es nicht einfach stimmen kann :-)." Nein. Dieses Dogma existiert nicht. " Der Grund das ich hier so gereizt reagiere liegt darin, dass Sie die Falschheit des Christentums einfach mal so eben wie eine Selbstverständlichkeit erwähnt haben." Den Grund verstehe ich, ich bin aber nicht ganz der Meinung, dass das nötig war. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt, unbedingt die Kirche widerlegen zu wollen. Die ganze Diskussion rührt her von einem Nebensatz darüber, dass ich gewisse private Ansichten habe, die eigentlich nicht religiös geprägt sind. Dass ich aber ohne "zu glauben" religiösen Darstellungen für mich interessante Ideen entnehme, das wollte ich sagen. Für mich ist diese Beschäftigung nie eine kritische Frage gewesen. Wenn ich mit Worten anderes gesagt habe, als ich gemeint habe dann war das ein Fehler. Es wird keine "Die Kirche irrt" Sekte geben und auch nicht das Bahnhofs-Taschenbuch "Die Bibel-Verschwörung: Der Papst ist in Wirklickeit der Teufel". Ich werde dem Spiegel übrigens auch kein gefälschtes Jesus-Tagebuch zum Fraß vorwerfen. Ich sage nicht, das Christentum sei "einfach so und selbstverständlich falsch". Das wäre ohne weitere Argumentation auch reichlich dumm. Ich gebe hier wieder, was mir beim Lesen aufgefallen ist, ich will niemanden damit "bekehren", wozu auch immer. "Fast alle Atheisten und Agnostiker haben nämlich heute die Vorstellung, dass sie die kritischen Denker und die Christen die unkritischen Übernehmer sind. Diese Vorstellung ist fast immer unkritisch von der herrschenden Meinung übernommen." Darauf gibt es zwei Antworten. Erstens kann niemand etwas zu Wege bringen, der sich ständig und in allem hinterfragt. Das ist banal. Zweitens gibt es, nicht nur gegenüber Christen, tatsächlich genug von der beschriebenen Einstellung. Ich hatte gestern am Messestand einige sehr aufschlussreiche Gespräche zum Wieder-Eintritt unseres Fraktionsvorsitzenden in die Kirche. Ein unkritischer "Kirchenhass" ist von der Qualität her nichts anderes wie die Überzeugung, irgendetwas sei "spießerhaft" oder man sei über gewisses Verhalten erhaben. So perfekt sind wir alle nicht. Manche denken es offenbar. "Ich verstehe tlw. Ihre Meinung, will Ihnen aber sagen, dass Sie das ganze viel zu pauschal und abwertend angehen." Das ist möglich. " Auch die sozialistische Tradition besitzt viele wertvolle Wurzeln mit christl.-religiösen Hintergrund (sowohl unter Katholiken (auch viele Mönchgemeinschaften waren "kommunistische" Laboratorien) als auch unter Protestanten (Thomas Müntzers Wirken müsste Ihnen doch zusagen; Werkheiligkeit und Internationalismus sind kath. wie auch sozialistische Tugenden). Christentum und Sozialismus haben allgemein mehr gemeinsam als man ahnt im Negativen (siehe z.B. Popper) wie im Positiven (siehe z.B. Ernst Bloch, Erich Fromm)" Ja, natürlich. Viele Menschen begreifen das ja als einen Widerspruch. Das Wirken für ein möglichst angenehmes Leben hier und heute und in Zukunft (unabhängig davon, welche Politik das bringen könnte!) kann doch nicht im Gegensatz stehen zu Fragen, was nach der Welt kommt oder wie ich heute leben soll, um nach dem Tod oder dem Weltuntergang Prüfungen zu bestehen, akzeptiert zu werden, zu den Erlösten zu gehören. "Entweder ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, gewesen und damit das größte Ereignis der Weltgeschichte, nach dem ich mein Leben auszurichten habe, oder nicht." Das ist eine sehr fundamentale Sicht. Wer nicht 100 % glaubt ist gegen uns. "Wenn ich das nicht glaube, habe ich zunächst keinen Grund, die moralischen Sätze des NT anzunehmen." Man könnte sie auch ganz einfach vernünftig, praktisch oder sonst wie aus sich selbst ansprechend finden. Mit Religion hat das dann aber tatsächlich nicht mehr viel zu tun. ".Der epistemologische Unterschied zwischen Marxismus und Christentum liegt auf der Hand - Marx und sein Werk sind durch direkt nachvollziehbare Urheberschaft unauflöslicxh miteinander verknüpft, " Der Marxismus hat als folkloristische "Partei- und Staatsreligion", als nachträgliche Legitimation für aus anderen Gründen entschiedenen Blödsinn, eindeutig versagt. Die SPD (ge)braucht ihn schon sehr, sehr lange nicht mehr, die übergroße Mehrzahl der Staaten, die ihn gebrauchten sind verschwunden. Es bleibt also nur noch, sich damit kritisch auseinander zu setzen, sich zu fragen, was man damit anfangen soll und wo evtl Fehler liegen. Es ist kein abgeschlossenes Werk und erhebt nicht die Forderung "geglaubt" zu werden. Vor allem aber ist die Grundlage, auf der die Antikirchenpolitik von SED und osteuropäischen Regierungen erfolgte, bei Marx selbst dünn. Die populäre Darstellung in Lehrfilmen ist die, dass die Leute "an den Sozialismus glauben" sollten, dass die Kirche vor allem lästig und hinderlich war, die Leute auf das System einzuschwören, dass sich die Prinzipien, die die Kirche lehrt, nicht gut vertrugen mit Wehrdienst, , Militarisierung der Freizeit (->GST) Einmarsch in Nachbarländer, "Säuberungen". |
Torsten Schoeneberg
| Veröffentlicht am Dienstag, 01. März 2005 - 17:06 Uhr: | |
@sole: Ich schrieb: "Entweder ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, gewesen und damit das größte Ereignis der Weltgeschichte, nach dem ich mein Leben auszurichten habe, oder nicht." Sie antworteten: "Das ist eine sehr fundamentale Sicht. Wer nicht 100 % glaubt ist gegen uns." Die Beobachtung, daß etwas fundamental ist, ist kein Argument dagegen. Das Christentum hat diesen fundamentalen Anspruch. Wenn das richtig ist, was in der Bibel steht und was die Dogmen aussagen, wäre es purer Irrsinn, sein Leben nicht danach auszurichten. Wenn man es aber weder tut noch glaubt, muß man logischerweise den Glauben als Glauben für falsch halten. Sie schreiben: "Man könnte sie auch ganz einfach vernünftig, praktisch oder sonst wie aus sich selbst ansprechend finden. Mit Religion hat das dann aber tatsächlich nicht mehr viel zu tun." Eben. Natürlich kann man zu einem dem Xtum ganz ähnlichen Wert- und Glaubenssystem kommen. Aber dann ist man kein Christ, sondern ein Mensch, dessen Vorstellungen sich teilweise mit denen des christlichen Glaubens decken. Ein Versuch, hier etwas zuvereinbaren und zu sagen "Irgendwie bin ich auch Christ" wäre verfehlt. @gelegentlicher Besucher - Nachtrag: Daß ich einige Ihrer Grundüberzeugungen für selbstverständlich falsch halte, impliziert zumindest für mich keineswegs, daß ich Sie für unkritisch oder naiv halte (tue ich nicht). Andererseits ist die bloße Tatsache, daß jemand Überzeugungen hat, auch noch kein Argument für diese. Ich nehme an, Sie verstehen folgendes Beispiel korrekt und nicht als Vergleich: Ein Rassist hat auch Überzeugungen, die ich für selbstverständlich falsch halte. Aber ich halte ihn nicht notwendigerweise für unkritisch oder naiv. |
Sole
| Veröffentlicht am Dienstag, 01. März 2005 - 17:38 Uhr: | |
" Ein Versuch, hier etwas zuvereinbaren und zu sagen "Irgendwie bin ich auch Christ" wäre verfehlt." Für mich habe ich das nicht vor. Mit all den getauften, konfirmierten und sonstig initiierten Christen, die an der Entstehung der Welt wie beschrieben zweifeln, muss es doch irgendeinen vernünftigen Umgang geben. |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Dienstag, 01. März 2005 - 18:29 Uhr: | |
Nach längerer Zeit möchte ich zu meinem letzten Beitrag einige Nachträge anbringen. Dabei gehe ich auf Kritik, die von ihren Urhebern selbst als kleinlich charakterisiert wurde, gar nicht ein. Da ist das 1. Prinzip von Weihe und Profanität: Dazu ist zu ergänzen, dass die Weihe nur der sichtbare äussere Ausdruck davon ist, dass die katholische Kirche sich selbst als einen sakralen Raum, communio sanctorum, Heilsanstalt usw. versteht. Die Weihe als Sakrament ist davon nur sichtbarer Ausdruck. Die römisch-katholische Kirche unterscheidet sich von andern Gemeinschaften nicht dadurch, dass sie sakramental verfasst wäre o. dgl. Das sind die orientalischen und reformierten Kirchen auch. Augustin und in seiner Nachfolge manche Reformierte behaupten auch, dass selbst der Teufel Sakramente eingerichtet habe. Spezifisch römisch-katholisch ist hingegen die Auffassung, dass ihre Gemeinschaft eine besondere Sphäre der Heiligkeit und des Heils verleihe bzw. innehabe. Durch das Sakrament der Taufe wird man in diese Sphäre aufgenommen, durch das Sakrament der Firmung stärker daran teilhaftig, durch die Diakonenweihe erhält man eine weitere Steigerung, ebenso durch das Sakrament der Ehe usw. bis hin zur Weihe des neugewählten Papstes, der dann die plenitudo potestatis erhält. Im lateinischen Sprachgebrauch ist die Weihe übrigens eine ordinatio, die Klassen der Geweihten heissen ordines, und ordo kann daneben auch jeglichen Stand innerhalb der römisch-katholischen Kirche bezeichnen. Die römisch-katholische Kirche besteht aus einer Reihe von ordines, die in je eigener, ordo-spezifischer Weise an der Heilswirkung auf Grund des Geschenkes durch Christus teilhaben. Das sehen die Reformierten sehr verschieden. Nach ihrer Auffassung kann es keinen Gott-freien Raum geben, und es ist auch nicht möglich, dass Gott irgendwo mehr oder weniger ist, sondern jeder Mensch ist überall und immer unmittelbar Gott gegenüber, coram Deo, ohne dass sich wesentliche Unterschiede ausmachen liessen. D. h. es gibt eine wesentlich verschiedene Zuordnung von profaner und sakraler Sphäre, was vielleicht sogar das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Konfessionen ist (und das am wenigsten bewusste). Deshalb haben Weihungen, Segnungen, Stände usw. in der reformierten Kirche keinen Sinn - gottnäher lässt sich ja ohnehin nichts machen, höchstens gottgefälliger durch Glaube, Liebe, Hoffnung und gute Werke. Das ergibt dann auch folgerichtig das, was Max Weber "innerweltliche Askese" genannt hat. Das 2. und 3. Prinzip von Sukzession und Delegation lassen sich ferner auf ein noch grundlegenderes Prinzip zurückführen, das auch bei der Weihe und den Sakramenten am Werk ist. Gibt es DAS katholische Grundprinzip, dann ist das folgende ein aussichtsreicher Kandidat dafür: repraesentatio. Repraesentatio bedeutet, dass etwas zugleich zeigt, was wirkt, aber doch immer zugleich so, dass durch das Gezeigte vermittelt wird, was wirkt. Schon Ignatius von Antiochia schreibt in seinen Briefen, dass er eine Gemeinde kenne, weil er ihrem Bischof begegnet sei. Da haben wir bereits dieses Prinzip: Der Bischof repräsentiert die Gemeinde so, dass es genügt, den Bischof zu haben. Und das findet sich auch in der Sakramentenlehre im opus operatum (das die Reformierten bekanntlich ablehnen), im Papst als sichtbarem Zeichen der Einheit, das zugleich diese Einheit auch bewirken hilft, oder in der Übertragung von guten Werken und Verdiensten bei Zuwendungen von Lebenden auf die Toten, beim Ablass usw. usf. Die Sukzession ist ebenso Ausdruck davon, dass seit Anbeginn der Kirche bis heute stets dasselbe von einer Generation zur nächsten überging, und zwar sichtbar und zugleich wirksam, weil es letztlich immer dieselbe Kraft war, die am wirken war. Und so erklärt sich auch die Delegation, die verglichen mit andern Gemeinschaften eben doch ziemlich weitgehend möglich ist: Wer den Papst hat, hat auch Christus - weil der Papst Christus im oben geannten Sinne repräsentiert. Wer einen Kardinal oder einen legatus a latere hat, hat den Papst - weil eben jener diesen repräsentiert. Wer einen Bischof hat, hat auch die Kirche - weil dieser die Kirche repräsentiert. Wer den Bischofsvikar hat, hat den Bischof weil ... Refrain. Dabei ist natürlich "Repräsentation" nicht im heute üblichen Sinne zu nehmen, sondern in dem spezifischen römisch-katholischen, wie oben beschrieben. Selbstredend lehnen die Reformierten, soweit sie überhaupt begriffen haben, worum es dabei geht, diese repraesentatio ab. Dies als ergänzende Hinweise, Nachträge und Erläuterungen des letzten Postings. Ich ersuche wiederum freundlichst darum, es sine ira et studio zu bedenken, wenn auch multo cum discendi, speculandi resque cognoscendi amore. |
gelegentlicher Besucher
| Veröffentlicht am Samstag, 05. März 2005 - 00:24 Uhr: | |
@Sole Für meine Antwort auf die Beiträge von Sole muss ich ziemlich weit ausholen. Ich weise daher schon vorweg darauf hin, dass meine Ausführungen ziemlich unvollständig werden. Zunächst möchte ich kurz (und wie gesagt unvollständig) darauf eingehen, was eigentlich die christliche Lehre ist. Dazu die folgenden 10 Punkte: 1. Es gibt genau einen Gott. 2. Der eine Gott existiert in drei Personen. Auch wenn man das als Mensch niemals ganz verstehen kann, kann man sich doch rational daran annähern. Die Einheit liegt im Wesen (auch Natur genannt), d.h. Gott ist an sich unabhängig von Beziehungen einer. Die Dreiheit liegt dagegen in der Beziehung, d.h. die Personen sind dadurch verschieden, dass sie auf einander bezogen sind. 3. Gott hat die Menschen gemacht. Das muss nicht eine Wörtlichnahme der biblischen Schöpfungsberichte bedeuten, weil es auf seine genaue Methode nicht ankommt. Das Universum nach Naturgesetzen zu ordnen, die zur Entwicklung von Menschen führen wäre z.B. eine (aber nicht die einzige) denkbare Methode. 4. Die Menschheit ist auf eine besondere Gemeinschaft mit Gott ausgelegt. 5. Die Auflehnung gegen Gott und damit der Bruch der Gemeinschaft für die der Mensch bestimmt ist wird Sünde genannt. Die Sünde ist damit nicht nur eine Tat sondern außerdem auch ein Zustand. 6. (katholische Version) Die ersten Menschen haben gesündigt. Ähnlich wie eine Kopie nicht besser sein kann als das Original sind alle (ja von ihnen abstammenden) Menschen außer Jesus Christus (davon später mehr) dadurch von Geburt an im Zustand der Sünde. Man spricht daher von Erbsünde. Dazu kommt, dass jeder Mensch durch diese Entfremdung von der natürlichen Gemeinschaft mit Gott zu weiteren, persönlichen Sünden getrieben ist. Diese Neigung nennt man Konkupiszenz. Somit sind alle Menschen außer Jesus Sünder. 6. (protestantische Version) Durch die Sünde der ersten Menschen ist die Freiheit ihrer Nachkommen zerstört. Erbsünde und Konkupiszenz sind eigentlich das Gleiche, d.h. obwohl man nicht als Sünder gebohren wird, kann doch kein Mensch anders als zu sündigen. Abgesehen von handlungsunfähigen Säuglingen sind auich in diesem Fall alle Menschen außer Jesus Sünder. 7. Die natürliche Folge der Sünde ist die Zerstörung der Gemeinschaft mit Gott, die man als Hölle, ewigen Tod oder auch Verdammnis bezeichnet. 8. Einer aus der Dreieinigkeit ist Mensch geworden. Das bedeutet nicht eine Art Verkleidung, sondern tatsächlich eine echte Menschwerdung bei gleichzeitiger Gottbleibung. Auch das kann man nicht vollständig verstehen aber sich in den Begrifflichkeiten von Punkt 2 verständlicher machen: In Jesus, den man deshalb auch Christus nennt, sind zwei Naturen, nämlich die göttliche und die menschliche, aber nur eine Person. Damit ist er uns in allem außer der Sünde gleich. 9. Jesus, ist am Kreuz für unsere Sünden gestorben, d.h. er ist in den Folgen der Sünde an unsere Stelle getreten. 10. Jesus ist auferstanden. Dadurch, dass er unseren Tod geteilt hat, können wir seine Auferstehung teilen. Weil Jesus Gott ist, kann er durch seinen Tod und seine Auferstehung unser zerstörtes Verhältnis zu Gott wiederherstellen. An dieser Stelle kann ich jetzt einen Teil von Sole's Beitrag beantworten:
Sole schrieb: " Für mich ist es [das Christentum] eben in erster Linie ein Appell, sich selbst nicht aufzugeben sondern sich einzusetzen für andere, aber vor allem auch für sich selbst. Und das steht und fällt nicht mit der Frage, ob diese oder jene Geschichte nun ein Wunder, ein Trick oder eine nachträgliche Erfindung ist. " Nein, das ist nicht das Christentum. Wenn das Christentum ein Apell ist, dann der sich von seinen Sünden ab- und seinem Herrn und Erlöser Jesus Christus zuzuwenden, damit man vor der natürlichen Folge der Sünde gerettet werden kann. Das schließt auch eine soziale Verantwortung mit ein. Aber diese soziale verantwortung ist ein Aspekt und nicht der Kern des Christentums. Oder anders gesagt: Wenn Jesus nicht Gott ist oder wenn er nicht auferstanden ist, dann bleibt vom Christentum nichts Wesentliches mehr über.
Sole schrieb: " Ich bin nicht überzeugt, dass die Mehrheit der Gläubigen "Betlehem" hört, "Betlehem" glaubt und "Betlehem" als wesentlich hinnimmt, besonders wenn sie die Hinweise gehört haben, der Ort habe zu dieser Zeit möglicherweise nicht existiert. Das ist doch gar nicht wichtig. Für die von der Kirche gelehrte Darstellung ist überhaupt nicht wichtig, ob es Betlehem war. Und doch hält sie an dieser Behauptung fest und wird es wohl auch tun, wenn irgendwann mit großer Sicherheit feststeht, dass der Ort erst später existierte. " Was die Mehrheit denkt weiß ich nicht und es ist auch egal. Aber es stimmt, das der genaue Geburtsort nicht wirklich entscheidend ist. Warum allerdings würden die Evangelisten es so darstellen? Weil Bethlehem als Stadt Davids die Stadt war aus der man allgemein den Messias erwartete. So gesehen muss es auch schon existiert haben. Und nun sehe ich nicht, warum Gott dieses Zeichen nicht selbst gesetzt haben sollte. Die historisch-kritische Forschung, die Bethlehem nicht als den historischen Geburtsort ansieht, kommt zu diesem Schluss, weil sie die Nichtgöttlichkeit Jesu schon vorher annimmt und das Zeichen daher nicht Gott zuschreiben kann. Und dann müssen es eben die Jünger erfunden haben... Langer Rede kurzer Sinn: Für mich (und für die Kirche) gibt es keinen überzeugenden Grund an Bethlehem zu zweifeln. Aber wesentlich ist die Frage tatsächlich nicht. Auf meine Behauptung
der gelegentliche Besucher schrieb: " Es geht allerdings tatsächlich um die 2000 Jahre alte Überlieferung, d.h. man kann die Bibel nicht einfach dem jeweiligen Zeitgeist anpassen. " antwortete Sole
Sole schrieb: " Sollte man nicht. Vermutlich hat man es mehrfach getan. " Das ist eben reine Spekulation. Die Vermutung scheint mir auch unabhängig vom Glauben wenig plausibel, weil sie eine Verschwörung von einigen tausend Menschen verlangt, die keinerlei Spuren hinterlassen hat.
Sole schrieb: " Mit all den getauften, konfirmierten und sonstig initiierten Christen, die an der Entstehung der Welt wie beschrieben zweifeln, muss es doch irgendeinen vernünftigen Umgang geben. " Die Schöpfungsberichte muss tatsächlich niemand wörtlich nehmen. Aber letztendlich heißen die Christen Christen weil sie an Christus glauben. Und wegen vager Prinzipien wie "sich nicht aufgeben" kann man wohl niemand als Christen ansehen. Wenn man sich z.B. die (mindestens zu Ostern und Wehnachten in manchen Jahren aber auch öfter) einschlägigen Titelgeschichten im Spiegel anguckt, dann hat man manchmal den Eindruck die Christenheit und insbesondere die katholische Kirche sei die letzte Gruppe gegenüber der ein aufgeklärter Linksintellektueller unreflektierte Vorurteile haben darf. Direkt an Sole: Es war allerdings falsch von "kommt häufig vor" auf "ist hier so" zu schließen. Ich möchte mich daher hiermit für meine überreizte Reaktion entschuldigen. @Philipp Wälchli Philipp Wälchli gibt in seinen Beiträgen wie schon gesagt eine sehr hilfreiche Darstellung des katholischen Denkens, die ich wunschgemäß mit großer Liebe zum Lernen, Betrachten und Verstehen der Sache bedacht habe. Es ist aber eben doch auch eine sehr protestantische Darstellung. Die von mir kritisierten Details weisen auf Stellen hin, an denen das protestantische Bild des Katholizismus etwas verzerrt ist. Wenn ich diese Details kritisiere kann man das in so weit kleinlich nennen, als ich eben auf das wichtigere Gute viel kürzer eingehe. Das ist aber bei jeder ernsthaften Diskussion unvermeidlich. In einer anderen Hinsicht möchte ich den Vorwurf der Kleinlichkeit aber von mir weisen. Es geht mir nicht darum durch Hinweis auf Kleinigkeiten den richtigen Grundgedanken zu schmälern. Es geht mir vielmehr darum aufzuzeigen, dass seine Darstellung eine von einem anderen Denken geprägte Interpretation ist. Um zu erklären was ich meine, muss ich zunächst darauf eingehen, wie die katholische Kirche die Sakramente versteht. Das Verständnis deckt sich mit dem der Orthodoxen aber nicht mit dem der (meisten) Protestanten. Dazu bringe ich zunächst ein Zitat aus dem Weltkathechismus:
Im Kathechismus der katholischen Kirche (Can. 1084) steht: " Christus, der "zur Rechten des Vaters sitzt" und den Heiligen Geist in seinem Leib, der Kirche, ausbreitet, handelt jetzt durch die Sakramente, die er zur Mitteilung seiner Gnade eingesetzt hat. Die Sakramente sind durch die Sinne wahrnehmbare Zeichen (Worte und Handlungen), die unserer Menschennatur zugänglich sind. Kraft des Wirkens Christi und des Waltens des Heiligen Geistes bewirken sie die Gnade, die sie bezeichnen. " Wenn ich es noch etwas erklären darf: Gott hat Zeichen (Sakramente) eingesetzt die aber nicht nur Zeichen sind, sondern in denen er selbst wirkt und in denen daher das göttliche Wirken sinnlich zugänglich wird. Dabei ist der Kleriker, der das Sakrament spendet tatsächlich nur gewissermaßen ein Vertreter, der den eigentlichen Sakramentenspender also Jesus Christus gegenwärtig macht. Christus wird also tatsächlich im von Philipp Wälchli beschriebenen Sinne vom Kleriker repräsentiert. Es gibt aber aus gutem Grund mehrere (nämlich 7) Sakramente. Es gibt nämlich verschiedene Gaben der göttlichen Gnade. Das kann man sich auch nicht als eine reine Hirarchie vorstellen, nach der die Weihe z.B irgendwie mehr Gnade als die Ehe vermitteln würde. Es handelt sich vielmehr um wesentlich verschiedene Gnadengaben. Die Sakramente sind auch ausnahmslos unwideruflich also nicht als Delegationen erklärbar. Die Kirche ist sakramental verfasst: Die Sakramente sind nicht bloß etwas was die Kirche tut, sondern ihre Grundlage und der Kern ihres Wirkens. Darum ist es auch verständlich, dass die für den Klerus erforderlichen Gnadengaben durch ein Sakrament (nämlich die Weihe) von Gott verliehen werden. Die katholische Kirche versteht sich also tatsächlich als ein sakraler Raum. Das ist aber nicht von ihrer sakramentalen Verfassung trennbar. Nach dieser Erklärung kann ich jetzt genauer auf Philipp Wälchlis Beitrag eingehen:
Philipp Wälchli schrieb: " [...]dass die Weihe nur der sichtbare äussere Ausdruck davon ist, dass die katholische Kirche sich selbst als einen sakralen Raum, communio sanctorum, Heilsanstalt usw. versteht. Die Weihe als Sakrament ist davon nur sichtbarer Ausdruck. " Es ist eher umgekehrt. Die Kirche ist Heilsanstalt, weil sie über die Sakramente von denen eins die Weihe ist zum Heil führt. Das Heil kommt von Christus und wird der Kirche über die Sakramente zugänglich.
Philipp Wälchli schrieb: " Die römisch-katholische Kirche unterscheidet sich von andern Gemeinschaften nicht dadurch, dass sie sakramental verfasst wäre o. dgl. Das sind die orientalischen und reformierten Kirchen auch. " Für die orthodoxen Kirchen stimmt das. Daher verstehen sie die Kirche auch genau wie die katholische Kirche es tut als sakrale Institution. Die protestantischen Kirchen benutzen vielleicht auch die gleiche Formulierung, meinen dann aber etwas anderes. Im hier gemeinten Sinne sind sie nicht sakramental verfasst.
Philipp Wälchli schrieb: " Augustin und in seiner Nachfolge manche Reformierte behaupten auch, dass selbst der Teufel Sakramente eingerichtet habe. " Mal angenommen und nicht zugegeben es wäre so: Dann würde in diesen "Sakramenten" ja nicht Gott sondern der Teufel wirken. Sie hätten daher mit der Kirche eigentlich nichts zu tun. Dieses spezielle Augustinuszitat kenne ich nicht, aber ich vermute er hat damit die gnostischen Gemeinschaften im wahrsten Sinne des Wortes dämonisieren wollen. Derartige Übereifrigkeit in seiner berechtigten Ablehnung der Gnosis ist ihm ja gelegentlich passiert. Die Kirche lebt eben aus den Sakramenten ihres Stifters und eine wahrhaft satanische Antikirche müsste ihre Sakramente dann eben vom Satan haben. Mir ist aber nicht klar, was Philipp Wälchli oder die Reformierten, die das so sehen, damit sagen wollen.
Philipp Wälchli schrieb: " Spezifisch römisch-katholisch ist hingegen die Auffassung, dass ihre Gemeinschaft eine besondere Sphäre der Heiligkeit und des Heils verleihe bzw. innehabe. Durch das Sakrament der Taufe wird man in diese Sphäre aufgenommen, durch das Sakrament der Firmung stärker daran teilhaftig, durch die Diakonenweihe erhält man eine weitere Steigerung, ebenso durch das Sakrament der Ehe usw. bis hin zur Weihe des neugewählten Papstes, der dann die plenitudo potestatis erhält. " Auch die Orthodoxen meinen zu Recht eine besondere Sphäre der Heiligkeit innezuhaben. Die Heilsmittlerwirkung der (sichtbaren) Kirche abzulehnen ist eigentlich spezifisch protestantisch. Und nicht einmal die Protestanten leugnen die Notwendigkeit der Taufe. Aber der ganze Gedanke geht am Thema vorbei: An Weihe hat der Papst nicht mehr als jeder andere Bischof, sein Primat ist eine juristische Angelegenheit (allerdings nicht menschlichen sondern göttlichen Rechts). Auch ist ein Priester nicht (zwangsläufig) gottnäher als ein Ehepartner oder auch ein unverheirateter Katholik im Laienstand. Die verschiedenen Sakramenten gewirkten verschiedenen Gnadengaben sind eben nicht bloß Stufen des gleichen Dings sondern zu verschiedenen Zwecken gedacht.
Philipp Wälchli schrieb: " Gibt es DAS katholische Grundprinzip, dann ist das folgende ein aussichtsreicher Kandidat dafür: repraesentatio. Repraesentatio bedeutet, dass etwas zugleich zeigt, was wirkt, aber doch immer zugleich so, dass durch das Gezeigte vermittelt wird, was wirkt. " Aus protestantischer Sicht erscheinen die von den Protestanten abgelehnten Prinzipien natürlich als die allerkatholischsten. Aber es ist wahr, dass dieses Prinzip in der katholischen Kirche wichtig ist. Herr Wälchli hat die Anwendung aber erheblich übertrieben. Katholisch ist die Repraesentatio nicht ein ganz allgemeines Prinzip, sondern in bestimmtenn Fällen göttlich gefügt. Man kann schon sagen wer den Bischof habe habe auch die Ortskirche und wer den Papst habe habe auch die Gesamtkirche. Aber wer den Bischofsvikar hat, der hat nur jemanden dem der Bischof bestimmte Rechte und Pflichten verliehen hat und eben nicht den Bischof selbst. Das kommt daher, das Bischöfe und insbesondere der Papst Ämter nach göttlichem Recht haben, während Bischofsvikare nur nach menschlichem Recht existieren. So weit in der katholischen Kirche Aufgaben delegiert werden, handelt es sich nicht um repraesentatio, sondern um eine juristisch bestimmte Möglichkeit. @Torsten Schoeneberg
Torsten Schoeneberg schrieb: " Daß ich einige Ihrer Grundüberzeugungen für selbstverständlich falsch halte, impliziert zumindest für mich keineswegs, daß ich Sie für unkritisch oder naiv halte (tue ich nicht). Andererseits ist die bloße Tatsache, daß jemand Überzeugungen hat, auch noch kein Argument für diese. Ich nehme an, Sie verstehen folgendes Beispiel korrekt und nicht als Vergleich: Ein Rassist hat auch Überzeugungen, die ich für selbstverständlich falsch halte. Aber ich halte ihn nicht notwendigerweise für unkritisch oder naiv. " Ich weiß nicht ob ich das verstanden habe. Das Problem bei einem Rassisten scheint mir nicht der Irrtum an sich sondern die Bosheit des Irrtums zu sein, die manchen Menschen weniger Würde zugesteht. Oder anders ausgedrückt: Das seine Meinung selbstverständlich falsch ist, ergibt sich nicht aus rationaler Denknotwendigkeit, sondern aus dem Gewissen, von dem ich glaube, dass auch er es hat. Wenn ich jemals einem gutwilligen Rassisten begegnen sollte würde ich ihm daher seinen Irrtum zu erklären versuchen und dabei auf die Unterstützung seines Gewissens hoffen, dass er eben in dieser Frage offenbar ignoriert. Ich könnte einen aus ähnlichen Gründen "missionarischen" Atheisten verstehen. Sie hatten aber gerade gemeint, über diese Frage würde auch der Diskursversuch schon scheitern. Wollen Sie vielleich einfach sagen, dass Sie ein derartig vom eigenen verschiedenes Denken nicht nachvollziehen können? Das würde ich verstehen, es scheint mir allerdings eine andere als die von mir gemeinte Bedeutung von "selbstverständlich" zu sein. Aber vielleicht sehe ich auch einfach den Wald vor lauter Bäumen nicht. @Beifuß Die katholische Kirche steht der Genetik eigentlich nicht reserviert gegenüber, wohl aber der Anwendung der Gentechnologie beim Menschen. Das ist auch kein Widerspruch. Zum Vergleich: Man kann ja auch die Existenz und Spaltbarkeit von Atomen annehmen ohne gleichzeitig Atombomben zu mögen. Ganz allgemein sieht sich die Kirche aber nicht dafür zuständig naturwissenschaftliche Theorien als richtig oder falsch festzustellen. So weit ich weiß, gibt es auch keine kirchliche Festlegung, wie man in Grenzfällen das Geschlecht feststellt. Aber: Der Mensch ist aus kirchlicher Sicht als Mann und Frau geschaffen und kann seine Natur nicht ändern. Eine Wandelbarkeit des Geschlechtes steht also innerkirchlich nicht zur Diskussion, obwohl ich mit (dem außerkirchlichen) Immanuel Goldstein eine interessante Diskussion darüber hatte. |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Samstag, 05. März 2005 - 14:14 Uhr: | |
"Philipp Wälchli schrieb: " [...]dass die Weihe nur der sichtbare äussere Ausdruck davon ist, dass die katholische Kirche sich selbst als einen sakralen Raum, communio sanctorum, Heilsanstalt usw. versteht. Die Weihe als Sakrament ist davon nur sichtbarer Ausdruck. " Es ist eher umgekehrt. Die Kirche ist Heilsanstalt, weil sie über die Sakramente von denen eins die Weihe ist zum Heil führt. Das Heil kommt von Christus und wird der Kirche über die Sakramente zugänglich." Das kann man so oder so herum wenden. In dem von mir besprochenen Zusammenhang war der Argumentationsgang wichtig, dass die sichtbare sakramentale Weihe (mit übrigens in der frühen Kirche 7 Stufen, in der mittelalterlichen de facto 2 und heute wieder 3) ein Ausdruck der viel tieferen göttlichen Weihe darstellt, die die römisch-katholische Kirche von Gott erhalten zu haben glaubt. Die Kirche IST ein geweihter Raum, darum hat sie auch eine sakramentale Weihe, die sie in ihren Reihen ausübt. Umgekehrt stimmt es natürlich auch, dass die Kirche ein Raum des Geweihten ist, WEIL sie die sakramentale Weihe von Gott erhalten hat. (Das ist, um wieder zum alten Refrain zurückzufinden, auch eine Ausfprmung des Prinzips der repraesentatio.) "Philipp Wälchli schrieb: " Die römisch-katholische Kirche unterscheidet sich von andern Gemeinschaften nicht dadurch, dass sie sakramental verfasst wäre o. dgl. Das sind die orientalischen und reformierten Kirchen auch. " Für die orthodoxen Kirchen stimmt das. Daher verstehen sie die Kirche auch genau wie die katholische Kirche es tut als sakrale Institution. Die protestantischen Kirchen benutzen vielleicht auch die gleiche Formulierung, meinen dann aber etwas anderes. Im hier gemeinten Sinne sind sie nicht sakramental verfasst. Philipp Wälchli schrieb: " Augustin und in seiner Nachfolge manche Reformierte behaupten auch, dass selbst der Teufel Sakramente eingerichtet habe. " Mal angenommen und nicht zugegeben es wäre so: Dann würde in diesen "Sakramenten" ja nicht Gott sondern der Teufel wirken. Sie hätten daher mit der Kirche eigentlich nichts zu tun. Dieses spezielle Augustinuszitat kenne ich nicht, aber ich vermute er hat damit die gnostischen Gemeinschaften im wahrsten Sinne des Wortes dämonisieren wollen. Derartige Übereifrigkeit in seiner berechtigten Ablehnung der Gnosis ist ihm ja gelegentlich passiert. Die Kirche lebt eben aus den Sakramenten ihres Stifters und eine wahrhaft satanische Antikirche müsste ihre Sakramente dann eben vom Satan haben. Mir ist aber nicht klar, was Philipp Wälchli oder die Reformierten, die das so sehen, damit sagen wollen." Nun, damit kommen wir zu der alten Streitfrage zwischen römisch-katholischer Kirche und den Reformierten, was denn nun ein Sakrament sei. Wenn man davon ausgeht, dass die Sakramente der Reformierten keine Sakramente seien, weil die Reformierten nicht die gleiche Auffassung eines Sakramentes haben wie die römisch-katholische Kirche, dann haben die Reformierten in der Tat keine Sakramente. Indessen werden die Sakramente unter gewissen Vorbehalten durch die römisch-katholische Kirche anerkannt, sie nimmt in der Regel auch keine zweite Taufe vor, wenn jemand reformiert, orthodox oder sonstwie getauft ist - also haben die reformierten Kirchen de facto Sakramente und sind ausserdem auch der Auffassung, dass diese von Gott eingesetzt seien, dass sie an der göttlichen Gnade wirksamen Anteil geben usw., wenn sie auch über den Modus der Wirksamkeit und den Ritus der Durchführung anderer Auffassung sind. Dann sind aber auch die reformierten Gemeinschaften sakramentale Gemeinschaften, weil die Sakramente in ihnen eine wichtige Stellung einnehmen, zu ihren innersten Aufgaben die Austeilung der Sakramente gehört usw. Dann ist aber die sakramentale Verfassung einer Gemeinschafte keine Besonderheit der römisch-katholischen Kirche. QED. "Auch die Orthodoxen meinen zu Recht eine besondere Sphäre der Heiligkeit innezuhaben. Die Heilsmittlerwirkung der (sichtbaren) Kirche abzulehnen ist eigentlich spezifisch protestantisch. Und nicht einmal die Protestanten leugnen die Notwendigkeit der Taufe. Aber der ganze Gedanke geht am Thema vorbei: An Weihe hat der Papst nicht mehr als jeder andere Bischof, sein Primat ist eine juristische Angelegenheit (allerdings nicht menschlichen sondern göttlichen Rechts). Auch ist ein Priester nicht (zwangsläufig) gottnäher als ein Ehepartner oder auch ein unverheirateter Katholik im Laienstand. Die verschiedenen Sakramenten gewirkten verschiedenen Gnadengaben sind eben nicht bloß Stufen des gleichen Dings sondern zu verschiedenen Zwecken gedacht." Hier muss ich ganz entschieden sagen, dass meine Ausführung NICHT verstanden wurden. Zudem werden mutwillig Begriffe durcheinandergeworfen. Es geht hier nicht um die Weihe im Sinne der sakramentalen Weihe (Priesterweihe usw.). Ich habe in ganz allgemeinen Begriffen geschrieben, und dies mit Vorbedacht und Überlegung, dass die römisch-katholische Kirche eine besondere Sphäre der Heiligkeit, des Sakralen darstellt. Dies hat mit dem Problem von sichtbarer oder unsichtbarer Kirche in der reformierten Theologie nicht das geringste zu tun. Die folgenden Ausführungen gehen daher voll am Thema vorbei, weil mein Ansatzpunkt schon gar nicht erkannt wurde. Auch die reformierten Kirchen nehmen in Anspruch, communio sanctorum und in diesem Sinne sakral, heilig zu sein. Das gilt auch und noch mehr für die orientalischen Kirchen. Es stimmt auch, dass der Papst an Weihe nicht mehr hat als ein anderer Bischof, aber darum geht es nicht. Der Papst hat die plenitudo potestatis, was auch, aber nicht nur ein juristischer Begriff ist. Ein Priester hat durch seine Weihe nicht automatisch grössere Nähe zu Gott, aber er erwirbt dadurch Leitungsgewalt. Beides trifft eben auf die römisch-katholische Kirche zu: Sie hat je spezifische Arten von Anteil an der erwähnten Sphäre von Heiligkeit, sie hat "Stände" (ordines), solche von Laien und von Geweihten, von Mitgliedern der monastischen Orden, von Säkularinstituten usw. Es gibt aber auch eine Hierarchie innerhalb und untereinander aller dieser je spezifischen Arten von Teilhabe an der genannten Sphäre der Heiligkeit. Von aussen betrachtet erscheint die römisch-katholische Kirche daher als ein Konglomerat von kommunitaristisch-korporativer Einheiten, die in einer gewissen stufenfolge angeordnet sind. Das trifft auf die orientalischen und die reformierten Gemeinschaften nicht zu und hängt mit der spezifischen Auffassung der (Refrain) besonderen Art von Sphäre der Heiligkeit zusammen. (Die reformierten Gemeinschaften sind ohnehin eher unitaristisch orientiert.) "Aus protestantischer Sicht erscheinen die von den Protestanten abgelehnten Prinzipien natürlich als die allerkatholischsten. Aber es ist wahr, dass dieses Prinzip in der katholischen Kirche wichtig ist. Herr Wälchli hat die Anwendung aber erheblich übertrieben. Katholisch ist die Repraesentatio nicht ein ganz allgemeines Prinzip, sondern in bestimmtenn Fällen göttlich gefügt. Man kann schon sagen wer den Bischof habe habe auch die Ortskirche und wer den Papst habe habe auch die Gesamtkirche. Aber wer den Bischofsvikar hat, der hat nur jemanden dem der Bischof bestimmte Rechte und Pflichten verliehen hat und eben nicht den Bischof selbst. Das kommt daher, das Bischöfe und insbesondere der Papst Ämter nach göttlichem Recht haben, während Bischofsvikare nur nach menschlichem Recht existieren. So weit in der katholischen Kirche Aufgaben delegiert werden, handelt es sich nicht um repraesentatio, sondern um eine juristisch bestimmte Möglichkeit." Auch hier wieder: Ja und Nein. Auch die Reformierten kennen das Prinzip der Repräsentation oder Stellvertretung, wenn auch nur in dem allgemein üblichen modernen Sinne. In den orientalischen Kirchen gibt es hingegen repraesentatio in beschränkter Ausdehnung. Die Unterscheidung von göttlichem und menschlichem Recht scheint mir in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. Kirchenrecht ist zwar nicht per se ius divinum, wird allerdings oft auch einfach so benannt. Es ist aber, soweit es nicht im strikten Sinne ius divinum ist, nicht einfach nur menschliches Recht, sondern es ist sakrales Recht. Innerhalb des Kirchenrechts lässt sich auch nichts verfügen, was nicht im göttlichen Recht mindestens zugelassen wäre. Im konkreten Falle scheint es mir auch nicht sinnvoll, einen Vikar nur auf seine rein juristische Komponente zu reduzieren. Das wäre, mit Verlaub gesagt, wohl ziemlich reformiert gedacht. Der Vikar eines Bischofs hat eben doch einen delegierten Anteil am Charisma des Bischofs, sonst könnte er seiner geistlichen Aufgabe nicht wirklich nachkommen. Ich behaupte übrigens nicht, dass das Prinzip der repraesentatio das einzige katholische Grundprinzip an und für sich sei. Ich sagte nur, dass es sich um einen aussichtsreichen Kandidaten für ein solches katholisches Prinzip sein könnte, wenn es denn überhaupt möglich ist, Katholizität auf ein einziges Grundprinzip zurückzuführen. Ich behaupte hingegen, und dies nach reiflicher Überlegung und langem Studium, dass das Prinzip der repraesentatio im katholischen Denken weit verbreitet sei und sich nicht allein auf die Stellvertretung unter Personen beschränke, sondern auch in andern Bereichen wirksam sei. Als Beispiele aus Dogmatik und Liturgie hatte ich schon auf die Zuwendung guter Werke und Verdienste, Ablass usw. hingewiesen, aber etwa auch die Mariologie ist wohl ohne Rekurs auf repraesentatio im Ansatz nicht voll zu verstehen und anderes mehr. Summa summarum halte ich an meiner ursprünglichen Aussage, dass eine irgendwie geartete demokratische Wahl oder Bestellung innerhalb der römisch-katholischen Kirche nicht wirklich vorstellbar sei, nach alle dem fest. Rein juristisch wäre dies natürlich jederzeit möglich. Doch nützt eine noch so demokratische Wahl oder Bestellung nichts, wenn nicht das Entscheidende, die geistliche Gewalt, hinzukommt. Und diese kann eben nur durch den geweihten Amtsträger durch die Weihe verliehen werden. Und diese folgt all den vielen Aspekten, von denen ich einige aufzuführen versucht habe, und kann somit nicht auf x-Beliebige übertragen werden. Noch ein Wort zu folgendem Problem: "Ich nehme an, Sie verstehen folgendes Beispiel korrekt und nicht als Vergleich: Ein Rassist hat auch Überzeugungen, die ich für selbstverständlich falsch halte. Aber ich halte ihn nicht notwendigerweise für unkritisch oder naiv." "Das Problem bei einem Rassisten scheint mir nicht der Irrtum an sich sondern die Bosheit des Irrtums zu sein, die manchen Menschen weniger Würde zugesteht. Oder anders ausgedrückt: Das seine Meinung selbstverständlich falsch ist, ergibt sich nicht aus rationaler Denknotwendigkeit, sondern aus dem Gewissen, von dem ich glaube, dass auch er es hat. Wenn ich jemals einem gutwilligen Rassisten begegnen sollte würde ich ihm daher seinen Irrtum zu erklären versuchen und dabei auf die Unterstützung seines Gewissens hoffen, dass er eben in dieser Frage offenbar ignoriert." Der Vergleich eines Christen mit einem Rassisten ist wohl doch etwas irreführend (obwohl es auch Christen geben kann, die zugleich Rassisten sind). Das Problem des Rassismus ist wohl nicht, dass er unkritisch und naiv ist, sondern es besteht in zwei Teilen: Einerseits setzt Rassismus einen Rassenbegriff voraus, der den Erkenntnissen der Biologie, insbesondere der Genetik, immer weniger standhalten kann. Anderseits stellt Rassismus solche "Rassen" in eine Bewertungsskala, die zu eigentlich böswilligen Ergebnissen führt (Auf- bzw. Abwertung einzelner "Rassen" bis hin zu deren geplanter Ausrottung). Wir haben es also einerseits mit einem Erkenntnisproblem zu tun, das allerdings nicht so offensichtlich in der einen oder andern Richtung zu lösen ist. So gibt es in der Tierwelt durchaus biologisch definierbare Rassen, was schon zum unkritischen und naiven Schluss verleiten kann, dass es vergleichbare Rassen auch unter den Menschen geben müsse. Mit fortschreitender Einsicht in die biologischen Grundlagen des menschlichen Lebens und mit der zunehmenden Verbreitung dieser Einsichten über die ganze Gesellschaft werden entsprechende unkritische und naive Fehlschlüsse allerdings immer unkritischer und naiver (bzw. erscheinen schliesslich sogar als böswilliges Ignorieren der massgeblichen Tatsachen). Anderseits haben wir es mit einem ethischen resp. moralischen Problem zu tun, das in der Abwertung anderer Menschen besteht. Dies ist prinzipiell nicht verknüpft mit der Existenz von Rassen. Wer die Existenz menschlicher Rassen behauptet, muss diese nicht notwendig auch moralisch verschieden bewerten. Mit Hunderassen macht man dies normalerweise ja auch nicht. Wir haben es hier mit dem moralischen Problem der Verweigerung der Humanität zu tun. Dies ist weder unkritisch noch naiv, sondern einfach unmoralisch. Also muss ich sagen, dass ein Rassist selbstverständlich eine unmoralische (unethische) Haltung vertritt; das braucht aber nicht unkritisch oder naiv zu sein. Es gibt ausreichend zahlreiche Beispiele für hochgebildete, alles andere als naive oder unkritische Revisionisten, Holocaust-Leugner, Verfechter einer Rückkehr ins Ancien Régime, Extremisten usw. usf. Natürlich kann es auch Rassisten geben, die nicht bloss unmoralisch sind, sondern auch höchst naiv und unkritisch irgendwelche Ansichten biologistischer Art übernommen haben, was ihre Haltung ethisch allerdings nicht besser macht. Umgekehrt kann man auch unkritisch und naiv einem Irrtum aufsitzen, gleichwohl aber moralisch einwandfrei urteilen. Als Beispiel möchte ich dafür Wolfram von Eschenbach und seinen "Parzival" anführen: Parzivals Vater war in jungen Jahren auf Abenteuerfahrt im heidnischen Afrika. Dort hatte er eine schwarze Königin gerettet, sie geheiratet und mit ihr einen Sohn gezeugt. Er ist also der Halbbruder Parzivals. Nun erliegt Wolfram aber einem unkritischen, naivem Irrtum. Er überträgt eine Beobachtung von Haustieren auf Menschen. Kreuzt man z. B. einen weissen Kater mit einer schwarzen Katze, so erhält man ziemlich sicher gefleckte Junge. Nun hat also ein weisser Vater mit einer schwarzen Mutter einen Sohn - und dieser ist weiss-schwarz gefleckt! Feierfiz, so heisst dieser Sohn, der gegen Ende des Epos seinem Halbbruder Parzival begegnet, ist also von schwarz-weiss gefleckter Hautfarbe. Daran nimmt nun aber im ganzen Epos niemand Anstoss. Im Gegenteil wird Feirefiz sogar als der körperlich und geistig ebenso wie an Adel und Stellung gegenüber Parzival Überlegene geschildert (immerhin ist er Herrscher eines grossen, mächtigen Königreiches, Parzival wird König erst durch die Übernahme der Gralsherrschaft). Feirefiz gewinnt auch die vornehmste und schönste Gralshüterin zur Frau, und beide Brüder sowie ihr Gefolge scheiden voneinander in Eintracht und Frieden, ohne dass der merkwürdige biologistische Irrtum irgendwie zu einer moralischen Wertung führen würde. Wolfram war also in gewisser Weise unkritisch und naiv, aber moralisch absolut einwandfrei. |
Torsten Schoeneberg
| Veröffentlicht am Samstag, 05. März 2005 - 23:22 Uhr: | |
Ich versuche meinen Punkt noch einmal deutlich zu machen. Philipp Wälchli hat mir dafür schon einige Vorlagen geliefert, wofür ich danke. Auslösend war meine Bemerkung: weil ich in der Tat die "Falschheit" des Christentums für a) leicht einsichtig bezüglich der Dogmatik b) sogar selbstverständlich bezüglich meines eigenen Empfindens halte. Darin ist, vielleicht ungeschickt, schon die Aufteilung in die epistemologische und die ethische Frage enthalten, die gB schon andeutet mit der Gegenüberstellung von „rationaler Denknotwendigkeit“ und „Gewissen“ und die PW explizit vorgenommen hat. Vorweg: diese Trennung behalte ich hier bei, auch wenn ich der Meinung bin, daß sie streng genommen nicht durchhaltbar ist. Es gibt keine „rationale Denknotwendigkeit“ (jedenfalls keine nicht-tautologische), die ohne normative Voraussetzungen auskommt. Schon die Entscheidung, die Wahrheit der Lüge vorzuziehen, ist eine ethische Voraussetzung. Zum epistemologischen: hier hatte ich ja schon nicht von „selbstverständlicher“ Falschheit gesprochen. Rein erklärend-wissenschaftliche Aussagen des Christentums, sofern sie überhaupt vorkommen (gB negiert das selbst: „Ganz allgemein sieht sich die Kirche aber nicht dafür zuständig naturwissenschaftliche Theorien als richtig oder falsch festzustellen.“), sind nicht „selbstverständlich falsch“. Freilich kommen sie vor, z.B. die (ja nicht genuin christliche) Schöpfungsgeschichte. Diese ist, wenn man sie wörtlich nimmt, m.E. leicht als falsifiziert zu erkennen. Ich weiß nicht, ob die Kirche(n) sie jemals der Mehrheit als wörtlich wahr gelehrt haben. Heute tun sie das nicht. gB schreibt: „Das muss nicht eine Wörtlichnahme der biblischen Schöpfungsberichte bedeuten, weil es auf seine genaue Methode nicht ankommt. Das Universum nach Naturgesetzen zu ordnen, die zur Entwicklung von Menschen führen wäre z.B. eine (aber nicht die einzige) denkbare Methode.“, schließt nota bene die Wörtlichnahme damit nicht aus, hebt die Aussage der Bibel aber auf eine Ebene, wo sie mit jedem Erkenntnisstand vereinbar und damit wissenschaftlich wertlos (weil nicht falsifizierbar) wird. Damit ist der Diskurs darüber für mich zu Ende (ich würde ihn allenfalls zum Spaß weiterführen). Zum ethischen: Genau hier liegt das Kernproblem. gB hat freundlicherweise 10 wesentliche Punkte des christlichen Glaubens herausgestellt. Ich lege Wert darauf, daß ich rein deskriptiv mit ihm übereinstimme. Man vergleiche folgende Aussagen: gB:Wenn das Christentum ein Appell ist, dann der sich von seinen Sünden ab- und seinem Herrn und Erlöser Jesus Christus zuzuwenden, damit man vor der natürlichen Folge der Sünde gerettet werden kann. Das schließt auch eine soziale Verantwortung mit ein. Aber diese soziale verantwortung ist ein Aspekt und nicht der Kern des Christentums. Oder anders gesagt: Wenn Jesus nicht Gott ist oder wenn er nicht auferstanden ist, dann bleibt vom Christentum nichts Wesentliches mehr über. [...] Aber letztendlich heißen die Christen Christen weil sie an Christus glauben. Und wegen vager Prinzipien wie "sich nicht aufgeben" kann man wohl niemand als Christen ansehen. TS:Das Christentum hat diesen fundamentalen Anspruch. [...] Natürlich kann man zu einem dem Xtum ganz ähnlichen Wert- und Glaubenssystem kommen. Aber dann ist man kein Christ, sondern ein Mensch, dessen Vorstellungen sich teilweise mit denen des christlichen Glaubens decken. Ein Versuch, hier etwas zu vereinbaren und zu sagen "Irgendwie bin ich auch Christ" wäre verfehlt. Daß die genannten zehn Punkte Kernelemente des Christentums sind, sehe ich ebenso. Der Unterschied ist, daß ich ethisch (in meinem „Gewissen“) die Punkte 4, 5, 6, 7 und 9 sowie einige gängige Implikatonen der anderen für „selbstverständlich falsch bezüglich meines eigenen Empfindes“ (meine Formulierung), „unmoralisch“ (PWs Formulierung) oder „böswillig“ (gBs Formulierung) halte. Zu diesen Formulierungen folgendes: das Wort „unmoralisch“ halte ich für verfehlt, weil die Sätze natürlich einer Moral entsprechen, nur nicht meiner bzw. nach meiner Moral „schlecht“ sind. „Böswillig“ behauptet, daß ich hinter dem Glauben ans Xtum einen bösen Willen vermute. Das tue ich nicht. Ich vermute dahinter einen Willen, der auf andere Ziele gerichtet ist als meiner, und den ich darum ablehne; das Wort „böse“ gebrauche ich hier nicht. Hier bricht nun ebenfalls jeder Diskurs ab, weil gB mich mit Mitteln des gewaltfreien Diskurses nicht wird überzeugen können, mein Gewissen (das mir verbietet, die genannten Punkte anzunehmen) zu ändern. Ethisch sind wir beide Fundamentalisten. Prinzipiell könnte uns das nicht hindern, über epistemologische Probleme zu diskutieren. Nur wird das auch schwer, weil diese, wie ich vorweg bemerkt hatte, nicht unabhängig von normativen Voraussetzungen ist. Um dies an einem Beispiel zu zeigen: gB schreibt: „Die historisch-kritische Forschung, die Bethlehem nicht als den historischen Geburtsort ansieht, kommt zu diesem Schluss, weil sie die Nichtgöttlichkeit Jesu schon vorher annimmt und das Zeichen daher nicht Gott zuschreiben kann. Und dann müssen es eben die Jünger erfunden haben... Langer Rede kurzer Sinn: Für mich (und für die Kirche) gibt es keinen überzeugenden Grund an Bethlehem zu zweifeln.“ Umgekehrt gibt es für mich keinen Grund, die christliche Meinung zu teilen, die a priori die Göttlichkeit Jesu annimmt und folglich natürlich herausbekommen wird, daß Bethlehem der Geburtsort ist. Ein kleiner Unterschied ist, daß für mich, hier als Advokat der historisch-kritischen Forschung, durchaus auch historisch-kritische Erkenntnisse (Funde) möglich sind, mich vom Geburtsort Bethlehem zu überzeugen. Die historisch-kritische Forschung setzt, soweit ich sehe, nicht voraus, daß Bethlehem es nicht war. Umgekehrt scheint mir das nicht zu gelten – Direkte Frage @gB: könnte es überhaupt einen „überzeugenden Grund“ geben, der sie an Bethlehem zweifeln ließe? Wie ich Sie verstehe doch nicht. Dann ist die Diskussion allerdings sinnlos, und ich kann für meinen Standpunkt ad rem nur das methodologische Argument (die hkF schließt a priori weniger Möglichkeiten aus) vorbringen und ad hominem den Hinweis darauf, daß Sie diesen – von mir aus aus „bösem Willen“ – verschwiegen haben. Wenn ich gB richtig verstehe, sagt er, daß die historisch-kritische Forschung per se ungläubig ist und irrt, wenn sie mit dem Xlichen Glauben übereinstimmendes behauptet, während sie nur zufällig richtig liegt, wenn ihre Ergebnisse den Xlichen Glauben bestätigen. Er hat das Recht auf diese Meinung, sie ist in sich konsitent. Ich teile sie nicht. Sollte ich nun einer Fehlinterpretation aufgesessen sein, bitte ich um Aufklärung und Entschuldigung. |
Immanuel Goldstein
| Veröffentlicht am Sonntag, 06. März 2005 - 14:46 Uhr: | |
Bethlehem Davids wurde in vorchristlicher Zeit mehrfach zerstört und manchmal auch wieder an anderer Stelle aufgebaut worden. Das heutige Bethlehem wurde erst lange nach Jesus Tod errichtet. Ob es zu Jesus Zeit ein Bethlehem gab ist bis jetzt noch nicht verifiziert worden. Aber wissenschaftlich lässt sich allgemein die Nicht-Existenz eines Ortes wesentlich schwerer beweisen als seine Existenz. Viel in der biblischen und frühchristlichen Darstellung lässt aber darauf schließen, dass Jesus dort geboren wurde wo er auch die längste Zeit auf Erden verbracht hat und der auch mit seinem namen in Verbindung gebracht wird: Nazareth. Überhaupt sind die frühchristlichen Überlieferungen und Quellen widersprüchlich. Die Anzahl seiner (Halb-)Geschwister wird unterschiedlich angegeben, andere Darstellungen der Zeitabläufe widersprechen sich und historischen Tatsachen, v.a. in Bezug auf die Familie von Herodes und ihr Wirken. Das sollte für Gläubige aber alles kein Problem sein, da Bethlehem in der jüdischen Tradition, die sich ja nicht als historische Schule versteht, nicht nur einen Ort sondern einen Topoi und eine Legitimation beschreibt. Überhaupt ist Geschchtsschreibung eine "heidnische" Tradition. Die neuen Testamente und andere frühchristlichen Schriften stehen aber im von der altjüdischen Literatur vorgegebenen Rahmen; erst etwas später geraten sie in eine Auseinandersetzung mit der Gnosis, was aber auch nicht zu mehr historigraphischer Exaktheit führt. Überhaupt war in den ersten Christengenerationen noch eine apokalyptische Endzeiterwartung dominant, die jede Historiograhpie überflüssig machte. Erst mit dem verbreiteten Vordringen in röm. Machtpositionen gab es ansatzweise Versuche Jesus historisch zu erschließen - was aber zu spät kam um zu verwendbaren Ergebnissen zu kommen. Stattdessen verbreitet sich die Hagiographie und mit ihr die Vermengung von volkstümlichen Geschichten,Mythen bzw. Märchen mit historischen Fakten - eine gewisse Anzahl von Heiligen sind wohl einfach erfunden (momentan wird z.B.über die Existenz Korbinians gestritten, Barbara scheint schon aufgeben worden zu sein). Die spätantiken und frühmittelalterlichen hagiographischen Traditionen der West- und Ostkirche (wobei erstere in Bezug auf Jesus eigentlich eh keinen Quellenzugang zur gefragten Region hatte) machen es unmöglich (auch für das Leben Jesus nicht nur der Heiligen) aus dem Tohuwabohu der Überlieferungen einen wahren Kern herauszuschälen. Da erst mit dem Nominalismus der Spätscholastik und dem Humanis eine historisch-kritische Geschichtsbetrachtung im christlichen Abendland entstand und die heidnisch-antike Historiographie sich des Jesus-Thema nicht annahm (selbst als sie im 4. und 5. Jahrhundert vor ihrem Verschwinden "christianisiert" worden war) kann sie nur sehr eingeschränkt zur Klärung fundamentaler Fragen zu frühchristlichen Ereignissen herangezogen werden. Was festgestellt werden kann ist, dass die Geschichtsforschung bis jetzt fast gar nichts bis komplett nichts gefunden hat was die im Neuen Testament beschriebenen Ereignisse bestätigt, aber dass sie auch kaum Möglichkeiten hat diese zu widerlegen. Es mangelt einfach an Quellen. Die Archäologie kann in solchen Fragen meist auch nicht viel weiterhelfen. Wobei man ähnliche Aussagen auch über das alte Testament machen kann. Archäologisch und historisch gesehen gesehen ist das meiste auch dort nicht mehr herausfindbar, ein wenig der Überlieferung wurde bestätigt, eine um vieles größerer Teil widerlegt. Für Gläubige gibt es aber neben der kritischen Historie eine andere Möglichkeit Gewissheit überhistorische Ereignisse zu erlangen. Die Tradierung einer göttl. Offenbarung; sowohl für Juden als auch alle Christen und Muslime steht diese Möglichkeit offen, wenn auch alle drei Religionsgruppen verschieden Offenbarungstradierungen besitzen. Wer eine einer Offenbarungstradierung folgt muss diese zwangläufig als treffender betrachten als eine kritische Geschichtsforschung. Kommt es also zum Konflikt zwischen den beiden wird er sich immer auf Seiten der Offenbarung befinden, selbst wenn sie "wissenschaftlich" widerlegt ist. Offenbarung und Geschichte gehen zwar manchmal Hand in Hand einher und manch ignorieren sie einander einfach, aber manchmal besteht ein Widerspruch zwischen beiden. Ein Gläubiger sollte seiner Offenbarungstradierung folgen (ansonsten wäre man auch enttäuscht von ihn - er wäre gar kein Gläubiger sondern ein Heuchler) ein Skeptiker sollte dem hist.-wissenscht. Diskurs folgen (ansonsten wäre er uninformiert). Was im Zweifelsfall stimmt, ist vielleicht weniger relevant als man denkt. Beide Seiten haben Recht und keine kennt die Wahrheit. |
gelegentlicher Besucher
| Veröffentlicht am Montag, 21. März 2005 - 20:36 Uhr: | |
@Torsten Schoeneberg Jetzt habe ich Sie verstanden oder bilde mir das zumindestens ein. Ich stimme Ihnen daher auch zu, dass ein weiterer Diskurs zwischen Ihnen und mir in diesem Themengebiet keinen Sinn hat. Dennoch bin ich Ihnen noch eine - allerdngs nicht besonders nützliche - Antwort schuldig.
Torsten Schoeneberg schrieb: " Direkte Frage @gB: könnte es überhaupt einen „überzeugenden Grund“ geben, der sie an Bethlehem zweifeln ließe? Wie ich Sie verstehe doch nicht. " Doch, einen solchen Grund könnte es geben; Mir liegt derzeit nur keiner vor. Der Geburtsort Jesu ist wie oben schon gesagt kein wesentlicher Glaubensinhalt. Wenn Bethlehem zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich nicht existiert hätte, dann wäre das z.B. mehr als hinreichend. Aber das ist eben auch nur behauptet und nicht begründet. (Immanuel Goldstein hat erklärt, dass Bethlehem mehrfach zerstört und wiederaufgebaut wurde. Aus seinen sonstigen Beiträgen folgere ich, dass er von Geschichte mehr als ich versteht. Daher bin ich auch hier geneigt ihm zu glauben, obwohl ich die Beweislage selbst nicht kenne oder beurteilen kann. Aber auch das führt nur zur Möglichkeit und nicht zur Tatsächlichkeit der Nichtexistenz Bethlehems zum fraglichen Zeitpunkt. Es führt also in der eigentlichen Frage nicht weiter.) Unterstellt und nicht zugegeben, es wäre ein anderer Ort als Bethlehem gewesen, würde mich auch interessieren, warum die Bibel von Bethlehem berichtet.Für einen Atheisten wäre wohl eine Lüge die wahrscheinlichste Antwort. Das käme aus meiner Sicht natürlich nicht in Frage. Es gibt allerdings auch Leute, die behaupten, nach damaligen literarischen Gepflogenheiten sei die Erzählung von Bethlehem nicht wörtlich zu verstehen, sondern "nur" als Behauptung, dass Jesus der Messias ist. Das überzeugt mich derzeit nicht ist aber auch nicht prinzipiell unmöglich. Interessanter wäre die wohl implizit mitgemeinte Frage, ob es für mich einen überzeugenden Grund geben könnte, das ganze Christentum aufzugeben. Etwas zögerlicher halte ich auch das für rein theoretisch denkbar. Da die zu zeigende Behauptung wesentlich größer ist, würde ich hier allerdings einen erheblich höheren Beweisstandard ansetzen. Wenn z.B ein innerweltlicher Zustand auftreten würde, in dem die menschliche Bosheit aufgehoben wäre (wenn also z.B. eine kommunistische Weltrevolution stattfände und so liefe wie die Kommunisten sie sich vorstell(t)en), dann würde das meine obige Behauptung Nr.6 widerlegen. Ich halte die christliche Lehre auch nur im Rahmen der katholischen Version für überzeugend. Ich würde also folglich eher Atheist als Protestant. Das katholische Kirchenverständnis und damit aus meiner Sicht das ganze Christentum wären z.B. durch die Verkündigung eines offensichtlich falschen Dogmas widerlegt, z.B. im weiter oben von Immanuel Goldstein angeführten Szenario. Natürlich erwarte ich keins dieser Ereignisse, der Punkt ist ja gerade, dass sie aus christlicher bzw. katholischer Sicht unmöglich sind. Aber um es auf (eigentlich unpassende) Begriffe der Philosophie der Naturwissenschaften zu bringen: Die Falsifikation ist nur durch die Richtigkeit der Theorie ausgeschlossen.
Torsten Schoeneberg schrieb: " Wie ich Sie verstehe doch nicht. Dann ist die Diskussion allerdings sinnlos, und ich kann für meinen Standpunkt ad rem nur das methodologische Argument (die hkF schließt a priori weniger Möglichkeiten aus) vorbringen und ad hominem den Hinweis darauf, daß Sie diesen – von mir aus aus „bösem Willen“ – verschwiegen haben. " Was den konkreten Fall angeht, haben sich wohl beide Argumente erledigt. Das Argument ad rem lässt sich aber auch auf den Fall tatsächlich wesentlicher Glaubenslehren verallgemeinern. Und dann antworte ich: Es gibt jeweil zwei wesentliche Möglichkeiten, nämlich dass die christliche Beschreibung wahr oder erlogen ist. Und davon schließen Christentum und historisch-kritische Forschung jeweils a priori gleich viele Möglichkeiten (nämlich eine) aus. Im Übrigen kann man auch allgemein an der Sinnhaftigkeit dieses Kriteriums zweifeln. In den Naturwissenschaften scheint es mir z.B. eher vorteilhaft, wenn eine Theorie mit möglichst wenig Postulaten möglichst viele potentielle Messergebnisse ausschließt.
Torsten Schoeneberg schrieb: " Wenn ich gB richtig verstehe, sagt er, daß die historisch-kritische Forschung per se ungläubig ist und irrt, wenn sie mit dem Xlichen Glauben übereinstimmendes behauptet, während sie nur zufällig richtig liegt, wenn ihre Ergebnisse den Xlichen Glauben bestätigen. " Jein. Das sage ich für den Fall, dass im jeweiligen Ergebnis die Annahme von der Falschheit der christlichen Lehre tatsächlich eingegangen ist, denn aus Falschem folgt bekanntlich was beliebt. Aber es kann auch im Rahmen der historisch-kritischen Forschung Folgerungen geben, die diese Annahme nicht verarbeitet haben. Dann habe ich falls auch sonst keine methodischen Mängel vorliegen nichts gegen das jeweilige Ergebnis einzuwenden. @Philipp Wälchli Mir scheint, dass wir uns im Kreis drehen. Ich versuche im Folgenden noch ein paar vielleicht nicht ganz klar gewordene Punkte zu erklären. Falls niemand etwas wesentlich Neues dazu sagt werde ich aber hier danach nichts mehr dazu schreiben. Hie also meine wohl letzen Anmerkungen zu dieser Frage: 1. Obwohl auch die meisten Protestanten die Sakramente für wichtig halten haben diese in protestantischen Kirchen nicht die gleiche Wichtigkeit wie in der katholischen Kirche oder in den orthodoxen Kirchen. Wenn die im von mir gemeinten Sinne sakramental verfassten Kirchen sich selbst zu erklären verschen kommen sie gar nicht ohne den Begriff Sakrament aus. Man kann sagen, dass das gesamte Wirken der sakramental verfassten Kirchen auf die Sakramente hingeordnet ist. Ich halte daran fest, dass protestantische Kirche mit "sakramental verfasst" etwas Anderes meinen und zwar sowohl mit "sakramental" als auch mit "verfasst". 2. Es ist klar, dass das Priestertum in einer sakramental verfassten Kirche durch ein Sakrament begründet wird. Dieses Sakrament heißt Weihe. Die Weihe ist aber anders zu verstehen als Philipp Wälchli sie beschrieben hat. Es ist keine Delegation, da das durch die Weihe begründete Prägemal wesensgemäß unübertragbar ist. Es ist eben in jedem einzelnen Fall ein direktes göttliches Wirken. Folglich ist die Weihe auch unwideruflich. In der katholischen Kirche (die Orthodoxen sehen das z.T. anders) ist Sie auch unabhängig von ihrer Legalität gültig. 3. Dieses sakramentale Priestertum gibt es bei den Protestanten nicht. Daher wird von den protestantischen Sakramenten auch nur die Taufe und (obwohl sie darin selbst kein Sakrament sehen) die Ehe anerkannt, nicht aber die anderen Sakramente, zu deren Spendung eben ein Priester erforderlich ist. Die orthodoxen Sakramente sind dagegen voll gültig. 4. Die hirarchische Verfassung der Kirche ist göttliches Recht und daher unabänderlich. Während also Bestellungsverfahren variabel sein können, ist die Bestellung an sich nicht abänderbar. 5. Das das Bestellungsverfahren immer eine Ernennung von oben sein muss, ist nicht zwagsläufig. In den katholischen Ostkirchen werden Bischöfe einschließlich des jeweiligen Patriarchen z.B. von der Bischofssynode gewählt. 6. Ohne Weihe kann niemand Priester oder Bischof werden. So gesehen hat Philipp Wälchli Recht, dass unabhängig vom Bestellungsverfahren niemand Priester oder Bischof werden könnte, der in der ganzen Kirche keinen weihewilligen Bischof findet. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass der weihende Bischof ranghöher oder auch nur ranggleich wäre. Der Fall kommt mir daher sehr konstruiert vor. 7. Es ist wahr, dass die katholische Kirche verschiedene Stände hat. Das ist übrigens auch bei den Orthodoxen nicht anders. Nicht wahr ist, dass manche Stände besser wären als andere. 8. Es gibt in der Kirche auch vom Priestertum verschiedene sehr wichtige Ämter. Äbte sind ein Beispiel. Die Klöster sind schon seit Jahrhunderten demokratisch verwaltet. 9. Die Leitung der Kirche ist von Gott den Bischöfen und dem Papst anvertraut. Das führt dazu, dass eine Laieninvestitur -obwohl formaljuristisch denkbar- dem Wesen nach unkatholisch wäre. Selbst juristisch würde sie im Jurisdiktionsprimat des Papstes eine enge Grenze finden. 10. Philipp Wälchli hat daher Recht, dass eine innerkirchliche Demokratie nicht wirklich denkbar ist. Falsch ist dagegen, dass das irgendetwas mit Delegation von oben zu tun hätte. Ebenfalls falsch ist, dass eine Ernennung von oben der einzig denkbare Bestellungsmodus sei. Das Modell der (katholischen!) Ostkirchen ist eben auch katholisch. 11. Die Methode der Papstauswahl ist auch änderbar und historisch auch mehrfach geändert worden. Es gibt auch immer wieder Überlegungen den Papst von der Bischofssynode wählen zu lassen. Das hätte den "ästhetischen" Vorteil der Analogie zur Wahl der anderen Patriarchen. Auch eine Wahl durch alle Bischöfe wurde schon diskutiert. Diese Ideen werden aber immer sehr schnell fallengelassen, weil man sich die Vereinigungsaussichten mit den Orthodoxen nicht noch weiter verhageln will. Obwohl sie also praktisch irrelevant sind, sieht man an diesen Gedanken, dass die Kardinäle bei der Papstwahl nicht bloß Agenten des verstorbenen Papstes sind. 12. Nicht in diesem Zusammenhang aber ganz allgemein wichtig: Das Weihesakrament war immer dreistufig. Andere Weihen hat die Kirche tatsächlich nach den jeweiligen Zeiterfordenissen eingeführt und abgeschaft; sie wahren jedoch nicht sakramental. An den eigentlichen Sakramenten kann die Kirche nichts ändern. Zusammenfassung und Sinn meiner Ausführungen: Philipp Wälchli hat in seinen Folgerungen durchaus Recht. Aber die Darstellung aus der er sie zieht ist eben nicht das katholische Denken sondern eine protestantische Interpretation des katholischen Denkens. Das führt trotz seiner unbestrittenen Bildung und sorgfältigen Überlegung zu Verzerrungen. Meine Sichtweise ist auch nicht neutraler als seine. Aber darum sollte man eben beide Sichtweisen hören. Soweit sich nichts wesentlich Neues ergibt, denke ich damit zu dieser Frage alles gesagt zu haben was ich zu sagen hatte. Ich werde daher auf weitere Antworten zu dieser Frage vermutlich nicht mehr rückantworten. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich allem was im Folgenden gesagt wird zustimme. |
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