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gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Montag, 14. Februar 2005 - 17:28 Uhr:   

@Immanuel Goldstein

Ich spreche hier als (wenn auch theologisch recht informierter) Laie. Dazu kommt, das es zu diesen Fragen keine öffentlichen Äußerungen des Lehramtes gibt. Ich kann daher nicht für die ganze Kirche sprechen. Nach meinem Verständniss würde ich folgendermaßen antworten:

Solange der Papst Papst ist, ist er keiner kirchlichen Gerichtsbarkeit unterworfen. Eine "Absetzung" könnte daher - und selbst das ist zweifelhaft - nur erfolgen, wenn er eigentlich sowieso nicht mehr Papst ist. Außer durch Rücktritt kann das nur der Fall sein, wenn er sich eine Exkommunikation latae sententiae zugezogen hat. Diese gibt es für Apostasie, Häresie, Schisma(*), Entweihung der Eucharestie, Vollendete Abtreibung, Absolutio compliciis, Bruch des Beichtgeheimnisses, Tätlichen Angriff auf den Papst(*) und sonst nichts, wobei der Papst die mit (*) gekennzeichneten Sünden nicht begehen kann. Für eine Genitalverstimmelung ohne gleichzeitige Häresie könnte der Papst also nicht abgesetzt werden. Ich halte es allerdings für extrem unwahrscheinlich, dass diese Frage jemals praxisrelevant wird.

>nebenbei es kommt schon mal zur Geburt von "Hermaphroditen", deren
>Prioritätsgeschlecht in den ersten Lebensmonaten - meist vor einer
>Taufe - durchaus häufig sogar geändert werden muss - ist daas auch
>Sündeoder Häresie?


Dahinter verbirgt sich in aller Regel ein eindeutiger Junge mit Penismissbildung, der dann "umgewandelt" wird, weil das Ergebnis einer derartigen Operation "echter" aussieht. Das ist meines Erachtens unmoralisch, weil das Geschlecht eben nicht änderbar ist und man damit tatsächlich einen Menschen in den "falschen Körper" befördert. Allerdings liegt die Schuld natürlich nicht beim Opfer, sondern bei den Eltern und Ärzten. Außerdem gibt es in dieser Frage bestimmt auch viel gutgläubigen Irrtum, der keine Sünde ist.

Für den (wesentlich selteneren) Fall einer echten Uneindeutigkeit kann ich ehrlich gesagt auch keine Lösung anbieten. Das Wort "Primärgeschlecht" macht mich allerdings schon skeptisch, wenn ein solches nämlich eindeutig feststellbar ist, dann sehe ich keinen legitimen Grund operativ den Phänotyp des anderen Geschlechtes herbeizuführen.
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Immanuel Goldstein
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 12:59 Uhr:   

@ Gelegentlicher Besucher
Danke für Ihre Antwort.

"Primärgeschlecht" war vielleicht ein etwas ungeschickter Ausdruck von mir.

Wie ich she haben Sie ein anderes Geschlechtsverständniss als ich (das ist unser beider gutes Recht; ich tendiere halt mewhr zu einem konstruktivistischen Geschlechtsbegriff). Möchte jedoch daraufhinweisen das Begriffe wie "Mann", "Frau" oder auch z.B. "Art" von Menschen geschaffen sind und nicht unbedingt den tatsächlichen Sachverhalt immer eindeutig wiedergeben - es sind halt Konventionen, nicht unbedingt Wahrheiten.
Ich halte das Geschlecht sogar wandelbar ohne irgendwelche Eingriffe von Aussen - da es Teil der Diskurspraxis und nicht unbedingt der Natur ist.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 14:40 Uhr:   

@Immanuel:
> Ich halte das Geschlecht sogar wandelbar ohne irgendwelche Eingriffe
> von Aussen - da es Teil der Diskurspraxis und nicht unbedingt der
> Natur ist.
Ich wills nicht vertiefen, weil wir ohnehin schon sehr weit vom Thema Wahlrecht weg sind. Aber nur kurz die Frage: M. W. gibt es den Unterschied zwischen "Mann" und "Frau" doch schon ganz grundlegend durch die unterschiedliche genetische Ausstattung (XX vs. XY-Chromosomen).
Das muß einen dann nicht verpflichten, sich in irgendeiner sozial definierten Weise zu verhalten.
Aber grundsätzlich ist der Geschlechtergegensatz schon Natur, und nicht vom Menschen erfunden.
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tg
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 15:36 Uhr:   

Der Papst hat das Krankenhaus verlassen und gesagt, daß er seine Mission erfüllen will. Also waren alle Rücktrittsgerüchte des Spiegel mal wieder falsch und es dauert noch etwas bis zu dem "ganz besonderern Schauspiel". (Dennoch hat es uns eine wirklich interessante Diskussion beschert)

Was das hier versammelte Wissen mir vielleicht noch zum Status des Vatikan beantworten könnte:

1. Stimmt es, daß der Vatikan nur Diplomatenpässe ausgibt, also alle Staatsbürger diplomatische Immunität genießen?

2. Wie war die Immunität des Papstes, seiner engsten Mitarbeit sowie des Konklaves in der Zeit zwischen Kirchenstaat und Vatikan gesichert? Oder gab es Einmischungen seitens Italiens?

3.Welche Souveränitätsrechte hat der Vatikan außer der Währung noch an Italien abgegeben? Ich glaube mich zu erinnern, daß bei Messen auch italienische Polizei auf dem Petersplatz steht. Und warum wurde der Papst-Attentäter nicht im Vatikan, sondern in Italien abgeurteilt? Oder gibt es eine Sonderregelung für den Petersplatz, da dieser als einziger Teil des Vatikan von Italien aus unkontrolliert betreten werden kann?
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Immanuel Goldstein
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 16:35 Uhr:   

@ Ralf Arnemann
So einfach sind Biologie und Diskurs nicht. Z.B. hat auch die Farbe Blau eine eigene messbare Frequenz, trotzdem muss Sie deshalb m Diskurs nicht existieren (man könnte auch mit Glau und Blün statt mit Grün und Blau auskommen - näheres siehe Goodman).
Weiblich und männlich sind vielleicht bei Menschen gut verwendbare Begriffe, aber z.B. nicht bei vielen Fröschen und anderen Tieren (bei Pilzen und Pflanzen ganz zu schweigen).
Natürlich kann man den Begriff von Mann und Frau an das XX- bzw. XY-Chromosom knüpfen. Es ist halt nur nicht immer sinnvoll.
Eine andere biologisch-empirische Trennweise könnte man z.B. auch mit Müttern und Nichtmüttern (egal ob "männlich oder Weiblich") vollziehen. Das Primat der Gene ist in der Biologie nicht zwingend notwendig - was keinen Abbruch an seiner Bedeutung zur Erforschung der Natur bedeutet.
Z.B. ist der Unterschied aus vielen Betrachtungwinkeln zwischen einem 3-Jährigen und einer 3-Jahrigen geringer als zwischen einem 3-Jährigen und einem 86-Jährigen.
Eine begriffliche Dichotomie Mann/Frau ist also nicht immer notwendig oder gar richtig.

Um zurück zum Papst zu kommen: Könnte (der in Lehrmeinungen unfehlbare) Papst sich selbst zum Nicht-Mann (oder auch zur Frau) deklarieren? Dürfte er dann noch Papst sein?
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Niklas
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 17:02 Uhr:   

@tg:

Italien hat 1984 ein Konkordat mit der italienischen Republik abgeschlossen, das das Verhältnis zwischen beiden Staaten endgültig neu geregelt hat. Bis dahin hat der Vatikan mW den italienischen Staat nicht anererkannt (trotz Lateranvertrag).

Als 1870 die Savoyer Ursupatoren in die Stadt zogen, wurden sie nicht unbedingt freudig empfangen. Der Papst erklärte sich zum Gefangenen, obwohl ihn die ebenfalls katholischen Eindringlinge natürlich nicht wirklich seiner persönlichen Freiheit beraubt haben, nur seiner weltlichen Macht. Daraufhin folgte ein strikter Boykott des neuen Regimes.


Katholiken war es lange auch verboten, sich poltisch im neuen Staat, in dem bis 1984 der Katholiszismus Staatsreligion war, zu betätigen. Man kann sich vorstellen, wie streng die Italiener das ausgelegt haben. Eine wirkliche christlich-soziale Partei gründete sich mW im Gegensatz zu D und Österreich erst 1919.

Natürlich hatte der italienische Staat Interesse, nicht zuviel Öl ins Feuer zu gießen, auch wenn kleine Sticheleien wohl bis heute üblich sind: Jeden Mittag schießt in Rom eine Kanone, um den Triumph der Piemonter gegen den Kirchenstaat zu gedenken.

Eine formale Immunität war mW bis 1929 nicht gegeben. Natürlich hatten aber alle Staaten ein Interesse an Beziehungen zum Vatikan.
Das Königreich Bayern unterhielt jedenfalls diplomatische Beziehungen zum Vatikan u.a. mittels des bekannten Nuntius Eugenio Pacelli, der ab 1920 auch Nuntius für das gesamte Deutsche Reich wurde. Wie das strikt formal ablief, kann ich nicht sagen. Auch Bismarck verhandelte mit einem katholischen Nuntius Aloisi Masella, mit dem er 1878 dann auch eine erster modus vivendi im Kulturkampf vereinbart hat.

Ganz interessant dazu ein Auszug aus meiner sicherlich nicht völlig unparteiischen Heimatzeitung (oder deren Vorgängerin) aus dem Jahr 1878, als der erste italienische König Viktor Emanuel und Pius IX. verstarben:

"Am 4. März 1820 geboren, bestieg Viktor Emanuel mit der Abdankung seines von Radetzky geschlagenen Vaters Karl Albert am 23. März 1849 den Thron von Sardinien, der unter seiner Regierung durch Verrat und die erfolge fremder Waffen zum Throne des Königreiches Italien wurde. Die völlige Beraubung des Papstes, die ihren Abschluss mit dem Einbruch in Rom fand, hat er nur um wenige Jahre überlebt: Sein erster Helfershelfer Napoleon III. ist ihm im Tode vorangegangen."

Pius IX., der letzte Herrscher des alten Kirchenstaates kam damals natürlich um einiges schmeichelhafter weg. Nebenbei bemerkt, hat mich überrascht, dass sich die Katholiken der Bayerischen Patriotenpartei damals offenbar selbst als "Ultramontane" bezeichneten.
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Juwie
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 17:37 Uhr:   

@Niklas:

Ohne zu beckmessern: Man sollte beim Begriff "Vatikan" klar zwischen "Staat der Vatikanstadt" und "Heiligem Stuhl" unterscheiden. Der Heilige Stuhl war nämlich auch vor den Lateranverträgen weitgehend unbestrittenes Völkerrechtssubjekt. Partner internationaler Verträge oder Mitglied internationaler Organisationen ist wahlweise der Heilige Stuhl oder der Staat der Vatikanstadt.
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Niklas
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 17:40 Uhr:   

@Juwie:
Danke für den Hinweis, das erklärt mir einiges.

Ich fasse das wirklich nicht als Beckmesserei auf .
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 18:12 Uhr:   

Die "Savoyer Usurpatoren" (NB: Die Stellung des Papstes haben sie sich nicht angemasst, somit im strengen Sinne nichts usurpiert, bloss okkupiert) haben gleich nach dem formellen Anschluss des Kirchenstaates inklusive der Stadt Rom ein Garantiegesetz zu Gunsten des Papstes und des Vatikans erlassen, worin u. a. eine jährliche Rente als Ersatz des wegfallenden Steueraufkommens aus dem ehemaligen Kirchnstaat vorgesehen war. Das wurde dann in den 20er-Jahren durch die Lateranverträge und schliesslich 1984 durch deren Neufassung völkerrechtlich abgesichert, inhaltlich teilweise neu geregelt und nun wohl auch langfristig fixiert.
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gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Februar 2005 - 13:10 Uhr:   

@Immanuel Goldstein


Quote:

Möchte jedoch daraufhinweisen das Begriffe wie "Mann", "Frau" oder auch z.B. "Art" von Menschen geschaffen sind und nicht unbedingt den tatsächlichen Sachverhalt immer eindeutig wiedergeben - es sind halt Konventionen, nicht unbedingt Wahrheiten.




Das ist zunächt einmal Ihre Meinung und nicht umbedingt die Wahrheit.

Wie Sie schon sagten, ist es Ihr gutes Recht diese Meinung zu vertreten. Allerdings nur dort wo Sie es auch tatsächlich tun: Außerhalb der Kirche. Bibel und Tradition sind sich darin einig, dass die zweigeschlechtliche Struktur der Menscheit gottgewollt ist und somit nicht vom Menschen erdacht ist. Sicherlich könnte man statt Mann und Frau auch bla und blo sagen. Die eigentliche Unterscheidung ist aber sprachunabhängig. Unabhängig von der Religion gibt es übrigens auch andere Gründe die Geschlechtlichkeit als natürlich gegeben anzusehen.


Quote:

Um zurück zum Papst zu kommen: Könnte (der in Lehrmeinungen unfehlbare) Papst sich selbst zum Nicht-Mann (oder auch zur Frau) deklarieren? Dürfte er dann noch Papst sein?




Nein. Die katholische Kirche geht davon aus, dass sie durch Beistand des heiligen Geistes davor geschützt ist, dass sich in ihren dogmatischen Grundüberzeugungen (was übrigens nicht alle Lehren sind) Fehler einschleichen. Das ist eben der Inhalt des Dogmas von der Unfehlbarkeit. Natürlich können Sie fragen, was passiert wenn ein offensichtlich falsches Dogma verkündet wird. Und dann antworte ich: In diesem Fall war mein Glaube ein Irrtum. Oder global gesprochen: In diesem Fall geht die Kirche zu Grunde. Aber genauso könnten Sie fragen, was passiert, wenn der Mond morgen spurlos verschwindet. Dann ist so ziemlich die ganze Physik falsifiziert. Aber keine der beiden Fragen beweist etwas, denn die jeweiligen Prämissen treten nicht ein. (N.B.: Diese Antwort habe ichv fast wörtlich geklaut - ich weiß aber nicht ob sie jetzt von Ratzinger oder Rahner stammt)
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Immanuel Goldstein
Veröffentlicht am Donnerstag, 17. Februar 2005 - 12:15 Uhr:   

@ Gelegentlicher Besucher
Danke für Ihre Antwort - aber Sie haben mich tlw. immer noch mißverstanden. Mir geht es um das sog. "Riddle of Grue" (Goodman) und seine diskursiven und dekonstruktiven Folgen.
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Immanuel Goldstein
Veröffentlicht am Donnerstag, 17. Februar 2005 - 14:06 Uhr:   

Kleiner Nachtrag
Für Jahrmillionen ist der Mond für die meisten Bewohner der Erde (inklusive der meisten Menschen) so ziemlich jeden tag jeden Tag (extrema Breitengrade jetzt mal außer Acht gelassen) spurlosv verschwunden ( vielleicht für Wesen die Gravitation,Ebbe und Flut als auch den Mond in einen Zusammenhang bringen können auch nicht). Entweder (meist) wurde dafür leine Erklärung gesucht und wenn doch ging man häufig (bei Teilen der Menschheit) von der täglichen Vernichtung eines Mondes aus und der Neuschöpfung eines anderen, neuen Mondes (da gibt es jetzt aber wiklich viel Mythologie darüber).
Außer dem kann auch innerhalb des physikalistischen Weltbildes der Mond relativ abrupt verschwinden (z.B. durch Einwirkung eines anderen körpers; Abtrudeln in den Weltraum; auf die Erde stürzen; zerstörung durch Enschlag) sowie er auch erst wahrscheinlich nachträglich erst entstanden ist (Sie wissen schon die Geschichte mit dem großen Körper der auf die Erde traf und wie Teile von ihm und der Erde den Mond bildeten - eine Lieblingsgeschichte der Astronomen).
Um zum Papst zu zurückzukommen: die Christen haben Gottes Erscheinung auf Erden (sofern sie denn stattgefunden hat) auf verschiedenste Weise interpretiert (Monophysiten, Athanasier, Arianer, ... jungfäuliche Empföngniss, Adoption...) - da wird es doch wohl weniger ein Problem sein, dass der Papst sein Geschlecht umdeuten darf (wie ähnlich wie manche Forscher das Verhältniss der "Pharaoninnen" zu ihrem "männlichen" Geschlecht ("Sohn des Horus") verstehen).
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Florian
Veröffentlicht am Donnerstag, 17. Februar 2005 - 15:14 Uhr:   

@ Goldstein:
So gebildet, vernünftig und differenziert Sie in der Regel auch argumentieren - in diesem Thread kann ich bei Ihren Beiträgen weder eine innere Logik noch einen naheliegenden Sinnzusammenhang zum Topic erkennen - geschweige denn eine praktische oder auch nur theoretische Relevanz.
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Immanuel Goldstein
Veröffentlicht am Freitag, 18. Februar 2005 - 19:56 Uhr:   

@ Florian
O.k. ich lass es jetzt lieber bleiben. Praktisch ist tatsächlich keine Relevanz da - theoretisch hängt von der persönlichen Einstellung zum Dekonstruktivismus ab.
Aber Dank für das Kompliment - ich versuche zu meinen Tugenden nun wieder zurückzukehren.
Aber eine Frage sei mir noch gestattet: Gibt es Bewegungen innerhalb der kath, Kirche die sich für die Demokratisierung dieser Institution einsetzen?
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gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Freitag, 18. Februar 2005 - 21:24 Uhr:   

@Immanuel Goldstein

Vorweg:
Wir haben uns (wie Florian richtig anmerkt) völlig vom Thema Wahlrecht entfernt. Ein Ausdiskutieren Ihrer Position würde vermutlich sehr lange dauern. Ich habe daher darüber nachgedacht die Diskussion an dieser Stelle abzubrechen. Um den Eindruck durch Schweigen zuzustimmen zu vermeiden habe ich mich aber entschlossen diesen einen Beitrag noch zu schreiben. Danach sehe ich zwei Möglichkeiten. Entweder wir einigen uns uns nicht zu einigen, d.h. praktisch Sie schreiben wenn Sie wollen noch eine Antwort aber ich danach keine mehr. Oder wir verlegen die Diskussion in ein Forum wo sie on-topic ist. Falls Sie ein derartiges Forum kennen (gern auch englischsprachig), können sie es in Ihrer Antwort benennen und diese dort crossposten.


Immanuel Goldstein schrieb:
"
Mir geht es um das sog. "Riddle of Grue" (Goodman) und seine diskursiven und dekonstruktiven Folgen.
"


Wenn ich ehrlich bin, hat mir das zunächst nichts gesagt. Ich war daher gestern in der Bibliothek um zu klären, was Sie meinen. Ich habe mir das relevante Buch ausgeliehen und überflogen. Leider war nur die deutsche Übersetzung (Goodman, Nelson:Tatsache, Fiktion, Voraussage,Suhrkamp, 1988, ISBN: 3-518-28332-4)ausleihbar. (Ich bin Übersetzungen gegenüber etwas skeptisch.) Nunmehr informiert werde ich (I) kurz zusammenfassen, was Goodman meiner Ansicht nach behauptet, (II) versuchen daraus den Sinn Ihrer Fragen zu erschließen und (III) darlegen warum das Argument mich nicht überzeugt.

I Was Goodman gemeint haben könnte.

Ich habe das Buch wie gesagt nur überflogen, mir könnten daher wichtige Gedanken entgangen sein. Nachfolgend also nur, was ich für Goodmans Argument halte:

I.1 Wir gewinnen unser allgemeines Wissen über die Welt durch (unvollständige) Induktion.

I.2 Induktion bedeutet in diesem Zusammenhang, dass wir:
I.2.1 Aus allen Gegenständen (was auch immer das für einen Konstruktivisten bedeuten mag) diejenigen auswählen die zur Extension eines bestimmten Prädikates (Vorprädikat) gehören (Dabei kann man sich ein "Prädikat" als eine Abbildung von der Klasse aller Gegenstände auf die Menge der Wahrheitswerte (also {wahr,falsch}) vorstellen. Die Extension ist dann die Klasse der auf Wahr abgebildeten Gegenstände. Diese Erklärung ärgert zwar die Mengentheoretiker aber reicht für den Hausgebrauch.)
I.2.2 Beobachten, dass alle bereits beobachteten Gegenstände aus der Extension des Vorprädikates auch zur Extension eines anderen Prädikates (Nachprädikat) gehören.
I.2.3 Annehmen, dass dann alle Gegenstände aus der Extension des Vorprädikates auch zur Extension des Nachprädikates gehören.
Beispiel: Jede vergammelte Fisch an dem ich bisher gerochen habe hat gestunken. Daraus schließe ich, dass vergammelter Fisch ganz allgemein stinkt.

I.3 Nun gibt es aber Prädikate, für die wir nicht induzieren. Dafür gibt Goodman folgendes Beispiel an: Nach Beobachtung vieler grüner Smaragde schließen wir, das alle Smaragde grün sind. Sei nun das Prädikat glau (im Original dann wohl grue) dadurch definiert, dass es auf einen Gegenstand genau dann zutrifft, wenn er entweder zu einem bestimmten Referenzzeitpunkt schon beobachtet und grün oder zum Referenzzeitpunkt noch nicht beobachtet und blau ist. Dann sind alle vor dem Referenzzeitpunkt beobachteten Smaragde glau. Wenn also glau als Nachprädikat zur Induktion mit dem Vorprädikat ist-ein-Smaragd zulässig wäre, dann müssten wir zum Referenzzeitpunkt schließen, dass alle Smaragde glau sind. Folglich müssten wir dann annehmen, dass in Zukunft beobachtete Smaragde blau sein werden. Das tun wir aber offensichtlich nicht, also gibt es Prädikate (mindestens glau) für die wir nicht induzieren.

I.4 Wir müssen daher eine Regel haben, nach der wir induzierbare und nicht induzierbare Prädikate unterscheiden.

I.5 Nach Goodmans Ansicht gibt es keine von sich aus wesentlichen und unwesentlichen Prädikate.

I.6 Goodman meint, dass wir die Prädikate ordnen und die vorrangig erlaubten Induktionen ausführen. glau wird also nicht zur Induktion zugelassen, weil das der Induktion mit grün widerspricht.

I.7 Diese Ordnung ist nach Goodman dadurch gegeben, dass wir schon häufiger erfolgreich zu Induktionen herangezogene Prädikate (oder um wissenschaflicher zu klingen besser verankerte Prädikate) bevorzugen.

I.8 Welche Prädikate besser verankert sind, hängt außer von unserer Lebensgeschichte auch von unserer Sprache ab, da wir natürlich in der Vergangenheit nur Prädikate benutzt haben können, die wir auch formulieren konnten.

I.9 Also gelangen wir je nach Sprache und Lebensgeschichte zu verschiedenem allgemeinen Wissen über die Welt.


II Was das in diesem Zusammenhang bedeuten könnte.

Was hat das nun mit päpstlichen Geschlechtumwandlungen zu tun?


Immanuel Goldstein schrieb:
"
Möchte jedoch daraufhinweisen das Begriffe wie "Mann", "Frau" oder auch z.B. "Art" von Menschen geschaffen sind und nicht unbedingt den tatsächlichen Sachverhalt immer eindeutig wiedergeben - es sind halt Konventionen, nicht unbedingt Wahrheiten.
"


Ich versuche mal darzulegen wie man dafür aus goodmanscher Sicht argumentieren könnte. Ich argumentiere also (und auch das polemisch überspitzt) aus fremder Sicht. Wehe, wenn das jemand als meine Ansicht zitiert.

II.1 Der gelegentliche Besucher meint zu wissen, jeder Mensch mit Y-Chromosom sei männlich. Diese Ansicht beruht auf einer Induktion mit ist-ein-Mensch-mit-Y-Chromosom als Vorprädikat und ist-männlich als Nachprädikat. Bei geeigneter Kulturgeschichte erschiene Ihm ist-männlich als unzulässiges Nachprädikat. Folglich ist sein Wissen eigentlich bloß Konvention.

II.2 Der gelegentliche Besucher meint zu wissen, das Geschlecht könne nicht umgewandelt werden. Diese Ansicht beruht auf Induktionen mit den Vorprädikaten ist-im-moment-männlich/weiblich und den Nachprädikaten ist-zum-Zeitpunkt-t-männlich/weiblich. Wenn er nicht so ein verbohrter Katholik wäre, dann würde er der Kulturgeschichte seiner Gesellschaft folgen und diese Nachprädikate als nicht induzierbar ansehen. Folglich ist auch die Unwandelbarkeit des Geschlechts eine Konvention.

II.3 Da die Christen naiverweise bestimmte Wahrheiten für objektiv halten, kann man sie in Verlegenheit bringen, wenn man Situationen an die Wand malt, in denen jemand andere Konventionen verwendet.

III Warum das alles nicht hinkommt.

Ich sehe da an verschiedenen Stellen argumentative Schwächen. Daher meine Kommentare zu den einzelnen Punkten

zu I.1
Das ist in vielen Fragen richtig. Das es die Quelle allen Wissens sei ist zumindestens spekulativ, meines Erachtens sogar falsch. Ich denke, dass die Menschen auch angeborenes Wissen (oder wenn man gebildeter klingen will Wissen a priori) haben. Dazu könnten sogar Teile der Geschlechtlichkeit gehören.

zu I.2..I.4
stimmt

zu I.5
Da liegt der Hund begraben!
Goodman gibt sogar ausdrücklich zu, dass er das ohne Grund annimmt:

Goodman schreibt (im genannten Buch,SS.50ff,Hervorhebung hinzugefügt):
"
Da es kein brauchbares und verlässliches Kriterium der Klarheit gibt, kann der einzelne Denker nur sein philosophisches Gewissen befragen.[...] Überhaupt ist diese Rede vom Gewissen nichts als eine bildliche Art des Verzichts auf jeden Gedanken an eine Rechtfertigung dieser grundlegenden Urteile.[...] Einige meiner weiteren Vorurteile werden zutage treten, wenn ich bei der Suche nach einer Lösung der erwähnten Probleme auf dieses oder jenes verzichte. Beispielsweise werde ich mich nicht auf die Unterscheidung zwischen kausalen Verknüpfungen und zufälligen Beziehungen stützen, ebensowenig auf die zwischen wesentlichen und künstlichen Gattungen und auf die zwischen analytischen und synthetischen Aussagen.
"


Ich denke dagegen sehr wohl, dass die Welt Eigenschaften unabhängig von meiner Beobachtung hat. Ich halte es übrigens auch nicht für verwunderlich, dass Relativismus als Folge rauskommt, wenn man ihn als Axiom reinsteckt.

zu I.6 & I.7
Das ist nicht ganz falsch. Ich denke aber, dass es nur einer von mehreren Entscheidungsmechanismen ist.

zu I.8
Da ist natürlich vorausgesetzt, dass die Sprache völlig frei wählbar ist, d.h. das in I.5 angegebene Axiom ist hier nochmals verwurstet. Ich denke dagegen, dass die Sprache hauptsächlich von der Welt bestimmt wird.

zu I.9
Das ist eine Folgerung aus den z.T. falschen Voraussetzungen. Ich halte diese Folgerung für Schwachsinn. Natürlich gibt es Irrtum, aber das ist eben die irrtümliche Annahme etwas zu wissen. Wissen zeichnet sich eben durch seine Übereinstimmung mit der objektiven Realität aus. Darum können verschiedene Menschen nichts widersprüchliches wissen.

zu II.1
Das scheitert schon daran, dass ich noch kein Y-Chromosom gesehen habe, dieses Wissen also zumindestens keiner selbst ausgeführten Induktion verdanke. Aber der eigentliche Punkt ist, dass die Verbindung zwischen Y-Chromosom und männlichkeit Teil der Natur ist und daher unabhängig von meiner Beobachtung besteht.

zu II.2
Das wissen von der Unwandelbarkeit des Geschlechtes beruht nicht (zumindestens nicht direkt) auf Induktion. Vielmehr verwende ich überhaupt nur die Prädikate ist-männlich/weiblich und nicht ist-zum-Zeitpunkt-t-männlich/weiblich. Der entscheidende Punkt ist wieder, dass ich die Geschlechtlichkeit für natürlich gegeben, d.h. von meiner Beobachtung unabhängig halte.

zu II.3
Aber nur wenn man (objektiv!) Recht hat, dass es keine objektive Wahrheit gibt. Was aber Schwachsinn ist.

Nach Klärung der Begriffe nun zum Nachtrag (Wo die eigentlichen Fragen sind.)

Immanuel Goldstein schrieb:
"
Für Jahrmillionen ist der Mond für die meisten Bewohner der Erde (inklusive der meisten Menschen) so ziemlich jeden tag jeden Tag (extrema Breitengrade jetzt mal außer Acht gelassen) spurlosv verschwunden [...]. Entweder (meist) wurde dafür leine Erklärung gesucht und wenn doch ging man häufig (bei Teilen der Menschheit) von der täglichen Vernichtung eines Mondes aus und der Neuschöpfung eines anderen, neuen Mondes (da gibt es jetzt aber wiklich viel Mythologie darüber).
"

Nein, ist er nicht. Er war allerdings tagsüber (meistens) unsichtbar. Das mag die Menschen zur falschen, d.h. der objektiven Realität widersprechenden Annahme geführt haben, er würde verschwinden.

Immanuel Goldstein schrieb:
"
Außer dem kann auch innerhalb des physikalistischen Weltbildes der Mond relativ abrupt verschwinden (z.B. durch Einwirkung eines anderen körpers; Abtrudeln in den Weltraum; auf die Erde stürzen; zerstörung durch Enschlag) sowie er auch erst wahrscheinlich nachträglich erst entstanden ist (Sie wissen schon die Geschichte mit dem großen Körper der auf die Erde traf und wie Teile von ihm und der Erde den Mond bildeten - eine Lieblingsgeschichte der Astronomen).
"


Deshalb schrieb ich ja spurlos. Aber auch wenn sich der Vergleich als falsch erwiese, würde das nichts am eigentlichen Argument ändern, das da lautet: Wenn etwas aus einer unmöglichen Prämisse folgt, dann beweist das nichts.

Immanuel Goldstein schrieb:
"
Um zum Papst zu zurückzukommen: die Christen haben Gottes Erscheinung auf Erden (sofern sie denn stattgefunden hat) auf verschiedenste Weise interpretiert (Monophysiten, Athanasier, Arianer, ... jungfäuliche Empföngniss, Adoption...)
"

Nebenbemerkung: Man kann streiten ob das alles Christen waren.
Eigentlicher Punkt: Die meisten dieser Interpretationen sind eben falsch.

Immanuel Goldstein schrieb:
"
da wird es doch wohl weniger ein Problem sein, dass der Papst sein Geschlecht umdeuten darf
"

Darf er aber nicht. Weil es eben keine Frage der Deutung ist.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Samstag, 19. Februar 2005 - 09:55 Uhr:   

"Ich denke dagegen sehr wohl, dass die Welt Eigenschaften unabhängig von meiner Beobachtung hat. Ich halte es übrigens auch nicht für verwunderlich, dass Relativismus als Folge rauskommt, wenn man ihn als Axiom reinsteckt."

Dieser Aussage stimmt meine Wenigkeit grundsätzlich zu. Falls es die Welt an und für sich gibt, dann sollte sie eigentlich auch an und für sich gewisse Strukturen bzw. Eigenschaften haben.
Die Frage ist nur die, ob wir diese Eigenschaften auch erkennen.
Bezogen aufs Geschlecht ist dies wohl doch nicht so leicht: Wir glauben zwar auf Grund unserer Alltagserfahrung und nach dem, was man uns so beigebracht hat, dass es "Geschlechter" gebe, aber wer sich mal in Biologie und Medizin ein klein wenig umgetan hat, sollte wissen, dass es nicht so einfach ist. Man unterscheidet z. B. beim Menschen zwischen primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen, die keineswegs übereinstimmen müssen usw.
Unsere Wahrnehmung von "Geschlecht" wird zudem stark durch Erscheinungen geprägt, die nun weiss Gott weder natur- noch gottgegeben sind: Männer tragen z. B. keine Röcke (jedenfalls bei uns nicht) ...

"Demokratische" Tendenzen tauchen in der katholischen Kirche im übrigen immer wieder mal auf. Ebenso regelmässig pflegt sie diese aber auch seit dem Ausbruch der Reformation unbeschadet zu überleben.
Zur Zeit besteht z. B. ein Dialog zwischen den Schweizer Bischöfen und dem Vatikan über einen stärkeren Einbezug der Laien im Gottesdienst. Was dabei herausschauen wird, ist noch völlig offen.
Eine andere Debatte drehte sich vor einigen Jahren um die Frage des Ranges der Metropoliten (Erzbischöfe und Patriarchen) und der Kardinäle: Die "demokratische" Position möchte den Rang der Metropoliten über jenen der Kardïnäle erheben bzw. "wiederherstellen" und stellt sich dabei ein dreipoliges Modell Bischöfe - Metropoliten - Papst vor.
Als "demokratische" Elemente seien auch die Bischofskonferenzen, Partikularkonzilien und Bischofssynoden erwähnt, die durch den CIC 1983 weiter gefördert und mit erweiterten Kompetenzen ausgestattet wurden. Allerdings sollte man dabei zwei Punkte nicht übersehen:
Erstens beschränken sich diese "demokratischen" Einrichtungen durchwegs auf die Bischöfe, untere Ränge des Klerus haben kaum bis gar nichts zu sagen, Laien kommen allenfalls ergänzend und mit beratender Stimme vor. Zweitens zieht sich durch alle Bestimmungen der Refrain hindurch "... mit zustimmung des apostolischen Stuhles ...".
Und drittens: Eine "Demokratisierung" der Papstwahl oder der Bischofswahlen steht nicht zur Debatte.
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Beifuß
Veröffentlicht am Samstag, 19. Februar 2005 - 16:58 Uhr:   

Der vom gelegentlichen Besucher gesetze Verweis (andere Gründe) scheint sehr interessant zu sein, aber leider waren ich und Google der dort verwendeten Sprache nicht ganz gewachsen. Anscheinend ging es aber um xy-Frauen, von denen die meißten (auch wenn sie als Frauen aufgewachsen sind) sich später als Männer fühlten und alle (16) männliche Verhaltensweisen zeigten. Das und Ralfs Beitrag wecken bei mir -auch wenn es nicht ausdrücklich behauptet wurde- den Eindruck, daß die von der katholischen Kirche anerkannte Geschlechtlichkeit die genetische ist. Stimmt das?
Würde mich etwas wundern, weil ich bisher den Eindruck hatte, daß sie der Genetik eher etwas reserviert gegenüberstehe.
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Immanuel Goldstein
Veröffentlicht am Dienstag, 22. Februar 2005 - 09:48 Uhr:   

@ gelegentlicher Besucher
Als Abschlusswort gemeint (und darüber irgendwo weiterzudiskutieren lohnt sich einfach nicht, da wir uns darüber wohl nie einigen können):
- danke dass Sie Goodman gelesen haben (ist tlw. auch wirklich anstrengend nicht wahr - zumindest auf Englisch), ich hoffe es hat Ihnen gefallen (man muss ja nicht mit ihm unbedingt übereinstimmen)
- das "Y-Chromosom-an-sich" sagt noch gar nichts über "Männlichkeit" aus (z.B. bei dominant weiblich Pflanzen können durchaus eins haben und Zwitterpflanzen sogar zwei)
- beim "Y-Chromosom bei Menschen" sieht das vielleicht anders aus, aber auch dort gibt es Ausnahmen
- (auch an Philipp Wälchli gerichtet) ich halte nicht viel von phil. Monismen, die eine Einheit der Welt und ihrer Ordnung vorraussetzen (was nicht heist dass es nicht unbedingt so ist, nur als Argument halt ich sowas für sehr schwach, da nicht erkennbar), das steht für mich in einer Tradition der Philosophie wie sie v.a. von Plato geprägt wurde (wie bereits anderswo bemerkt tendiere ich mehr zu einem Sophismus wie Protagoras u.ä. oder auch zu einem Nominalismus wie Duns Scotus u.ä.) - aber darüber wird seit 2400 Jahren bereits trefflich gestritten
- für mich gibt es ergo auch keine Irrtümer in der Form Äußerung ungleich Realität, sondern höchstens in der Form Äußerung unkompatibel zur allgemeinen Diskursflexibilität
- Diskurs ist mehr als nur Prädikation und Sprache - er bildet den Rahmen der Wahrnehmungsmöglichkeiten (er entscheidet also auch über Männlichkeit und Weiblichkeit - und zwar nicht nur als Worte sondern auch als wahrgenommenes und messbares)

kleine Anmerkung: v.a. in der Ethnologie, teilen der Geschichtsforschung, in der Wissenschaftstheorie und ähnlichen Fächern wird heutzutage kaum noch an einer dichotomen Unterscheidung der Geschlechtlichkeit festgehalten - es hat sich nicht unbedingt als falsch aber als beschreibungsschwach herausgestellt


ganz zum Schluss: ich danke für Ihre Mühen bei der Beantwortung und dafür, dass Sie meine Einwürfe als ernste Diskussionbeiträge wahrgenommen haben (andere taten das nicht). Das wir uns nicht einigen konnten macht nichts, es war eine schöne Diskussion - das ist das wichtigste.

P.S. Falls ein falscher Eindruck entstanden ist: Ich hege eine freunsdschaftliche Gegnerschaft zur kath. Kirch (die wirklich viel wichtiges geleistet hat - v.a. im Bereich des Sozialarrangement) und verteidige sie auch gern gegen Angriffe anderer (wie bereits in einem anderen Thread geschehen).
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Mittwoch, 23. Februar 2005 - 19:58 Uhr:   

Auf den Platonismus-Vorwurf möchte ich nicht eingehend antworten; meine Einstellung zu Plato lässt sich kurz auf eine Formel bringen: Plato als Schriftsteller ja, in jeder anderen Hinsicht nein.
Der Witz an Platos Ontologie ist aber eben gerade der, dass ihm zufolge wahrhaftes Sein eben gerade nicht in dem liege, was wir allgemein so als Realität ansehen, sondern allein in den Ideen, die letztlich transzendenter, immaterieller, spiritueller, ja geradezu religiöser Natur sind (der Mittel- und Neuplatonismus hatte nicht so ganz Unrecht, als er Platos Lehre entschieden religiös deutete bzw. umsetzte).
Ich möchte auch nicht auf verschiedenen Auffassungen der Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie, Hermeneutik etc. etc. herumreiten, die sich teilweise nur in Einzelheiten und graduell unterscheiden.
Worauf ich hinweisen wollte, sind zwei Punkte:
Erstens ist es in der Tat so, dass das Problem zunächst einmal darin liegt, ob und wie sich Menschen über Dinge verständigen. Das gibt die Massstäbe der Intersubjektivität und der Diskursivität ab. Allerdings lässt sich auch beobachten, dass die Verständigung über gewisse Dinge leichter fällt als über andere. So fällt die Verständigung über Frieden deutlich schwerer als jene über bspw. Kaffeetassen. Vor einem strikt idealistischen Hintergrund ist dieses Phänomen nicht erklärbar. Denn die Idee des Friedens ist genauso transzendent und als solche transparent wie die Idee der Tasse. Aber ebenso lässt es sich nicht ohne Anstoss vor einem relativistischen Hintergrund deuten, der ja gerade besagt, dass wir Menschen keinen unmittelbaren Zugriff auf die Realität hätten bzw. dass es eine Mensch-unabhängige Realität nicht gebe.
Wenn die Verständigung über gewisse Dinge leichter fällt als über andere, dann könnte dies möglicherweise auch damit zu tun haben, dass es eben an diesen Dingen selbst liegt, weil sie leichter fassbar, handgreiflicher sind als andere - das würde aber voraussetzen, dass es eine vom Menschen unabhängige Realität gibt, die ipso facto besteht und ist, wie sie ist, und auf die wir Menschen doch einen Zugriff haben, der eben ausreicht, um eine spontane Verständigung hierüber möglich zu machen. (Dann liegt aber das "Sein" nicht im platonischen Sinne in den Ideen, sondern es muss in den wirklichen, materiellen, realen Dingen selbst bestehen.)
Das war der erste Punkt, der zweite Punkt aber war der: Im konkreten Fall brauchen wir m. E. den Rückgriff auf solche theoretischen Erwägungen gar nicht, weil sehr wenig ausreicht, um zu zeigen, warum "Geschlecht" ein Konstrukt ist.

Ich möchte nach diesen knappen theoretischen Bemerkungen, die sich gut als Einleitung eigenen, jedoch einige Dinge vertiefen, die ich im vorhergehenden Posting nur angedeutet habe:
In der römisch-katholischen Kirche haben sich einige Prinzipien erhalten, die sonst aus unserer Welt jedenfalls im "modernen" Europa weitestgehend verschwunden sind. Diese Prinzipien bestimmen zugleich einen Denkrahmen, der eine Weltsicht eröffnet und damit unsere gewohnte liberale, säkulare und demokratische Sicht der Dinge ausschliesst.
Ich bin als Reformierter entschieden der Auffassung, dass uns nicht so sehr einzelne Dogmen oder Riten trennen, sondern im tiefsten Grunde zwei verschiedene Perspektiven auf dieselben Dinge, woraus sich dann die verschiedenen Dogmen und Riten als Folge ergeben.
Nun möchte ich im Folgenden kurz die wesentlichen Prinzipien schildern, die in der römisch-katholischen Kirche am Wirken sind. Es handelt sich dabei im wesentlichen um drei Prinzipien, die auch für Wahlrechtsfragen bedeutsam sind:
1. Das Prinzip der Profanität und der Weihe:
In der römisch-katholischen Kirche spielt die Weihe eine grosse Rolle. Was nicht geweiht ist, ist profan und somit hinfällig. "Hinfällig" in dem Sinne zu verstehen, dass es keine Kraft aus sich heraus zu erlangen bzw. auszuüben vermag. Wer in die römisch-katholische Kirche aufgenommen wird, wird getauft und später gefirmt. Dadurch erhält er Anteil an der Weihesphäre der Kirche, wird ein Stück weit aus dem Bereich des Profanen gehoben und hat zumindest passiven Anteil an der Weihekraft der Kirche. Daraus folgt nun aber, dass Leute, die keine besondere Weihe erhalten haben, nicht fähig sind, etwas Besonderes zu wirken. Sie mögen tauglich sein für profane Angelegenheiten, aber nicht für mehr. Es ist daher schlicht undenkbar, dass innerhalb der römisch-katholischen Kirche eine Person ohne Weihe etwas Besonderes tut oder eine Funktion ausübt, die wesentlich über profane Alltagsangelegenheiten hinaus wichtig ist. Voraussetzung dafür, solche Funktionen zu bekleiden, ist die Weihe, die heute im Wesentlichen eine dreifache ist: Die Weihe des Diakons, die Priesterweihe, die der geweihten Person ein besonderes, unauslöschliches Prägemal aufdrückt und nicht sie, sondern eine andere, heilige Kraft amtieren lässt, sowie die Bischofsweihe, die die Fülle der Weihekraft in sich schliesst (auch Erzbischöfe, Metropoliten, Patriarchen, Kardinäle und der Papst haben "nur" die Bischofsweihe, ungeachtet ihrer jeweils verschiedenen Funktionen; der Papst als Bischof von Rom ist quasi nur der Bischof in Perfektion). Es ist also notwendig, dass besondere Funktionäre auch die Weihe empfangen haben, um ihrer besonderen Funktion gerecht werden zu können. Die Weihe zusammen mit dem Amt ergibt das, was der CIC als "Leitungsgewalt" umschreibt. Ohne diese Leitungsgewalt kann kein Glied der weltweiten Kirche auskommen, sondern sie ist konstitutiv für den Bestand der kirchlichen Gemeinschaft schlechthin.
Man braucht nun nicht weit zu suchen, um ähnliches in unserer eigenen Vergangenheit zu finden: In Rom wurden z. B. bestimmte Funktionen inauguriert. D. h. ein Augur musste diesen Personen eine Art Weihung angedeihen lassen. Augustus, dessen Titel sich vom selben Wortstamm ableitet, machte sich dies zunutze und liess seine Person an sich im Lichte solcher religiöser Kraft erscheinen. Und jeder Amtsträger mit imperium musste in sakralrechtlicher Weise Auspizien einholen, d.h. die göttliche Bestätigung seiner Wahl und gewisser Amtsakte. Germanische Könige genossen den Ruf des Königsheils, einer Art besonderer Kraft oder Aura, der sie ihre Stellung verdankten. Noch in rezenten Zeiten bestand die "Wahl" eines Herrschers letztlich nur darin, die geeignetste Person aus einem Geschlecht zu finden, das sich in der Vergangenheit als besonders begnadet und begabt erwiesen hatte. Ja, auch das "Charisma", das man heute von Politikern zu fordern pflegt, ist seinem Ursprung nach nichts anderes, heisst es doch wörtlich "Gnadengabe".
2. Das Prinzip der Sukzession (Designation und Kooptation):
Wie sich eigentlich aus dem unter 1. zur Weihe gesagten schon ergibt, kann eine Weihe nicht aus dem Nichts heraus beansprucht werden, sondern eine Weihe muss einem zuteil werden, d. h. von einem andern her übertragen werden. Das äussert sich darin, dass die Weihe von einem bereits Geweihten auf den zu Weihenden übertragen wird. In Theorie und Geschichtsschreibung entspricht dem die Reihe ununterbrochener Sukzession im Amt: Christus berief und weihte die Apostel, diese beriefen und weihten Bischöfe, die wiederum ihre Nachfolger bestellten und weihten usf. bis heute. Es handelt sich also in jeder Generation um DIESELBE Weihe, die gleichsam wie ein Erbstück von Generation zu Generation weitergereicht wird.
Das bedeutet nun aber, dass eine freie Wahl in unserem modernen Sinne gar nicht denkbar ist. Den entscheidenden Schritt kann nur der Geweihte machen, seine Verantwortung aber verbietet es ihm, eine Person zu weihen, die er nicht auf Herz und Nieren (übrigens eine Wendung biblischen Ursprungs!) geprüft hat. Jede Wahl durch profane Personen wäre somit nur eine Farce, ja, kann sogar gefährlich sein - könnte dabei ja eine unwürdige Person gewählt werden. Wie immer diese Wahl aber auch ausfallen würde - die Weihe könnte nur ein Geweihter wirksam erteilen.
Berufene Wähler können somit nur Gleichgestellte oder Höhere sein. Der Bischof kann aus eigener Vollmacht Priester weihen, aber Priester können keine Priester weihen, Bischöfe Bischöfe nur mit apostolischer, d. h. päpstlicher Genehmigung usw.
Wir haben es hier also mit zwei Erscheinungen zu tun, die früher häufig waren: Designation und Kooptation. Ernennt und weiht ein Bischof einen Priester oder Diakon, so handelt es sich um eine Form der Designation. Der Bischof gibt einen Anteil seiner eigenen Weihe gleichsam von Hand zu Hand an eine andere Person weiter. Wird ein Bischof oder der Papst gewählt, so sind immer mehrerer Bischöfe beteiligt, und somit kooptieren sie gleichsam eine Person in ihr weltweites Kollegium.
Designation und Kooptation sind in der Vergangenheit auch bei uns weit verbreitet gewesen. Bekannt ist z. B. die Kooptation der Priesterämter in Rom, in der Frühzeit der römischen Republik hat Designation und Kooptation vielleicht auch eine Rolle bei profanen Ämtern gespielt. Ein Diktator wurde z. B. auf Beschluss des Senats von einem Konsul ernannt, dieser ernannte dann seinen Reiterobersten. Im Mittelalter gab es in manchen Städten die Kooptation der Ratsherren oder der Rat wählte jeweils Ende eines Jahres seine Nachfolger im Rat (und so gab gleichsam von Jahr zu Jahr der Rat das Amt an eine neue Generation weiter). Bekannt ist auch das System der Rats"wahl" im alten Bern: Sank die Mitgliederzahl unter eine bestimmte Grenze, ernannte jedes Mitglied ein neues Mitglied - eine Art designative Kooptation.
3. Das Prinzip der Delegation:
In der römisch-katholischen Kirche ist es möglich, in weitestem Umfang Befugnisse durch Delegation zu übertragen und auf diesem Wege quasi neue Ämter zu schaffen. Z. B. ernennt jeder Bischof einen Offizial als Gerichtsvikar. Dieser vertritt den Bischof als Richter. Nach dem Wortlaut des CIC bilden er und der Bischof ein einziges Gericht. Die Delegation ist damit aber nicht beendet, vielmehr kann der Offizial Beisitzer hinzuziehen, die er selbst als Mit-Richter ausliest, ja, er muss dies sogar in gewissen Fällen tun. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Beauftragung, wie man etwa einen Handwerker aussucht und damit beauftragt, einen Wasserhahn zu reparieren (was man mit einigem Geschick und genügend Freizeit auch selbst tun könnte). Vielmehr steht der Offizial gleichsam an der Stelle des Bischofs selbst, hat ein Stück weit Teil an der Stellung, die der Bischof selbst innehat. Der Bischof überträgt ihm gleichsam einen Teil seiner eigenen Urteilsfähigkeit und Autorität. Diese ist zwar an die Person des Bischofs geknüpft, von dem die Delegation ausgeht, doch ist sie ihrer Natur nach nicht ein Ausfluss des Bischofs, sondern Gottes Gabe und somit etwas, was eigentlich unabhängig von den Personen besteht und von derjenigen, die sie nun einmal gerade innehat, gleichsam kommisarisch "ausgeliehen" oder "verschenkt" werden kann. Daher kann der, der einen Teil davon kommissarisch erhalten hat, auch im Rahmen seines Anteils weiterdelegieren. Gleichwohl ist die Delegation nicht aus sich selbst heraus beständig, sondern hängt immer von der Person ab, von der sie ausgeht. Soweit nicht eine Delegation ausdrücklich für diesen Fall vorgesehen ist (etwa beim Camerlengo des Vatikans), erlischt sie nämlich automatisch, wenn die Stelle des ursprünglichen Delegierenden vakant wird. Dies ist auch nur konsequent, weil damit ja die Gnadengabe sozusagen an Gott zurückfällt, bis sie wieder in vorgeschriebener Weise auf einen rechtmässigen Nachfolger übertragen wurde, der sie dann wiederum delegieren kann. Delegation in weitem Umfang liegt im Vatikan vor: Fast jeder Posten, der dort zu vergeben ist, ist letztlich eine Delegation eines Teils der päpstlichen Gewalt. Wie bei den Vikaren eines Bischofs auch fallen die meisten dieser Delegationen bei Erledigung des Papstamtes dahin, nur einige Vollmachten, die ausdrücklich für diesen Fall bestimmt sind, wie der Camerlengo und das Konklave der Kardinäle, gelten weiter. Die Kardinäle sind geweiht und stellen sozusagen kraft päpstlicher Delegation die Spitze des weltweiten Bischofskollegiums dar. Sie haben kraft ihrer Weihe eine eigene Berufung und Gewalt, sind aber für die Papstwahl im Grunde nur Delegierte. Das ist im römisch-katholischen Kirchenrecht nicht unbedingt ungewöhnlich. So ist z. B. die Wahlbitte vorgesehen und eingehend reglementiert: Ein Kreis von Wahlberechtigten kann sich darauf einigen, die Wahl auf eine Person oder einen Personenkreis zu delegieren, die ausserhalb ihrer eigenen Reihen stehen. Das ist ein Recht, das meines Wissens sonst überall nicht mehr geübt wird.
Es mag vorkommen, dass z. B. in einem Parlament gewisse Wahlen auf einen Ausschuss übertragen werden oder dass ein Ausschuss oder eine externe Kommission die Wahlen in der Weise vorbereitet, dass ein Kandidat ausgewählt wird, der danach der Zustimmung des Plenums bedarf, oder dass mehrere Vorschläge zu Handen des Plenums gemacht werden, die verbindlich oder auch unverbindlich sein können, es fällt jedoch schwer sich vorzustellen, dass der deutsche Bundestag beschlösse, die Auswahl der Verfassungsrichter im Einzelfall einem Ausschuss des Richterbundes zu übertragen, oder dass die Bundestagswähler (abgesehen von der praktischen Durchführung!) einigen angesehenen Leuten die Wahl der Abgeordneten delegierten.
In unserer Geschichte kommt solches allerdings durchaus vor. Im alten Rom war es z. B. weithin üblich, dass Magistrate ihre Aufgaben durch Legaten wahrnehmen liessen. Legaten amtierten als Feldherren, als Provinzstatthalter oder aber es wirkten delegierte Richter im Auftrag des Gerichtsmagistraten. Und die Legaten ihrerseits wählten durchaus auch ihre Unterbeamten aus usw. Gleichwohl galten ihre Leistungen stets als die des delegierenden Beamten, so feierte z. B. dieser den Triumph nach einem Sieg, nicht etwa der Legat, der tatsächlich die Truppen angeführt hatte.
Noch nicht allzulange ist es auch her, dass der Staatspräsident einen Ministerpräsidenten ernannte (der dann noch des Vertrauensvotums bedurfte), dieser benannte dann die Minster, die Minister ernannten ihre Staatssekretäre usw., der Ministerpräsident die Präfekten, die Präfekten die Unterpräfekten usw., letztlich eine Reihe von Delegationen ausgehend nur vom Staatspräsidenten. Auch die Wahlbitte kam in der Vergangenheit öfter vor, so gab es durchaus Gemeinwesen, die eine Autorität wie einen fremden König darum ersuchten, ihnen einen Herrscher zu geben, der dann aber nicht Untertan dieses Königs war, sondern nur von diesem kraft Delegation des Gemeinwesens eingesetzt.

Ich habe mit diesen Ausführungen versucht zu zeigen, was für Denkmuster hinter einer Papstwahl versteckt sind und was dabei so alles eine Rolle spielen kann. Zugleich habe ich versucht zu zeigen, dass es sich dabei um Prinzipien handelt, die unserer eigenen Geschichte nicht fremd sind, sich aber ausserhalb der römisch-katholischen Kirche kaum erhalten haben.
Es liegt mir fern, an dieser Stelle diese Prinzipien kommentieren, kritisieren oder bewerten zu wollen. Ich beanspruche auch nicht, damit die geistigen Hintergründe vollständig und einwandfrei dargestellt zu haben.
Es wäre mir daher lieb, wenn pro- und antikatholisch eingestellte Personen diese Ausführungen im eben umrissenen Sinne sine ira et studio verstehen möchten.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 24. Februar 2005 - 10:56 Uhr:   

@Philipp:
Vielen Dank für diesen ausführlichen Beitrag.
Und dabei eine generelle Rückmeldung an alle Diskussionsteilnehmer hier: Auch wenn nicht immer eine Antwort kommt - in diesem Forum werden auch lange Texte aufmerksam und mit Interesse gelesen.
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Immanuel Goldstein
Veröffentlicht am Donnerstag, 24. Februar 2005 - 13:47 Uhr:   

@ (den hochgeschätzten) Philipp Wälchli
Vielen Dank für diesen wundervollen Beitrag.
Ich habe Ihnen aber nicht direkt Platonismus (wobei das was Plato Idee nennt durchaus auch manchmal als Struktur der Realität interpretiert worden ist) vorgeworfen (was für mich tatsächlich ein Vorwurf ist), sondern Sie (vielleicht fälschlicherweise) in die Nähe einer Tradition gerückt die u.a. Plato beinhaltet aber halt noch einiges anderes (durchaus auch positives).
Anlass für mich war folgender Beitrag von Ihnen :"Falls es die Welt an und für sich gibt, dann sollte sie eigentlich auch an und für sich gewisse Strukturen bzw. Eigenschaften haben." Man könnte alle solche Vorstellungen auch unter dem stark mißbrauchten Begriff "Philosophie" zusammenfassen. Ich teile sie nur eingeschränkt mit vielen anderen Menschen. Falls Sie sich durch meine Einwände mißverstanden fühlen, entschuldige ich mich hiermit.
Zu Ihren sonstigen Ausführungen kann ich Ihnen nur gratulieren und Ihnen meine fast vollkommene Zustimmung mitteilen. Mich freut dass unsere frühere Diskussion über die röm. Republik unser beider Wissen gegenseitig ergänzt hat (wollte seitdem Ihnen schon immer dafür danken).
Ich möchte nur ergänzend darauf hinweisen, dass erst seit dem 4. Konzil von Konstantinopel (869/870) Laien nicht mehr an der Bischofswahl teilnehmen dürfen und auch die später noch weitverbreitete Laieninvestitur die obigen Ausführungen leicht einschränken (nicht falsifizieren - will daraufhinweisen, dass die Katholiken komplizierter und vielschichtiger sind als manchmal angenommen). Kleine Ergänzung zum "germ." Königsheil: meines Wissen ist die Frage noch nicht geklärt ob das nicht doch einfach eine Übernahme röm. Traditionen war (die meisten "germ. Könige" waren ja gleichzeitig röm. Militärs) - außerdem finde ich den Begriff "germanisch" außerhalb der Sprachforschung problematisch, das es nie ein "germanisches Kollektivverständniss" oder Eigenbezeichnung noch ein germanisches Einheitsvolk gegeben hat; sinngemäß ist der einschränkende Begriff "Allgemeingermanen" (in der Tradition einer röm. Fremdbeschreibung) treffender.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 24. Februar 2005 - 14:42 Uhr:   

@Immanuel:
> Kleine Ergänzung zum "germ." Königsheil: meines Wissen ist die Frage
> noch nicht geklärt ob das nicht doch einfach eine Übernahme röm.
> Traditionen war ...
Das ist ein interessanter Aspekt, darüber habe ich noch nicht nachgedacht.
Mir fallen eben auch gar keine Beispiele ein, daß die Germanen vor dem Kontakt mit den Römern überhaupt das Konzept "Königtum" verwendet hätten - da gab es doch weitgehend nur Stammeshäuptlinge und in Kriegszeiten die vorübergehend verwendete Herzogs-Funktion.

> außerdem finde ich den Begriff "germanisch" außerhalb der
> Sprachforschung problematisch, das es nie ein "germanisches
> Kollektivverständniss" oder Eigenbezeichnung noch ein germanisches
> Einheitsvolk gegeben hat;
Das halte ich für unproblematisch.
Es ist doch eher typisch für so eine lockere Sprach-/Kultur-Gemeinschaft, daß die Mitglieder eher das Trennende nach Stämmen oder Sippen sehen, und erst außenstehende Betrachter das Gemeinsame erkennen und mit einem Namen versehen.

Siehe Beispiele wie "Kelten" oder "Indianer". Die haben sich auch nie als ein Volk gesehen - aber doch ist es sinnvoll, sie in gewissen Kontexten mit einem gemeinsamen Begriff zu bezeichnen.
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Immanuel Goldstein
Veröffentlicht am Donnerstag, 24. Februar 2005 - 15:09 Uhr:   

@ Ralf Arnemann
Das Problem ist ja eben Kelten von Germanen (v.a. am Rhein, aber auch in Bayern und Böhmen) zu unterscheiden (v.a. archäologisch). Der Begriff Germanen wurde von Caesar verwendet (und eingeführt, aber auf in einer sehr kleine Region beheimatet) um die linksrheinische von der rechtsrheinschen Bevölkerung zu unterscheiden eben um sein Eingreifen Links des Rheins zurechtfertigen ("Ariovists Germanen" fallen bei den Kelten ein) - er hält es aber nicht konsequent ein (plötzliche Erwähnung linksrheinischer Germanen, obwohl er dies vorher laut Caesar gar nicht gab). Tacitus (der nie Kontakt mit der Region hatte) germania war eine Prokjektion von Tugenden um an die Römer moralisch zu appelieren (die bei ihm einen 20-mal so großen wie bei Caesar besiedeln) - als Quelle über die Germanen hat sie isch nach langer Rezeption als schließlich untauglich erwiesen (z.B. verwendet er alle antiken, klassischen Stereotype über die Barbaren - egal ob Kelten, Thraker, Stythen etc...).
Eine germanische Kulutrgemeinschaft lässt sich nicht rekonstruieren (und widerspricht den archäologischen Begenheiten) .
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 24. Februar 2005 - 16:50 Uhr:   

@Immanuel:
> Das Problem ist ja eben Kelten von Germanen (...) zu unterscheiden
> (v.a. archäologisch).
Sicher ist das im Einzelfall ein Problem, wenn man zu wenig über die konkreten Stämme weiß.
Und da kann man sich in der Tat nicht völlig auf Cäsar und Co. verlassen.

Das heißt aber nicht, daß die Unterscheidung grundsätzlich nicht vorhanden oder für die Zeitgenossen nicht klar ersichtlich gewesen wäre.

Schließlich sind die keltischen und die germanischen Sprachen durchaus so unterschiedlich, daß da kein fließender Übergang möglich ist.

> Eine germanische Kulutrgemeinschaft lässt sich nicht rekonstruieren
Da ist die Frage, welche Kriterien man für eine solche Gemeinschaft stellt.
Es gab gewiß keinen einheitlichen Religionskult, und bei Götterverehrung und Bräuchen sind schon eher fließende Übergänge zu keltischen oder anderen Völkern möglich.

Aber einen gewissen Kern an wichtigen Göttern und Sagen scheinen doch alle germanischen Stämme/Völker gemeinsam gehabt haben, und dieser Kern unterscheidet sich schon deutlich vom keltischen (insbesondere fehlt die Druiden-Tradition).

Man sollte den Begriff "germanisch" durchaus mit Vorsicht verwenden, und ihn natürlich nicht mit später hineingelegten Bedeutungen versehen. Aber sinnvoll scheint er mir schon zu sein.
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gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Donnerstag, 24. Februar 2005 - 21:59 Uhr:   

@Philipp Wälchli

Auch von mir vielen Dank für Ihren erhellenden Beitrag. Vielleicht darf ich aber noch ein bischen an den Details rummäkeln.

Philipp Wälchli schrieb:
"
In der römisch-katholischen Kirche haben sich einige Prinzipien erhalten, die sonst aus unserer Welt jedenfalls im "modernen" Europa weitestgehend verschwunden sind. Diese Prinzipien bestimmen zugleich einen Denkrahmen, der eine Weltsicht eröffnet und damit unsere gewohnte liberale, säkulare und demokratische Sicht der Dinge ausschliesst.
"

Eine im modernen Sinne demokratische katholische Kirchenverfassung kommt tatsächlich nicht in Frage. Aber: Eine demokratische Staatsverfassung ist nicht nur mit der katholischen Weltsicht vereinbahr sondern sogar von ihr gefordert.

Philipp Wälchli schrieb:
"
Ich bin als Reformierter entschieden der Auffassung, dass uns nicht so sehr einzelne Dogmen oder Riten trennen, sondern im tiefsten Grunde zwei verschiedene Perspektiven auf dieselben Dinge, woraus sich dann die verschiedenen Dogmen und Riten als Folge ergeben.
"


Da ist etwas Wahres drann. Die verschiedene Sicht der Dinge bezieht sich allerdings nur nebenbei auf die hirarchische Verfassung der Kirche. Die Hauptprobleme liegen wohl in der Sakramentenlehre.

Philipp Wälchli schrieb:
"
In der römisch-katholischen Kirche spielt die Weihe eine grosse Rolle. Was nicht geweiht ist, ist profan und somit hinfällig. "Hinfällig" in dem Sinne zu verstehen, dass es keine Kraft aus sich heraus zu erlangen bzw. auszuüben vermag. Wer in die römisch-katholische Kirche aufgenommen wird, wird getauft und später gefirmt. Dadurch erhält er Anteil an der Weihesphäre der Kirche, wird ein Stück weit aus dem Bereich des Profanen gehoben und hat zumindest passiven Anteil an der Weihekraft der Kirche. Daraus folgt nun aber, dass Leute, die keine besondere Weihe erhalten haben, nicht fähig sind, etwas Besonderes zu wirken. Sie mögen tauglich sein für profane Angelegenheiten, aber nicht für mehr. Es ist daher schlicht undenkbar, dass innerhalb der römisch-katholischen Kirche eine Person ohne Weihe etwas Besonderes tut oder eine Funktion ausübt, die wesentlich über profane Alltagsangelegenheiten hinaus wichtig ist.
"


Nach dieser Definition ist für einen (nicht nur katholischen) Christen jeder Mensch außer Jesus Christus hinfällig. Da hilft auch keine Weihe.

Die Taufe hat mit der Weihe nichts zu tun und kann auch von Ungeweihten oder sogar Ungetauften gespendet werden. Von bestimmten Notlagen abgesehen wird sie von Priestern gespendet. Das ist aber eine von Menschen gemachte (allerdings m.E. sinnvolle) Vorschrift und keine Frage der Fähigkeit. Daher werden ja auch die protestantischen Taufen anerkannt.

In der Tat ist die katholische Kirche allerdings sakramental verfasst. Das führt dazu, dass manche Aufgaben den Klerikern vorbehalten sind. Selbstverständlich können aber auch Ungeweihte "etwas Besonderes [...] wirken". Äbte können z.B. je nach Orden ungeweiht sein. Auch gibt es ja massenhaft Heilige aus dem Laienstand.

Philipp Wälchli schrieb:
"
Voraussetzung dafür, solche Funktionen zu bekleiden, ist die Weihe, die heute im Wesentlichen eine dreifache ist: Die Weihe des Diakons, die Priesterweihe, die der geweihten Person ein besonderes, unauslöschliches Prägemal aufdrückt und nicht sie, sondern eine andere, heilige Kraft amtieren lässt, sowie die Bischofsweihe, die die Fülle der Weihekraft in sich schliesst
"


Die Weihe ist natürlich schon seit ihrer Einsetzung vor knapp 2000 Jahren dreistufig.

Ein unauslöschliches Prägemal bringen alle drei Stufen der Weihe und übrigens auch Taufe und Firmung mit sich. Es stimmt auch, dass der Kleriker nach katholischer Auffassung in manchen Angelegenheiten in persona Christi also gewissermaßen nicht selbst handelt. Der Kleriker bleibt allerdings bei der Ausübung der Leitungsgewalt er selbst. Davon kann man sich ja leider durch vielfältige historische Beispiele überzeugen.

Philipp Wälchli schrieb:
"
Wie sich eigentlich aus dem unter 1. zur Weihe gesagten schon ergibt, kann eine Weihe nicht aus dem Nichts heraus beansprucht werden, sondern eine Weihe muss einem zuteil werden, d. h. von einem andern her übertragen werden. Das äussert sich darin, dass die Weihe von einem bereits Geweihten auf den zu Weihenden übertragen wird. In Theorie und Geschichtsschreibung entspricht dem die Reihe ununterbrochener Sukzession im Amt: Christus berief und weihte die Apostel, diese beriefen und weihten Bischöfe, die wiederum ihre Nachfolger bestellten und weihten usf. bis heute. Es handelt sich also in jeder Generation um DIESELBE Weihe, die gleichsam wie ein Erbstück von Generation zu Generation weitergereicht wird.
"

Zur gültigen Weihe ist in der Tat die apostolische Sukzession erfordelich. Das kann man sich allerdings nicht als Delegation vorstellen. Wenn ein Bischof jemanden zum Bischof weiht sind es ja hinterher zwei (im Regelfall gleichrangige) Bischöfe. Die Bischöflichkeit (das Wort gibt es nicht aber ich denke es wird verstanden) des neuen Bischofs kommt auch nicht vom weihenden Bischof sondern direkt von Gott. Das ist einer der Punkte, wo sich die katholische und protestantische Sicht so radikal unterscheiden. Aus katholischer Sicht ist der eigentliche Sakramentenspender immer der Christus selbst, der dabei vom Kleriker nur gewissermaßen vertreten bzw. gegenwärtig gemacht wird. Die Weihe ist also nicht (nur) wegen der apostolischen Sukzession in jeder Generation die selbe, sondern auch direkt die selbe wie die erste Weihe, weil eben alle (gültigen) Weihen in persona Christi gespendet wurden.

Philipp Wälchli schrieb:
"
Das bedeutet nun aber, dass eine freie Wahl in unserem modernen Sinne gar nicht denkbar ist. Den entscheidenden Schritt kann nur der Geweihte machen, seine Verantwortung aber verbietet es ihm, eine Person zu weihen, die er nicht auf Herz und Nieren (übrigens eine Wendung biblischen Ursprungs!) geprüft hat. Jede Wahl durch profane Personen wäre somit nur eine Farce, ja, kann sogar gefährlich sein - könnte dabei ja eine unwürdige Person gewählt werden. Wie immer diese Wahl aber auch ausfallen würde - die Weihe könnte nur ein Geweihter wirksam erteilen.
"


Da muss man sehr streng zwischen Weihe und Ernennung unterscheiden. Z.B. wird ein Bischof typischerweise vom Papst ernannt aber dann von anderen Bischöfen geweiht. Auch werden die Weihen der Orthodoxen oder in neuerer Zeit der Lefebvrianer und des rotchinesischen Schismas als gültig wenn auch verboten anerkannt. Umgekehrt kann es in Deutschland je nach Bundesland durchaus noch eine staatliche Mitwirkung bei der Bestellung des Bischofs geben. (Die Kirche will allerdings ähnlichen Konkordaten in Zukunft nicht mehr zustimmen.) Die Weihe ist also durchaus vom Bestellungsverfahren trennbar.

Das Bestellungsverfahren ist durch kirchliches Gesetz geregelt, dass durchaus geändert werden könnte. Die Einführung einer demokratischen Kirchenverfassung würde also nicht an der Weihefrage sondern am Jurisdiktionsprimat scheitern. Konkret: Der Papst könnte theoretisch durchaus morgen das Kardinalskollegium abschaffen und die Wahl seines Nachfolgers durch das Kirchenvolk anordnen. Er könnte seinen Nachfolger aber nicht daran hindern das Verfahren wieder zu ändern. Ähnlich für Bischöfe: Der Papst könnte eine Wahl der Bischöfe vorschreiben. Er könnte dann aber jederzeit von diesem Gesetz Ausnahmen machen oder es wieder aufheben. Auf diese Rechte kann er nicht verzichten. Die "Demokratie" wäre also immer von der päpstlichen Duldung abhängig. Ich denke aber nicht, dass man die Wahl deshalb eine Farce nennen ksollte. Die Orden werden ja seit Jahrhunderten (lange bevor staatliche Demokratie üblich wurde) im Wesentlichen so geleitet.

Philipp Wälchli schrieb:
"
In der römisch-katholischen Kirche ist es möglich, in weitestem Umfang Befugnisse durch Delegation zu übertragen und auf diesem Wege quasi neue Ämter zu schaffen. Z. B. ernennt jeder Bischof einen Offizial als Gerichtsvikar.[...] Der Bischof überträgt ihm gleichsam einen Teil seiner eigenen Urteilsfähigkeit und Autorität. Diese ist zwar an die Person des Bischofs geknüpft, von dem die Delegation ausgeht, doch ist sie ihrer Natur nach nicht ein Ausfluss des Bischofs, sondern Gottes Gabe und somit etwas, was eigentlich unabhängig von den Personen besteht und von derjenigen, die sie nun einmal gerade innehat, gleichsam kommisarisch "ausgeliehen" oder "verschenkt" werden kann. Daher kann der, der einen Teil davon kommissarisch erhalten hat, auch im Rahmen seines Anteils weiterdelegieren.Gleichwohl ist die Delegation nicht aus sich selbst heraus beständig, sondern hängt immer von der Person ab, von der sie ausgeht. Soweit nicht eine Delegation ausdrücklich für diesen Fall vorgesehen ist (etwa beim Camerlengo des Vatikans), erlischt sie nämlich automatisch, wenn die Stelle des ursprünglichen Delegierenden vakant wird.
"

Nein. Die Delegationsfähigkeit ist erheblichen Einschränkungen unterworfen: Die gesetzgebende Gewalt unterhalb des Papstes (Die Ausnahme weil man dem Papst nichts vorschreiben kann.) kann nicht delegiert werden (Can. 135 §2). Die richterliche Gewalt kann zur Vorbereitung aber nicht für das Urteil delegiert werden (Can. 135 §3). Die ausführende Gewalt kann je nach Quelle und Umständen manchmal und manchmal nicht delegiert werden (Can. 137). Außerdem gilt:
CIC, Can 142 §1,Hervorhebung hinzugefügt:
"
Delegierte Gewalt erlischt: mit Erfüllung des Auftrages; mit Ablauf der Zeit oder durch Erledigung aller Fälle, für die sie übertragen wurde; durch Wegfall der Zweckursache der Delegation; durch Widerruf seitens des Deleganten, der dem Delegierten unmittelbar mitgeteilt wurde, sowie durch Verzicht seitens des Delegierten, der dem Deleganten angezeigt und von diesem angenommen wurde; nicht aber durch Erlöschen des Rechtes des Deleganten, sofern dies nicht aus beigefügten Klauseln hervorgeht.
"

Für den Gerichtsvikar ist sogar (Can. 1420 §5) vorgeschrieben, dass der Diozösanadministrator ihn nicht entlassen kann, d.h. dass er bis zur Ernennung und Weihe des neuen Bischofs im Amt bleibt. Langer Rede kurtzer Sinn: Die Delegationsfähigkeit hängt von den kirchengesetzlichen Bestimmungen ab. Es ist nicht die weiterverliehene Gewalt des Deleganden, sondern sie ist in den vorgesehenen Fällen kraft Gesetz dem Delegierten zugestanden. Die eigentlichen Gottesgaben (Charismen) sind übrigens nicht delegierbar. Wenn ein Priester es mir auch beliebig oft erlauben würde könnte ich doch keine gültige Messe feiern. Das Gleiche gilt auch z.B. für die päpstliche Unfehlbarkeit.

Philipp Wälchli schrieb:
"
Das ist im römisch-katholischen Kirchenrecht nicht unbedingt ungewöhnlich. So ist z. B. die Wahlbitte vorgesehen und eingehend reglementiert: Ein Kreis von Wahlberechtigten kann sich darauf einigen, die Wahl auf eine Person oder einen Personenkreis zu delegieren, die ausserhalb ihrer eigenen Reihen stehen.
"

Eine Pedanterie vorweg: Dieses Verfahren nennt man Wahlauftrag. Eine Wahlbitte ist dagegen die Bitte an eine höhere Autorität einen eigentlich nicht Wählbaren wählen zu dürfen.
Eigentlicher Punkt: Das ist eben kirchenrechtlich erlaubt und könnte genauso verboten sein. (Für den Spezialfall der Papstwahl ist es verboten.) Auch hier ist es letztendlich so, dass die eigentlich Wahlberechtigten nicht ihr eigenes Wahlrecht übertragen, sondern dass das Gesetz eben im Falle eines Wahlauftrages den Beauftragten das Wahlrecht zugesteht.
Philipp Wälchli schrieb:
"
Ich habe mit diesen Ausführungen versucht zu zeigen, was für Denkmuster hinter einer Papstwahl versteckt sind und was dabei so alles eine Rolle spielen kann.
"

Dafür nochmals vielen Dank. Auch wenn ich einiges daran auszusetzen habe, glaube ich doch, dass ihre Ausführungen vieles verständlicher machen.
Philipp Wälchli schrieb:
"
Es wäre mir daher lieb, wenn pro- und antikatholisch eingestellte Personen diese Ausführungen im eben umrissenen Sinne sine ira et studio verstehen möchten.
"

Sicherlich sine ira. Aber zu sine studio bin ich dann doch nicht fähig. :-)

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