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Mitdenker
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Sonntag, 29. Juni 2008 - 14:41 Uhr: | |
Gibt es Rahmenvorgaben für die 16 Landtagwahlrechte? Kann, z. B. ein Land das Mehrheitswahlrecht einführen? |

Philipp Waelchli Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 29. Juni 2008 - 16:45 Uhr: | |
Art. 28 I GG und darauf gestützte Rechtsprechung |

AeD Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 29. Juni 2008 - 22:25 Uhr: | |
@Mitdenker Kann, z. B. ein Land das Mehrheitswahlrecht einführen? Das kommt darauf an: In einigen Landesverfassungen (etwa Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen) ist eine Verhältniswahl festgelegt. Die Festlegung kann jedoch mit der für eine Verfassungsänderung notwendigen qualifizierten Mehrheit geändert werden. |

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Sonntag, 29. Juni 2008 - 23:45 Uhr: | |
Bundesrechtlich ist, wie schon gesagt, Art. 28 GG relevant. Landesrechtlich ist in den Verfassungen natürlich immer die gleiche, geheime und direkte Wahl festgeschrieben. In den meisten Länderverfassungen finden sich aber nähere Regelungen zum Wahlrecht, nur in NRW und Schleswig-Holstein findet sich gar nichts Weitergehendes, in Hamburg ist nur die Größe der Bürgerschaft (mindestens 120 Abg.) festgeschrieben. In Schleswig-Holstein ist jedoch staatsvertraglich die Befreiung der dänischen Minderheit von der Sperrklausel vorgegeben. Verhältniswahl schreiben die Verfassungen folgender Länder vor: Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und die fünf neuen Länder. In Bayern ist ein "verbessertes Verhälniswahlrecht" vorgeschrieben, im Saarland nur Verhältniswahl, in den übrigen Ländern mit der Personenwahl verbundene Verhältniswahl oder sinngleiche Formulierungen. Die 5%-Hürde ist in der Verfassung obligatorisch verankert in Bayern, Niedersachen, Thüringen, Berlin (hier alternativ ein Direktmandat) und Bremen (getrennt für Bremen und Bremerhaven). In Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz ist die 5%-Hürde fakultativ verankert. Eine Größenvorgabe für das Landesparlament gibt es neben Hamburg in Bayern, Sachsen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland. Detaillierte Bestimmungen darüber hinaus gibt es in Bayern, in Bremen sind die beiden getrennten Wahlgebiete für Bremen und Bremerhaven festgeschrieben. Der entsprechende Verfassungsartikel kann nur unter verschärften Bedingungen gegenüber einer "normalen" Verfassungsänderung geändert werden. |

Mitdenker
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 12. August 2008 - 14:58 Uhr: | |
Im Prinzip spricht in Nordrhein-Westfalen und Hamburg, rechtlich nichts gegen ein Mehrheitswahlrecht. Nordrhein-Westfalen verteilt ja bereits 128 von 180 Sollsitzen in Einerwahlkreisen nach der relativen Mehrheitswahl. Andererseits sind ja Ausgleichsmandate vorgesehen. Hamburg hat seit 1957 bis 2004 die Verhältniswahl mit starren Listen gehabt. Die Mehrheitswahl für alle Sitze ist hier noch mental nicht denkbar. Ich die Frage hatte im Sinn, ob das Bundesverfassungsgericht oder ein Landesverfassungsgericht, das Mehrheitswahlrecht jemals ausgeschlossen hatte. In der Schweiz hatte das dortige Bundesgericht entschieden, dass die Wahlkreise bei den Kantonsratswahlen, mindestens 10 Sitze haben müssen, sofern sie nicht historisch gewachsen sind. |

Norddeutscher Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 07. September 2008 - 02:39 Uhr: | |
@Mitdenker Da es reines Mehrheitswahlrecht noch in keinem Wahlgesetz in der BRD gegeben hat, konnte auch noch kein Verfassungsgericht darüber entscheiden. Das - grenzwertige - Grabenwahlrecht, das in Hamburg 1946, 1949 und 1953 verwendet worden ist, ist nicht vor Gericht angegriffen worden und wurde vom Hamburg-Block während seiner Regierungszeit für das bis 2004 geltende reine Verhältniswahlrecht gecancelt. |

Föderalist Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2013 - 16:48 Uhr: | |
Wieso ist es historisch eigentlich so gekommen, dass sich die Wahlrechte aller 16 Länder ihrem Wesen nach recht stark ähneln (Verhältniswahlrecht)? Es gibt zwar Unterschiede im Detail, aber eben z.B. kein Land, dass ein Mehrheitswahlrecht hat.... |

Frank Schmidt
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2013 - 21:13 Uhr: | |
@Föderalist Im Bund war zur Zeit der ersten großen Koalition mal das sogenannte Dreierwahlrecht im Gespräch, praktisch ein Mini-Verhältniswahlrecht in voneinander unabhängigen Wahlkreisen, in denen 3 (oder 4) Abgeordnete gewählt würden. Das Ergebnis wäre gewesen, dass praktisch nur noch SPD und Union im Bundestag gesessen hätten. Aber beide Parteien wollten das Risiko nicht eingehen, dass die jeweils andere die absolute Mehrheit gewinnen könnte. In den Ländern war es bestimmt ähnlich. Wie gesagt, in Hamburg gab es mal ein Grabenwahlrecht (ein Teil der Abgeordneten wurde durch Verhältniswahl gewählt, ein Teil durch Mehrheitswahlrecht), aber es wurde abgeschafft. |

tg
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2013 - 23:24 Uhr: | |
Eine große Ausnahme gibt es aber schon: Bremen mit seiner Aufteilung in zwei Wahlgebiete mit jeweils eigener 5-%-Hürde. |

Jan W.
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2013 - 23:28 Uhr: | |
Ansonsten sind die Hauptunterschiede die Ein- und Zweistimmenwahlrechte, das hanseatische Kumulieren/Panaschieren und die Regionallisten in Bayern/BaWü und im Saarland - teilweise auch mit regionalen Überhängen. |

Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2013 - 01:31 Uhr: | |
@Föderalist: Erstmal ist es halt so, dass die Verhältniswahl an sich aus der Weimarer Zeit allgemein etabliert war. Der Wunsch, das zu ändern, war letztlich eine Minderheitsposition. Seitens der Militärregierungen hat es nur in der britischen Zone starke Bestrebungen gegen die Verhältniswahl gegeben (und die ersten Wahlen dort waren auch keine). Die Amerikaner waren nur gegen ein reines Listensystem. Recht erstaunlich ist allerdings, dass das ziemlich schnell weitgehend zur "personalisierten Verhältniswahl" mit relativer Mehrheitswahl in Einerwahlkreisen konvergiert ist. Meines Wissens hat es das vorher so nie gegeben; zuvor waren eigentlich Mehrpersonenwahlkreise üblich. Wahrscheinlich hat da die Mehrheitswahllobby eine Rolle gespielt, und bei der Entwicklung neuer Wahlsysteme haben sie dann wohl auch mehr oder weniger voneinander abgeschrieben. Anfangs hat es aber noch deutlichere Unterschiede gegeben als heute. Für NRW hab ich hier was zur unmittelbaren Nachkriegsentwicklung zusammengestellt. |