Erststimme

[Tipps und Tricks 2009]

Tipps und Tricks zur Erststimme

Mit der Erststimme können Sie in der Regel – und im Gegensatz zur Zweitstimmekeinen Einfluss auf die Sitzverteilung zwischen den Parteien nehmen. In vielen Wahlkreisen spielt das Erststimmenergebnis nicht einmal eine Rolle für die personelle Zusammensetzung des Bundestags, so dass die Erststimme hier praktisch wertlos ist.

Trotzdem erzielt auch die Erststimme in einigen Fällen eine Wirkung, sie hat dann nämlich einen Einfluss auf:

  1. das Verhältnis der Stärke der Parteien im Bundestag,
  2. die personelle Zusammensetzung der Fraktionen,
  3. den persönlichen Erfolg eines Wahlkreisgewinners (symbolisch) bzw.
  4. die staatliche Parteienfinanzierung.

A. Einfluss auf das Stärkeverhältnis der Parteien im Parlament

Auswirkungen auf die Sitzverteilung zwischen den Parteien hat die Erststimme nur in folgenden Fällen:

Wenn eine Partei in einem Bundesland (aufgrund der Erststimmen) in den Wahlkreisen mehr Mandate gewinnt, als ihr nach dem Anteil der Zweitstimmen zustehen, so darf sie diese zusätzlichen Mandate behalten. In Bundesländern, in denen solche Überhangmandate für eine Partei möglich sind, kann man also durch Wahl des Kandidaten der betroffenen Partei bzw. seines aussichtsreichsten Gegenkandidaten Einfluss auf die Sitzverteilung nehmen.

Überhangmandate sind bei der Bundestagswahl 2009 in den meisten Bundesländern mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit denkbar. Ausschließen kann man praktisch nur die beiden großen Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Hier eine Übersicht der Länder, in denen die jeweilige Partei auf Überhangmandate hoffen kann:

Das sind für die CDU:

Für die CSU:

Für die SPD:

Für DIE LINKE:

Für andere Parteien erwarten wir keine Überhangmandate.

[Detaillierte Informationen zur Situation in den einzelnen Bundesländern]

Eine Partei, die mindestens drei Direktmandate erringt, ist auch dann im Bundestag entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil vertreten, wenn sie an der Fünfprozenthürde scheitert. Auf diesem Wege war 1994 die PDS wieder in den Bundestag eingezogen. Auch 2005 hat die Vorgängerpartei der Partei DIE LINKE drei Direktmandate gewonnen. Für DIE LINKE deuten die Wahlumfragen der letzten Monate diesmal jedoch auf ein deutlich über 5 % liegendes Ergebnis hin, so dass wir nicht davon ausgehen, dass die Anwendung der Grundmandatsklausel nötig wird, um wieder in den Bundestag einzuziehen.

(Ansonsten hätten wir den Wählern, die DIE LINKE wieder im Bundestag sehen möchte, empfohlen, in den Wahlkreisen, in denen DIE LINKE eine Siegchance hat, ihr die Erststimme geben und umgekehrt den Wählern, die den Einzug verhindern wollen, zur Wahl des am ehesten erfolgversprechenden Gegenkandidaten ohne Ansehen dessen Parteizugehörigkeit geraten, sofern dies nicht andererseits Auswirkungen auf Überhangmandate hat.)

Natürlich könnten auch Kandidaten antreten, die für keine Partei oder für eine Partei kandidieren, für die im Bundesland keine Landesliste zugelassen wurde. Bisher hatten nur drei formal parteiunabhängige Kandidaten bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 einen Wahlkreis gewonnen – und das auch nur, weil sie von einer Partei (durch Nichtkandidatur im Wahlkreis) unterstützt wurden.

Auch beliebte Kandidaten, die gegen den offiziellen Bewerber der Partei antreten, für die sie früher selbst kandidierten, schaffen in der Regel allenfalls einen Achtungserfolg (möglicherweise mit Anspruch auf Wahlkampfkostenerstattung).

So hatte auch der nach seinem Ausschluss aus der CDU fraktionslose Bundestagsabgeordnete und bei der Bundestagswahl 2005 als Einzelbewerber kandidierende Martin Hohmann (der 1998 und 2002 noch für die CDU antrat und den Wahlkreis sicher gewann) trotz der erreichten 21,5 % der Erststimmen nur Außenseiterchancen. Zumal die CDU im Wahlkampf zu Recht darauf hingewiesen hat, dass im Erfolgsfall die Zweitstimmen der Hohmann-Wähler nicht bei der Sitzverteilung berücksichtigt werden (aber bei der Wahlkampfkostenerstattung und bei der Berechnung der 5 %-Hürde). Dies sollten Sie beachten, wenn Sie einen Einzelbewerber ohne zugehörige Landesliste wählen wollen. Solche Direktkandidaten erkennt man auf dem Stimmzettel daran, dass in gleicher Höhe in der rechten Spalte kein Zweitstimmenfeld für eine Partei vorhanden ist.

Sofern im jeweiligen Bundesland eine Landesliste für die Partei zugelassen wurde, für die der Wahlkreiskandidat antritt, gilt diese Regelung nicht. Es kommt also beispielsweise nicht darauf an, ob der Direktkandidat gleichzeitig auch auf dieser Landesliste nominiert wurde. Selbst wenn mit der Erststimme ein Überhangmandat ermöglicht wurde, bleibt es bei der Berücksichtigung der Zweitstimme.

Obwohl es 2009 so viele unabhängige Wahlkreiskandidaten wie wohl noch zuvor bei einer Bundestagswahl geben wird, ist nicht davon auszugehen, dass einer dieser Kandidaten eine reale Chance auf den Gewinn eines Direktmandats hat.

B. Personeller Einfluss

Ob und wie Sie mit Ihrer Erststimme wenigstens Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Fraktionen nehmen können, hängt von der konkreten Situation in Ihrem Wahlkreis ab. Häufig ist die Erststimme praktisch bedeutungslos, da auf die meisten Wahlkreise eine der beiden folgenden Möglichkeiten zutrifft:

In diesen Fällen hat Ihre Erststimme lediglich symbolische Wirkung. Wenn Sie mögen, können Sie hier bedenkenlos einen chancenlosen Einzelkandidaten oder Kandidaten einer kleinen Partei wählen. Die freuen sich über jede Stimme.

Bei den restlichen Wahlkreisen, in denen es aussichtsreiche Kandidaten gibt, die nicht über die Landesliste abgesichert sind, ist wichtig, sich folgendes klarzumachen: Mit der Erststimme werden, von den erwähnten Ausnahmen abgesehen, keine zusätzlichen Mandate vergeben, sondern nur Kandidaten auf der Landesliste gegen einen (siegreichen) Direktkandidaten derselben Partei ausgetauscht.

Ein Vergleich der Wahlkreiskandidaten der unterschiedlichen Parteien allein nach dem Kriterium der Parteizugehörigkeit ist also wenig sinnvoll, da diese Kandidaten in erster Linie mit den Listenkandidaten ihrer Partei konkurrieren.

Um Ihre Erststimme in Hinblick auf einen personellen Einfluss optimal einzusetzen, sollten Sie prüfen, welcher der aussichtsreichen Direktkandidaten in Ihrem Wahlkreis auf der Liste abgesichert sind. Dabei können Sie zu einem der folgenden Ergebnisse kommen:

  1. Alle aussichtsreichen Kandidaten sind auf der Liste abgesichert.
    In diesem Fall ist Ihre Stimme für die personelle Zusammensetzung des Bundestags bedeutungslos.
     
  2. Nur ein aussichtsreicher Kandidat ist auf der Liste nicht abgesichert.
    In diesem Fall können Sie Einfluss darauf nehmen, ob der nicht abgesicherte Direktkandidat oder ein Listenkandidat derselben Partei in den Bundestag einziehen soll. Ein Problem dabei ist, dass man vor der Wahl nicht genau wissen kann, welcher Listenkandidat dies sein wird. Hier kann man nur für sich vergleichen, ob der Direktkandidat besser ist als das relevante Listenmittelfeld von dessen Partei, und dementsprechend entweder den nicht abgesicherten Direktkandidaten oder seinen abgesicherten Gegenkandidaten der anderen Partei mit der Erststimme wählen. Es kann hierbei also durchaus sinnvoll sein, nicht den Kandidaten der Partei zu wählen, die man unterstützen möchte – nämlich dann, wenn man den Direktkandidaten der bevorzugten Partei für schlechter hält als die Kandidaten auf der Landesliste.
     
  3. Zwei aussichtsreiche Kandidaten sind nicht auf der Liste abgesichert.
    In diesem Fall treffen Sie eine Wahl zwischen dem Direktkandidaten der CDU oder CSU und einem Listenkandidaten der SPD einerseits sowie dem Direktkandidaten der SPD und einem Listenkandidaten der CDU oder CSU andererseits. (Falls es mehr als zwei aussichtsreiche Kandidaten gibt oder diese nicht für CDU, CSU und SPD antreten, gilt dies entsprechend.)

C. Symbolischer Einfluss

Auch ohne formal gesehen an der Zusammensetzung des Bundestags etwas zu ändern, kann mit der Erststimme im Einzelfall ein gewisser politischer Einfluss ausgeübt werden. Zum Beispiel können Abgeordnete, deren Partei im jeweiligen Wahlkreis wesentlich mehr Erst- als Zweitstimmen erhalten hat, bisweilen von diesem persönlichen Erfolg profitieren, indem sie nach der Wahl einflussreiche Posten innerhalb der Fraktion oder gar der Regierung erhalten.

D. Staatliche Parteienfinanzierung

Unabhängig von der Sitzverteilung im Bundestag kann die Erststimme im Einzelfall auch Einfluss auf die staatliche Parteienfinanzierung haben. Voraussetzung dafür ist, dass der von Ihnen gewählte Kandidat mindestens zehn Prozent der Erststimmen erringt und entweder als Einzelkandidat antritt oder für eine Partei, für die in dem betreffenden Bundesland keine Landesliste zugelassen ist. Ein parteiloser Einzelkandidat bekommt dann einmalig 2,05 Euro pro Erststimme, eine Partei für jede Erststimme 85 Cent pro Jahr. Für die anderen Parteien richtet sich die staatliche Parteienfinanzierung nach der Zweitstimme.


von Matthias Cantow, Martin Fehndrich und Wilko Zicht (letzte Aktualisierung: 21.09.2009)