Großbritannien (House of Commons)

[Wahlsysteme im Ausland]

Parlamentswahl in Großbritannien am 12. Dezember 2019: Infos und umfangreiche Linkliste zur Wahl • #GE2019 bei Twitter

Wahlsystem

System der Wahl des Unterhauses (House of Commons [engl.]) des Parlaments im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland

Wahlkreise / Zahl der Abgeordneten

Das Wahlgebiet ist eingeteilt in 650 Wahlkreise. 2005 waren es 646 Wahlkreise, 2001 waren es 659. Es entfallen auf:

Die Größe der Wahlkreise lag 2010 zwischen 21.837 (Na h-Eileanan an Iar / Western Isles) und 110.924 (Isle of Wight) Wahlberechtigten. Der kleinste Wahlkreis in England war Wirral West mit 55.077 Wahlberechtigten. Arfon (Wales) ist der kleinste Nicht-Insel-Wahlkreis. Die 20 kleinsten liegen alle in Wales und Schottland.

Die Wahlkreise werden von vier Wahlkreiskommissionen regelmäßig (alle 8 bis 12 Jahre) überprüft. Wahlkreiskommission für England, für Schottland, für Wales, für Nordirland. 2015 gab es keine Änderungen im Wahlkreiszuschnitt gegenüber 2010.

Eine eigentlich beschlossene Verkleinerung des Parlaments auf 600 Sitze verbunden mit einer Angleichung der Wahlkreisgrößen (Parliamentary Voting System and Constituencies Act 2011) ist 2013 gescheitert.

Wahlperiode

Die reguläre Legislaturperiode beträgt fünf Jahre.
Die Praxis, dass die Königin oder der König auf Veranlassung der Regierung zu einem von letzterer gewählten Zeitpunkt das Unterhaus auflösen kann, wurde mit dem Fixed-term Parliaments Act 2011 durch die Festlegung einer festen Legislaturperiode ersetzt. Die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen bleibt davon unberührt.

Aktives und passives Wahlrecht

Wählen darf, wer am Wahltag mindestens 18 Jahre alt ist und Bürger des Vereinigten Königreichs, eines Commonwealth-Landes oder der Republik Irland ist sowie in einem der Wahlkreise wohnt. Vom Wahlrecht ausgeschlossen sind: Mitglieder des Oberhauses (House of Lords), verurteilte Inhaftierte, wer wegen Wahlvergehen innerhalb der vorangegangenen fünf Jahre verurteilt wurde.

Wählbar ist, wer am Wahltag mindestens 18 Jahre alt ist und Bürger des Vereinigten Königreichs, der Republik Irland oder Commonwealth-Bürger mit aktivem Wahlrecht ist. Nicht wählbar sind Mitglieder des Oberhauses und Wahlberechtigte für das Oberhaus, Geistliche der Kirche von England, einige Offizielle der Krone, Militärangehörige, von der Regierung eingesetzte Leiter von Wirtschaftsunternehmen, Richter, verurteilte Inhaftierte. Die genauen Regeln sind komplex und daher hier nicht abschließend dargestellt. Kandidaturen in mehreren Wahlkreisen sind nicht (mehr) möglich.

Wahltag und Wahlzeit

Wahlen im Vereinigten Königreich finden an Donnerstagen statt. Der Fixed-term Parliaments Act sieht den ersten Donnerstag im Mai als regulären Wahltermin vor. Das Vereinigte Königreich kennt kein Meldewesen. Es ist daher notwendig, sich als Wählerin oder Wähler registrieren zu lassen.

Am Wahltag sind die Wahllokale von 7 bis 22 Uhr Ortszeit (8–23 Uhr MESZ) geöffnet. Es besteht die Möglichkeit der Briefwahl sowie die Möglichkeit der Stimmabgabe durch eine Vertrauensperson (Proxy).

Disproportionalität des Wahlsystems

Das Wahlsystem ermöglicht eine Mehrheitsumkehr, das heißt, es gewinnt nicht immer die Partei mit den landesweit meisten Stimmen auch die meisten Sitze.

Bei der Wahl 1951 hatten die Konservativen eine absolute Mehrheit, obwohl Labour mehr Stimmen erhalten hat.
Bei der Wahl 1974 hatte Labour mehr Sitze als die Konservativen, obwohl die Konservativen mehr Stimmen erhalten hatten.

Ungleiche Chancen

Die Verteilung der Hochburgen und Diasporagebiete der einzelnen Parteien hat größeren Einfluss auf ihren Wahlerfolg als der landesweite Stimmenanteil.

Taktische Stimmabgabe

Das Wahlsystem zwingt die meisten Wählerinnen und Wähler, wenn ihre Stimme Erfolg haben soll, sich zwischen den zumeist zwei aussichtsreichsten Kandidaten im Wahlkreis zu entscheiden. Dadurch geht die Stimme oft nicht an die eigentlich bevorzugte Partei. Aus diesem Grund sollten die summierten Stimmanteile aller Kandidatinnen und Kandidaten einer Partei auch nicht in eine hypothetische Sitzverteilung einer Verhältniswahl umgerechnet werden. Am Beispiel der Europawahlen im Vereinigten Königreich zeigt sich, dass ein Verhältniswahlsystem zu stark abweichenden Wahlverhalten führt.

Mehrheitsbildendes Wahlrecht?

In der Vergangenheit führte das Wahlsystem dazu, dass eine relative Stimmenmehrheit für die größte Partei in den meisten Fällen zu einer absoluten Mandatsmehrheit im Unterhaus führte und Koalitionen nicht notwendig waren. Durch den Wandel des langjährigen bipolaren Systems zu einer vielfältigeren Parteienlandschaft ist dieser Effekt weniger wahrscheinlich geworden. Damit zeigt sich auch, dass ein Mehrheitswahlsystem an sich kein Garant für absolute Mandatsmehrheiten darstellt.

Ausscheidende Abgeordnete

Scheiden Abgeordnete aus dem Parlament aus, so gibt es keine automatischen Nachrücker. Statt dessen findet im nun unbesetzten Wahlkreis eine Nachwahl statt. Durch Nachwahlen kann sich die Parlamentszusammensetzung im Verlaufe eine Wahlperiode ändern, was sich in vielen Fällen zu Ungunsten der jeweiligen Regierung auswirkt. So verlor die Regierung Major II 1996 in Folge von Nachwahlen ihre absolute Mehrheit und war auf die Unterstützung nordirischer Unionisten angewiesen.

Reformdiskussionen

Die Disproportionalität des Wahlsystems führte in jüngerer Vergangenheit mehrfach zu Diskussionen und Überlegungen zu möglichen Reformen:

Sonstiges

Links zu Umfragen und Projektionen zur Parlamentswahl 2019

Die Informationen zum britischen Wahlsystem entstammen den in den verschiedenen Links angegebenen Quellen. Die vollständigen maßgeblichen Gesetzestexte liegen uns nicht vor, was auch durch das britische Rechtssystem praktisch unmöglich ist. Damit sind alle Angaben ohne Gewähr.


von Martin Fehndrich und Kay Karpinsky (04.06.2001, letzte Aktualisierung: 07.05.2015, letzte Aktualisierung der Links: 12.12.2019 – Stand des Wahlrechts: 05.05.2015)