Rund 200 Einsprüche gegen die Bundestagswahl 2005
Gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag – so die juristisch korrekte Bezeichnung – sind bis zum Freitag der letzten Woche und damit innerhalb der Zwei-Monats-Frist seit der Nachwahl in Dresden 194 Wahleinsprüche in Berlin eingegangen. Damit hat der Bundestag nun die Gelegenheit, verschiedene wahl- und verfassungsrechtliche Fragen zu prüfen bzw. zu erörtern, die wie folgt in den Einsprüchen aufgeworfen werden:
- Negatives Stimmgewicht – WP 162/05 (Martin Fehndrich), WP 179/05 (Wilko Zicht), WP 181/05 –,
welches gegen die Unmittelbarkeit und Freiheit der Wahl verstoße (darunter auch unser angekündigter Einspruch gegen die Bundestagwahl wegen negativer Stimmgewichte).
- Überhangmandate – WP 180/05 – (Matthias Cantow)
die Vergabe von Listenmandaten ohne mögliche Anrechnung aller Direktmandate verletze den Grundsatz der Erfolgswertgleichheit, der sich hier aus dem Grundsatz der Wahlgleichheit ergebe.
- Kandidatur von WASG-Mitgliedern auf Listen der Linkspartei.PDS – (Prof. Hans-Detlef Horn und Prof. Wolfgang Löwer),
welche gegen das Verbot mehrparteiiger Wahlvorschläge durch WASG und Linkspartei.PDS verstoße.
- Wahlcomputer – WP 108/05, WP 145/05 (Joachim und Ulrich Wiesner), WP 182/05 –
Die Auszählung durch Wahlcomputer sei nicht öffentlich nachvollziehbar, die in Deutschland verwendeten Computer seien nicht manipulationssicher (siehe Meldung zum Wahleinspruch gegen die Verwendung von Wahlcomputern).
- Nachwahl in Dresden, – u. a. WP 9/05 –
Der Termin der Nachwahl im Wahlkreis 160 (Dresden I) nach dem Termin der Hauptwahl verletze die Wahlgleichheit.
- Viele Einsprüche gab es auch wegen der verkürzten Fristen und trotzdem gleich hoher Zulassungshürden, die kleinen Parteien und unabhängigen Kandidaten zu schaffen machten.
- Ungültige Dortmunder Briefwahlstimmen
In Dortmund wurden über 10.000 Briefwahlstimmen ungültig, weil Briefwähler den Stimmzettel des jeweils anderen Dortmunder Wahlkreis (143 und 144) erhalten hatten und die Stimmabgabe dadurch ungültig wurde. Der Bundeswahlleiter hat extra eine Auszählung dieser ungültigen Briefwahlstimmen veranlasst, um eine Mandatsrelevanz auszuschließen. Schon nach den Erfahrungen der Bundestagswahl 2002 hatte der Bundeswahlleiter geraten, die Regelungen so zu ändern, dass wenigstens die Zweitstimme in solchen Fällen als gültig zu werten sei.
- Nicht-öffentliche Nachzählungen durch Bremer Wahlamt – WP 179/05 – (Wilko Zicht)
In Bremen wurden Nachzählungen weder öffentlich noch von den zuständigen Wahlgremien durchgeführt. Darüberhinaus wurde eine Überprüfung aller anderen Nachzählungen in anderen Bundesländern angeregt.
- Vorgänge um die Stimmabgabe prominenter Politiker – WP 182/05 –
Die Stimmen von Edmund Stoiber hätten vom Wahlvorstand zurückgewiesen werden müssen, da Stoiber Kamera-Aufnahmen seines ausgefüllten Stimmzettels mit deutlich sichtbarer Stimmabgabe ermöglicht habe, so dass der Grundsatz der geheimen Wahl verletzt gewesen sei. Darüberhinaus seien bei der Stimmabgabe der Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, chaotische Zustände aufgetreten – ein ordentlicher Wahlablauf sei nicht mehr gewährleistet und andere Wähler dadurch behindert gewesen.
Vorbereitet werden die Bundestagsbeschlüsse zu den Einsprüchen durch die noch zu wählenden neun Mitglieder des dafür zuständigen Wahlprüfungsauschusses. In den letzten Legislaturperioden benötigte der Ausschuss durchschnittlich rund ein Jahr – auch in den Fällen des Vorbringens verfassungsrechtlicher Verstöße, in denen der Bundestag inhaltlich gar nicht entscheidet. Gegen die daher zu erwartende Zurückweisung der Einsprüche kann Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben werden (wo noch Beschwerden zur letzten Wahl anhängig sind). Wegen der dazu gemäß § 48 BVerfGG notwendigen Unterschriften können Sie uns bei unseren Wahlprüfungsbeschwerden gern unterstützen.
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