Wahlprüfungsgericht beim Hessischen Landtag

[Wahlprüfung]

Beschluss vom 15. August 2008

WPG 17/1 – 2008

„Landtagswahl 2008 in Hessen“


Entscheidungen 2000–heute

[Umdruck, S. 1] Beschluss

in dem Verfahren zur Prüfung der Gültigkeit der Wahl zum Hessischen Landtag vom 27. Januar 2008

hat das Wahlprüfungsgericht beim Hessischen Landtag aufgrund der Beratung vom 15. August 2008 durch
den Präsidenten des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs Reimers,
den Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Aumüller,
die Abgeordnete des Hessischen Landtags Faeser,
die Abgeordnete des Hessischen Landtags Hofmann,
den Abgeordneten des Hessischen Landtags Wintermeyer,
beschlossen::

Entscheidungsformel:

Die Wahl zum Hessischen Landtag vom 27. Januar 2008 ist gültig.
Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last. Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.

[Umdruck, S. 2] Gründe:

A.

I.
Am 27. Januar 2008 wurden die Abgeordneten für die 17. Wahlperiode des Hessischen Landtags gewählt. Zu dieser Wahl hatte der Landeswahlausschuss mit Beschluss vom 30. November 2007 (StAnz. 2007, S. 551), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, siebzehn Landeslisten zugelassen. 1
Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport genehmigte mit Wahlerlass Nr. L 24 vom 6. Dezember 2007 – II 1 – 03e 32-02-07/001 – (StAnz. 2007, S. 2612) die Verwendung von Wahlgeräten. In Nr. 2 des Wahlerlasses wurde festgestellt, dass Wahlgeräte der Typen ESD 1 und ESD 2 der niederländischen Firma N. V. Nederlandsche Apparatenfabriek NEDAP (im Folgenden: Wahlcomputer) für die Landtagswahl vom 27. Januar 2008 als zugelassen gälten, da sie vom Bundesministerium des Innern mit Bescheid vom 2. November 2007 (BAnz. 2007 S. 8019) für die Wahl zum Deutschen Bundestag und die Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen worden seien. In Nr. 3 des Wahlerlasses genehmigte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport die Verwendung der in Nr. 1 des Wahlerlasses zugelassenen Wahlgeräte für die Landtagswahlen am 27. Januar 2008 und versah die Genehmigung mit den im Wahlerlass unter Nr. 3.1 bis Nr. 3.16 aufgeführten Nebenbestimmungen, die Sicherheitsvorkehrungen enthalten und auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Nach Nr. 4 des Wahlerlasses können die genannten Wahlcomputer auch in einzelnen Wahlbezirken eingesetzt werden. 2
Bei der Landtagswahl am 27. Januar 2008 kamen Wahlcomputer zum Einsatz in Niestetal (Wahlkreis 2 – Kassel-Land II), Niedernhausen (Wahlkreis 29 – Rheingau- Taunus II), Bad Soden am Taunus (Wahlkreis 32 – Main-Tanus I), Langen (Wahlkreis 44 – Offenbach Land I), Obertshausen (Wahlkreis 45 – Offenbach Land II), Alsbach-Hähnlein (Wahlkreis 51 – Darmstadt-Dieburg I) sowie in Lampertheim und Viernheim (jeweils Wahlkreis 54 – Bergstraße I). 3
Am 8. Februar 2008 stellte der Landeswahlausschuss das Wahlergebnis fest, das der Landeswahlleiter am 18. Februar 2008 öffentlich bekannt machte (StAnz. 2008, S. 448). Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Bekanntmachung verwiesen. 4
II.
Beim Hessischen Landtag sind achtzehn die Landtagswahl vom 27. Januar 2008 und deren Gültigkeit betreffende Eingaben – im Folgenden: Einsprüche – eingegangen. 5
1. Der Einspruchsführer zu 1 – Herr A – erklärt auf S. 8 eines am 28. Januar 2008 beim Landtag eingegangenen Schreibens vom 19. Januar 2008, dessen unmittelbarer Adressat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist, die Anfechtung der hessischen Landtagswahl vom 27. Januar 2008. Zur Begründung führt der Einspruchsführer zu 1 aus, Volk und Staat hätten einen Anspruch darauf, professionell regiert zu werden. Keine der sich zur Wahl stellenden Parteien verfolge diesen Ansatz. In den stattfindenden Wahlen werde das Volk massiv „hinter’s Licht“ geführt. 6
2. Der Einspruchsführer zu 2 – Herr B – hat mit E-Mail vom 28. Januar 2008 Einspruch gegen die Landtagswahl erhoben. In dem von ihm aufgesuchten Wahlraum Georg-Büchner-Schule in Darmstadt sei bei ihm und zwei weiteren Personen keine Kontrolle von Ausweispapieren erfolgt. Von Bekannten habe er erfahren, dass auch in anderen Wahlräumen Ausweiskontrollen unterblieben seien. Damit bestehe die Gefahr, dass Personen ohne Wahlberechtigung an der Wahl teilgenommen hätten, etwa indem sie sich unberechtigterweise Wahlbenachrichtigungen verschafft hätten. 7
3. Der Einspruchsführer zu 3 – Herr C – beanstandet in seiner E-Mail an den Landtag vom 27. Januar 2008, dass der Wahlbezirk 39 in Rüsselsheim als Wahlbezirk ausgewählt worden sei, in dem zur Erstellung von Wahlstatistiken auf den Stimmzetteln auch Geburtsjahrgang und Geschlecht erfasst worden seien. Hierdurch sei das Wahlgeheimnis gebrochen worden. Er – der Einspruchsführer zu 3 – habe sich durch den ihm erst im Wahllokal bekannt gewordenen Umstand der wahlstatistischen Erhebung massiv unter Druck gesetzt gesehen und sei in seinem Wahlverhalten beeinflusst worden. Der Einspruchsführer zu 3 beantragt, die statistische Auswertung der Angaben über Alter und Geschlecht im Wahlbezirk 39 in Rüsselsheim zu unterlassen und ficht hilfsweise die Wahl in diesem Stimmbezirk an. 8
4. Der Einspruchsführer zu 4 – Herr D – wendet sich in seinem am 29. Januar 2008 beim Landtag eingegangenen Schreiben vom 25. Januar 2008 gegen die Bestimmung des Herrn X als Ersatzbewerber für Frau Y im Kreiswahlvorschlag der CDU für den Wahlkreis 10 – Rotenburg –. Der Einspruchsführer zu 4 beruft sich auf § 7 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes vom 5. November 2002 (GVBl. I S. 676) – WPG – sowie § 40 Abs. 1 und 2 des Landtagswahlgesetzes in der Fassung vom 28. Dezember 2005 (GVBl. 2006 S. 110, ber. S. 439) – LWG – und macht Mängel in der Person des Ersatzbewerbers geltend. Gegen Herrn X sei Strafantrag gestellt worden u. a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung, schweren Hausfriedensbruchs, Beleidigung, Nötigung, Sachbeschädigung und Bruch des Briefgeheimnisses, wobei sämtliche Delikte im Amt begangen worden seien. 9
5. Der Einspruchsführer zu 5 – Herr E – begründet seinen am 11. Februar 2008 beim Landtag eingegangenen Einspruch vom 7. Februar 2008 mit Unregelmäßigkeiten bei der Wahl, die insbesondere die Briefwahl beträfen. Sein Antrag und der seiner Ehefrau auf Übersendung von Briefwahlunterlagen seien bei der Stadt Lorsch nach deren Auskunft am 22. Januar 2008 eingegangen und die beantragten Unterlagen dort noch am selben Tag versandt worden. Die Briefwahlunterlagen für seine Ehefrau seien am Samstag, dem 26. Januar 2008 um die Mittagszeit in Frankfurt – dem zweiten Wohnsitz der Eheleute – in den Hausbriefkasten eingelegt worden. Noch am Samstag seien die ausgefüllten Wahlunterlagen in den Postbriefkasten geworfen worden, der samstags früh und sonntags geleert werde. Offenbar seien die Stimmen seiner Ehefrau wegen verspäteten Eingangs bei der Gemeindebehörde nicht gezählt worden. Die Briefwahlunterlagen für ihn – den Einspruchsführer zu 5 – seien am Freitag, dem 26. Januar 2008, in Lorsch- Espenschied eingetroffen. Am selben Tage habe er die ausgefüllten Unterlagen in Frankfurt am Main in einen Briefkasten mit Nacht- und Sonntagsleerung eingeworfen. Es sei zu befürchten, dass auch seine Stimmen wegen verspäteten Eingangs nicht berücksichtigt worden seien. Die Wahlberechtigungsscheine und die Briefwahlunterlagen enthielten im Übrigen keinen Hinweis darauf, bis wann die Briefwahlunterlagen bei dem Empfänger (richtig: der Gemeindebehörde) eingegangen sein müssten oder ob das Datum des Poststempels maßgeblich sei. 10
Aus einem Leserbrief von I. und J. Z aus Rüdesheim im Rheingau ECHO vom 31. Januar 2008 ergebe sich ferner, dass deren Anträge auf Briefwahl gleichfalls am 22. Januar 2008 bei der Stadtverwaltung Rüdesheim eingegangen seien, beide Wahlberechtigten jedoch bis zum 27. Januar 2008 keine Briefwahlunterlagen erhalten hätten. Die Ausübung des Wahlrechts durch Stimmabgabe im Wahlraum sei beiden Wahlberechtigten verwehrt worden. Zudem sei ihnen laut ihrem Leserbrief im Rathaus mitgeteilt worden, dass auch anderen Personen Briefwahlunterlagen nicht zugestellt worden seien. 11
Nach Auffassung des Einspruchsführers zu 5 bedarf der Klärung, wie viele Wähler an der Ausübung ihres Wahlrechts gehindert gewesen seien, weil Briefwahlunterlagen bei ihnen nicht rechtzeitig eingegangen seien oder aber ausgefüllte und rechtzeitig abgesandte Briefwahlunterlagen die Gemeindebehörde verspätet erreicht hätten. 12
6. Die Einspruchsführerin zu 6 – Frau F – rügt in ihrem am 30. Januar 2008 beim Landtag eingegangenen Schreiben vom 28. Januar 2008, ihr sei die Ausübung ihres Wahlrechts verwehrt worden. Sie habe für die Briefwahl einen Wahlschein beantragt, der laut behördlicher Auskunft am 23. Januar 2008 an ihre Adresse in Darmstadt versandt worden sei, den sie aber nicht erhalten habe. Im Wahlraum sei ihr die Stimmabgabe verwehrt worden, obwohl sie den Wahlvorstand darauf hingewiesen habe, dass eine Wahlmanipulation durch eine zweifache Wahlbeteiligung als Brief- und als Direktwählerin hätte ausgeschlossen werden können. 13
7. Der Einspruchsführer zu 7 – Herr G – macht in seinem am 7. Februar 2008 beim Landtag eingegangenen Schreiben vom 28. Januar 2008 geltend, sein Schwiegervater, Herr W, habe trotz Antrags keine Briefwahlunterlagen erhalten, weshalb die Wahl im betroffenen Wahlbezirk angefochten werde. 14
8. Der Einspruchsführer zu 8 – Herr H – beanstandet in seinen am 1. bzw. 28. Februar 2008 beim Landtag eingegangenen Eingaben vom 30. Januar bzw. 24. Februar 2008 die erfolgte Feststellung der Sitzverteilung im Landtag. Die Sitzverteilung, namentlich die gleiche Anzahl der Sitze für die Parteien CDU und SPD, entspreche nicht dem Wahlergebnis, da die CDU ca. 3.000 Stimmen mehr errungen habe als die SPD. 15
9. Der Einspruchsführer zu 9 – Herr I – rügt in seiner am 6. Februar 2008 beim Landtag eingegangenen Eingabe vom 27. Januar 2008, dass er vor Einlegung seines bereits einmal gefalteten Stimmzettels in die Wahlurne von einem Mitglied des Wahlvorstands aufgefordert worden sei, den Wahlzettel nochmals zu falten. Er – der Einspruchsführer zu 9 – habe sich geweigert und habe seinen einfach gefalteten Wahlzettel in die Wahlurne eingelegt. Da er der Einzige sei, der seinen Wahlzettel nur einmal gefaltet habe, sei seine Wahlentscheidung nicht mehr anonym. Es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Geheimheit der Wahl vor. Der Einspruchsführer zu 9 hat mit Schreiben vom 23. Mai 2008 seinen Einspruch zurückgenommen. 16
10. Der Einspruchsführer zu 10 – Herr J – wendet in seinem am 6. Februar 2008 beim Landtag eingegangenen Schreiben vom 27. Januar 2008 gegen die Gültigkeit der Wahl ein, im Wahlraum im Wahlbezirk Schlossborn sei gegen das Verbot der unzulässigen Wahlpropaganda verstoßen worden. Im Wahlraum sowie in dessen Vorraum hätten sich religiöse Äußerungen in Schrift und Bild befunden. Er habe dies gegenüber dem Wahlvorsteher vergeblich gerügt. Dem Schreiben vom 27. Januar 2008 sind drei Bildausdrucke beigefügt, von denen zwei Ausdrucke Stellenanzeigen katholischer Kindergärten zeigen und ein Ausdruck vier an einer Stellwand angebrachte Zettel, die Aussagen zur Eigenschaft Jesu als Gottes Sohn enthalten. 17
11. Die Einspruchsführerin zu 11 – Frau K – bat mit auf den 5. Januar 2008 (richtig: 5. Februar 2008) datierendem Schreiben, das am 7. Februar 2008 beim Landtag einging, um die Überlassung von „Karrenvorschriften“, da sie beabsichtige, Einspruch gegen die Landtagswahl 2008 einzulegen. Nach Wiederholung dieser Bitte mit am 26. Februar 2008 beim Landtag eingegangenem Schreiben, das auf den 27. Februar 2008 datiert, hat die Einspruchsführerin zu 11 mit am 19. März 2008 beim Landtag eingegangenem Schreiben vom 18. März 2008 Einspruch gegen die Landtagswahl 2008 erhoben. Zur Begründung führt die Einspruchsführerin zu 11 aus, der Hessische Ministerpräsident Roland Koch habe eine vor fünf Jahren vollzogene Beendigung eines grundlosen Karrenverfahrens nicht beachtet und ihre Kandidatur für die Landtagswahl 2008 verhindert. Zudem sei die Landtagswahl wesentlich von im zivilen Bereich tätig gewordenen Geheimdiensten beeinflusst worden, was in der Bundesrepublik Deutschland verboten sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Einspruchsführerin vom 18. März 2008 Bezug genommen. 18
12. Der Einspruchsführer zu 12 – Herr L – erhebt mit seinem am 13. Februar 2008 beim Landtag eingegangenen Schreiben vom 11. Februar 2008 Einspruch gegen die Gültigkeit der Landtagswahl mit dem Argument, dass in dem für ihn zuständigen Wahlraum in Trebur, Kindergarten im Ortsteil Geinsheim, keine nummerierten Wahlbriefumschläge für die Stimmzettel zur Verfügung gestellt worden seien. Die Stimmabgabe durch Einlegung eines gefalteten Stimmzettels in die Wahlurne verstoße gegen die Anonymität der Wahl, zudem sei nicht gewährleistet, dass Stimmzettel nicht ausgetauscht würden. 19
13. Der Einspruchsführer zu 13 – Herr M – greift das festgestellte Wahlergebnis im Wahlkreis 3 – Kassel-Stadt I – und im Wahlkreis 4 – Kassel-Stadt II – an. Es liege ein gegen die Neutralitätspflicht verstoßendes Einwirken der Stadtverwaltung Kassel auf die Bildung des Wählerwillens vor. Der Oberbürgermeister der Stadt Kassel – Herr U – habe während einer Wahlveranstaltung der SPD am 15. Januar 2008 eine parteipolitische Position zugunsten seiner Partei bezogen und damit in den Wahlkampf eingegriffen. Sein Hinweis, dass er dies nicht als Oberbürgermeister der Stadt Kassel, sondern als Bürger getan habe, sei hierfür keine Entschuldigung. 20
14. Der Einspruchsführer zu 14 – Herr N – äußert in seinem am 5. April 2008 beim Landtag eingegangenen Telefax vom selben Tag den Verdacht der Wahltäuschung durch eine Abgeordnetengruppe und der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Hessischen Landtags. 21
15. Der Einspruchsführer zu 15 – Herr O – wendet sich mit seinem am 3. März 2008 beim Landtag eingegangenen Schriftsatz vom 26. Februar 2008 gegen die Gültigkeit der Wahl und macht zur Begründung sowohl Mängel der verfassungs- und einfachrechtlichen Grundlagen der Wahl als auch Fehler bei der Anwendung von Wahlrechtsvorschriften im Rahmen der Durchführung der Wahl geltend. 22
Art. 73 Abs. 1 der Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946 (GVBl. I S. 229, ber. GVBl. I 1947 S. 106 und GVBl. I 1948 S. 68), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG vom 18. Oktober 2002 (GVBl. I S. 628) – kurz: Hessische Verfassung (HV), – wonach stimmberechtigt alle über achtzehn Jahre alten Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG – sind, die in Hessen ihren Wohnsitz haben und nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen sind, sei ebenso wie Art. 75 Abs. 2 HV, nachdem wählbar die Stimmberechtigten sind, die das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben, nicht wirksamer Bestandteil der Hessischen Verfassung. Es gälten vielmehr Art. 73 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 2 der Ursprungsfassung der Hessischen Verfassung – HV a.F. – fort, nach denen die Altersgrenze für die Wahrnehmung des aktiven Wahlrechts bei einundzwanzig Jahren, die des passiven Wahlrechts bei fünfundzwanzig Jahren liegt. Dies ergebe sich daraus, dass das Gesetz zur Änderung der Art. 73 und 75 der Verfassung des Landes Hessen vom 23. März 1970 (GVBl. I S. 281) unter Verstoß gegen die Art. 70, 72, 123 Abs. 2, 150 Abs. 1 und 2 HV a.F. zustande gekommen sei. Aus diesen das Demokratieprinzip konkretisierenden Verfassungsnormen folge, dass der Hessische Landtag grundsätzlich nicht – wie bei dieser Verfassungsänderung geschehen – mehrere Änderungen der Verfassung in einem Gesetzentwurf zusammenfassen und dem hessischen Volk zur einheitlichen Abstimmung vorlegen dürfe. Dieses Koppelungsverbot sei dem verfassungsändernden hessischen Gesetzgeber zudem bundesverfassungsrechtlich über das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 GG i.V.m. den die Volkssouveränität ausgestaltenden Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auferlegt. 23
Wegen eines gleichgelagerten Verstoßes gegen das Koppelungsverbot verfassungsrechtlich defizitär sei auch das Gesetz zur Änderung der Art. 75 und 137 der Verfassung des Landes Hessen vom 22. Juli 1950 (GVBl. I S. 131), durch das u. a. die in Art. 75 Abs. 1 HV a.F. vorgesehene Durchführung der Landtagswahlen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gestrichen worden sei. 24
Die Wahl zum Hessischen Landtag vom 27. Januar 2008, an der als aktiv Wahlberechtigte Personen, die nicht über einundzwanzig Jahre alt gewesen seien, teilgenommen hätten, und die nach den Grundsätzen der personalisierten Verhältniswahl mit geschlossenen Listen durchgeführt worden sei, verletze mithin Art. 73 Abs. 1, 75 Abs. 1 und 2 HV a.F. als weiterhin gültige Verfassungsnormen. Diese Verfassungsverstöße stellten mandatsrelevante, schwerwiegende Wahlfehler dar und begründeten die Ungültigkeit der Wahl vom 27. Januar 2008. 25
Die nach dem Landtagswahlgesetz bestehende Wahlkreiseinsteilung sei wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl verfassungswidrig. 26
Der Einspruchsführer zu 15 rügt ferner den Einsatz von Wahlcomputern bei der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 als Verstoß gegen die Grundsätze der Öffentlichkeit der Wahl und eines manipulationsfesten und vom Bürger nachvollziehbaren Wahlverfahrens. Diese Grundsätze sieht er als in Art. 150 Abs. 1 Satz 1 HV sowie Art. 20 Abs. 2 und 3, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG verankert an. Schon generell verstoße der Einsatz von Wahlcomputern gegen die genannten Grundsätze, da die Wahlvorstände in den einzelnen Wahlkreisen die per Wahlcomputer abgegebenen Stimmen nicht nachzählen und nicht überprüfen könnten. Bei den für die Landtagswahl vom 27. Januar 2008 zugelassenen Wahlcomputern trete hinzu, dass diese einfach zu manipulieren seien, eine Veröffentlichung der vollständigen Prüfprotokolle und zugehöriger Unterlagen bislang unter Berufung auf Betriebsgeheimnisse des Herstellers verweigert werde und diese Geräte ohne Papierausdruck arbeiteten, so dass eine nachträgliche Neuauszählung der Stimmen faktisch ausgeschlossen sei. 27
Auch die konkrete Durchführung der Wahl am 27. Januar 2008 leide an einem Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. So seien etwa in Niedernhausen alle neun verwendeten Wahlcomputer vor der Wahl (bei Mitgliedern des Wahlvorstandes) privat gelagert und damit möglichen Manipulationen ausgesetzt gewesen. 28
In Viernheim habe ein Wahlcomputer kurz vor Inbetriebnahme lediglich eine Fehlermeldung angezeigt. Es habe eine Stunde gedauert, bis ein Ersatzcomputer im Wahlraum eingetroffen sei, so dass über einen Zeitraum von einer Stunde viele Wähler ihr Wahlrecht nicht hätten ausüben können. 29
Als mandatsrelevanten Wahlfehler rügt der Einspruchsführer zu 15 weiterhin, dass keine hinreichenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden seien, um die Teilnahme Nichtdeutscher an der Landtagswahl zu verhindern. Für die Eintragung der Wahlberechtigten in das Wählerverzeichnis sei nach § 3 ff. der Landeswahlordnung vom 26. Februar 1998 (GVBl. I, S. 101, 167), zuletzt geändert durch Art. 1 Wahlrechts-ÄndVO vom 14. Dezember 2006 (GVBl. 2007 I S. 26) – LWO – das Melderegister maßgeblich. Enthalte das Melderegister hinsichtlich der Staatsangehörigkeit unrichtige Daten, habe dies die Unrichtigkeit des Wählerverzeichnisses zur Folge und nicht wahlberechtigte Personen erhielten eine Wahlbenachrichtigung. Unter anderem hätte eine nicht unerhebliche Anzahl Personen türkischer Herkunft, die im Anschluss an den durch Einbürgerung erfolgten Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit diese durch erneuten Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit wieder verloren hätten, hätten so an der Wahl zum Landtag vom 27. Januar 2008 teilnehmen können. Zu Beginn des Jahres 2005 habe die türkische Regierung die Zahl der wieder eingebürgerten ehemaligen deutschen Staatsangehörigen mit bis zu 50.000 Personen angegeben. Im Vorfeld der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 seien von den hessischen Behörden keine Anstrengungen unternommen worden, Personen, deren Staatsangehörigkeit im Melderegister zu unrecht mit deutsch angegeben sei, zu ermitteln. 30
16. Der Einspruchsführer zu 16, – Herr P – hat mit am selben Tag beim Landtag eingegangenem Schriftsatz vom 6. März 2008 Einspruch gegen die Landtagswahl erhoben. Der Einsatz der Wahlcomputer bei der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 verletze die sich aus dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsätze der Öffentlichkeit und der Amtlichkeit der Wahl, überdies sei bei der Durchführung der Wahl mit Wahlcomputern in den betroffenen Gemeinden gegen einfaches Wahlrecht verstoßen worden. 31
Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl sei durch den Einsatz von Wahlcomputern verletzt worden, da die korrekte Abspeicherung und Zuordnung der abgegebenen Stimmen von der richtigen Programmierung der Steuersoftware abhänge, die Wahlcomputer und die verwendete Software wegen des Schutzes von Betriebsgeheimnissen des Herstellers aber einer öffentlichen Kontrolle entzogen seien. 32
Gegen den Grundsatz der Amtlichkeit der Wahl sei verstoßen worden, weil die eingesetzten Wahlcomputer nicht behördlich auf korrekte und manipulationssichere Funktion überprüft worden seien. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt habe im Rahmen einer Baumusterzulassung für jeden Wahlgerätetyp lediglich ein vom Hersteller zur Verfügung gestelltes Mustergerät überprüft. Bei den zum Einsatz gekommenen Wahlcomputern sei die Übereinstimmung mit den zugelassenen Baumustern nicht behördlich kontrolliert worden, es sei unter Verletzung des Grundsatzes der Amtlichkeit der Wahl der Baugleichheitserklärung des Herstellers vertraut worden. Die in der Nebenbestimmung Nr. 3.5 des Wahlerlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 6. Dezember 2007 vorgesehene und von den Städten und Gemeinden auch durchgeführte Probewahl sei zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Funktion der Wahlcomputer nicht geeignet. 33
Die Schwierigkeiten namentlich älterer und mit dem Umgang mit Computern unerfahrener Menschen bei der von Gesetz- und Verordnungsgeber zugelassenen Stimmabgabe per Wahlcomputer verletzten die Grundsätze der Gleichheit und der Allgemeinheit der Wahl, da nicht alle Bürger in gleicher Weise ihr Wahlrecht hätten ausüben können. Es sei zu vermuten, dass die besonders geringe Wahlbeteiligung in den Kommunen, die Wahlcomputer eingesetzt hätten, nicht nur auf der Sorge um Manipulationen beruhe, sondern auch auf Ängsten, mit der Technik nicht umgehen zu können oder sich zu blamieren. 34
Soweit die Verordnung über die Verwendung von Wahlgeräten bei Wahlen und Abstimmungen (Wahlgeräteverordnung) vom 12. Oktober 2005 (GVBl. I S. 715), geändert durch Art. 3 WahlrechtsÄndVO vom 14. Dezember 2006 (GVBl. 2007 I S. 26) – WahlGV – die Grundsätze der Öffentlichkeit und Amtlichkeit der Wahl nicht ausreichend umsetze, sei sie selbst verfassungswidrig. 35
Bei der konkreten Durchführung der Wahl mit Wahlcomputern am 27. Januar 2008 sei es zu Wahlfehlern gekommen. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl sei dadurch verletzt worden, dass Wahlbeobachtern der Zutritt zu Wahlräumen während der von 8.00 bis 18.00 Uhr dauernden Wahlzeit, vor deren Beginn und nach deren Ende verwehrt worden sei. Die vor Beginn der Wahlzeit erfolgten Überprüfungshandlungen nach § 6 WahlGV unterfielen ebenso wie die Handlungen während der Wahlzeit dem Begriff der Wahlhandlung, für den die Öffentlichkeit der Wahl angeordnet sei. Auch die nach Ende der Wahlzeit vorgenommene Ermittlung des Wahlergebnisses sowie die sich an sie anschließenden Sicherungsmaßnahmen nach § 11 ff. WahlGV würden vom Öffentlichkeitsgrundsatz erfasst. Vor Beginn der Wahlzeit um 8.00 Uhr sei Wahlbeobachtern der Zutritt verwehrt worden in Niedernhausen (Wahlräume im Rathaus und in der Theißtalschule), in Langen (Wahlräume im Rathaus und in der Ludwig-Erk-Schule) sowie in sämtlichen Wahlräumen in Obertshausen. Nach Ende der Wahlzeit um 18.00 Uhr seien Wahlbeobachter in Niedernhausen erst nach Abbau der Wahlcomputer in den Wahlraum in der Theißtalschule gelassen worden, so dass der Ausdruck des Wahlergebnisses nicht habe beobachtet werden können. Ebenfalls in Niedernhausen (Wahlraum 0002 im Rathaus) sei zwei Wahlbeobachtern um 16.50 Uhr die Beobachtung der Wahl verwehrt worden. 36
In Obertshausen habe der Wahlleiter vor der Wahl Personen, die sich telefonisch nach der Lage der Wahllokale erkundigt hätten, mitgeteilt, eine Wahlbeobachtung sei nur in Hessen ansässigen Personen erlaubt. 37
Ein weiterer Wahlfehler liege darin, dass in Niedernhausen die zum Einsatz gekommenen Wahlcomputer am Vorabend der Wahl einzelnen Mitgliedern des Wahlvorstandes zur Lagerung bis zum Wahltag übergeben worden seien. 38
Wahlcomputer seien zudem vor und nach der Wahlzeit kurzfristig nicht gegen den Zugang Unbefugter abgesichert gewesen, und zwar in Lampertheim/ Wahlräume für Wahlbezirke I und II im Zeitraum von 7.03 bzw. 7.18 bis 7.23 Uhr, nach Darstellung eines Wahlbeobachters vor Beginn der Wahlzeit ohne weitere zeitliche Konkretisierung auch in Viernheim/ Wahlräume in der Alexander-von-Humboldt-Schule sowie nach Ende der Wahlzeit in Viernheim/Wahlraum für Wahlbezirk 12 in der Friedrich-Fröbel- Schule, Zeitraum von 18.15 bis 18.30 Uhr. 39
Einen Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit der Wahl stellten generelle Film- und Fotoverbote dar, die in mehreren Wahllokalen, etwa im Bürgerhaus Sonne in Alsbach-Hähnlein, ausgesprochen worden seien. 40
In Lampertheim/Wahlraum Grundschule Hüttenfeld habe nicht der Wahlvorstand am Wahltag einen Prüfausdruck erstellt, sondern es sei ein auf den 24. Januar 2008 datierter Prüfausdruck verwendet worden. 41
In Niedernhausen/Wahlbezirk Rathaus sei aus einem Fenster eines hinter dem Wahlraum liegenden Raumes ein Blick auf das Bedienfeld des Wahlcomputers möglich gewesen. 42
Die gerügten Wahlfehler, insbesondere die Verletzung von Wahlrechtsgrundsätzen durch den Einsatz von Wahlcomputern, seien auch mandatsrelevant. Nach Auskunft der Wahlleiter in den betroffenen Kommunen seien für mehr als 100.000 Wahlberechtigte Wahlcomputer vorgesehen gewesen. Bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Wahlbeteiligung von 65 % und einer Briefwahlquote von 12 % hätten noch mehr als 50.000 Wähler mit Hilfe von Wahlcomputern abstimmen müssen. Diese Zahl sei für die Mandatsverteilung relevant, da bei einer abweichenden Stimmverteilung die Zusammensetzung des Landtages anders hätte ausfallen können. Dies betreffe einzelne Mandatsträger ebenso wie das Abschneiden der Partei „Die Linke“, die 5,1 % der Stimmen erzielt habe. Eine Mandatsverschiebung hätte sich beispielsweise im Kreis Bergstraße 1 ergeben können, dem die Städte Viernheim und Lampertheim angehörten, die in erheblichem Umfang Wahlcomputer eingesetzt hätten (für 47.021 Wahlberechtigte). Hier seien auf den Bewerber der CDU 42,3 % der Erststimmen, und auf den der SPD 37 % der Erststimmen entfallen. Eine Verschiebung von 1.565 Stimmen hätte ausgereicht, um eine abweichende Mandatsverteilung zu bewirken. 43
17. Der Einspruchsführer zu 18 – Herr Q – erhebt mit seinem am 10. März 2008 beim Landtag eingegangenen Schreiben vom 7. März 2008 Einspruch gegen das Ergebnis der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 in den Kommunen Niestetal, Niedernhausen, Bad Soden am Taunus, Langen, Obertshausen, Alsbach-Hähnlein, Viernheim und Lampertheim. Der Einsatz von Wahlcomputern in diesen Kommunen habe die Wahlgrundsätze der Öffentlichkeit, Amtlichkeit und Allgemeinheit der Wahl sowie der Überprüfbarkeit des Wahlergebnisses verletzt. Der Wahlgrundsatz der Öffentlichkeit der Wahl sei zudem in zahlreichen Wahlräumen der genannten Kommunen durch – teilweise amtlich angeordneten – rechtswidrigen Ausschluss der Öffentlichkeit während der Eröffnung der Wahlhandlung, der Stimmabgabe und der Ermittlung des Wahlergebnisses verletzt worden. 44
Bezogen auf den einfachgesetzlich sowie verordnungsrechtlich vorgesehenen Einsatz von Wahlcomputern der Typen ESD1 und EFD2 des Unternehmens NEDAP bei der Landtagswahl am 27. Januar 2008 macht der Einspruchsführer zu 18 folgende Einwände geltend: Die Stimmenregistrierung, -speicherung und -auszählung erfolgten im Inneren der Geräte unter Ausschluss öffentlicher Kontrolle. Eine weitere Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips ergebe sich daraus, dass der technische Aufbau der Wahlcomputer sowie die Gestaltung der Steuerungssoftware unter Verweisung auf das Betriebsgeheimnis des Herstellers nicht publik gemacht worden seien. Zu diesen Verletzungen des Öffentlichkeitsprinzips komme ein Verstoß gegen den Grundsatz der Amtlichkeit der Wahl hinzu, der daraus folge, dass nicht jeder einzelne Wahlcomputer amtlich auf seine Übereinstimmung mit der zugelassenen Bauart überprüft worden sei, sondern nach der Wahlgeräteverordnung eine vom privaten Hersteller abgegebene Baugleichheitserklärung ausgereicht habe. Eine Überprüfung der Korrektheit des vom Wahlcomputer festgestellten Wahlergebnisses sei bei den bei der Landtagswahl eingesetzten Geräten nicht möglich. Bereits die Registrierung und die Speicherung der Stimmen des Wählers seien das Ergebnis einer – manipulierbaren – Informationsverarbeitung. Dieser erste Verarbeitungsschritt lasse sich – anders als die Auslesung aller Datensätze im Stimmenspeicher des Wahlgeräts und die Zählung der dort abgespeicherten Stimmen – nicht im Nachhinein kontrollieren. Die in der Wahlgeräteverordnung vorgenommene Koppelung der Zulassung von Wahlgeräten einer Bauart für Landtagswahlen an deren Zulassung für Bundestagswahlen sei mit Art. 30 GG unvereinbar. Der Einsatz von Wahlcomputern verstoße auch gegen den Wahlrechtsgrundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Die Reserviertheit von Teilen der Bevölkerung gegenüber Automaten, die mangelnde Transparenz einer Computerwahl sowie durch den Einsatz von Wahlcomputern bedingte längere Wartezeiten hätten bewirkt, dass ein Teil der Wahlberechtigten die Wahl nicht wahrgenommen hätte. Gegen den Einsatz von Wahlcomputern sprächen ferner deren Manipulierbarkeit und die Gefahr von Programmfehlern. 45
Im Hinblick auf die konkrete Durchführung der Wahl mit Wahlcomputern am 27. Januar 2008 rügt der Antragsteller als Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl, der Landeswahlleiter habe den Kommunen, in denen Wahlcomputer zum Einsatz gekommen seien, nahegelegt oder diese sogar angewiesen, bei der Inbetriebnahme der Wahlgeräte die Öffentlichkeit nicht zuzulassen. Der Wahlleiter (richtig: der Magistrat) der Stadt Langen habe in einem Schreiben „Wichtige und eilige Hinweise für den Wahlvorstand“ vom 25. Januar 2008 die Wahlvorstände auf geplante „Störungen und Angriffe“ durch den Chaos Computer Club hingewiesen und angeordnet, dass Foto- und Videoaufnahmen im Wahllokal sowie der Gebrauch von Mobiltelefonen zu unterbinden seien. Entsprechende Anweisungen habe es offenbar auch in den übrigen Kommunen, in denen mit Wahlcomputern gewählt worden sei, gegeben. Derartige amtliche Verhaltensweisen seien mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl unvereinbar. 46
Im Übrigen beanstandet der Einspruchsführer zu 17, der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl sei auch dadurch verletzt worden, dass Wahlbeobachtern der Zutritt zu Wahlräumen während der von 8.00 bis 18.00 Uhr dauernden Wahlzeit, vor deren Beginn und nach deren Ende verwehrt worden sei. 47
Im Hinblick auf eine etwaige Manipulation der bei der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 eingesetzten Wahlcomputer bzw. deren Software macht der Einspruchsführer zu 17 schließlich geltend, dass eine solche Manipulation aus der Sicht eines potentiellen Täters bei dem sich bereits vor der Wahl anbahnenden knappen Wahlausgang Sinn gemacht hätte. Eine Manipulation könne auch nicht unter Hinweis auf die Wahlergebnisse in den Kommunen, in denen Wahlcomputer zum Einsatz gekommen seien, als nicht plausibel bezeichnet werden. Die Korridore der Wahlergebnisse vom 27. Januar 2008 seien sowohl bei der Wahl in den Wahlkreisen als auch bei der Wahl nach Landeslisten erheblich. Die Feststellung einer möglicherweise erfolgten Manipulation sei gerade durch den Einsatz von Wahlcomputern in den betroffenen Kommunen unmöglich. 48
18. Der Einspruchsführer zu 18 – Herr R – macht in seinem am 5. Februar 2008 beim Landtag eingegangenen Schreiben vom selben Tag unter Berufung auf eine Pressemitteilung des Chaos Computer Clubs vom 27. Januar 2008 Probleme und Unregelmäßigkeiten beim Einsatz der Wahlcomputer geltend. 49
III.
Dem Präsidenten des Hessischen Landtages, den Fraktionen der CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und der FDP im Hessischen Landtag, dem Hessischen Minister des Innern und für Sport sowie dem Landeswahlleiter für Hessen ist Gelegenheit gegeben worden, zu den Einsprüchen im Wahlprüfungsverfahren Stellung zu nehmen. 50
Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 16. Juni 2008 mitgeteilt, eine Stellungnahme werde nicht für erforderlich gehalten. Die Fraktion Die Linke hat mit Schreiben vom 17. Juni 2008 dargelegt, dass Ihrer Auffassung nach der Einsatz von Wahlcomputern rechtlich nicht haltbar sei. Im Einsatz von Wahlcomputern liege eine erhebliche Einschränkung des Demokratieprinzips. Wahlmanipulationen seien möglich, und es bestünden Zweifel an der ausreichenden Öffentlichkeit der Wahl. 51
Der Hessische Minister des Innern und für Sport hat mitgeteilt, dass eine Stellungnahme nicht beabsichtigt sei. 52
Der Landeswahlleiter für Hessen hat mit Schreiben vom 30. Juni 2008 dargelegt, dass nach seiner Ansicht keine Wahlfehler vorlägen, die zur Ungültigkeit der Landtagswahl führen könnten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Schreibens und der ihm beigefügten 27 Anlagen Bezug genommen. 53

B.

I.
Das Wahlprüfungsgericht sieht im Wege des ihm gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 3 WahlPrG eröffneten Ermessens von einer mündlichen Verhandlung ab. Nach dieser Vorschrift kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn der Einspruch offensichtlich unbegründet ist. Die siebzehn aufrechterhaltenen Einsprüche von ursprünglich achtzehn im Zusammenhang mit der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 beim Landtag eingegangenen Einsprüchen sind offensichtlich unbegründet. Eine mündliche Verhandlung ist auch nicht im Hinblick auf die von Amts wegen erfolgte Prüfung der Gültigkeit der Wahl geboten. Denn diese Prüfung hat gleichfalls keine Anhaltspunkte für Wahlfehler ergeben, die für den Ausgang der Landtagswahl erheblich gewesen sind. 54
II.
Das Wahlprüfungsgericht stellt die Gültigkeit der Wahl zum Hessischen Landtag vom 27. Januar 2008 fest, weil vom Wahlprüfungsgericht zu prüfende, für den Ausgang der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 erhebliche Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV nicht vorliegen. 55
Eine Wahl ungültig machen gemäß Art. 78 Abs. 2 HV im Falle der Erheblichkeit für den Ausgang der Wahl Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren oder strafbare oder gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen, die das Wahlergebnis beeinflussen. Das Wahlprüfungsgericht prüft gemäß § 6 Abs. 1 WahlPrG von Amts wegen oder auf Einspruch die Gültigkeit der Wahlen zum Landtag. Gegenstand der dem Wahlprüfungsgericht hiernach aufgegebenen Wahlprüfung ist die – gemessen an den Wahlanfechtungstatbeständen des Art. 78 Abs. 2 HV – korrekte Durchführung der Wahl. 56
Im Rahmen des Wahlanfechtungstatbestandes der Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren nach Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV obliegt dem Wahlprüfungsgericht dabei die Kontrolle der ordnungsgemäßen Anwendung der Wahlvorschriften, die die Wahlvorbereitung, den Wahlakt und die Feststellung des Wahlergebnisses betreffen. Eine Überprüfung der Gültigkeit der Wahl im Hinblick auf Verstöße dieser Wahlrechtsnormen gegen höherrangiges Recht ist dem Wahlprüfungsgericht hingegen verwehrt. Als parlamentarischem Wahlprüfungsorgan fehlt dem Wahlprüfungsgericht die Zuständigkeit zur Prüfung von Normfehlern, da es Wahlrechtsnormen weder selbst verwerfen noch deren Verwerfung durch ein hierfür zuständiges Verfassungsgericht herbeiführen kann. 57
Die Kompetenz zur Verwerfung von die Landtagswahlen betreffenden Gesetzen und Rechtsverordnungen wegen deren fehlender Vereinbarkeit mit der Hessischen Verfassung weist Art. 132 HV ausschließlich („nur“) dem Staatsgerichtshof als dem Verfassungsgericht des Landes Hessen zu. Soweit ein Verstoß von die Landtagswahlen betreffenden Rechtssätzen der Hessischen Verfassung oder des Landtagswahlgesetzes gegen das Grundgesetz, namentlich das in Art. 28 Abs. 1 GG verankerte Homogenitätsgebot, in Rede steht, ist die Verwerfungskompetenz durch Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, Art. 100 Abs. 1 GG beim Bundesverfassungsgericht monopolisiert. 58
Dem Wahlprüfungsgericht ist im Wahlprüfungsverfahren auch nicht die Rechtsmacht eingeräumt, eine verfassungsgerichtliche Normenkontrolle zu initiieren. Für die abstrakten Normenkontrollen nach Landesrecht und nach Bundesrecht fehlt dem Wahlprüfungsgericht die Antragsberechtigung (vgl. für das Landesrecht: Art. 131 Abs. 1, 1. Variante, Abs. 2 HV; §§ 39, 40 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof – StGHG –; für das Bundesrecht: Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes – BVerfGG –). Eine Befugnis zur Vorlage an die für die Normenkontrolle und –verwerfung zuständigen Verfassungsgerichte sehen Landesrecht (Art. 133 HV, § 41 StGHG) und Bundesrecht (Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG) nur für Gerichte vor. Das Wahlprüfungsgericht ist jedoch kein Gericht, sondern ein parlamentarisches Wahlprüfungsorgan (vgl. StGH, Beschluss vom 9. August 2000 – P. St. 1547 – NJW 2000, 2891; WPG, Beschluss vom 16. Juli 2003 – WPG 16/1 – 2003, StAnz. 2003, 3198, [3206]). 59
Vor dem Hintergrund dieser Kompetenzzuweisungen zur prinzipalen und zur inzidenten Normenkontrolle ergibt sich auch aus Art. 20 Abs. 3 GG, der den Vorrang von Verfassung und Gesetz statuiert, keine Befugnis des Wahlprüfungsgerichts zur Überprüfung der der Wahl zugrundeliegenden Wahlrechtsnormen auf Normfehler und zu an eine solche Kontrolle anknüpfenden Folgerungen für die Gültigkeit der Wahl. Denn die in Art. 20 Abs. 3 GG vorgesehene materielle Bindung an Verfassung und Gesetz begründet nicht notwendig zugleich die Zuständigkeit jedes Normadressaten zur Prüfung der Gültigkeit und gegebenenfalls zur Verwerfung der Rechtssätze, an die die Bindungswirkung anknüpft (vgl. WPG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a.a.O., S. 3206; Grzeszick in Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. VI Rdnr. 48 ff. [Bearbeitungsstand: Dezember 2007]; Klein in Maunz/Dürig, GG, Art. 41 Rdnr. 73 ff. [Bearbeitungsstand: Februar 2004], jeweils m.w.N.). 60
1. Die die Landtagswahl vom 27. Januar 2008 betreffenden Einsprüche sind unter Berücksichtigung des Kontrollumfangs des Wahlprüfungsgerichts offensichtlich unbegründet. Offensichtlich unbegründet ist ein Einspruch, wenn eindeutig auszuschließen ist, dass die in ihm enthaltenen Beanstandungen der Kontrolle des Wahlprüfungsgerichts unterfallende und für den Ausgang der Wahl erhebliche Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren oder strafbare oder gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen, die das Wahlergebnis beeinflussen, begründen können (ständige Spruchpraxis des Wahlprüfungsgerichts, vgl. zuletzt Beschluss vom 16. Juli 2003 – WPG 16/1 – 2003, a.a.O., S. 3200). 61
a) Der Einspruch des Einspruchsführers zu 1 ist offensichtlich unbegründet, da in seiner Eingabe vom 19. Januar 2008 ein Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV nicht aufgezeigt wird. Allgemeine politische Betrachtungen sowie Unmutsbekundungen über Wahlbewerber, wie sie der Einspruchsführer zu 1 in seiner Eingabe äußert, sind von vornherein ungeeignet, Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren oder strafbare oder gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen, die das Wahlergebnis beeinflussen, zu begründen. Daneben ist der Einspruch des Einspruchsführers zu 1 vom 19. Januar 2008 gegen die Landtagswahl vom 27. Januar 2008 bereits unzulässig. Einsprüche gegen eine Landtagswahl, die vor deren Durchführung beim Wahlprüfungsgericht eingehen, sind unzulässig, da es am Prüfungsgegenstand fehlt (ständige Spruchpraxis des Wahlprüfungsgerichts, vgl. zuletzt Beschluss vom 16. Juli 2003, a.a.O., S. 3200). 62
b) Der Einspruch des Einspruchsführers zu 2 ist offensichtlich unbegründet, da die von ihm gerügte unterbliebene Kontrolle von Ausweispapieren von Wählern durch den Wahlvorstand vor der Stimmabgabe im Wahlraum keinen Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV darstellt. Ein – allein in Betracht zu ziehender – Wahlfehler in Gestalt einer Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren setzt einen Verstoß gegen Vorschriften des Landtagswahlrechts voraus, die sich auf die Wahlvorbereitung, den Wahlakt oder die Feststellung des Wahlergebnisses beziehen (ständige Spruchpraxis des Wahlprüfungsgerichts, vgl. zuletzt Beschluss vom 16. Juli 2003, a.a.O., S. 3200). Die auf der Grundlage des § 50 Abs. 1 LWG erlassene Landeswahlordnung normiert in der maßgeblichen Vorschrift des § 49 LWO keine generelle Pflicht des Wahlvorstandes zur Ausweiskontrolle vor der Stimmabgabe im Wahlraum. § 49 Abs. 3 Satz 2 LWO, wonach der Wähler sich auf Verlangen (des Wahlvorstandes) über seine Person auszuweisen hat, stellt eine Ausweiskontrolle in das Ermessen des Wahlvorstands und steuert dieses Ermessen insoweit, als die Situation, dass ein Wähler seine Wahlbenachrichtigung nicht vorlegt, als Anwendungsfall hervorgehoben wird („insbesondere“). Eine defizitäre Ermessensausübung eines Wahlvorstandes im Einzelfall hat der Einspruchsführer zu 2 nicht geltend gemacht. 63
c) Der Einspruch des Einspruchsführers zu 3 ist offensichtlich unbegründet, da die von ihm abstrakt als Verletzung des Wahlgeheimnisses beanstandeten wahlstatistischen Erhebungen, die die Kriterien Geburtsjahrgang und Geschlecht erfassen, in § 48 LWG, § 72 LWO normativ angeordnet sind. Die Verwendung von Stimmzetteln, die Geburtsjahrgang und Geschlecht des Wählers erkennen lassen, sieht § 48 Abs. 4 Satz 2 LWG vor, wonach die Statistiken u. a. unter Verwendung von Stimmzetteln mit Unterscheidungsbezeichnungen nach Geschlecht und Geburtsjahresgruppe durchgeführt werden. 64
Die konkrete Vornahme statistischer Erhebungen im Wahlbezirk 39 in Rüsselsheim weist gleichfalls keine Wahlfehler in Form von Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren auf. Der Magistrat der Stadt Rüsselsheim hat insbesondere seiner entsprechenden Verpflichtung aus § 44 Abs. 1 Satz 1 LWO genügt, indem er in seiner Wahlbekanntmachung vom 10. Januar 2008, die am selben Tag in den Zeitungen „Rüsselsheimer Echo“ und „Main-Spitze“ veröffentlicht worden ist, darauf hingewiesen hat, dass im Wahlbezirk 39 eine wahlstatistische Erhebung stattfinden wird. Überdies sind bereits die Wahlbenachrichtigungen mit Statistikmerkmalen versehen gewesen. Vor diesem Hintergrund fehlt auch jeder Anhaltspunkt für eine unlautere, das Wahlergebnis beeinflussende Einwirkung auf die Bildung des Wählerwillens im Sinne des Art. 78 Abs. 2, 3. Variante HV. 65
d) Der Einspruch des Einspruchführers zu 4 ist offensichtlich unbegründet, da der Ersatzbewerber im Kreiswahlvorschlag der CDU für den Wahlkreis 10 – Rotenburg – nicht von der Wählbarkeit ausgeschlossen ist. Gemäß § 5 LWG ist nicht wählbar, wer infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt. Der vom Einspruchsführer zu 4 mitgeteilte Umstand, dass gegen den bezeichneten Ersatzbewerber Strafantrag gestellt worden sei, berührt dessen Wählbarkeit nicht. Ein auf die fehlende Wählbarkeit gestützter Einspruch nach § 7 Abs. 2 WahlPrG gegen eine Nachfolge dieses Ersatzbewerbers im Kreiswahlvorschlag gemäß § 40 Abs. 2 LWG bzw. gegen dessen Nachfolge als noch nicht zum Abgeordneten berufener Bewerber der Landesliste gemäß § 40 Abs. 1 LWG erweist sich mithin gleichfalls als offensichtlich unbegründet. Unabhängig von seiner offensichtlichen Unbegründetheit ist ein Einspruch nach § 7 Abs. 2 WahlPrG, der eingelegt wird, ohne dass eine Nachfolge von Abgeordneten nach § 40 Abs. 1 und 2 LWG eingetreten wäre, auch unzulässig. 66
e) Die Einsprüche der Einspruchsführer zu 5, 6 und 7, die im Wesentlichen die Ausübung des Wahlrechts durch Briefwahl betreffen, erweisen sich ebenfalls als offensichtlich unbegründet. 67
aa) Der von den drei Einspruchsführern geltend gemachte Umstand, Wähler hätten Wahlscheine und Briefwahlunterlagen nicht bzw. nicht rechtzeitig erhalten, begründet für sich allein keinen Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV. Das Risiko, dass ein von der Gemeindebehörde einem Postdienstleister zur Auslieferung übergebener Wahlschein nebst Briefwahlunterlagen verloren geht oder seinen Adressaten verspätet erreicht, trägt nach der Landeswahlordnung grundsätzlich der Wahlberechtigte, der die Erteilung des Wahlscheins beantragt hat (vgl. WPG, Urteil vom 18. Juni 1975, StAnz. 1975, 1178 [1179]). Nach § 15 Abs. 8 Satz 1 LWO werden verlorene Wahlscheine nicht ersetzt. § 15 Abs. 8 Satz 2 LWO eröffnet dem Wahlberechtigten die Möglichkeit, sein Wahlrecht zu wahren: Versichert er glaubhaft, dass ihm der beantragte Wahlschein nicht zugegangen ist, kann ihm bis zum Wahltage, 15.00 Uhr, ein neuer Wahlschein erteilt werden. 68
Im Fall des Einspruchsführers zu 7 resultiert die offensichtliche Unbegründetheit des Einspruchs überdies daraus, dass beim Magistrat der Stadt Rotenburg an der Fulda kein Antrag auf Erteilung eines Wahlscheines für den Schwiegervater des Einspruchsführers zu 7 eingegangen ist und der hiervon durch den Verfahrensführer des Wahlprüfungsgerichts in Kenntnis gesetzte Einspruchsführer zu 7 nicht konkret dargelegt hat, für seinen Schwiegervater die Erteilung eines Wahlscheines beantragt zu haben. 69
bb) Die von den Einspruchsführern zu 5 und 6 gerügte Nichtzulassung von Wählern zur Stimmabgabe, die einen beantragten und von der Gemeindebehörde zur Post gegebenen Wahlschein nicht erhalten haben, ist nicht als Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV zu qualifizieren. Denn nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 LWO hat der Wahlvorstand einen Wähler zurückzuweisen, der keinen Wahlschein vorlegt, obwohl sich im Wählerverzeichnis ein Wahlscheinvermerk befindet, es sei denn, es wird festgestellt, dass er nicht im Wahlscheinverzeichnis eingetragen ist. 70
cc) Die Nichtberücksichtigung verspätet bei der Gemeindebehörde eingegangener Wahlbriefe bei der Landtagswahl vom 27. Januar 2008, die der Einspruchsführer zu 5 beanstandet, steht im Einklang mit den Vorschriften des Landtagswahlgesetzes sowie der Landeswahlordnung und ist damit zur Begründung eines Wahlfehlers in Gestalt von Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren ungeeignet. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 LWG hat der Wähler bei der Briefwahl der Gemeindebehörde, die den Wahlschein ausgestellt hat, im verschlossenen Wahlbriefumschlag
1. seinen Wahlschein,
2. in einem besonderen verschlossenen Umschlag seinen Stimmzettel so rechtzeitig zu übersenden, dass der Wahlbrief spätestens am Wahltag bis 18.00 Uhr eingeht. Verordnungsrechtlich sieht § 57 Abs. 1 Satz 1 LWO unter anderem vor, dass, wer durch Briefwahl wählt, geeignete Vorkehrungen dafür trifft, dass der Wahlbrief der darauf angegebenen Stelle spätestens am Wahltag bis 18.00 Uhr zugeht.
71
dd) Über die Modalitäten der Briefwahl und die damit für den Wahlberechtigten verbundenen Obliegenheiten zur Wahrnehmung seines Wahlrechts, namentlich auch über den Zeitpunkt, zu dem der Wahlbrief am Wahltag spätestens bei der Gemeindebehörde eingegangen sein muss, um Berücksichtigung zu finden, sind die Wahlberechtigten auch hinreichend informiert worden. Dies geschah in der nach § 7 LWO erfolgten Bekanntmachung über das Recht auf Einsicht in das Wählerverzeichnis und die Erteilung von Wahlscheinen, ferner in dem gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LWO dem Wahlschein beigefügten amtlichen Merkblatt zur Briefwahl, darüber hinaus in der gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 LWO erfolgten Wahlbekanntmachung der Gemeindebehörde wie auch durch Pressemitteilungen des Landeswahlleiters für Hessen vom 14. Dezember 2007 und vom 18. Januar 2008. 72
f) Der Einspruch des Einspruchsführers zu 8 ist offensichtlich unbegründet, da der Umstand, dass auf die CDU 3.511 mehr Landesstimmen als auf die SPD entfallen sind, sich auf die Sitzverteilung im Landtag, die gemäß § 10 LWG ordnungsgemäß nach dem Verhältnis der von den beiden Parteien jeweils errungenen Landesstimmen zur Gesamtzahl berücksichtigungsfähiger Landesstimmen bestimmt worden ist, eindeutig nicht ausgewirkt hat. Die Verteilung von Sitzen im Landtag nach Proporz hat zur Folge, dass sich nicht jede Stimmendifferenz in der Zusammensetzung des Parlaments abbildet. 73
g) Der Einspruch des Einspruchsführers zu 10 ist offensichtlich unbegründet, da ein von ihm als Wahlanfechtungsgrund geltend gemachter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 LWG nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet. Nach dieser Vorschrift sind während der Wahlzeit in und an dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, sowie in dem Bereich mit einem Abstand von weniger als 10 Metern von dem Gebäudeeingang jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sowie jede Unterschriftensammlung verboten. Das in § 30 Abs. 1, 1. Variante LWG normierte zeitliche und örtliche Verbot von Wahlpropaganda erfasst optische oder akustische Einwirkungen auf den Wähler, deren Zweck die Einflussnahme auf die Wählerwillensbildung ist oder bei denen zumindest die ernstliche Möglichkeit besteht, dass sie auf die Willensbildung des Wählers Einfluss nehmen (vgl. WPG, Urteil von 26. März 1992 – 104/2 – 1991 –, StAnz. 1992, S. 1554 [1567 f., 1570 f.]; Beschluss vom 16. Juli 2003, a.a.O., S. 3201). Mit den Stellenanzeigen katholischer Kindergärten sowie den aus dem Religionsunterricht der Grundschule herrührenden Zetteln mit Aussagen zur Eigenschaft Jesu als Gottes Sohn in der Grundschule Schlossborn, in dem sich der Wahlraum befand, ist weder eine Einwirkung auf die Wählerwillensbildung beabsichtigt gewesen noch besteht bei diesen Texten die ernstliche Möglichkeit einer Beeinflussung des Wählerwillens. 74
h) Der Einspruch der Einspruchsführerin zu 11 ist offensichtlich unbegründet, da ihre Eingaben Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV nicht aufzeigen. 75
i) Der Einspruch des Einspruchführers zu 12 ist offensichtlich unbegründet, weil die Stimmabgabe im Wahlraum ohne Wahlumschlag, bei der das Wahlgeheimnis im Wege des Faltens des Stimmzettels durch den Wähler sicherzustellen ist, durch die Landeswahlordnung verordnungsrechtlich vorgegeben ist. Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 LWO begibt sich der Wähler in die Wahlzelle, kennzeichnet dort seinen Stimmzettel und faltet ihn so zusammen, dass bei der Stimmabgabe andere Personen die Kennzeichnung nicht erkennen können. Gemäß § 49 Abs. 4 Satz 2 LWO legt der Wähler den gefalteten Stimmzettel in die Wahlurne. § 49 Abs. 6 Satz 1 Nr. 6 LWO sieht vor, dass der Wahlvorstand einen Wähler zurückzuweisen hat, der seinen Stimmzettel nicht ordnungsgemäß gefaltet hat, so dass erkennbar ist, wie er gewählt hat. 76
j) Der Einspruch des Einspruchführers zu 13 ist offensichtlich unbegründet, da das Auftreten des Oberbürgermeisters der Stadt Kassel während einer Wahlveranstaltung der SPD am 15. Januar 2008 und dessen dortiges Eintreten für die SPD keinen Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV begründet hat. Der Wahlfehler einer Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren nach Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV scheidet von vornherein aus, da eine Verletzung von Wahlvorschriften, die die Wahlvorbereitung, den Wahlakt und die Feststellung des Wahlergebnisses betreffen, nicht in Rede steht. Ebenso scheidet ein Wahlfehler in Form der sittenwidrigen Handlung im Sinne des Art. 78 Abs. 2, 3. Variante HV durch ein parteiergreifendes Einwirken staatlicher Stellen auf die Bildung des Wählerwillens im Vorfeld einer Wahl in mehr als nur unerheblichem Maße aus. Die Teilnahme eines Oberbürgermeisters an einer Wahlkampfveranstaltung der Partei, der er angehört, sowie im Rahmen einer solchen Veranstaltung erfolgte Meinungsäußerungen des Oberbürgermeisters sind grundsätzlich von den Kommunikationsgrundrechten (Art. 5, Art. 8 GG), die dem Oberbürgermeister als Privatperson wie jedem Bürger zustehen, gedeckt. Ein durch parteiergreifendes Einwirken staatlicher Stellen auf die Wählerwillensbildung eingetretener Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2, 3. Variante HV ist erst dann überhaupt in Betracht zu ziehen, wenn sich das Verhalten des Oberbürgermeisters nicht als Wahrnehmung seiner Rechte als Grundrechtsträger darstellt, sondern als ein Auftreten in amtlicher Eigenschaft zu bewerten ist (vgl. zu Vorstehendem: Hess. VGH, Urteil vom 8. Mai 2008 – 8 UE 1851/07 –, m.w.N.). Hiernach fehlt es bei dem vom Einspruchsführer zu 13 beanstandeten Verhalten des Oberbürgermeisters der Stadt Kassel bereits an einer amtlichen Wahlbeeinflussung. Die in § 45 Abs. 1 Satz 1 der Hessischen Gemeindeordnung – HGO – vorgesehene Amtsbezeichnung „Oberbürgermeister“ darf der Oberbürgermeister gemäß §§ 97 Abs. 2 Satz 1, 211 Abs. 1 des Hessischen Beamtengesetzes auch außerhalb des Dienstes führen. Hinzu tritt, dass der Oberbürgermeister der Stadt Kassel auf der Wahlkampfveranstaltung der SPD ausdrücklich darauf hingewiesen hat, sich als Bürger, nicht in amtlicher Eigenschaft als Oberbürgermeister, zu äußern. Anhaltspunkte, die trotz dieser Sachlage den Schluss auf ein Verhalten als Amtsträger als erste Voraussetzung eines parteiergreifenden Einwirkens staatlicher Stellen auf die Wählerwillensbildung zulassen, sind nicht ersichtlich. 77
k) Soweit die Eingabe des Einspruchsführers zu 14 als Einspruch im Sinne der §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 WahlPrG zu verstehen ist, ist dieser offensichtlich unbegründet, da die Eingabe Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV nicht aufzeigt. 78
l) Letztlich sind auch die Einsprüche der Einspruchsführer zu 15 bis 18 offensichtlich unbegründet, weil ihre sowohl die normativen Grundlagen der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 als auch deren konkrete Durchführung betreffenden Rügen nach keiner Betrachtungsweise zu einem vom Wahlprüfungsgericht zu beanstandenden Wahlfehler nach Art. 78 Abs. 2 HV führen. 79
aa) Die vom Einspruchsführer zu 15 beanstandeten Änderungen der Hessischen Verfassung, die das Wahlalter sowie die Festlegung auf die Grundsätze der Verhältniswahl betreffen, sind nicht geeignet, einen der Kontrollkompetenz des Wahlprüfungsgerichts unterfallenden Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV zu begründen. Die einer Kontrollzuständigkeit des Wahlprüfungsgerichts entgegenstehende ausschließliche Verwerfungskompetenz der Verfassungsgerichte erfasst auch verfassungsändernde Gesetze des hessischen Gesetzgebers. 80
Die in § 7 Abs. 1 LWG i. V. m. der Anlage zu dieser Vorschrift gesetzlich vorgesehene Wahlkreiseinteilung – die der Einspruchsführer zu 15 angreift – kommt als vom Wahlprüfungsgericht zu beanstandender Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV gleichfalls nicht in Betracht (vgl. WPG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., S. 3207). 81
Die fehlende Befugnis des Wahlprüfungsgerichts zur Prüfung von Normfehlern bei der Kontrolle der Gültigkeit der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 hat darüber hinaus zur Folge, dass Rügen der Einspruchsführer zu 15 bis 18, die einfachgesetzliche sowie verordnungsrechtliche Regelungen des Einsatzes von Wahlcomputern bei Wahlen zum Hessischen Landtag zum Gegenstand haben, im Verfahren vor dem Wahlprüfungsgericht von vornherein keine Aussicht auf Erfolg haben. Die von den Einspruchsführern zu 15 bis 18 vorgebrachten Einwände gegen den Einsatz von Wahlcomputern überhaupt als auch speziell gegen den von Wahlcomputern der Typen ESD1 und ESD2 des Herstellers NEDAP sind für die Überprüfung der Gültigkeit der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 durch das Wahlprüfungsgericht hiernach unbeachtlich. Generell ist der Einsatz von Wahlgeräten, zu denen Wahlcomputer zählen, vom Gesetz- und Verordnungsgeber nach Maßgabe des § 31 Abs. 2 LWG i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WahlGV für zulässig erklärt worden. § 31 Abs. 2 Satz 1 LWG sieht vor, dass die für das Landtagswahlrecht zuständige Ministerin oder der hierfür zuständige Minister zulassen kann, dass anstelle von Stimmzetteln Wahlgeräte verwendet werden. Für die Betätigung von Wahlgeräten gilt Abs. 1 entsprechend (§ 31 Abs. 2 Satz 2 LWG). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WahlGV dürfen Geräte, einschließlich der betriebsnotwendigen Speichervorrichtungen, Programme und sonstigem Zubehör, die bei Wahlen und Abstimmungen der Zählung von Wählerstimmen dienen (Wahlgeräte), bei Landtagswahlen nur eingesetzt werden, wenn ihre Bauart zugelassen und ihre Verwendung genehmigt ist. Durch die Bauartzulassung wird festgestellt, dass Wahlgeräte einer bestimmten Bauart für die Verwendung bei Wahlen oder Abstimmungen geeignet sind, § 1 Abs. 1 Satz 2 WahlGV. 82
Die Zulassung von Wahlcomputern der Typen ESD1 und ESD2 des Herstellers NEDAP zur Landtagswahl vom 27. Januar 2008 ist verordnungsrechtlich durch die Zulassungsfiktion des § 1 Abs. 2 WahlGV erfolgt. Nach dieser Vorschrift gelten Wahlgeräte einer Bauart, die das Bundesministerium des Innern für Europaoder Bundestagswahlen zugelassen hat, u. a. für Wahlen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Landtagswahlen) als zugelassen. Bei der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 zum Einsatz gekommene Wahlcomputer der Typen ESD1 und ESD2 des Herstellers NEDAP waren mit Bescheid des Bundesministeriums des Innern vom 2. November 2007 (BAnz. 2007, S. 8019) für die Wahlen zum Deutschen Bundestag und die Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen worden. Auf diese verordnungsrechtliche Zulassung wird in Nr. 2 des Wahlerlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 6. Dezember hingewiesen. 83
Die von den Einspruchsführern zu 16 und 17 geübte Kritik, die Physikalisch- Technische Bundesanstalt habe im Rahmen einer Baumusterzulassung für jeden Wahlgerätetyp lediglich ein vom Hersteller zur Verfügung gestelltes Mustergerät überprüft, die bei der Wahl zum Einsatz gelangten Wahlcomputer seien behördlich nicht auf ihre Übereinstimmung mit der zugelassenen Bauart kontrolliert worden, vielmehr sei einer Baugleichheitserklärung des Herstellers vertraut worden, ist gleichfalls nicht geeignet, einen für das Wahlprüfungsverfahren des Wahlprüfungsgerichts relevanten Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV zu begründen. Die gerügte Verfahrensweise ist verordnungsrechtlich durch § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 WahlGV vorgegeben. Durch die Bauartzulassung wird festgestellt, dass Wahlgeräte einer bestimmten Bauart für die Verwendung bei Wahlen oder Abstimmungen geeignet sind, § 1 Abs. 1 Satz 2 WahlGV. Ist die Bauartzulassung erteilt, muss gemäß § 1 Abs. 4 WahlGV der Inhaber der Bauartzulassung jedem der in den Verkehr gebrachten Wahlgeräte eine Erklärung über die Baugleichheit des mit dem in der Bauartzulassung nach Abs. 2 oder 3 dieser Vorschrift identifizierten und geprüften Baumusters (Baugleichheitserklärung) beifügen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 WahlGV dürfen nur Wahlgeräte verwendet werden, die nach Bestimmung des Wahltages anhand der Bedienungsanleitung und Wartungsvorschriften vom Hersteller oder der Gemeinde überprüft worden sind und deren Funktionstüchtigkeit festgestellt worden ist. Die Wahlgeräte sind von der Gemeindebehörde mit dem Abschluss der Feststellung nach Satz 1 zu versiegeln; bis zur Übergabe an den Wahlvorstand hat die Gemeindebehörde sicherzustellen, dass die Wahlgeräte Unbefugten nicht zugänglich sind, § 4 Abs. 1 Satz 2 WahlGV. Dem Wahlvorsteher wird gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 6 WahlGV eine Baugleichheitserklärung des Herstellers übergeben. Eine Überprüfung der zum Einsatz kommenden Wahlcomputer auf deren Übereinstimmung mit dem zugelassenen Baumuster durch Gemeindebehörde oder Wahlvorstand bei Landtagswahlen sehen die detaillierten Regelungen der §§ 4 ff. WahlGV demgegenüber nicht vor. 84
Der von den Einspruchsführern zu 16 und 17 erhobene Einwand, mit dem Umgang mit Computern unerfahrene Menschen würden durch den Einsatz von Wahlcomputern von der Ausübung ihres Wahlrechts abgehalten, was die Grundsätze der Gleichheit und der Allgemeinheit der Wahl verletze, betrifft gleichfalls die im Landtagswahlgesetz und der Wahlgeräteverordnung getroffene grundsätzliche Entscheidung für die Nutzung dieser Wahlgeräte, die nicht der Überprüfung durch das Wahlprüfungsgericht im Wahlprüfungsverfahren unterliegt. 85
bb) Soweit sich die Einsprüche der Einspruchsführer zu 15 bis 18 auf die konkrete Durchführung der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 beziehen, sind sie offensichtlich unbegründet, da sich auf der Grundlage des jeweiligen Einspruchsvorbringens mandatsrelevante Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV nicht feststellen lassen. 86
(1) Das Vorbringen des Einspruchsführers zu 15 zum Fehlen von Sicherheitsvorkehrungen gegen die Teilnahme von Nichtdeutschen an der Landtagswahl, insbesondere von Türken, die durch Rückerwerb ihrer ursprünglichen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verloren haben, begründet keinen Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV. 87
Ein Wahlfehler in Form einer Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren, d. h. einer Verletzung von Wahlvorschriften, die die Wahlvorbereitung, den Wahlakt und die Feststellungen des Wahlergebnisses betreffen, scheidet aus. 88
Ein Verstoß gegen die die Vorbereitung der Wahl betreffende Regelung des § 5 Abs. 1 LWO, wonach von der Gemeindebehörde vor der Eintragung einer Person in das Wählerverzeichnis u. a. zu prüfen ist, ob die Person nach § 2 LWG wahlberechtigt ist, liegt nicht vor. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 LWG setzt die Wahlberechtigung zum Hessischen Landtag voraus, Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG zu sein. 89
Der ihr durch § 5 Abs. 1 LWO auferlegten Kontrolle der deutschen Staatsangehörigkeit von Personen vor deren Eintragung in das Wählerverzeichnis wird die nach § 12 Abs. 1 LWG für dessen Führung zuständige Gemeindebehörde – Gemeindevorstand bzw. Magistrat (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 2 HGO) – grundsätzlich durch einen Abgleich mit den im Melderegister eingetragenen Daten zur Staatsangehörigkeit gerecht. Die Meldebehörde, die gemäß § 2 des Hessischen Meldegesetzes – HMG – bei der Gemeindebehörde angesiedelt ist, hat im Melderegister u. a. gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 HMG Daten zur Staatsangehörigkeit einschließlich zum Nachweis ihrer Richtigkeit erforderliche Hinweise zu speichern. Nach § 4a Abs. 1 HMG ist die Fortschreibung, d. h. die von Amts wegen erfolgende Berichtigung oder Ergänzung des Melderegisters, Aufgabe der Meldebehörde. Liegen ihr bzgl. einzelner oder einer Vielzahl namentlich bekannter Einwohnerinnen oder Einwohner konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Melderegisters vor, hat sie den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, § 4a Abs. 2 HMG. Von der Fortschreibung sind unverzüglich diejenigen Behörden oder sonstigen öffentlichen Stellen zu unterrichten, denen im Rahmen regelmäßiger Datenübermittlung unrichtige oder unvollständige Daten übermittelt worden sind, § 4a Abs. 1 Satz 2 HMG. 90
Den Daten zur Staatsangehörigkeit im Melderegister, dessen Führung und Fortschreibung den Ländern bundesrechtlich durch die gemäß Art. 125b Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG fortgeltenden §§ 1, 4a Abs. 1 und 2 des Melderechtsrahmengesetzes aufgegeben ist, kommt nicht unerhebliche Beweisbedeutung zu. Dies belegt insbesondere der ab 28. August 2007 gültige § 30 des Staatangehörigkeitsgesetzes – StAG –, der ein behördliches Verfahren zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt (Statusfeststellungsverfahren) vorsieht. Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG ist es für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. 91
Bezogen auf den vom Einspruchsführer zu 15 hervorgehobenen Personenkreis von Türken, die im Anschluss an den durch Einbürgerung erfolgten Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit diese durch erneute Annahme der türkischen Staatsangehörigkeit wieder verloren haben, sind von den Meldebehörden zudem hinreichende Maßnahmen ergriffen worden, um in Erfahrung zu bringen, welche Personen tatsächlich die deutsche Staatsangehörigkeit durch eine türkische Einbürgerung verloren haben. Im Hinblick auf eine Mitteilung der türkischen Regierung, dass seit dem Jahr 2000 ca. 50.000 türkischstämmige Deutsche die türkische Staatsangehörigkeit wiedererworben hätten und die fehlende Übermittlung auf einzelne Personen bezogener Daten durch die Türkei hat das Hessische Ministerium des Innern und für Sport mit Erlass vom 24. Mai 2005 eine meldebehördliche Sachstandsaufklärung veranlasst. Die seit dem 1. Januar 1999 unter Vermeidung von Mehrstaatlichkeit Eingebürgerten türkischer Herkunft, die vom Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 StAG betroffen sein könnten, erhielten ein Anschreiben mit Informationen und einen Antwortvordruck, mit dem sie sich über ihre staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse erklären konnten. Es wurden ca. 27.300 Personen angeschrieben, von denen bis Mitte Juli 2005 etwa 80 % geantwortet hatten. Mit weiterem Erlass vom 15. Juli 2005 wurden die Meldebehörden gebeten, die säumigen Adressaten unter Fristsetzung zu erinnern. Die Antwortquote lag bei über 90 %, wobei 5.390 Personen den Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft einräumten. Weitere fortdauernde Vorkehrungen, um unentdeckte Verluste der deutschen Staatsangehörigkeit zu vermeiden, sind die Aushändigung eines Merkblatts über den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit an jeden Eingebürgerten sowie die auf den Antragsformularen für die Ausstellung von Reisepässen oder Personalausweisen vorgesehenen Erklärungen zum Besitz oder der Beantragung einer ausländischen Staatsangehörigkeit. 92
Vor diesem Hintergrund ist die Überprüfung der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Gemeindebehörde nach § 5 Abs. 1 LWO mittels eines Abgleichs mit dem Melderegister grundsätzlich nicht zu beanstanden. Einzelfälle, in denen aufgrund konkreter Anhaltspunkte für ein Fehlen der deutschen Staatsangehörigkeit trotz deren Eintragung im Melderegister ein anderes Vorgehen der das Wählerverzeichnis führenden Gemeindebehörde in Betracht zu ziehen ist, sind vom Einspruchsführer zu 15 nicht aufgezeigt worden. 93
Einen Wahlfehler nach Art. 78 Abs. 2 HV durch eine gegen § 2 Abs. 1 Nr. 1 LWG verstoßende und überdies gemäß § 107a StGB strafbewehrte Teilnahme von Nichtdeutschen an der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 hat der Einspruchsführer zu 15 nicht in einer den Anforderungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 WahlPrG genügenden Weise begründet. Mit Gründen versehen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 WahlPrG ist ein Einspruch nur dann, wenn der Einspruchsführer unter Angabe konkreter, der Überprüfung zugänglicher Tatsachen einen Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV darlegt (ständige Spruchpraxis des WPG, vgl. Urteil vom 26. März 1992, a.a.O., S. 1562; Urteil vom 28. November 1995 – 104/2 – 1995 – StAnz. 1995, S. 4018 [4027]). Dem Vorbringen des Einspruchsführers zu 15 lässt sich lediglich die abstrakte Gefahr eines Wahlfehlers durch die Teilnahme von Nichtdeutschen an der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 entnehmen, nicht hingegen dessen Vorliegen. Dies gilt auch, soweit das Vorbringen des Einspruchsführers zu 15 den Personenkreis türkischer Staatsangehöriger betrifft, die infolge der seit dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung des § 25 Abs. 1 StAG eine durch Einbürgerung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit durch nachfolgenden Wieder-)Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit verloren haben. Die vom Einspruchsführer zu 15 mitgeteilte Angabe der türkischen Regierung, wonach seit Anfang 2000 ca. 50.000 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit die türkische Staatsangehörigkeit erworben haben, erlaubt lediglich die Feststellung, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Personen, die nicht (mehr) wahlberechtigt gewesen sind, in die Wählerverzeichnisse eingetragen worden sind und von der dadurch eröffneten faktischen Möglichkeit, an der Landtagswahl teilzunehmen, auch Gebrauch gemacht haben. Dass und in welchem Umfang von einem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 StAG betroffene türkische Staatsangehörige tatsächlich an der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 teilgenommen haben, hat der Einspruchsführer zu 15 auch nicht für einen Fall durch Benennung konkreter Umstände dartun können. Im Hinblick auf
  • die Strafbewehrung der unbefugten Wahl nach § 107a StGB,
  • die von der hessischen Verwaltung vor der Bundestagswahl vom 18. September 2005 durchgeführten Aufklärungsmaßnahmen und deren Ergebnisse (Fragebogen- und Informationsaktionen gegenüber 27.300 Personen des bezeichneten Personenkreises mit Antwortquoten von 80 % bzw. 90 %; Einräumen des Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit durch 5.390 Personen),
  • die andauernden Aufklärungs- und Kontrollmaßnahmen der hessischen Verwaltung bei der Einbürgerung sowie der Ausstellung von Reisepässen und Personalausweisen (Merkblatt über den Verlust der deutschen bei Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit; Angaben zum Besitz oder der erfolgten Beantragung einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf den Antragsformularen für die Ausstellung von Reisepässen oder Personalausweisen)
stellt sich die Behauptung des Einspruchsführers zu 15, es sei eine extrem hohe Wahrscheinlichkeit zu bejahen, dass (mindestens) mehrere hundert Wahlberechtigte an der Wahl teilgenommen hätten, als unsubstantiierte Vermutung eines Wahlfehlers dar (vgl. zur fehlenden Substantiierung entsprechender Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 die Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 22. Juni 2006 [BT-Drucks. 16/1800, Anlagen 26, 27 und 28]).
94
Ein Wahlfehler durch unterbliebene Maßnahmen des Wahlvorstands gegenüber Angehörigen des bezeichneten Personenkreises vor deren Stimmabgabe bei der Landtagswahl ist gleichfalls zu verneinen. In diesem Verfahrensstadium der Durchführung der Wahl kommt es nach § 49 Abs. 7 Satz 1 LWO zu einem Beschluss des Wahlvorstands über die Zulassung oder Zurückweisung eines Wählers, wenn der Wahlvorsteher glaubt, das Wahlrecht einer im Wählerverzeichnis eingetragenen Person beanstanden zu müssen, oder wenn sonst aus der Mitte des Wahlvorstandes Bedenken gegen die Zulassung eines Wählers zur Stimmabgabe erhoben werden. Der bloße Umstand, dass bei der Landtagswahl am 27. Januar 2008 nicht ausgeschlossen werden konnte, dass Wähler türkischer Herkunft mangels deutscher Staatsangehörigkeit zu Unrecht im Wählerverzeichnis eingetragen waren, gab dem Wahlvorstand keinen Anlass zum Vorgehen nach § 49 Abs. 7 Satz 1 LWO. Einzelfälle, in denen der Wahlvorsteher oder ein Mitglied des Wahlvorstands aufgrund konkreter Anhaltspunkte Bedenken gegen die deutsche Staatsangehörigkeit eines Wählers des bezeichneten Personenkreises hätte hegen müssen, hat der Einspruchsführer zu 15 nicht dargetan. 95
Soweit der Einspruchsführer zu 15 rügt, die hessische Verwaltung habe im Vorfeld der Landtagswahl 2008 weder den in Betracht kommenden, in Hessen gemeldeten Personenkreis angeschrieben, noch dessen persönliches Erscheinen bei den Meldebehörden zur Klärung eines Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit angeordnet, wird kein Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV dargelegt. Insbesondere würde selbst ein unterstellter Verstoß der Meldebehörden gegen deren Pflicht zur Berichtigung und Ergänzung des Melderegisters nach § 4a HMG keine dem Wahlanfechtungsgrund des Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV unterfallende Verletzung von Wahlvorschriften darstellen. 96
(2) Ein mandatsrelevanter Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV resultiert weiterhin nicht aus der von den Einspruchsführern zu 15, 16 und 18 beanstandeten Lagerung von Wahlcomputern bei Mitgliedern des Wahlvorstandes in Niedernhausen in der Nacht vor der Landtagswahl. 97
Die im Anschluss an die Überprüfung und Versiegelung der Wahlcomputer erfolgte Übergabe der Wahlgeräte durch die Gemeindebehörde an Mitglieder des Wahlvorstandes am Vortag der Wahl zur (privaten) Lagerung stellt allerdings einen Wahlfehler in Gestalt einer Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren im Sinne des Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV dar. Die Vorgehensweise der Gemeindebehörde stand nicht im Einklang mit § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz WahlGV und der diese Wahlrechtsnorm konkretisierenden Nebenbestimmung Nr. 3.7 des Wahlerlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 6. Dezember 2007. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz WahlGV hat die Gemeindebehörde bis zur Übergabe an den Wahlvorstand sicherzustellen, dass die Wahlgeräte Unbefugten nicht zugänglich sind. Die Nebenbestimmung Nr. 3.7 des Wahlerlasses bestimmt, dass die Gemeindebehörde die Wahlgeräte nach § 4 Abs. 1 Satz 2 WahlGV nach der Versiegelung so zu verwahren hat, dass sie Unbefugten nicht zugänglich sind; dies gilt auch für die Speichermodule. Die hiernach bestehende Verwahrungs- und Überwachungspflicht der Gemeindebehörde besteht bis zur Übergabe an den Wahlvorstand. Diese Übergabe hat am Wahltag zu erfolgen. Denn gemäß § 22 Abs. 6 Satz 2 LWO tritt der Wahlvorstand am Wahltag rechtzeitig vor Beginn der Wahlzeit im Wahlraum zusammen. Nach § 45 Abs. 1 LWO sind dem Wahlvorsteher, der die Tätigkeit des Wahlvorstandes leitet (§ 22 Abs. 7 Satz 2 LWO), das Wählerverzeichnis und andere zur Ausstattung des Wahlvorstandes erforderliche Gegenstände zu übergeben. Für den Fall, dass Wahlgeräte verwendet werden, sieht § 5 Abs. 1 Nr. 1 WahlGV vor, dass diese dem Wahlvorsteher zusätzlich vor Beginn der Wahlhandlung übergeben werden. 98
Dem in der vorzeitigen Übergabe von Wahlgeräten liegenden Wahlfehler der Gemeindebehörde fehlt indes die für den Wahlanfechtungstatbestand des Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV erforderliche Erheblichkeit für den Ausgang der Wahl. Die Erheblichkeit eines Wahlfehlers für den Ausgang der Wahl nach Art. 78 Abs. 2 HV ist zu bejahen, wenn nicht nur eine theoretische, sondern eine konkrete und nicht ganz fernliegende Möglichkeit besteht, dass der festgestellte Wahlfehler auf das Wahlergebnis und damit auf die Sitzverteilung im Parlament von Einfluss gewesen ist (ständige Spruchpraxis des WPG, vgl. Urteil vom 26. März 1992, a.a.O., S. 1572; Beschluss vom 16. Juli 2003, a.a.O., S. 3201). Die verfahrensfehlerhafte Übergabe von Wahlcomputern an Wahlvorsteher in Wahlbezirken der Gemeinde Niedernhausen schon am Vortag der Wahl hat für sich genommen die Wahl nicht beeinflusst. Eine Manipulation an diesen Wahlcomputern mit der Folge einer Verfälschung der Stimmenzählung ist von den Einspruchsführern zu 15, 16 und 18 nicht behauptet worden. Für eine solche Manipulation bestehen auch keine Anhaltspunkte. Die vor Beginn der Stimmabgabe am Wahltag erfolgte Überprüfung der Versiegelung der Wahlcomputer durch den Wahlvorstand ergab keine Beanstandungen, eine Beschädigung von Siegeln wurde nicht festgestellt. Die lediglich abstrakte Möglichkeit von Wahlmanipulationen, die prinzipiell nicht ausgeschlossen werden kann, ist nicht geeignet, die Erheblichkeit eines Wahlfehlers für den Ausgang der Wahl zu begründen. 99
(3) Ein mandatsrelevanter Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV ergibt sich weiterhin nicht aus den Rügen der Einspruchsführer zu 15 bis 18, die Verletzungen des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl bei der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 zum Gegenstand haben. 100
Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl hat die Funktion, freie demokratische Wahlen gegen Wahlfälschung zu sichern. Einfachgesetzlich ist er in § 16 Abs. 1 Satz 1 LWG und in § 29 Satz 1 LWG verankert. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LWG verhandeln, beraten und entscheiden Wahlausschüsse und Wahlvorstände in öffentlicher Sitzung. § 29 Satz 1 LWG bestimmt, dass Wahlhandlung und Ermittlung des Wahlergebnisses öffentlich sind. Verordnungsrechtlich hat gemäß § 47 LWO, der gemäß § 2 WahlGV auch bei der Verwendung von Wahlgeräten gilt, jedermann während der Wahlhandlung und der Ermittlung des Wahlergebnisses Zutritt zum Wahlraum, soweit es ohne Störung des Wahlgeschäftes möglich ist. § 46 Abs. 1 Satz 1 LWO regelt, dass der Wahlvorsteher die Wahlhandlung damit eröffnet, dass er die anwesenden Beisitzer auf ihre Verpflichtung zur unparteiischen Wahrnehmung ihres Amtes und zur Verschwiegenheit über die ihnen bei ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten hinweist. Nach § 6 WahlGV hat der Wahlvorstand vor Beginn der Stimmabgabe durch die Wähler die in der Vorschrift vorgesehenen Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen. 101
(a) Die Verweigerung des Zutritts gegenüber Wahlbeobachtern, die den Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen durch Wahlvorstände nach § 6 WahlGV vor Beginn der Stimmabgabe beiwohnen wollten, stellt hiernach einen Wahlfehler dar, dem indes die Mandatsrelevanz fehlt. 102
Zur Wahlhandlung, zu der die Öffentlichkeit grundsätzlich Zutritt hat, zählen auch die vor Beginn der Stimmabgabe vom Wahlvorstand durchzuführenden Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen nach § 6 WahlGV, die die Wahlgeräte betreffen. Dieses Verständnis des Begriffs der Wahlhandlung ist durch den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl geboten, nach dem zur Sicherung einer freien demokratischen Wahl prinzipiell die Ordnungsmäßigkeit der gesamten Durchführung der Wahl und namentlich die Tätigkeit des Wahlvorstandes der Beobachtung durch die Allgemeinheit unterliegt. Aus dem bei der Urnenwahl geltenden § 46 Abs. 4 Satz 1 LWO, nach dessen Wortlaut sich der Wahlvorstand vor Beginn der Wahlhandlung davon überzeugt, dass die Wahlurne leer ist, lässt sich nichts Gegenteiliges folgern. Die Funktion des Öffentlichkeitsgrundsatzes steht einem Verständnis dieser Vorschrift entgegen, wonach der Stimmabgabe des Wählers vorangehende Kontrollen bei der Wahl zu verwendender Gegenstände interne Vorbereitungshandlungen des Wahlvorstandes sind, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgen. Im Hinblick hierauf ist § 46 Abs. 4 Satz 1 LWO dahin auszulegen, dass er mit Wahlhandlung die Wahlhandlung im engeren Sinne der Stimmabgabe (§ 49 LWO) meint und damit inhaltlich mit der Parallelregelung des § 53 Abs. 3 Satz 1 der Bundeswahlordnung – BWO – identisch ist. Nach § 53 Abs. 3 Satz 1 BWO überzeugt sich der Wahlvorstand vor Beginn der Stimmabgabe davon, dass die Wahlurne leer ist. 103
Die im Ausschluss der Öffentlichkeit während der Prüfung der Wahlcomputer nach § 6 WahlGV liegenden Wahlfehler sind für den Ausgang der Wahl jedoch nicht im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV erheblich gewesen. Eine nicht ordnungsgemäße Durchführung der Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen nach § 6 WahlGV durch die Wahlvorstände in den betroffenen Wahlbezirken ist weder von den Einspruchsführern behauptet worden noch liegen für sie Anhaltspunkte vor. Die durch § 15 Abs. 2 Satz 4 LWG vorgegebene pluralistische Zusammensetzung der Wahlvorstände spricht vielmehr gegen Manipulationen in diesem Stadium der Durchführung der Wahl, die grundsätzlich nur durch ein kollusives Zusammenwirken der Mitglieder der Wahlvorstände möglich wären. 104
(b) Soweit Wahlbeobachtern – wie die Einspruchsführer zu 16 bis 18 geltend machen – während der Wahlzeit von 8.00 bis 18.00 Uhr, ohne dass eine Störung des Wahlgeschäfts oder der Ruhe und Ordnung im Wahlraum vorgelegen hätte, der Zutritt verwehrt worden ist (Niedernhausen/Wahlbezirk Rathaus: zwei Personen von 16.50 bis 16.55 Uhr, eine Person für die gesamte Wahlzeit; Obertshausen/ Wahlraum Waldstraße: Zurückweisung von Personen um 17.15 Uhr), liegen hierin weitere Verstöße gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit. Auch diesen Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren fehlt jedoch die für den Anfechtungstatbestand des Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV erforderliche Erheblichkeit für den Ausgang der Wahl. 105
(c) Soweit Wahlbeobachtern nach Ablauf der Wahlzeit um 18.00 Uhr durch Sperrung der Zutritt zum Wahlraum bis 18.10 Uhr verwehrt worden ist (Niedernhausen/ Wahlraum Theißtalschule), ist ein Wahlfehler ab dem Zeitpunkt zu bejahen, zu dem alle um 18.00 Uhr im Wahlraum anwesenden Wähler ihre Stimmen abgegeben hatten. Die maßgebliche Vorschrift des § 53 LWO trifft für den Zeitraum ab Ablauf der Wahlzeit bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die bei Ablauf der Wahlzeit im Wahlraum befindlichen Wähler ihre Stimmen abgegeben haben, eine Regelung, durch die den in Widerstreit stehenden Erfordernissen der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl in zeitlicher Hinsicht und des Öffentlichkeitsgrundsatzes gleichermaßen zur optimalen Wirksamkeit verholfen werden soll. Nach § 53 Satz 1 LWO wird, sobald die Wahlzeit abgelaufen ist, dies vom Wahlvorsteher bekannt gegeben. Von da ab dürfen nur noch die Wähler zur Stimmabgabe zugelassen werden, die sich im Wahlraum befinden, § 53 Satz 2 LWO. Der Zutritt zum Wahlraum ist so lange zu sperren, bis die anwesenden Wähler ihre Stimmen abgegeben haben; die Öffentlichkeit der Wahl muss gewährleistet bleiben (§ 53 Satz 3 LWO). Gemäß § 53 Satz 4 LWO erklärt der Wahlvorsteher sodann die Wahlhandlung für geschlossen. Hiernach erfährt der Öffentlichkeitsgrundsatz durch die Sperrung des Zutritts zum Wahlraum im Interesse der in zeitlicher Hinsicht ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl eine Einschränkung: Im Zeitraum zwischen dem Ablauf der Wahlzeit und Beendigung der Stimmabgabe der im Zeitpunkt des Ablaufs der Wahlzeit im Wahlraum anwesenden Wähler wird durch Sperrung des Zutritts zum Wahlraum verhindert, dass nach Ablauf der Wahlzeit eingetroffene Personen wählen. Eine Beobachtung der Wahl durch die Öffentlichkeit, namentlich durch bereits anwesende Wahlbeobachter, muss gewährleistet bleiben, für den bezeichneten Zeitraum ist (weiteren) Wahlbeobachtern der Zutritt zum Wahlraum jedoch verwehrt. 106
Dem aus dem kurzfristigen Ausschluss der Öffentlichkeit resultierenden Wahlfehler in Niedernhausen/Wahlraum Theißthalschule fehlt jedoch die Erheblichkeit im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV, da eine konkrete Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich dieser Fehler auf das Wahlergebnis ausgewirkt hat, nicht besteht. 107
(d) Ein mandatsrelevanter Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV ergibt sich weiterhin nicht aus von den Einspruchsführern zu 16 und 17 beanstandeten generellen Film- und Fotoverboten in Wahlräumen. 108
Ein Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit der Wahl als allein in Betracht zu ziehender Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV scheidet aus, da die Öffentlichkeit bei der Wahlhandlung und Ermittlung des Wahlergebnisses vom Landtagswahlgesetz und der Landeswahlordnung als unmittelbare Öffentlichkeit ausgestaltet ist. Unmittelbare Öffentlichkeit bedeutet, dass jedermann der Zutritt zum Wahlraum gestattet sein muss, soweit dies die räumlichen Verhältnisse erlauben. § 29 Satz 1 LWG bestimmt, dass Wahlhandlung und Ermittlung des Wahlergebnisses öffentlich sind. § 47 LWO konkretisiert dies im Sinne einer unmittelbaren Öffentlichkeit dahin, dass während der Wahlhandlung und Ermittlung des Wahlergebnisses jedermann zum Wahlraum Zutritt hat, soweit das ohne Störung des Wahlgeschäftes möglich ist. Eine mittelbare Öffentlichkeit, d. h. die Herstellung von Publizität mittels Film-, Foto- oder Rundfunkaufnahmen, sehen die hessischen Wahlrechtsnormen demgegenüber nicht vor (vgl. für die entsprechende Rechtslage im Bund: Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 7. Aufl. 2002, § 31 Rdnr. 3), so dass ein Film- und Fotoverbot jedenfalls keinen Wahlrechtsverstoß zu begründen vermag. 109
Unabhängig hiervon würde einer unterstellten, sich aus einem Film- und Fotoverbot ergebenden Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren keine Erheblichkeit für den Ausgang der Wahl als weiterer Voraussetzung des Wahlanfechtungstatbestandes nach Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV zukommen. 110
(e) Das Vorbringen des Einspruchsführers zu 16, die in der Nebenbestimmung Nr. 3.5 des Wahlerlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 6. Dezember 2007 vorgesehene und von den Städten und Gemeinden auch durchgeführte Probewahl sei zur Kontrolle der ordnungsgemäßen Funktion der Wahlcomputer nicht geeignet, begründet keine Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren, die insoweit als Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV allein zu erwägen ist. Die im Wahlerlass vorgesehene Probewahl verstößt nicht gegen Vorschriften des Landtagswahlrechts, sondern tritt als nach § 1 Abs. 6 Satz 2 WahlGV zulässige Nebenbestimmung zu den verordnungsrechtlich in § 4 Abs. 1 Satz 1 WahlGV geregelten Kontrollmaßnahmen der Gemeindebehörde hinzu. 111
(f) Mandatsrelevante Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV folgen des Weiteren nicht daraus, dass – wie vom Einspruchsführer zu 16 mitgeteilt worden ist – Wahlcomputer vor und nach der Wahl kurzfristig nicht gegen den Zugang Unbefugter abgesichert gewesen sind. 112
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz WahlGV hat die Gemeindebehörde bis zur Übergabe an den Wahlvorstand sicherzustellen, dass die Wahlgeräte Unbefugten nicht zugänglich sind. Im Anschluss an die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 WahlGV erfolgte Übergabe an den Wahlvorsteher hat der Wahlvorstand entsprechend seiner Aufgabe, für die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl zu sorgen (§ 22 Abs. 7 Satz 1 LWO), die Wahlgeräte zu kontrollieren und zu beaufsichtigen (§§ 6 bis 8 WahlGV). Nach Schluss der Wahlhandlung und Ermittlung des Wahlergebnisses gibt der Wahlvorsteher, der die Tätigkeit des Wahlvorstandes leitet (§ 22 Abs. 7 Satz 2 LWO) die Wahlgeräte an die Gemeindebehörde zurück, § 13 Abs. 2 Nr. 1 WahlGV. Gemäß § 13 Abs. 3 WahlGV haben Wahlvorsteher, Gemeindebehörde und Kreiswahlleiter sicherzustellen, dass die eingesetzten Wahlgeräte oder deren herausgenommene Stimmenspeicher und die Wahlniederschrift mit den Anlagen bis zur Aufhebung der Sperrung und Versiegelung der eingesetzten Wahlgeräte oder der herausgenommenen Stimmenspeicher Unbefugten nicht zugänglich sind. 113
Eine fehlende Sicherung der Wahlgeräte gegen den Zugriff Dritter vor Beginn der Wahlzeit (Lampertheim/Wahlräume für Wahlbezirke 1 und 2, Zeitraum von 7.03 bzw. 7.18 bis 7.23 Uhr; nach Darstellung eines Wahlbeobachters auch Viernheim/Wahlräume in der Alexander-von-Humboldt-Schule, ohne zeitliche Konkretisierung) und nach deren Ende (Viernheim/Wahlraum für Wahlbezirk 12 in der Friedrich-Fröbel-Schule, Zeitraum von 18.15 bis 18.30 Uhr) verstößt hiernach gegen Wahlrechtsnormen und stellt damit eine Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren gemäß Art. 78 Abs. 2 1. Variante HV dar. 114
Auch diesen Wahlfehlern fehlt indes die Mandatsrelevanz, die Art. 78 Abs. 2 HV für eine Feststellung der Ungültigkeit der Wahl voraussetzt. Eine Manipulation der Wahlgeräte während der kurzen Zeiträume fehlender Sicherung wird vom Einspruchsführer zu 16 nicht behauptet. Für eine Manipulation bestehen auch keine Anhaltspunkte. Sie ist im Hinblick auf die kurzen Zeiträume fehlender Sicherung und die jeweils unversehrten Versiegelungen der Wahlgeräte überdies fernliegend. 115
(g) Der vom Einspruchsführer zu 16 mitgeteilte Umstand, dass in Lampertheim/ Wahlraum Grundschule Hüttenfeld nicht der Wahlvorstand am Wahltag einen Prüfausdruck erstellt habe, sondern ein (von der Gemeindebehörde erstellter) auf den 24. Januar 2008 datierter Prüfausdruck verwendet worden sei, ist zur Begründung eines mandatsrelevanten Wahlfehlers ungeeignet. Der allein in Betracht kommende Wahlfehler nach Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV scheidet aus, da Wahlrechtsnormen, namentlich § 6 WahlGV, den Wahlvorstand nicht zur Erstellung des Prüfausdrucks verpflichten. Auch die im Wahlerlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 6. Dezember 2007 aufgeführte Nebenbestimmung Nr. 3.11, nach der der Wahlvorstand vor Beginn der Stimmabgabe die Richtigkeit des programmierten Wahltyps und der Parametereinstellungen anhand des Prüfprotokolls sowie die Übereinstimmung des gerätespezifischen Stimmzettels mit dem amtlichen Stimmzettel zu kontrollieren und zu bestätigen hat, legt dem Wahlvorstand nicht die Pflicht auf, das Prüfprotokoll selbst am Wahltag zu erstellen. Unabhängig hiervon wäre ein in der fehlenden Erstellung eines Prüfausdrucks durch den Wahlvorstand am Wahltag liegender Wahlfehler für den Ausgang der Wahl unerheblich. 116
(h) Soweit – wie der Einspruchsführer zu 17 ohne weitere Substantiierung behauptet – der Wahlleiter von Obertshausen vor der Wahl Personen, die sich telefonisch nach der Lage der Wahllokale erkundigt haben, mitgeteilt habe, eine Wahlbeobachtung sei nur in Hessen ansässigen Personen erlaubt, liegt hierin ein Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV, wenn Personen aufgrund dieser Information von einer Wahlbeobachtung abgesehen haben. Die Wahlrechtsnormen der §§ 29 Satz 1 LWG, 47 LWO verbieten auch eine mittelbare Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes durch eine von Wahlorganen erteilte unzutreffende Auskunft, die Personen davon abhält, als Teil der Öffentlichkeit die Wahl zu beobachten. Eine solche Folge der von ihm behaupteten Auskunft des Wahlleiters von Obertshausen hat der Einspruchsführer zu 17 indes nicht vorgetragen. Eine Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Erteilung einer solchen Auskunft durch den Wahlleiter und deren Folgen durch das Wahlprüfungsgericht ist nicht veranlasst, da bei Vorliegen eines entsprechenden Wahlfehlers diesem jedenfalls die Mandatsrelevanz im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV fehlen würde. 117
(i) Der vom Einspruchsführer zu 16 mitgeteilte Umstand, dass in Niedernhausen/ Wahlbezirk Rathaus aus einem Fenster eines hinter dem Wahlraum liegenden Raumes ein Blick auf das Bedienfeld des Wahlcomputers möglich gewesen sei, begründet gleichfalls keinen für den Ausgang der Wahl erheblichen Wahlfehler. 118
Eine Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren als Wahlfehler gemäß Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV ist zu verneinen, da nicht gegen § 5 Abs. 3 WahlGV verstoßen worden ist. Nach dieser wahlrechtlichen Vorschrift sind die Wahlgeräte in der Wahlzelle so aufzustellen, dass jeder Wähler seine Stimme unbeobachtet abgeben kann. Die Gemeinde Niedernhausen hat mitgeteilt, dass der hinter dem Wahlraum gelegene Raum während der gesamten Wahlhandlung verschlossen gewesen sei und niemand zu diesem Raum Zutritt gehabt habe. Die Wahlvorsteherin des Wahlbezirks Rathaus habe sich vor Beginn der Stimmabgabe von der Sperrung des Raumes überzeugt. 119
Für einen Wahlanfechtungsgrund nach Art. 78 Abs. 2, 2. Variante HV in Gestalt einer nach § 107 c StGB strafbaren Handlung, also für eine Zuwiderhandlung gegen eine dem Schutz des Wahlgeheimnisses dienenden Vorschrift in der Absicht, sich oder einem anderen Kenntnis davon zu verschaffen, wie jemand gewählt hat, fehlt schon nach dem Vorbringen des Einspruchsführers zu 16 jeder Anhaltspunkt. 120
Schließlich ist der Wahlanfechtungsgrund der gegen die guten Sitten verstoßenden Handlung nach Art. 78 Abs. 2, 3. Variante HV von vornherein zu verneinen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass es gegen die Prinzipien der geheimen und freien Wahl verstößt, wenn Wahlberechtigte aufgrund der konkreten Verhältnisse im Wahlraum nicht sicher sein können, bei der Stimmabgabe unbeobachtet zu sein (vgl. WPG, Urteil vom 26. März 1992, a.a.O., S. 1566). Der Wahlanfechtungsgrund der sittenwidrigen Handlung nach Art. 78 Abs. 2, 3. Variante HV setzt eine Einwirkung auf den Wählerwillen voraus, die von ihrem Gewicht her mindestens ebenso bedeutsam sein muss wie die übrigen Wahlungültigkeitsgründe des Art. 78 Abs. 2 HV, namentlich wie der der strafbaren Handlung (StGH, Urteil vom 13. Februar 2002 – P.St. 1633 – ESVGH 53, 1 [4]). Der Befürchtung eines Wählers, aufgrund der Anordnung der Räume bei der Stimmabgabe beobachtet werden zu können, kommt dieses Gewicht nach keiner Betrachtungsweise zu, wenn – wie hier – eine solche Befürchtung durch Nachfrage des Wählers beim Wahlvorstand nach der Unzugänglichkeit des Nebenraums hätte ausgeräumt werden können. 121
Unabhängig hiervon würde einem sich aus der Anordnung von Wahlraum und Nebenraum in Niedernhausen/Wahlbezirk Rathaus ergebendem Wahlfehler die Erheblichkeit für den Ausgang der Wahl fehlen. 122
2. Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Gültigkeit der Landtagswahl vom 27. Januar 2008 durch das Wahlprüfungsgericht hat gleichfalls keine für den Ausgang der Wahl erheblichen Unregelmäßigkeiten oder strafbare bzw. gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen, die das Wahlergebnis beeinflussen, ergeben. 123
Die Zulassung der Landeslisten für die Landtagswahl durch den Landeswahlausschuss (StAnz. 2007, S. 2551) sowie dessen Feststellung deren endgültigen Ergebnisses (StAnz. 2008, S. 448) sind anhand der Sitzungsprotokolle des Landeswahlausschusses vom 30. November 2007 und vom 8. Februar 2008 überprüft worden. Ein Grund zur Beanstandung ist nicht festgestellt worden. 124
Weitere Untersuchungen des Wahlprüfungsgerichts im Rahmen der Prüfung der Gültigkeit der Wahl von Amts wegen sind nicht veranlasst, da es – auch unter Berücksichtigung der eingegangenen Einsprüche gegen die Landtagswahl – an Anhaltspunkten für das Vorliegen mandatsrelevanter Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV, die der Prüfungszuständigkeit des Wahlprüfungsgerichts unterfallen, mangelt. 125
Auch der zurückgenommene Einspruch des Einspruchsführers zu 9 bietet keinen Grund für weitere Ermittlungen des Wahlprüfungsgerichts von Amts wegen. Weder die Aufforderung eines Mitglieds des Wahlvorstandes an den Einspruchsführer zu 9, den bereits gefalteten Stimmzettel nochmals zu falten, noch das Einlegen des lediglich einfach gefalteten Stimmzettels in die Wahlurne durch den Einspruchsführer zu 9 können einen Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV begründen. 126
Eine Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren als in Erwägung zu ziehender Wahlfehler nach Art. 78 Abs. 2, 1. Variante HV scheitert von vornherein daran, dass die maßgeblichen wahlrechtlichen Regelungen des § 49 Abs. 4 Sätze 1 und 2, Abs. 6 Satz 1 Nr. 6 LWO gewahrt worden sind. § 49 Abs. 4 Satz 1 bestimmt, dass der Wahlvorsteher die Wahlurne freigibt, sobald der Schriftführer den Namen des Wählers im Wählerverzeichnis gefunden hat, die Wahlberechtigung festgestellt ist und kein Anlass zur Zurückweisung des Wählers nach Abs. 6 und 7 besteht. Gemäß § 49 Abs. 4 Satz 2 LWO legt der Wähler den gefalteten Stimmzettel in die Wahlurne. Gemäß § 49 Abs. 6 Satz 1 Nr. 6 LWO hat der Wahlvorstand einen Wähler zurückzuweisen, der seinen Stimmzettel nicht ordnungsgemäß gefaltet hat, so dass erkennbar ist, wie er gewählt hat. 127
Die an den Einspruchsführer zu 9 gerichtete Aufforderung zur weiteren Faltung (Querfaltung) des gefalteten Stimmzettels, die einem Vorschlag des Landeswahlleiters im Wahlerlass Nr. L 22 vom 4. Dezember 2007 – II 12 – 03 E 06.12.03 – 01 entsprach, diente der zusätzlichen Sicherung des Wahlgeheimnisses und war dem Wahlvorstand durch die Landeswahlordnung nicht verwehrt. Die Einlegung des (lediglich) einfach gefalteten Stimmzettels in die Wahlurne durch den Einspruchsführer zu 9 musste der Wahlvorstand nach der Landeswahlordnung zulassen. Der Zurückweisungsgrund des § 49 Abs. 6 Satz 1 Nr. 6 lag nicht vor, da bereits die vom Einspruchsführer zu 9 vorgenommene einfache Faltung, die nicht erkennen ließ, wie er gewählt hatte, ordnungsgemäß war. 128
Die Wahlanfechtungsgründe der mandatsrelevanten strafbaren oder sittenwidrigen Handlung nach Art. 78 Abs. 2, 2. bzw. 3. Variante, sind schon deshalb nicht einschlägig, weil einer vom Einspruchsführer zu 9 befürchteten, gegen das Wahlgeheimnis verstoßenden Identifizierung seiner Wahlentscheidung anhand des lediglich einmal gefalteten Stimmzettels entgegensteht, dass im betroffenen Wahlbezirk nach Auskunft der Wahlvorsteherin etwa 50 weitere Personen mit einfach gefalteten Stimmzetteln gewählt haben. 129
III.
Die Kosten des Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last. Die Beteiligten haben keinen Anspruch auf Erstattung der ihnen entstandenen Auslagen (§ 19 WahlPrG). 130
Gegen diesen Beschluss des Wahlprüfungsgerichts ist die Wahlprüfungsbeschwerde nach § 52 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof statthaft (§ 17 Satz 1 WahlPrG). Antragsberechtigt sind die Wahlberechtigten, deren Einspruch verworfen worden ist, und die Fraktionen. Die Wahlprüfungsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses des Wahlprüfungsgerichts bei dem Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Luisenstraße 13, 65185 Wiesbaden, zu erheben und zu begründen. 131
Reimers, Aumüller, Faeser, Hofmann, Wintermeyer

 


Matthias Cantow