VG Ansbach

[Wahlprüfung]

Urteil vom 26. März 1998

4 K 97.02347

EzKommR 2331.77

„Bürgerbegehren – Zuteilungsverfahren“


Entscheidungen 1990–1999

Urteil

vom 26.03.1998
des Verwaltungsgerichts Ansbach
– 4 K 97.02347 –

Tatbestand

Die Kläger sind die drei benannten Vertreter des Bürgerbegehrens „Miteinander für ...“. Bis zum 16. September 1997 legten sie Unterschriftslisten mit einer ausreichenden Zahl von Unterschriften für einen Bürgerentscheid zu folgender Fragestellung vor:
Sind Sie dafür, daß die Geschäftsordnung für den Stadtrat … wie folgt geändert wird?

1. In § 6 (1) wird „d’Hondt“ ersetzt durch „Hare-Niemeyer“ (mit daraus folgenden Anpassungen).

2. Im Abschnitt A.II. wird eingefügt:

§ 5 a – Verteilung der Geschäfte unter die Stadtratsmitglieder

(1) Die Zahl der den Fraktionen und Gruppen zuzuteilenden Geschäfte (§ 46 (1) GO) wird nach § 6 (1)ermittelt. Die Geschäfte werden durch Los unter die Fraktionen und Gruppen verteilt. Diese benennen geeignete Mitglieder.

(2) Für die Tätigkeit in Unternehmen und Verbänden gezahlte Vergütungen sind bei der Verteilung der Geschäfte in öffentlicher Sitzung bekanntzugeben.

Begründung

Nach der Gemeindeordnung sollen die Fraktionen des Stadtrats in dessen Ausschüssen nach dem Verhältnis ihrer Stärke vertreten sein. Am 2. Mai 1996 lehnte die Stadtratsmehrheit es ab, dazu statt des d’Hondtschen Verfahrens das Hare-Niemeyer’sche anzuwenden. Dadurch erhielt eine Fraktion mit 45,8 % der Stadratsitze vier von sieben Ausschußsitzen (57 %), eine Fraktion mit 8,3 % der Stadtratsitze keinen Ausschußsitz. Zugleich übertrug die Stadratsmehrheit alle, auch einträgliche Geschäfte ihren Mitgliedern.
Das Verfahren nach d’Hondt verfälscht den Wählerwillen durch Begünstigung großer Fraktionen. In den Ausschüssen wird die eigentliche Stadtratsarbeit geleistet, der Stadtrat bestätigt in der Regel nur deren Beschlüsse. Eine Fraktion wurde somit weitestgehend von der Stadtratsarbeit ausgeschlossen. Nach Hare-Niemeyer werden die Ausschußsitze im Verhältnis der Stadtratsitze verteilt (mit der üblichen Rundung – hier von 3,21 auf 3, von 0,58 auf 1). Es überträgt den Wählerwillen so genau wie möglich in die Stadtratsausschüsse.
Machtpolitik schadet allen. Die Bürger haben ein Recht zu wissen, ob am Stadtratsmandat verdient wird. Mit fairen Regeln ermöglichen sie, daß alle Gewählten gleichberechtigt zum Wohl der Stadt zusammenarbeiten.
Nach vorheriger Anhörung der Kläger unter Übermittlung von die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens verneinenden, Stellungnahmen des Landratsamtes vom 6. Februar 1997 sowie 10. September 1997 und des Bayerischen Gemeindetages vom 3. September 1997 lehnte die Beklagte aufgrund des Stadtratsbeschlusses vom 14. Oktober 1997 die Zulassung des Bürgerbegehrens mit Bescheid vom 22. September 1997 ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen darauf verwiesen, daß Entscheidungen über Angelegenheiten der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung, die im Rahmen der Geschäftsordnung gemäß Art. 45 GO zu regeln seien, unter den Ausschlußkatalog des Art. 18 a Abs. 3 GO fallen würden und deshalb das Bürgerbegehren unzulässig sei. Dieser Bescheid wurde den Klägern jeweils am 23. Oktober 1997 zugestellt.
Mit einem am 18. November 1997 bei Gericht eingegangenen und von allen Klägern unterzeichneten Schreiben haben die Kläger Klage erhoben und beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, den Gemeinderatsbeschluß vom 14. Oktober 1997, der das Bürgerbegehren „Miteinander für für unzulässig erklärt (hat), sowie den Zurückweisungsbescheid vom 22. Oktober 1997 aufzuheben und das Bürgerbegehren in vollem Umfang zuzulassen.
Zur Begründung wurde im wesentlichen dargelegt, der Ausschlußkatalog des Art. 18 Abs. 3 GO sei nach der Rechtsprechung restriktiv auszulegen. Zwar sei zuzugeben, daß die Besetzung der Ausschüsse des Gemeinderats in der Geschäftsordnung festgelegt werde und daß insoweit die „innere Organisation“ der Gemeindeverwaltung im weitesten Sinn betroffen ist, übersehen werde aber, daß es letztlich um eine kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit gehe, die einem Bürgerbegehren zugänglich sei. Auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens über die Frage der künftigen Stellung des Bürgermeisters als ehrenamtlich oder berufsmäßig werde verwiesen. Zudem widerspreche die derzeitige Handhabung der Ausschußbesetzung dem sogenannten „Spiegelbildgrundsatz“. Nur, bei Anwendung des erstrebten „Hare-Niemeyer-Verfahrens“ würden die kleineren Parteien und Gruppierungen entsprechend dem tatsächlichen Wahlergebnis der Stadtratswahl von 1996 in den Ausschüssen Berücksichtigung finden können. Im übrigen billige der Bayerische Verwaltungsgerichtshof der Geschäftsordnung einer Gemeinde Satzungscharakter zu und auch deshalb könnte das Bürgerbegehren anstelle des Gemeinderats über Regelungen der Geschäftsordnung befinden. Der in Art. 49 GO normierte Grundsatz, daß niemand in eigener Sache entscheiden dürfe, gebiete geradezu einen Bürgerentscheid über politisch-relevante Geschäftsordnungsfragen.
Die Bevollmächtigten der Beklagten beantragten,
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 27. Februar 1998 beteiligte sich die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses und machte Ausführungen zur Rechtslage. Mit Schriftsätzen vom 16. März 1998 und 20. März 1998 bekräftigten der Beklagtenvertreter und die Kläger im wesentlichen, daß die Auslegung der in Art. 18 a Abs. 3 GO bestimmten Begriffe „innere Organisation der Gemeindeverwaltung“ und „Rechtsverhältnisse der Gemeinderäte“ streitentscheidend sein dürfte.
In der mündlichen Verhandlung stellten die Beteiligten die bereits schriftsätzlich vorgetragenen Anträge.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kläger begehren, die Beklagte unter Aufhebung ihrer entgegenstehenden Entscheidungen vom 14. Oktober 1997 und 22. Oktober 1997 zu verpflichten, das Bürgerbegehren „Miteinander für zulässig zu erklären. Diese Klage ist zulässig, wobei dahinstehen kann, ob sie als allgemeine Leistungsklage oder als Verpflichtungsklage statthaft ist, denn sowohl die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Leistungsklage wie auch die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Verpflichtungsklage, hier insbesondere die Einhaltung der Klagefrist, sind erfüllt. Der Durchführung eines Vorverfahrens gemäß § 68 VwGO bedurfte es nicht (vgl. zu allem auch BayVGH, Urteil vom 30.5.1977 in VwRR 1997, 271 f. und Beschluß vom 16.5.1997 in VwRR 1997, 273 f.; Widtmann/Grasser, Bayer. GO, Art. 18 a, Rd.Nr. 10 c; Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Kennzahl 13.00, Art. 18 a Abs. 9, Rd.Nr. 8). 1
Die Klage ist sachlich jedoch nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens. Die Beklagte hat das Bürgerbegehren zu Recht nicht zugelassen, denn weder die Entscheidung, ob die Ausschußsitze nach dem d’Hondtschen Verfahren oder dem Verfahren „Hare-Niemeyer“ vergeben werden noch die Entscheidung über die Geschäftsverteilung innerhalb der Fraktionen und Gruppen sowie die Verpflichtung zur Offenlegung von gezahlten Vergütungen sind Angelegenheiten, die einem Bürgerbegehren zugänglich sind. Alle drei Fragestellungen unterfallen dem Negativkatalog gemäß Art. 18 a Abs. 3 GO, der von der Beklagten wie auch dem Gericht entsprechend der auch materiell-rechtlich eröffneten Prüfungskompetenz (vgl. hierzu BayVGH, Urteil vom 10.12.1997, BayVBl 1998, 242 f.) der Beurteilung zugrunde gelegt werden konnte. 2
Gemäß Art. 18 a Abs. 3 GO findet ein durch Bürgerbegehren initiierter Bürgerentscheid u.a. nicht statt über Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung und über die Rechtsverhältnisse der Gemeinderatsmitglieder. 3
Unter dem Begriff „innere Organisation der Gemeindeverwaltung“ sind nach überwiegender Meinung die insbesondere durch die Geschäftsordnung gemäß Art. 45 GO zu regelnden Fragen der Selbstorganisation des Gemeinderats sowie die Zuständigkeitsverteilung im Innenverhältnis, insbesondere die Frage nach Bildung, Zusammensetzung und Aufgabenbereich der Ausschüsse und die Verteilung der Geschäfte der Gemeinderatsmitglieder gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 2 GO zu subsumieren (vgl. Prandl/Zimmermann, Kommunalrecht in Bayern, Kennzahl 10.18 a, Rd.Nr. 10; Treffer/Kroll, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Art. 18 a, Anmerkung 16 Nr. 2; Hölzl/Hiev, GO, Art. 18 a, Rd.Nr. 4, wonach Art. 18 a Abs. 3 GO dann für anwendbar erachtet wird, wenn die innere Organisation als solche und unmittelbar inmitten steht; Thum, a.a.O., Kennzahl 13.00, Art. 18 a Abs. 3, Rd.Nr. 3). 4
Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Kläger greifen sämtlich nicht durch. Insbesondere läßt sich auch aus den von den Klägern hierzu als besonders maßgeblich angesehenen Entscheidungsgründen des Beschlusses des BayVGH vom 2. Januar 1996, BayVBl 1996, 246 f., nichts anderes herleiten. Hinsichtlich der vorliegend inmitten stehenden Frage nach Inhalt und Reichweite des Begriffes „innere Organisation der Gemeindeverwaltung“ führt der BayVGH im genannten Beschluß mangels primärer Entscheidungsrelevanz und in Übereinstimmung mit den o.g. Literaturstellen nämlich lediglich beispielhaft auf, daß zur inneren Organisation (auch) Fragen der Aufbau- und der Ablauforganisation (der Gemeindeverwaltung), gehören. Eine abschließende Erörterung der Begriffe „innere Organisation“ und „Gemeindeverwaltung“ erfolgt nicht. So kann der vom BayVGH gebrauchten Wendung „... An der Spitze des hierarchischen Behördenaufbaus steht der 1. Bürgermeister in jedem Fall, gleichgültig, ob er ehrenamtlich oder berufsmäßig tätig ist ...“ auch nicht entnommen werden, daß unter dem in Art. 18 a Abs. 3 GO gebrauchten Begriff „Gemeindeverwaltung“ nur die vom Bürgermeister geleitete professionelle Behördenverwaltung zu verstehen sein soll. Dieser Ansicht steht nämlich bereits Art. 29 GO entgegen, der die Verwaltung der Gemeinde ausdrücklich und primär zu einer Angelegenheit des Gemeinderats erklärt. 5
Hinzu kommt weiterhin, daß zur Aufbauorganisation der entsprechend den gesetzlichen Vorgaben gemäß Art. 29 GO ff. nur im vorstehenden Sinn interpretierbaren Gemeindeverwaltung an maßgebender Stelle auch die Frage gehört, ob und wie der Gemeinderat sich zur Aufgabenerfüllung selbst organisiert. Gemäß Art. 32 Abs. 1 GO steht es hierzu in seinem Ermessen, ob und wie Ausschüsse gebildet werden. Bei der Bildung und Besetzung von Ausschüssen handelt es sich mithin um die Frage, wie der Gemeinderat seine Gemeindeverwaltungstätigkeit durchführen will. Die Ausschüsse sollen als kleine Gruppe der Entlastung des Plenums dienen, damit im kleinen, nach Möglichkeit fachspezifischen Kreis schwierige Probleme der Verwaltungstätigkeit effizienter beraten und aufbereitet werden können. Ausschüsse werden mithin gebildet, um die Verwaltungstätigkeit effektiver ausüben zu können. Bei der Bildung und Besetzung von Ausschüssen handelt es sich damit aber zweifelsfrei um eine Organisationsfrage im Rahmen der Aufbau- bzw. Ablauforganisation der Gemeindeverwaltung, bei deren Lösung der Gemeinderat aufgrund seiner Organisationshoheit eine weitgehende Gestaltungsfreiheit hat (vgl. BayVGH, Beschluß vom 14.1.1998, VwRR 1998, 49 f.). Dem von den Klägern angesprochenen und gemäß Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO zu beachtenden „Spiegelbildgrundsatz“ kann der Gemeinderat hierbei sowohl durch die Anwendung des Höchstzahlverfahrens nach d’Hondt wie auch durch die Anwendung des Verfahrens Hare-Niemeyer gleichermaßen Rechnung tragen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 25.2.1997, VwRR 1997, 237 f.). 6
Dieses interne, d.h. allein dem Gemeinderat zustehende, Selbstorganisationsrecht bzw. die sog. Geschäftsordnungsautonomie wurde entgegen der Auffassung der Kläger durch die Einführung des Art. 18 a GO auch nicht nachträglich eingeschränkt, denn Absatz 3 des Art. 18 a GO hat diesen Organisationsbereich bzw. die Geschäftsordnungsautonomie gerade von der Anwendung des Art. 18 a GO bzw. den Einflußmöglichkeiten der Gemeindeangehörigen ausgenommen. 7
Dagegen kann auch nicht argumentiert werden, daß ein Selbstverwaltungsrecht des Gemeinderats gegenüber der Gemeinde nicht bestehe und deshalb die Gemeindeangehörigen auf die Gemeinderäte auch noch nach der Wahl im Sinne der Ausübung „unmittelbarer Demokratie“ unbeschränkte Einflußmöglichkeiten haben müßten, denn der Gemeinderat ist demokratisch legitimiert. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die demokratische Willensbildung mit der Wahl der Gemeinderäte abgeschlossen. Wie der Gemeinderat organisatorisch seine Aufgabe, die Gemeinde zu verwalten, erledigt, ist nicht mehr Gegenstand der demokratischen Willensbildung. In diesem Sinn kann zudem auch der BayVGH im von den Klägern angeführten Beschluß vom 2. Januar 1996 verstanden werden. Ausdrücklich ist dort ausgeführt: „... Der VGH legt die Vorschrift des Art. 18 a Abs. 3 GO dahingehend aus, daß ein Bürgerentscheid nicht über die Rechtsverhältnisse schon gewählter Mandatsträger und eingestellter Gemeindebediensteter stattfindet, daß ein Bürgerentscheid aber zulässig ist über kommunalverfassungsrechtliche Fragen, die durch abstrakt generell wirkende Satzung entschieden werden, noch ehe die Person, die von der Entscheidung betroffen sein wird, bestimmt ist.“. Vorliegend geht es aber allein um die Organisationshoheit bzw. Gestaltungsfreiheit der bereits gewählten Gemeinderäte. Es ist gewählt, folglich entscheiden allein die gewählten Repräsentanten. Wie sie intern ihre Geschäfte erledigen, ob sie also insbesondere unter Berücksichtigung von Effizienzgesichtspunkten Aufgaben verteilen und kleinere Entscheidungsgremien bilden, ist nicht mehr Sache der Wähler. Kann und darf damit aber, wie dargelegt, nur von den gewählten Gemeinderäten entschieden werden, ob überhaupt Ausschüsse gebildet werden, so gilt dies erst recht für die gemäß Art. 33 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 45 GO in der Geschäftsordnung festzulegenden Regelungen über das Verfahren bzw. das Rechenwerk, nach dem die Ausschüsse besetzt werden. Gleiches gilt für die in der Geschäftsordnung zu regelnde Frage nach der Geschäftsverteilung innerhalb der genannten Gremien. 8
Gestützt wird die vorstehende Auffassung zudem durch die Entscheidung des Bayer. Verfassungsgerichtshofes vom 29. August 1997. Entgegen der Auffassung der Kläger kann den Gründen dieser Entscheidung, insbesondere zur Verfassungswidrigkeit des Art. 18 a Abs. 13 Satz 2 GO und dem Inhalt des Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinden entnommen werden, daß allein die gewählten Verwaltungsorgane der Gemeinde zur Regelung der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung befugt sind. Zum Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts gehört nach dieser Entscheidung nämlich, daß die verfassungsmäßigen Organe der Gemeinde, d.h. allein der Bürgermeister und der Gemeinderat bzw. seine Untergliederungen, funktionsfähig und in der Lage bleiben müssen, eigenständig und selbstverantwortlich über die Angelegenheiten der Gemeinde zu entscheiden. Auch wenn durch das Gesetz zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids Art. 7 Abs. 2 BV und Art. 12 Abs. 3 BV geändert und Formen der unmittelbaren Demokratie auf kommunaler Ebene verankert wurden, muß unter Beachtung des Kernbereichs der Selbstverwaltung gewährleistet bleiben, daß die die Kommunalverfassung nach wie vor prägenden Elemente der repräsentativen Demokratie (vgl. VerfGH 37, 119/124; Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Auflage, 1992, Rd.Nr. 10 zu Art. 11) und damit die kommunalverfassungsrechtlich allein vorgesehenen Organe handlungsfähig bleiben. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid haben aber gerade nicht die Stellung eines Gemeindeorgans und können deshalb die gewählten Gemeindeorgane nicht ersetzen. Sie werden nur aus einem bestimmten Anlaß eingeleitet und sind außerdem ihrer Natur nach nur auf punktuelle, d.h.  „nach außen“ gerichtete, Einzelfallentscheidungen zu Sachfragen ausgerichtet und können daher nicht an die Stelle der kontinuierlich arbeitenden Repräsentativorgane der Gemeinde treten (vgl. VerfGH, Entscheidung vom 29.8.1997, VwRR 1997, 311 ff.). Bei der Frage, ob und wie Ausschüsse gebildet und besetzt werden wie auch bei der Frage, nach der Geschäftsverteilung und letztlich der Verpflichtung der Gemeinderäte zur Offenlegung von gezahlten Vergütungen handelt es sich aber nicht um Fragen, die eine die Gemeindeangehörigen in ihrer Rechtssphäre betreffende einzelne Sachentscheidung, wie beispielsweise den Bau und die Regelungen hinsichtlich einer öffentlichen Einrichtung der Gemeinde, zum Gegenstand hat, sondern, wie dargelegt, um eine Frage der Selbstorganisation der Organe der Gemeindeverwaltung. Die entsprechenden Regelungen, insbesondere auch die Frage nach dem Verfahren bei der Ausschußbesetzung und der Geschäftsverteilung, bestimmen die Organe der Gemeinde aber gemäß Art. 33 Abs. 1 GO i.V.m. Art. 45 GO in der Geschäftsordnung. Zwar macht die GO über die Rechtsnatur der Geschäftsordnung keine näheren Angaben, aber unabhängig davon, ob man der Geschäftsordnung, wie teilweise vertreten, auch Satzungscharakter zubilligen will, ist jedenfalls nach ganz herrschender Ansicht anerkannt, daß die Bestimmungen der GO für die Gemeindeangehörigen weder Rechte noch Pflichten begründen und demzufolge rein interner Natur sind (vgl. Widtmann/Grasser, GO, Art. 45, Rd.Nr. 1). Von einer einem Bürgerbegehren zugänglichen Sachentscheidung mit Außenwirkung kann demnach bei der Festlegung dieser Geschäftsordnungsbestimmungen keine Rede sein. 9
Auch die im weiteren noch vorgetragenen Einwendungen der Kläger können an diesem gefundenen Ergebnis nichts ändern. Unmaßgeblich ist insbesondere, daß die Frage der Ausschußbildung und -besetzung wie auch der Geschäftsverteilung Gegenstand kommunalverfassungsrechtlicher Streitigkeiten sein können. Weder aus der Kommentierung bei Masson/Samper zu Art. 18 a Abs. 3 (Rd.Nr. 5) GO noch aus den Gründen des Beschlusses des BayVGH vom 2. Januar 1998 kann geschlossen werden, daß Bürgerbegehren generell auf dem Gebiet sämtlicher kommunalverfassungsrechtlicher Streitigkeiten zulässig seien. Dieser Auffassung widerspricht bereits das Gesetz selbst, wie sich aus einer näheren Betrachtung der nach Art. 18 a Abs. 3 GO einem Bürgerbegehren ebenfalls nicht zugänglichen, vorliegend aber unstrittigen Themenbereiche ergibt. Eine erhebliche Anzahl kommunalverfassungsrechtlicher Verfahren hat nämlich Streitigkeiten über die Zuständigkeit des l. Bürgermeisters zum Gegenstand (vgl. Widtmann/Grasser, GO, Art. 29, Rd.Nr. 5 h; Masson/Samper, Art. 29, Rd.Nr. 11). Gemäß Art. 18 a Abs. 3 1. Alternative GO sind aber gerade auch Angelegenheiten, die zum unstrittigen Aufgabenkreis des 1. Bürgermeisters gehören, einem Bürgerbegehren entzogen. Völlig unerheblich ist weiterhin, daß klägerseits die Öffnung eines Bürgerentscheids über politisch relevante Geschäftsordnungsfragen als wünschenswert bzw. sachdienlich erachtet wird. Dieses Problem kann nur durch eine Änderung des aufgrund eines Volksentscheides eingeführten Art. 18 a Abs. 3 GO erreicht werden. Fehl geht letztlich auch der Hinweis darauf, daß nach Art. 49 GO niemand in eigener Sache entscheiden dürfe. Fragen der Selbstorganisation ist die Entscheidung bei Fragen in eigener Sache nämlich gerade immanent. 10
Im Ergebnis bleibt demnach festzuhalten, daß sowohl die Frage nach der verfahrensmäßigen Ausschußbesetzung wie auch die Frage nach der Geschäftsverteilung den Kernbereich der „inneren Organisation der Gemeindeverwaltung“ betreffen und deshalb gemäß Art. 18 a Abs. 3 GO einem Bürgerbegehren nicht zugänglich sind. 11
Unzulässig ist aber auch die zur Entscheidung gestellte Frage nach der Verpflichtung zur Offenlegung gezahlter Vergütungen. Abgesehen davon, daß auch insoweit in die Geschäftsordnung und damit – unzulässig – in interne Regelungen eingegriffen werden soll, verbietet auch der in Art. 18 Abs. 3 GO an dritter Stelle genannte Ausschlußtatbestand „Rechtsverhältnisse der Gemeinderatsmitglieder“, die Zulassung eines hierauf gerichteten Bürgerbegehrens. Unter „Rechtsverhältnisse“ im Sinne der Vorschrift sind alle Rechte und Pflichten zu verstehen, die die genannten Personen im Verhältnis zu einander und im Verhältnis zur Gemeinde haben. Daß zum angesprochenen Pflichtenkatalog auch die Frage nach der Offenlegung von Vergütungen zu zählen ist, liegt aber auf der Hand und bedarf keiner weiteren Vertiefung. Hinzu kommt, daß nach der von den Klägern selbst angeführten Entscheidung des BayVGH vom 2. Januar 1996, wie bereits oben dargelegt, ein Bürgerentscheid nicht über die Rechtsverhältnisse schon gewählter Mandatsträger stattfindet (vgl. auch Thum, a.a.O., Kennziffer 13, Art. 18 a Abs. 3 GO, Rd.Nr. 4). 12
Nach alledem war daher die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. 13

 


Matthias Cantow