Negatives Stimmgewicht trotz Ausgleichsmandaten

[Systemfehler]

Mängel einer Ausgleichsmandateregelung für interne Überhangmandate

Eine einfache Ausgleichsmandateregelung kann negative Stimmgewichte bei Bundestagswahlen nicht vollständig beseitigen.

Beispiel Bundestagswahl

So würden 15.000 zusätzliche SPD-Stimmen in Brandenburg der SPD einen Sitz kosten. Die Beispielrechnung erfolgt unter folgenden Annahmen:

  Stimmen wie Bundestagswahl 2005 plus 15.000 SPD-Stimmen in Brandenburg
Partei Zweit-
stimmen
Mandate Zweit-
stimmen
Mandate
Pro-
porz.
Über-
hang.
Aus-
gleichs.
Sum-
me
Pro-
porz.
Über-
hang.
Aus-
gleichs.
Sum-
me
CDU 13.136.740 173 7   180 13.136.740 173 7   180
SPD 16.194.665 213 9   222 16.209.665 213 8   221
CSU 3.494.309 46   2 48 3.494.309 46   2 48
GRÜNE 3.838.326 51   1 52 3.838.326 51   1 52
FDP 4.648.144 61   3 64 4.648.144 61   3 64
Linke.PDS 4.118.194 54   2 56 4.118.194 54   2 56
Gesamt 45.430.378 598 16 8 622 45.445.378 598 15 8 621

Ergebnis: Die SPD erhält für 15.000 zusätzliche Zweitstimmen in Brandenburg einen Sitz weniger. Bei den anderen Parteien ändert sich nichts.

Beispielrechnung

Berechnung der Ausgleichsmandate

Es werden so viele Ausgleichssitze verteilt, bis sich ein Sainte-Laguë-konformes Ergebnis ergibt. D.h. es werden soviele neue Höchstzahlen berechnet, bis alle Überhangmandate gedeckt sind. Der Bundesdivisor ergibt sich dann nach der Formel

Divisor = Stimmen der Überhangpartei / (Sitze der Überhangpartei − 1/2)
(bei mehreren Überhangparteien zählt der niedrigste Divisor)

Die Ausgleichsmandate werden intern nach Sainte-Laguë an die Landeslisten mit den jeweils nächstgroßen Ansprüchen (Höchstzahlen) verteilt (Überhang-Listen mit entsprechend geringerem Anspruch gehen dann i.d.R. leer aus).

Ergebnis wie Bundestagswahl 2005

Schritt 1 – Oberverteilung an Parteien (nach Sainte-Laguë statt Hare/Niemeyer wie im Bundeswahlgesetz, Stand nach Gesetz zur Änderung des Wahl- und Abgeordnetenrechts vom 17. März 2008, BGBl. I S. 394)
Ein möglicher Bundesdivisor ist 75.970 (Oberverteilung identisch wie 2005).

Schritt 2 – Unterverteilung an Landeslisten
Für SPD, CDU, CSU, Grüne, FDP, Linke.PDS ergeben sich dieselben/ähnliche Sitzverteilungen. An der Zahl der Überhangmandate ändert sich nichts (Anzahl nach Partei und Bundesländern).

Schritt 3 – Zuteilung Ausgleichsmandate

 Höchstzahl/Divisor der Überhangpartei (bei mehreren die kleinste):
 CDU: 13.136.740 / (180-0,5) = 73.185,18
 SPD: 16.194.665 / (222-0,5) = 73.113,61

Gerechnet wird mit dem  kleinsten Divisor 73.113,61
CDU	13.136.740	179,67  180 
SPD	16.194.665	221,50  222
CSU	 3.494.309	 47,79   48
GRÜNE	 3.838.326	 52,49   52
FDP	 4.648.144	 63,57   64
Linke 	 4.118.194	 56,32   56

Annahme: 15.000 Zusatzstimmen für SPD Brandenburg

Was ändert sich, wenn man annimmt die SPD hätte 15.000 Zweitstimmen mehr in Brandenburg gewonnen?

Schritt 1 – An der Oberverteilung ändert sich nichts, Bundesdivisor bleibt 75.970.

Schritt 2 – Bei der Unterverteilung der SPD-Sitze an ihre Landeslisten erhält NRW einen Sitz weniger, Brandenburg einen Sitz mehr. Ein Überhangmandat weniger in Brandenburg und insgesamt ein Sitz weniger für die SPD. Bis hierhin ist dies das "normale" negative Stimmgewicht im Bundestagswahlsystem.

Schritt 3 – Zuteilung Ausgleichsmandate

 Höchstzahl/Divisor der Überhangpartei (bei mehreren die kleinste):
 CDU: 13.136.740 / (180-0,5) = 73.185,18
 SPD: 16.209.665 / (221-0,5) = 73.513,22

Gerechnet wird mit dem kleinsten Divisor 73.185,18 (nun durch den Überhang der CDU definiert)
CDU	13.136.740	179,50  180 
SPD	16.209.665	221,48  221
CSU	 3.494.309	 47,74   48
GRÜNE	 3.838.326	 52,44   52
FDP	 4.648.144	 63,51   64
Linke 	 4.118.194	 56,27   56

D.h. die SPD erhielte für 15.000 zusätzliche Stimmen einen Sitz weniger ohne, daß sich dadurch auch die Zahl der Auslgeichsmandate für andere Parteien reduzierte. Dieses Berechnungsverfahren für Ausgleichsmandate ermöglicht damit weiterhin ein negatives Stimmgewicht.

Darüberhinaus besteht bei jedem Ausgleichsmandateverfahren das prinzipielle Ausgleichsmandatsproblem, also daß z.B. die CDU durch negatives Stimmgewicht/weniger Stimmen ein weiteres Überhangmandat erhält und die CSU dafür das Auslgeichsmandat.


von Martin Fehndrich (27.02.2009, letzte Aktualisierung: 29.03.2009)