Negative Stimmen ...

[Systemfehler]

... durch Sperrklausel und Ausgleichsmandate

Besserstellung einer Partei, weil sie keine 5 % der Stimmen bekommen hat

Eine Partei kann dann besser gestellt werden, weil sie unter eine Sperrklausel fällt, wenn das Wahlsystem

  1. eine (prozentuale) Sperrklausel vorsieht
  2. keine Grundmandatsklausel hat
  3. Es existiert eine Ausgleichsmandateregelung für Überhangmandate
  4. Ausgleichsmandate werden nicht zugeteilt, wenn die überhängende Partei die Sperrklausel verfehlt.
  5. Direktmandate werden auch zugeteilt werden, obwohl die Sperrklausel verfehlt wird

Diese Regelungen behandeln Überhangmandate einer Partei über 5 % anders (die anderen Parteien erhalten Ausgleichsmandate), als Überhangmandate einer Partei unter 5 % (die Mandatszahl der anderen Parteien wird um die Zahl der Überhangmandate reduziert), die Regelungen sind in ihrer Wirkung sogar direkt entgegengesetzt und belohnen eine Verfehlung der Sperrklausel doppelt.

  1. Es werden keine Ausgleichsmandate an anderen Parteien verteilt.
  2. Für die Überhangmandate wird den anderen Parteien Mandate abgezogen.

Dieser Systemfehler kann in den Landtagswahlsystemen der Bundesländer Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen auftreten (seltener in den Bundesländern NRW und Baden-Württemberg, da es hier ein Einstimmenwahlrecht gibt) und zwar immer dann, wenn Überhänge auftreten.

Beispiele:
Landtagswahl 1998 in Sachsen-Anhalt
Landtagswahl 1998 in Niedersachsen (siehe unten)

In beiden Fällen wäre die Mehrheit der SPD im jeweiligen Parlament größer, wenn sie keine einzige Zweitstimme (Parteistimme) bekommen hätte.

Lösungsmöglichkeiten:


Lösung für Wahlrechtsvorschlag in NRW/Für Wahlsysteme mit Sainte-Laguë (Divisorverfahren)

In NRW soll das Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) eingeführt werden. Gleichzeitig soll zum Zweistimmenwahlsystem gewechselt werden, so daß die hier diskutierten Fälle realistisch werden.

Für Divisorverfahren bietet es sich an, zur Ermittlung von Ausgleichsmandaten einen Divisor auf Basis von 5% der Stimmen und der Zahl der Direktmandate einer überhängenden Partei in den Ring zu werfen. Ausgleichsmandate erhalten natürlich nur Parteien, die die Sperrhürde überwunden haben.

Divisor = gültige Stimmen x 0,05  / (Direktmandate der Kleinpartei -1/2)

Dabei stellt 0,05 die Einstellung auf 5% der Stimmen dar, der Term -1/2 kommt aus der Sainte-Laguë-Formel, bei D'Hondt ist der Term Null, bei Adams -1.


Landtagswahlsystem in Niedersachsen

Diese Regelungen behandeln Überhangmandate einer Partei über 5 % anders (die anderen Parteien erhalten Ausgleichsmandate), als Überhangmandate einer Partei unter 5 % (die Mandatszahl der anderen Parteien wird um die Zahl der Überhangmandate reduziert), die Regelungen sind in ihrer Wirkung sogar direkt entgegengesetzt und belohnen eine Verfehlung der Sperrklausel doppelt.

  1. Es werden keine Ausgleichsmandate an verteilt.
  2. Für die Überhangmandate wird den anderen Parteien Mandate abgezogen.

Eine Partei unter 5 % wird damit besser gestellt, als eine Partei über 5 % der Zweitstimmen.
Dies führt dazu, daß eine Partei mit Überhangmandaten für ihre Zweitstimmen bestraft wird.

Wahlergebnis der niedersächsischen Landstagswahl vom 01.03.1998: (amtliches Endergebnis, 4314932 gültige Stimmen)
ParteiStimmenSitze
SPD206847783 (Direktmandate, Überhangmandate)
CDU154922762
Grüne30419312
FDP209610(unter 5%)
REP118975 (unter 5%)
gesamt: 157

Ohne Überhang- und Ausgleichsmandate gingen 82 Mandate an die SPD und 61 an die CDU (Verteilungszahl 25.000 Stimmen pro Sitz). Da die SPD ein Überhangmandat erzielt hat (83 Direktmandate), erhält die CDU ein Ausgleichsmandat.

Wahlergebnis unter der Annahme, die SPD hätte keine Zweitstimmen erhalten:

Die SPD erhält 83 Direktmandate, die anderen Parteien erhalten 72 Proporzmandate (vorher 74).

ParteiStimmenSitze
SPD83 (Direktmandate außerhalb des Proporzes)
CDU154922752
Grüne30419310
FDP2096107
REP1189753
gesamt:155

Die 72 Proporzmandate werden nun auch an FDP und REP verteilt, die ohne die Zweitstimmen der SPD über 5% der Stimmen erhalten hätten. Die Verteilungszahl wäre 29.750 Stimmen pro Sitz.

Die SPD erhielte, gerade weil sie keine Zweitstimmen bekommen hat, eine bessere absolute Mehrheit.


von Martin Fehndrich (letzte Aktualisierung: 09.08.07)