Negatives Stimmgewicht auf Personenwahlebene bei Wahlsystemen mit Listenkreuz

[Systemfehler]

Ein negatives Stimmgewicht kann auf Personenebene bei Wahlsystemen bei denen Wähler entweder Kandidaten oder eine Liste als ganzes wählen können (Listenkreuz), wie in Niedersachsen, Hamburg, Bremen, auftreten. Einem Kandidat kann wegen seiner Personenstimme ein Sitz nicht erteilt wird, weil seine Stimmen dazu führen, daß ein Sitz mehr über Personenstimmen und ein Sitz weniger über Listenreihenfolge verteilt wird, und er den letzten Sitz über Listenreihenfolge deshalb nicht erhält.

Beispiel

Beispiel: Eine Liste mit zwei Kandidaten erhalte mit insgesamt 101 Stimmen einen Sitz. Die Stimmverteilung sei

Stimmverteilung 1:
Liste:      51 Stimmen (* Kandidat 1 gewählt als über Listenreihenfolge)
Kandidat 1: 20 Stimmen
Kandidat 2: 30 Stimmen

In diesem Fall wäre Kandidat 1 über Listenreihenfolge gewählt, weil es mehr Listenstimmen als Kandidatenstimmen gibt. Wenn Kandidat 1 aber mehr Personenstimmen – zulasten der Listenstimmen – erhalten würde, wäre Kandidat 2 gewählt. Da Ursache die zusätzlichen Personenstimmen wären, ist dies eine Art negatives Stimmgewicht auf Personenebene

Stimmverteilung 2:
Liste:      50 Stimmen
Kandidat 1: 21 Stimmen
Kandidat 2: 30 Stimmen (* Kandidat 2 gewählt durch Personenstimmen)

Das Beispiel stammt aus einer Stellungnahme beim Landtag in NRW 15/965 aus Oktober 2011.

Für Kandidat 1 gibt es keine einheitliche Unterstützungsstrategie. Der Wähler steht vor dem Dilemma Unterstützung der Personenwahl oder Listenreihenfolge.

Das Beispiel mit einem Sitz wurde wegen der Einfachheit ausgewählt, aber auch weil bei einem Sitz insgesamt kein Unterschied zwischen den Verteilreihenfolgen (Liste/Kandidaten) besteht. Der Effekt tritt gleichermaßen beiden Verteilreihenfolgen auf.

Betroffen sein kann nur der letzte per Listenreihenfolge gewählte oder der erste "Nachrücker".

Beseitigung des negativen Stimmgewichts

Ansatz Maximierung

Negatives Stimmgewicht auf Personenwahlebene kann man herausrechnen, wenn man die Personenstimmen des ersten Nachrückers den Listenstimmen hinzurechnet. Dies wär ein zustzlicher nichtiterativer Rechenschritt. Personen- un Listenstimmen für diesen Kandidaten werden so zusammen als Listenstimmen gewertet.

Für die Stimmverteilung 2 werden die Stimmen von Kandidat 1 (21) und der Liste (50) zusammengezählt. Damit gelten 71 Stimmen für die Listenreihenfolge, 30 für Personengewählte, d.h. der Sitz kippte zur Personenreihenfolge an Kandidat 1.

Für die Stimmverteilung 1 werden die Stimmen von Kandidat 2 (30) und der Liste (51) zusammengezählt. Damit gelten 80 Stimmen für die Listenreihenfolge, 20 für Personengewählte, d.h. der Sitz bliebe unverändert bei Listenreihenfolge und Kandidat 1.

Den Ansatz kann man über den Maxmierungsansatz beschreiben. Für Kandidat 1 wird ein "schlechteres Ergebnis" (nach Maßstab Personenstimmen) gesucht, bei dem dieser mehr Sitze bekommt.

Ansatz Minimierung

Bei der Minimierung bekäme der nach der ersten Verteilung letzte per Listenreihenfolge Gewählte Personenstimmen aus den Listenstimmen. Für die Berechnung wird genau die Stimmenzahl von der Liste zu dem Kandidaten geschoben, daß ein Sitz von Listenreihenfolge zur Personenreihenfolge kippt. Bei Verteilung 1 wäre dies genau ein Sitz und man erhielte Verteilung 2.


von Martin Fehndrich (24.02.2012, letzte Aktualisierung: 15.04.2012)