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28.07.2011

Formelfehler in neuer Regelung der Parteienfinanzierung

Vom Standpunkt der Mathematik ist es kein großer Unterschied ob man Sitze an Parteien verteilt oder Geld. Beim Geld sollte es sogar etwas einfacher sein, denn ob man mit Sainte-Laguë oder D'Hondt rundet, bedeutet am Ende nur einen oder wenige Cent Unterschied.

Bei der staatlichen Parteienfinanzierung wird Geld auf Basis von Stimmen und Zuwendungen (bestimmte Parteispenden) verteilt. Stimmen und Spenden werden mittels vorgegebener Faktoren in einen Anspruch auf Geld aus der Parteienfinanzierung umgerechnet.

Dabei sind zwei Rahmenbedingungen zu beachten:

Bisher wurden die Ansprüche entsprechend der Faktoren ermittelt, aufsummiert und bei einem Überschreiten der Obergrenze von 133 Mio. EUR proportional gekürzt. Danach wurden die Ansprüche bei einnahmearmen Parteien auf deren Einnahmen gekürzt. Für das Jahr 2010 sticht hier die Piratenpartei hervor, die knapp auf die Hälfte ihres Anspruchs, also rund 600.000 EUR, verzichten muß. Dieses Geld fiel aus der Parteienfinanzierung heraus. Die anderen Parteien erhielten nichts davon. Es blieb beim Staat.

Erklärtes Ziel einer neuen Regelung im Parteiengesetz (BT-Drs.17/6291) sollte es sein, das von den Piraten verschenkte Geld für die anderen Parteien zu retten (Eigentlich geht es um eine spürbare Erhöhung der Gesamtsumme auf über 150 Mio. EUR, das soll hier aber kein Thema sein). Dabei scheint man mit der neuen Regelung etwas über das Ziel hinauszuschießen, denn es wird nicht nur die verschenkte Geldsumme verteilt, den einnahmearmen Parteien wird darüberhinaus noch der schon verminderte Anspruch weiter gekürzt und dieser zu 97% an die großen Parteien verteilt. Bei den Piraten wären das 2010 rund 100.000 EUR.

Verfehlter Ansatz: Umdrehen der Berechnungsreihenfolge

Ansatz des neuen Verfahrens ist eine Änderung in der Berechnungsreihenfolge. Die Kappung auf Höhe der Einnahmen erfolgt nun vor einer Reduzierung der Gesamtansprüche auf die Obergrenze von z.Z. 133 Mio. Ansprüche einnahmeschwacher Parteien werden dann zweimal gekappt.

Anscheinend scheint man in einer einfachen Änderung der Verteilreihenfolge ein Allheilmittel zu sehen. Die Koalition scheitert derzeit mit einem ähnlichen Ansatz daran negative Stimmgewichte im Wahlsystem zu verhindern.

Immerhin scheint der Gesetzgeber die Abzüge bei den einnahmeschwachen Parteien zu bemerken, denn diese wird durch einen Satz in der Begründung (S. 7 der Drucksache 17/6291, zu Nummer 2 (§ 19a Absatz 5 Satz 1 Parteiengesetz neu)) gestützt:

Hierdurch wird dem Gebot der Eigenfinanzierung der Partei verstärkt Rechnung getragen.

Paradoxerweise sind damit gerade die guten Wahlergebnisse der Piraten Anlaß für den Wechsel zu dieser ungünstigeren Regelung.

Ansatz: Faktor der beides berücksichtigt

Um sowohl die Gesamtsumme von 133 Mio. EUR ausschütten zu können als auch Parteien effektiv nur einer Kappung zu unterwerfen, muß die Reduzierung der Ansprüche mit einem Faktor erfolgen, der beides berücksichtigt.

Für die Ansprüche des Jahres 2010 wäre dies der Faktor: 0,84151701127
Eine Partei erhält dann den kleineren Anspruch aus Ursprungsanspruch mal diesen Faktor und Einnahmen.

Beispiel:
CDU:    51.458.217,42 * 0,84151701127 = 43.302.965,35 (da weniger als die Obergrenze der Zuwendungen von 119.124.648,11 erhielte die CDU 43.302.965,35)
Piraten: 1.250.330,94 * 0,84151701127 =  1.052.174,75 (da mehr als die Obergrenze der Zuwendungen von 585.162,46 erhielte die Piratenpartei 585.162,46)

Führt man dies für alle anspruchsberechtigten Parteien durch, kommt man in Summe genau auf 133 Mio (siehe Gegenüberstellung der drei Ansätze (PDF).

Alternativ kann man das Verfahren beschreiben, in dem man wie bisher verteilt und in einem folgenden Verteilschritt den sonst verfallenden Betrag proportional zu ihrem Anspruch auf die Parteien (die nicht durch zu geringe Einnahmen gedeckelt sind) verteilt.

Nachdem auch der Bundesrat die Gesetzesänderung abgesegnet hat, wird sie in diesen Tagen in Kraft treten.


von Martin Fehndrich (26.07.2011)