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03.08.2005

Kommunale Sperrklausel in Thüringen auf dem Prüfstand

Wie das Verwaltungsgericht Weimar in einer Pressemitteilung vom 28. Juli bekannt gab, hat das Gericht am 13. Juli 2005 die Aussetzung des Verfahrens über eine Wahlanfechtungsklage sowie die Vorlage beim Thüringer Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung beschlossen (Az: 6 K 5804/04.We). Das Verfassungsgericht soll prüfen, ob die Fünfprozenthürde in § 22 Abs. 2 des Thüringer Kommunalwahlgesetzes (ThürKWG) mit der Verfassung des Freistaats Thüringen vereinbar ist.

Nach Auffassung der Verwaltungsrichter fehlt der zwingende Grund für eine Rechtfertigung des ungleichen Erfolgswerts der Wählerstimmen. Die – zur Begründung der Sperrklausel bei Bundes- und Landtagswahlen angeführte – durch Splitterparteien hervorgerufene Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Volksvertretungen sei nach der Einführung der Direktwahl der kommunalen Verwaltungsspitzen in Thüringen durch das Kommunalwahlgesetz vom 16.08.1993 hinsichtlich der Verwaltungsabläufe in den Kommunen „substanziell verringert“ verringert, soweit sie nicht durch Übertragung der Aufgaben an die Verwaltung ohnehin ausgeschlossen ist. Aber auch schon vor der Einführung der Direktwahl lagen keine Anhaltspunkte für eine mögliche Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit durch kleine Parteien und Wählervereinigungen vor.

Wie das Verfassungsgericht gegenüber dem MDR ankündigte, wird es erst nach der für September geplanten Neubesetzung von acht der neun Richterstellen über die Fünf-Prozent-Hürde entscheiden. Dabei wird die Richtervorlage voraussichtlich gemeinsam mit einem im April von den Thüringer Grünen gestellten Normenkontrollantrag behandelt.

Sperrklauseln bei Wahlen zu den Kommunalvertretungen gibt es nur noch in wenigen Bundesländern (siehe den Überblick über kommunale Sperrklauseln), nachdem die meisten Bundesländer diese – allerdings oftmals erst nach verfassungsgerichtlichen Entscheidungen – abgeschafft haben.

Kommentar (mc): Abweichungen der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten Thüringens von denen der Länder Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sind nicht ersichtlich. Deshalb ist auch hier zu erwarten, dass sich der Thüringer Verfassungsgerichtshof der Rechtsprechung in diesen Ländern anschließen und die Sperrklausel in § 22 Abs. 2 ThürKWG für verfassungswidrig erklären wird.

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von Martin Fehndrich und Matthias Cantow