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27.06.2005

Kampagne für Wahlreform in Großbritannien

Nach der Unterhauswahl, bei der Labour durch das Wahlsystem (relative Mehrheitswahl in 646 Einpersonenwahlkreisen) mit knapp 35 % der Stimmen eine absolute Mehrheit der Sitze erringen konnte, werden die Stimmen, die eine Reform des Wahlsystems fordern, lauter.

Unterstützt wird die Diskussion u. a. von der englischen Tageszeitung The Independent in ihrer Campaign For Democracy.

Inzwischen haben über 40.000 Leser des Independent einen Kupon bzw. eine Online-Petition unterschrieben, die eine Wahlreform fordert.

Laut The Independent wird eine Wahlreform von 100 Labour MPs unterstützt, darunter die Minster Patricia Hewitt und Peter Hain.

So sagte die ehemalige Labour MP, Anne Campbell, die ihren Wahlkreis Cambridge verlor, sie hätte ihren Wahlkreis bei einer Verhältniswahl behalten (!). Dadurch, daß die Parteien vor allem um die Mitte in den marginal seats kämpften, erwecke die Labour Partei den Eindruck einer rechtsgerichteten Partei.

Allerdings berichten Labour Abgeordnete (u.a. der Labour Peer, Lord Lipsey) von Druck seitens der Labour Partei auf ihre Abgeordneten, PR nicht zu thematisieren. Dies wird allgemein mit dem Widerstand der gewählten Mehrheit gegen eine Änderung des zur Mehrheit führenden Systems begründet (turkeys don't vote for chrismas).

Eine Analyse der Wahlrechtsprofessorin Pippa Norris von der Harvard University kommt (laut der Titelstory des Independent vom 15. Juni 2005) zu dem Ergebnis, daß Nationen mit Verhältniswahlsystemen eine durchschnittliche Wahlbeteiligung von 70 % haben, 10 % mehr als in Ländern, die wie Großbritanien nichtproportionale Systeme benutzen.

Als mögliche Verhältniswahlsysteme werden in der Diskussion neben einer reinen Listenwahl, Addititonal Member Systeme (Personalisierte Verhältniswahl wie in Deutschland, Schottland, Neuseeland) oder übertragbare Einzelstimmen STV (Irland) erwähnt. Folgende Argumente für und gegen eine Wahlreform werden in den Artikeln und abgedruckten Leserbriefen ins Feld geführt.

Argumente für eine Wahlreform

Argumente für eine Beibehaltung des Mehrheitswahlsystems

Make your vote count: the way forward

Am Mittwoch dem 29. Juni 2005 findet in London ein Debattenabend statt, der von der Campaign For Democracy zusammen mit der Electoral Reform Society veranstaltet wird. Redner sind, Robin Cook, Labour MP, Simon Hughes, LibDem MP, Jean Lambert, Green MP und Michael Brown, Columnist und ehemaliger Tory MP. Geleitet wird die Veranstaltung von Simon Kelner vom Independent.

Update (05./06.08.2005)

Eine kurze Zusammenfassung des Debattenabends findet sich im Electoral Bulletin der Electoral Reform Society.
Vom ehemaligen Labour Außenminister Robin Cook (der heute, am 6. August, nach einem Herzanfall auf einer Bergtour in Schottland verstorben ist), kommt ein interessanter Ansatzpunkt. Man stelle sich eine gespiegelte Situation vor, bei der die Tories mit 35% knapp vor Labour eine sichere parlamentarische Mehrheit hätten (Kommentar im Independent vom 1. Juli 2005).

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von Martin Fehndrich