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05.12.2003

Landtagswahl in Thüringen könnte Kanzlermehrheit gefährden

Sollte der Thüringer SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie bei der nächsten Landtagswahl am 13. Juni 2004 in das Landesparlament gewählt werden, droht der SPD der Verlust eines Mandats im Deutschen Bundestag. Matschie, der als designierter Spitzenkandidat mit einiger Sicherheit zumindest über die Landesliste den Sprung in den Landtag schaffen dürfte, muss sich dann zwischen seinem Bundes- und dem Landtagsmandat entscheiden, da das Thüringer Abgeordnetengesetz (§ 1 Abs. 3) vorschreibt, dass Mitglieder des Deutschen Bundestags dem Landtag nicht angehören dürfen.

Bei der Bundestagswahl 2002 wurde der Thüringer SPD-Vorsitzende im Wahlkreis 195 – Jena – Weimar – Weimarer Land als Wahlkreiskandidat gewählt. Da der SPD Landesliste in Thüringen nach Zweitstimmen weniger Sitze zustehen, als sie Wahlkreise gewonnen hat, ist für die SPD ein Überhangmandat angefallen. Würde Matschie auf sein Bundestagsmandat verzichten, entfiele es nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. April 1998 ersatzlos (siehe Meldung vom 8. April 1998). Damit verlöre die SPD-Bundestagsfraktion einen ihrer 251 Sitze und die Regierungskoalition hätte mit 305 Mandaten nur noch drei mehr als die Kanzlermehrheit von 302 Mandaten.

Nur bei einem Wahlerfolg der SPD in Thüringen könnte Matschie zum Ministerpräsidenten gewählt werden, ohne die Mehrheit im Bundestag zu gefährden. Denn für Mitglieder der thüringischen Landesregierung gibt es keine Regelung, die ein Landtagsmandat voraussetzt und die Mitgliedschaft im Bundestag verbietet. Lediglich eine Bestellung als Bundesratsmitglied bliebe ihm verwehrt.

Ein Verzicht des SPD-Landeschefs auf sein Bundestagsmandat schon in nächster Zeit – etwa in einer Erklärung auf dem morgigen außerordentlichen SPD-Landesparteitag in Erfurt – wird von Insidern nicht erwartet, ist aber auch nicht auszuschließen. Dies hätte dann sogar Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Bundesversammlung. Bei der entsprechenden Reduzierung der Zahl der Ländervertreter würde nach den aktuellen Bevölkerungszahlen Niedersachsen einen Sitz weniger erhalten, was zu Lasten von FDP oder SPD ginge, da beide Parteien den gleichen rechnerischen Anspruch auf den letzten Sitz haben. Somit wäre ein Losentscheid erforderlich, es sei denn, die Regierungsfraktionen CDU und FDP einigten sich auf die Einbringung einer gemeinsamen Liste – in diesem Fall würde die SPD den Sitz verlieren.

Wahrscheinlicher ist allerdings, dass Christoph Matschie im Falle einer SPD-Niederlage die harte Oppositionsbank meiden und sein Bundestagsmandat sowie seine Aufgaben als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium behalten wird.

Nachtrag: Christoph Matschie wurde am 13. Juni 2004 über die Landesliste in den Thüringer Landtag gewählt. Nach den Wahlrecht.de vorliegenden Informationen entschied sich Matschie am 18. Juni 2004 für die Annahme des Landtagsmandats und den Verzicht auf das Bundestagsmandat zum 1. Juli 2004. Die konstituierende Sitzung des 4. Thüringer Landtags fand am 8. Juli 2004 statt.


von Martin Fehndrich und Matthias Cantow (05.12.2003, letzte Aktualisierung am 02.06.2007, letzte Aktualisierung der Links am 02.06.2007)