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16.02.2003

Konstruktives Mißtrauensvotum gegen Schröder?

Mehrere Nachrichtenagenturen berichten, die Union erwäge Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit einem konstruktiven Mißtrauensvotum zu stürzen.

Daß dies ein fast unmögliches Unterfangen ist, ergibt sich aus dem Grundgesetz.

Artikel 67 [Konstruktives Mißtrauensvotum]

(1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, daß er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muß dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen.
(2) Zwischen dem Antrag und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen.

Bisher gelang nur Helmut Kohl 1982 durch ein konstruktives Mißtrauensvotum Kanzler zu werden (gegen Helmut Schmidt), während Rainer Barzel 1972 um zwei Stimmen scheiterte (und Willy Brandt blieb Kanzler). Für ein erfolgreiches konstruktives Mißtrauensvotum müßte die Union alle ihre 248 Abgeordneten auf Linie bringen, zusätzlich die Unterstützung aller 46 FDP Abgeordneten erhalten und darüberhinaus 8 Stimmen aus dem Lager der 3 Fraktionslosen (2x PDS, 1x Möllemann) bzw. dem rotgrünen Regierungslager (306 Abgeordnete) gewinnen.

Zumindest die Abgeordneten des Regierungslagers dürften sich mehrheitlich nicht am Mißtrauensvotum beteiligen (es sei denn sie beabsichtigen einen Fraktionswechsel oder gar politischen Selbstmord), denn die Wahl selbst ist wohl geheim, die Teilnahme an der Abstimmung allerdings nicht. Beim Konstruktiven Mißtrauensvotum im Jahre 1972 (Barzel) hatte die Regierungsfraktionen ihren Mitgliedern eine Fernbleiben von der Abstimmung empfohlen.

Kann ein konstruktives Mißtrauensvotum mehr als nur die Geschlossenheit der Opposition demonstrieren? Wenn ja, müßten sich schon ein paar Abgeordnete von SPD oder Grünen auf die andere Seite schlagen.

Der wichtigeste Punkt fehlt allerdings in den Meldungen in der Presse: Konstruktiv heißt, daß man sagen muß, wen man als Kanzler haben will, nicht wen nicht. Der Name eines möglichen Nachfolgers wurde nirgendwo erwähnt.

Inzwischen hat die CDU/CSU Fraktionsvorsitzende Merkel den Plänen eine klare Absage erteilt: "Ich halte das für eine absurde Diskussion. Die Mehrheitsverhältnisse sind klar."

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von Martin Fehndrich