Nachteil eines Wahlkreisgewinns bei personalisierter Verhältniswahl
Warum Parteien Wahlkreisgewinne vermeiden sollten
Anreize bei personalisierter Verhältniswahl, einen Wahlkreis nicht zu gewinnen
Größere Unabhängigkeit/Verantwortung gegenüber Wahlkreis statt Partei Ein im Wahlkreis gewählter Abgeordneter einer Partei, könnte Wahlkreisinteressen vor Parteiinteressen stellen. Er könnte sich als persönlich im Wahlkreis gewählter Wahlkreiskönig sehen, der unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit im Parlament sitzt, und sich dadurch weniger an Fraktionsdisziplin gebunden sehen.
Fraktionszusammensetzung: Eine Partei kann bei der Listenaufstellung bestrebt sein, diese hinsichtlich bestimmter Kriterien ausgewogen oder mit einem gezielten Schwerpunkt zu gestalten (Angemessene Vertretung von Kandidaten verschiedener Parteiflügel, Regionen, Konfessionen, Geschlecht, Minderheiten, ...). Dies kann durch die im Wahlkreis gewählten Abgeordneten wieder zunichte gemacht werden.
Besonders gute Chancen für Parteiaußenseiter (die dann Erststimmen von außerhalb der Partei finden). Ein Wahlkreiskandidat einer Partei kann gerade deshalb im Wahlkreis gewählt werden, weil er durch Außenseiterpositionen besonders viele Erststimmen (aber nicht unbedingt Zweitstimmen) aus dem Lager anderer Parteien auf sich vereinen kann. Für die Anhänger anderer Parteien macht es durchaus Sinn, einen Wahlkreiskandidaten einer anderen Partei zu wählen, um die Fraktionszusammensetzung dieser Partei entsprechend zu beeinflussen (nicht um diese Partei zu stärken). mögliches Beispiel: So warb der bisher einzige direktgewählte grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele bei der Bundestagswahl 2002 gezielt um die (für die Partei als solche wertlose) Erststimme mit einem durchaus parteikritischen Programm („Ströbele wählen heißt Fischer quälen“). Ströbele, der nur auf einem chancenlosen hinteren Listenplatz statt, gewann den Wahlkreis 084 Berlin-Friedrichshain – Kreuzberg – Prenzlauer Berg-Ost mit 49.204 Erststimmen (31,6 %), bei nur 36.073 Zweitstimmen (23,1 %).
Gefühltes Stimmensplitting/Erziehung der verwirrten Wähler: Wenn ein Wähler das Gefühl hat, er könnte mit der Erststimme (also der Wahlkreisstimme) einer Partei A einen Gefallen tun, indem er ihr (womöglich erfolgreich) zu einem Wahlkreissitz verhilft, und dann mit der Zweitstimme (der Listenstimme) eine andere Partei wählt, hat Partei A i.d.R. nichts davon. Wenn der Wähler sogar erwogen hat Partei A mit der Parteistimme zu wählen, verliert A sogar eine potentielle Stimme. Wenn die (wertlosen) Erststimmen darüberhinaus noch von Wählern der „falschen“ Partei kommen, kann dies darüberhinaus zu einer schlechten Presse führen (Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt sollen überproportional viele DVU-Wähler ihre Erststimme PDS-Kandidaten gegeben haben. Die DVU trat, strategisch nicht ungeschickt, vollkommen ohne Wahlkreiskandidaten an).
Nachwahlen Einige Wahlsysteme mit personalisierter Verhältniswahl sehen beim Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten eine Nachwahl im Wahlkreis vor, und zwar ohne Neuermittlung der Zahl der jeweiligen Listensitze. Für die Partei, deren Kandidat ursprünglich den Wahlkreis gewonnen hat, birgt dies die Gefahr einen Sitz zu verlieren, für alle anderen Parteien die Chance einen zusätzlichen Sitz zu gewinnen
Parteiwechselverbot: In Neuseeland kann eine Partei von ihren Listen-Abgeordneten, die die Partei verlassen haben (oder rausgeworfen wurden), den Sitz zugunsten des Listennachfolgers zurückverlangen (Beispiel: Electoral Integrity Act, Supreme Court Decisions 18. November 2004) (siehe auch Paradoxon: Nachwahl bei Personalisierter Verhältniswahl).
Strategisch kann es für eine Partei damit durchaus Sinn machen, bei einer Wahl ganz ohne Wahlkreiskandidaten anzutreten.
Wähler, die ein (vermeintliches) Stimmensplitten erwägen, werden damit gezwungen dies auch richtig zu machen (Die „richtige“ Stimme für diese Partei).
Die Abgeordneten einer Partei wären über die Liste ihrer Partei gewählt und brauchen keine Wahlkreisinteressen vor Parteiinteressen zu stellen.
Die Partei hätte die Zusammensetzung ihrer Abgeordneten im Parlament selbst in der Hand (Zusammensetzung nach Parteiflügeln, Regionen, Frauenquote, ...).
Bei den im Ausland (Sc, NZ) noch existierenden Nachwahlregelungen besteht keine Gefahr, einen Sitz per Nachwahl zu verlieren, dagegen die Chance einen Sitz per Nachwahl zu gewinnen.
In Neuseeland verhinderte man Wahlkreis-Abgeordnete, die, nur ihrem Wahlkreis verantwortlich, ihrer Partei den Rücken kehren.