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Martin
| Veröffentlicht am Dienstag, 17. September 2002 - 23:11 Uhr: | |
Bekanntlich veröffentlichen verschiedene Meinungsforschungsinstitute am Wahlsonntag um 18 Uhr eine Prognose. Diese basieren auf Befragungen von Wählern unmittelbar nach ihrer Stimmabgabe und treffen erfahrungsgemäß das Wahlergebnis ziemlich gut. Wie in diesem Forum bereits erwähnt wurde, bekommen verschiedene Politiker und Journalisten im Laufe des Nachmittags des Wahlsonntags Kenntnis von diesen Ergebnissen. Ich sehe nun folgendes Problem: Wer garantiert, dass einer mit diesem Wissen seine Kenntnisse nicht missbraucht, indem er noch mit einem größeren Kreis von Wählern in Kontakt tritt und diese zur taktischen Stimmabgabe animiert. Es ist ja zum Beispiel denkbar, dass es in dem Wahlkreis, in dem es um das dritte Direktmandat der PDS geht, äußerst knapp wird und einige hundert Personen, denen das Prognosenergebnis bereits bekannt ist, durch gezielte taktische Vergabe ihrer Erstimme das Ergebnis der Bundestagswahl noch einmal völlig kippen können. Um so etwas auszuschließen, halte ich ein Verbot dieser Befragung für die 18 - Uhr - Prognose für notwendig. |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 00:14 Uhr: | |
Ich glaube, ein Verbot ist nicht durchzusetzen. Es kann mir doch niemand verbieten, die Leute zu fragen, was sie gewählt haben, und das dann zu verbreiten. Selbst mit dem Verbot vor 18 Uhr ist es schon problematisch, denn ausländische Sender müssen sich nichts verbieten lassen. So ist es schon einmal in Dänemark und Schweden geschehen. Vielleicht wäre es klüger, das Verbot von Prognosen vor 18 Uhr aufzugeben. Das würde zu einer Inflation führen und langfristig würde ihnen keiner mehr glauben, ähnlich wie den zahlreichen perteipolitischen Abrüstungs- und Umweltexperten oder gar Friedensforschern. |
Michail
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 10:33 Uhr: | |
Ein Verbot erschiene auch mir, aus den von Martin erwähnten Gründen, als sehr sinnvoll. Wenn die Wahllokale um 18 Uhr schließen würden und dann - sagen wir mal, um 18.30 Uhr die erste offizielle Hochrechnung anstehen würde, wäre das doch auch nicht so schlimm. Meinetwegen könnten Politiker die Ergebnisse auch fünf Minuten vorher erfahren, wobei es auch interessant sein würde, wenn ALLE es erst um 18:30 erfahren. Ist aber eh nur Makulatur... |
Thomas Frings
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 10:39 Uhr: | |
In die ersten Hochrechnungen basieren auch auf den Nachwahlumfragen. Hochrechnungen gäbe es bei einem Verbot also erst deutlich später. Ich sehe da auch kein grosses Problem, da ja nur ein sehr kleiner Kreis von den Ergebnissen vorab erfährt. Und das sind meist sowieso überzeugte Parteigänger. |
Claus
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 11:27 Uhr: | |
@Alberto: Gratulation. Ich finde, dass Ihre Reaktion auf dieses völlig unsinnige und überflüssige Thema absolut angemessen ist. |
Stoiber
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 11:43 Uhr: | |
Die Forschungsinstitute sorgen hinreichend dafür, daß die Prognose erst um 18 Uhr veröffentlicht wird. Wenn jemand etwas davor mitbkommt kann er die Wahl auch nicht mehr verändern. Ist es wirklich so, daß internationale Sender wie CNN bereits vor 18 Uhr Prognosen senden? |
Jan
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 13:02 Uhr: | |
Die Zahlen sollen sich auf jeden Fall früh stabilisieren - Schröder hat damals schon um 16 Uhr angestoßen ... Wenn jemand einen Link hat, wo es diese Zahlen frühzeitig gibt, bitte posten!! |
Eike
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 13:16 Uhr: | |
@Jan: Ich bezweifle, dass es einen solchen Link gibt. Der würde nämlich teuer (zumindest wenn er von einem deutschen Unternehmen wäre). Solange nicht - wie in den USA - bei noch geöffneten Wahllokalen "offizielle" Prognosen herausgegeben werden, finde ich das nicht schlimm. Auch wenn einige es schon vorher wüssten: So genau sind die Prognosen nun auch wieder nicht, dass man aufgrund von ihnen exakt taktisch wählen könnte. |
Stephan Glutsch
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 13:25 Uhr: | |
Eike: Ja, man sollte vielleicht unterscheiden zwischen Umfragen und Prognosen einerseits, die von Privatpersonen, -instituten, -sendern durchgefuehr und wann immer veroeffentlicht werden koennen und offiziellen Hochrechnungen durch oeffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Letztere sollten vor Schliessung der Wahllokale untersagt werden, und es gibt auch keinen Grund, solche Informationen schon vorher an irgendwelche VIPs herauszugeben. |
Cram
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 13:30 Uhr: | |
Eike, solange die Wahl nicht flächendeckend elektronisch durchgeführt wird hast du recht. Wenn das aber der Fall sein sollte könnten schon Zwischenergebnisse während des Wahlverlaufs bekannt werden und damit ließen sich dann durchaus für taktische Manöver Schlüsse ziehen. Es ist daher wichtig und richtig, dass solche Ergebnisse erst um 18 Uhr bekannt werden sollten. Die Wähler um 16 Uhr sollten doch nicht über mehr Informationen über das Rennen haben als die Wähler um 10 Uhr. Damit bestehen ungleiche Voraussetzungen für die Wahlentscheidung (bei taktischen Wählern). Das widerspricht meiner Auffassung vom Grundsatz der Gleichheit der Wahl und sollte daher vermieden werden. Falls es gar nicht anders geht, muß man eben die Exit-Polls verbieten. Dann müssen sich die Leute ein paar Minuten länger gedulden um ein Ergebniss zu kennen. Übrigens können auch exit-polls irren, gerade bei knappen Wahlausgängen, man erinnere nur an 1969 wo die ersten Ergebnisse eine absolute Mehrheit für die Union sahen. Beim ZDF lag bei der Saarland-Landtagswahl auch zunächst die SPD vorn. Also spannend können Wahlen auch nach 18 Uhr noch werden, ob mit oder ohne Exit-Polls. |
Salvatore Barbaro
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 13:50 Uhr: | |
FAZ-Kommentar. Hier ein Leserbrief, den ich heute an die FAZ gesendet habe. Die Rolle der Wahlumfragen nimmt immer mehr die Form einer prostituierender Groteske an. Ob nun das eine Institut bessere Prognosen liefert als die anderen, wird selbst anhand des konkreten Wahlausgangs nur schwer beurteilbar sein, schließlich ist nicht auszuschließen, dass auch in den unmittelbaren Tagen vor dem Urnengang die Stimmungslage signifikanten Veränderungen unterworfen ist. Auf jeden Fall ist es erleichternd zu wissen, dass die Rolle der Meinungsforschungsinistitute als heimliche Hauptdarsteller des Wahlkampfes nun endlich im letzten Akt verweilen. Bedenklicher noch als die sprunghaften und meist selektiv anmutenden Stimmungsprognosen sind jedoch die Interpretationen der Auftraggeber. Erschreckend vor allem, dass selbst die seriöse FAZ sich zu Aussagen hinreisen läßt, die bar jedes Hauches von Wissenschaftlichkeit sind. Auf der Titelseite vom 18. September darf der Leser die Vermutung vernehmen, dass "der aktuelle Stand in der Umfrage erwarten läßt, daß CDU/CSU die größte Fraktion stellen werden." Als Datenbasis dient die am gleichen Tage veröffentlichte Umfrage, wonach die Union einen "Vorsprung" von sage und schreibe 0,3 Prozentpunkten habe. Was genau läßt sich denn bitte aus dieser Differenz ableiten? Zunächst, und dass ist Element aller Schul(!)bücher der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik, handelt es sich hierbei um Schätzer, die natürlich einem Schätzfehler unterliegen. Immerhin wurden ja nicht alle Wahlberechtigten befragt, sondern gerade einmal 2000. Niemand kann sagen, ob nicht bei einer ebenfalls repräsentativen Auswahl von erneut 2000 Wahlberechtigten nicht die SPD einen solch lächerlichen "Vorsprung" erzielen würde. Statistisch gesprochen (durchaus in der Sprache guter Schulbücher) überlappen sich die Konfidenzintervalle um Schätzwerte beider Parteien. Dass Umfrageinstitute oder ihre Auftraggeber ungern eine wissenschaftlich korrekte Aussage machen wie "mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % wird Partei X zwischen a und b liegen", mag in der Unterschätzung der Leser begründet sein. Auf jeden Fall würde man sich von einer seriösen und unabhängigen Zeitung wünschen können, dass statt der oben erwähnten Interpretation klar gesagt wird, dass aufgrund der hier vorliegenden Umfrage überhaupt keine Aussage gemacht werden könne, ob SPD oder Union die stärkste Kraft im nächsten Bundestag stellen werden. Der Leser würde sich für eine korrekte Interpretation des Datenmaterials bedanken und könnte dann - wenn gewünscht - seine eigenen "Erwartungen" freien Lauf lassen. |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 14:54 Uhr: | |
Schon richtig - eine vorzeitige Veröffentlichung von Trends oder gar Teilergebnissen würde die Wahl verfälschen. Ich sehe aber keine rechtliche Handhabe, exit-polls grundsätzlich zu verbieten. Da stellt irgendein Privatmann einem anderen Privatmann eine Frage, und der Angesprochene hat die volle Freiheit zu antworten oder nicht. Wie könnte man das mit einem Gesetz verbieten, daß dem BVG standhalten soll? Bei der Veröffentlichung von Resultaten wäre wohl mehr möglich, aber so ein Verbot läßt sich fast nach Belieben per Internet und Ausland unterlaufen. In Staaten, die sich über mehrere Zeitzonen erstrecken (z. B. USA) ist es übrigens durchaus üblich, daß einige Wahllokale schon ausgezählt werden (und die Ergebnisse bekannt gemacht werden!), während anderswo noch gewählt wird. Scheint auch zu funktionieren. |
Eike
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 18:56 Uhr: | |
@Ralf: Aber gerade dein letztes Beispiel wurde ja bei den Präsidentschaftswahlen in den USA ziemlich strapaziert. Man kann natürlich nie klären, in wieweit Prognosen oder schon Hochrechnungen Wähler in anderen Zeitzonen beeinflussen. Von daher halte ich deine Aussage "Scheint auch zu funktionieren." für nicht verifizierbar (aber auch nicht für falsifizierbar, wodurch sie als Theorie ausscheidet *g*) |
Peter Fleming
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 19:48 Uhr: | |
Ohne den Demoskopen das Handwerk legen zu wollen: Ein Verbot von veröffentlichten Umfragen in der letzten Woche vor der Wahl wäre ebenso sinnvoll wie eine vorzeitige Veröffentlichung von Exit Polls. Dann müsste es auch per Gesetz verboten werden, dass aus dem Ausland gefragt und früher veröffentlicht wird. Wer es bis 16 Uhr aushält, hält es auch bis 18 oder 19 Uhr aus. Bei der Europawahl halten es auch alle bis 21 Uhr aus... |
Insider
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. September 2002 - 20:24 Uhr: | |
In Berlin kursieren die Ergebnise der Exit Polls ab 16 Uhr unter Journalisten und Politikern. Dies ist in erster Linie eine Arbeitserleichterung: Die Mitarbeiter können schon mal Statements formulieren, die Journalisten trotz frühen Redaktionsschlusses in die Tasten greifen. Für die Wahlbörsen schafft dies allerdings ein - theoretisches - Insider-Problem. In der Praxis haben die Insider aber wohl kaum Zeit dafür. Und außerdem geht es ja auch nicht große Beträge. |
Eike
| Veröffentlicht am Donnerstag, 19. September 2002 - 00:54 Uhr: | |
@Peter Fleming: Du kannst das nicht per Gesetz verbieten. Selbst wenn es eine EU-Verordnung gäbe, würde eben aus der Schweiz oder aus den USA (CNN!) eine solche Umfrage vorgestellt. |
Bernhard Nowak
| Veröffentlicht am Donnerstag, 19. September 2002 - 21:49 Uhr: | |
@Eike: Du hast recht. Daher war mein Vorschlag, die Veröffentlichung von Umfragen zu verbieten, auch falsch. |
Cram
| Veröffentlicht am Freitag, 20. September 2002 - 10:24 Uhr: | |
Eike, CNN beginnt seine Berichterstattung über die Bundestagswahl um 18.00 Uhr MEZ. Mir ist nicht bekannt, dass es einen ausländischen Sender gibt, dem vorher überhaupt Ergebnisse bekannt sind, noch das es irgend einen Sender gab oder gibt, der diese vorher veröffentlicht hat. Die ausländischen Sender übernehmen die Informationen aus dem deutschen Fernsehen. CNN arbeitet mit NTV zusammen und NBC mit dem ZDF. Das ausländische Sender Nachwahlbefragungen in Auftrag geben ist nicht der Fall. Bei einem Verbot von Exit-Polls kann ich kein Problem sehen. |
Eike
| Veröffentlicht am Freitag, 20. September 2002 - 11:32 Uhr: | |
Ich sehe aber das Problem von Art. 5 GG: Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit. |
Cram
| Veröffentlicht am Freitag, 20. September 2002 - 11:54 Uhr: | |
Eike, sehe ich nicht. Schließlich dürfen am Wahltag bis 18.00 Uhr keine Umfragen veröffentlicht werden. Ein Verbot von Umfragen am Wahltag wäre kein grundsätzliches Verbot von Umfragen. Es gibt schließlich den Grundsatz der Gleichheit der Wahl als ein Verfassungsgrundsatz. Wenn daher nur durch ein Verbot sichergestellt werden kann, dass Wähler um 16 Uhr oder 17 Uhr nicht aufgrund von Informationen aus solchen Umfragen taktische Wahlentscheidungen treffen können (weil sie einen anderen Informationsstand haben als Wähler um 10 Uhr = aus meiner Sicht ungleichheit der Wahl), so wäre ein Verbot von Umfragen am Wahltag zulässig. Art 5 wäre dann nicht in seinem Wesensgehalt angetastet (das wäre bei einem generellen Umfrageverbot der Fall). Zugleich endet der Rahmen eines Verfassungsartikels dort wo ein anderer beginnt. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl hat auch Verfassungsrang. Daher kann der Gesetzgeber durchaus eine Einschränkung der Umfragetätigkeit (z.B. Verbot am Wahltag) verfügen. Allerdings: generelles Verbot geht nicht. |
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