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Wahlrecht.de Forum » Umfragen » Rechtsruck bei Landtagswahlen? » 26-50 « Zurück Weiter »

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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 06. September 2004 - 23:18 Uhr:   

C07:
Generell gebe ich Dir recht mit dem, was Du sagst. Auch ich habe ja dafür plädiert, dass Nachbesserungen im Einzelnen durchaus möglich sein sollten. Aber genau darum geht es: die Politiker sollten andere Auffassungen auch vertreten. Müller hat im Vermittlungsausschuss nie Zweifel an der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes angemeldet, auf einmal - knapp zwei Wochen vor der Wahl - kommen ihm diesbezügliche Bedenken. Hier mag noch von einem Umdenkungsprozess in dem von Dir oben genannten Sinne ausgegangen werden (auch wenn ich dies bezweifle). Bei Lafontaine und Milbradt ist dies nicht so. Sich plötzlich an die Spitze der Demonstrationen gegen Hartz IV setzen zu wollen, obwohl man im Bundesrat (Milbradt) die Leistungseinschnitte mibeschlossen hat, ist zynisch und populistisch. Und der Fall Lafontaine wird zur Zeit in den Medien diskutiert. Mich erinnert Lafontaines Verhalten - zumal er sich 1998 für den Umbau der Sozialsysteme ausgesprochen hat - stark an Demagogie. Das heißt: Wenn wirklich sachliche Bedenken vorliegen, müssen diese benannt werden. Dieser Spruch, der immer kommt: die Politik steht in allen Einzelheiten fest und dazu gibt es keine Alternative, ist meines Erachtens falsch. Aber genauso unglaubwürdig scheint mir das Verhalten derjenigen, die aus Populismus - wie Herr Milbradt und vermutlich Herr Müller - plötzlich anders sprechen, wie sie zuvor handelten. Und dies fördert nicht die Glaubwürdigkeit der Politik.
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Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2004 - 08:03 Uhr:   

@Bernhard Nowak:
Volle Zustimmung.

Ich bin übrigens der Meinung, das Milbradt und die CDU sich für die Sachsen-Wahl warm anziehen können. Zum einen stecken sie im Grunde in genau derselben Position wie ihre Saar-Kollegen, müssen also möglicherweise auch mit dem Verlust von bis zu 20 Prozent an ABSOLUTEN Wählerstimmen rechnen.
Da ich aber in Sachsen mit einem deutlich geringeren Rückgang der Wahlbeteiligung rechne (das Saar-Ergebnis dürfte vielen "Protest"-Wählern sogar Antrieb geben, zur Wahlurne zu gehen), könnte das beim RELATIVEN prozentualen Ergebnis kräftig nach hinten losgehen - zumal auch der Anteil der "außerparlamentarischen Stimmen" bei einem Einzug der NPD deutlich geringer wäre als an der Saar.
Somit könnte Milbradt stante pede die Quittung erhalten. Was ich fast schon wieder gut fände, wären die Rahmenbedingungen nicht so bedenklich.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2004 - 10:04 Uhr:   

@Bernhard:
> Politiker sollten zu den Entscheidungen, die sie getroffen haben,
> auch stehen.
Richtig.
Aber man muß auch genau zuhören, was sie sagen, bevor man ihnen Unaufrichtigkeit vorwirft. Die Medienberichterstattung ist da erschreckend unsauber.
Und Deine Beispiele belegen das sehr gut!

> ist ein saarländischer Ministerpräsident Müller, der im
> Vermittlungsausschuss Hartz IV zugestimmt hat und jetzt auf einmal
> ... meint, das Arbeitslosengeld I sollte sich doch nach der
> Einzahlungszeit in die Arbeitslosenversicherung richten.
Kein Problem!
Bei Hartz geht es über Alg II, über die Höhe von Alg I wird nichts gesagt. Und da ist der Vorschlag von Müller schlicht ein ganz neuer Vorstoß.

> Warum hat Herr Milbradt zeitweise mit dem Gedanken gespielt, bei
> Hartz-Demonstranten mitzumarschieren.
Weil Milbradt schon immer Hartz-skeptisch war.
Und weil er im Bundesrat eben NICHT zugestimmt hat - das wird immer wieder falsch behauptet.
Man kann maximal der CDU vorwerfen, daß sie auch einen Anti-Hartz-Flügel hat. Aber Milbradt hat halt seine Überzeugung vertreten, auch gegen die eigene Partei. Das ist doch in Ordnung (auch wenn ich ihm inhaltlich nicht zustimme).

> Und die PDS demonstriert gegen Hartz IV und setzt in Berlin und
> Mecklenburg-Vorpommern, ... eindeutig Gesetze durch und um,
Das ist die Pflicht einer Landesregierung (Bundestreuegebot des GG).
Ich weiß nicht mehr, wie die Länder mit PDS-Beteiligung im Bundesrat gestimmt haben - da könnte man ihr einen politischen Vorwurf machen.
Aber den Vollzug eines demokratisch beschlossenen Bundesgesetzes kann man ihr nicht zum Vorwurf machen.

> Und Herr Lafontaine hat im November 1998 im "Spiegel" den Umbau der
> Sozialsysteme gefordert, ...
Jau. Lafontaine ist in der Tat ein Heuchler.
Bei den heute agierenden Politikern habe ich aber (wenn man genau liest, was sie gesagt haben) noch keine echten Widersprüche festgestellt.

Es gibt eine große Unaufrichtigkeit: Das ist die generelle Linie der SPD, die vor der Wahl gegen besseres Wissen "Heile Welt" versprach und danach radikal umschwenkte, weil die Realität sie dazu zwang.
Diese große Lüge bleibt an Schröder hängen, völlig egal ob seine heutige Politik richtig ist oder nicht.

Aber daraus ein Generalthema "Unaufrichtigkeit der Politik" zu machen, das steckt m. E. die Frusthaltung vieler Journalisten hinter, die sich darüber ärgern, daß ihr altes Weltbild von den Fakten demontiert wurde, dies aber lieber durch aufgebauschte Politikpolemik kompensieren als mal selbstkritisch zu sein.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2004 - 10:13 Uhr:   

@Ralf: Die entscheidenden Leistungskürzungen im Dezember hat Milbradt mitbeschlossen. Lediglich bei der Abstimmung im Sommer hat er aus formalen Gründen nicht zugestimmt; den Leistungskürzungen im Dezember hat er nicht nur zugestimmt, sondern nachts im Vermittlungsausschuss - so Joschka Fischer und andere - sogar noch härtere Leistungseinschnitte gefordert. Inhaltlich steht er - meines Wissens - zum Hartz-Konzept. Ich gebe aber zu, dass ich die diesbezüglichen Protokolle im Vermittlungsausschuss nachlesen müsste. Insofern teile ich Deine Auffassung hier nicht. Und das Arbeitslosengeld 1 gehört selbstverständlich mit zum Gesamtkonzept, da das Neue an Hartz - wenn ich es richtig verstanden habe - doch ist, dass sich das ALG 2 nicht mehr - wie die Arbeitslosenhilfe - an den Einzahlungen in die Arbeitslosenversicherung orientiert. ALG 1 wird als Solidarversicherung begriffen, d.h. die Länge der Einzahlungen in die Arbeitslosenversicherung spielt - aus meiner Sicht leider - keine Rolle mehr. Im übrigen haben FDP und Grüne immer zu ihren Entscheidungen geschlossen gestanden - und dies dürfte ihre Gewinne im Saarland - neben der niedrigen Wahlbeteiligung - mit erklären.
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Andrè
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2004 - 12:02 Uhr:   

"doch ist, dass sich das ALG 2 nicht mehr - wie die Arbeitslosenhilfe - an den Einzahlungen in die Arbeitslosenversicherung orientiert."

Arbeitslosenhilfe hat sich noch nie! an den Einzahlungen orientiert!
Arbeitslosenhilfe ist rein Steuerfinanziert!
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Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2004 - 12:17 Uhr:   

@Andrè:
Natürlich orientiert sich die Arbeitslosenhilfe an den Einzahlungen, da sich ihre Höhe genauso wie beim Arbeitslosengeld vom letzten Gehalt ableitet. Das ist ja gerade der Unterschied zur "pauschalen" Sozialhilfe, auch wenn beides nach dem Prinzip der Fürsorge ausgezahlt wird.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2004 - 12:29 Uhr:   

@Bernhard:
Um es klar zu stellen: Deine Grundthese teile ich völlig.
Und natürlich gibt es genügend Politiker, deren Meinungen opportunistisch im Winde schwanken - vielleicht gehört auch Milbradt dazu, dazu müßte man ausführlicher in den Archiven wühlen (was ich nicht tun werde, weil er konkret mir eigentlich egal ist).

Ich wollte nur generell zur Vorsicht mahnen mit dem Vorwurf der Unaufrichtigkeit.
Es ist in unserem Medienbetrieb für einen Politiker relativ schwierig, eine differenzierte Position abseits der großen schwarz-weiß-Klötze durchzuhalten. Das wird dann leicht mal erst in die eine, dann in die andere Richtung versimplifiziert - und ihm dann die erst aus der journalistischen Verdichtung entstandenen Widersprüche vorgehalten.
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Sole
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2004 - 14:40 Uhr:   

"Ich weiß nicht mehr, wie die Länder mit PDS-Beteiligung im Bundesrat gestimmt haben - da könnte man ihr einen politischen Vorwurf machen."

Enthaltung in beiden Fällen, soweit ich mich erinnere. Auf jeden Fall nicht Zustimmung.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2004 - 15:07 Uhr:   

Ralf: O.k., Deinen letzten Ausführungen kann ich uneingeschränkt zustimmen.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2004 - 19:37 Uhr:   

@ Bernhard Nowak
"Und das Arbeitslosengeld 1 gehört selbstverständlich mit zum Gesamtkonzept, da das Neue an Hartz - wenn ich es richtig verstanden habe - doch ist, dass sich das ALG 2 nicht mehr - wie die Arbeitslosenhilfe - an den Einzahlungen in die Arbeitslosenversicherung orientiert."

Ein Gesamtkonzept? Bei Schröder? ;-)))

Die Stoßrichtung bei Hartz IV ist schon richtig- aber das Gesamtkonzept fehlt. Hartz IV allein schafft keine Arbeitsplätze- da hat die PDS mal recht- im Osten gibt es halt keine Jobs. Da müßte noch anderen Stellen reformiert werden- u.a. Arbeitsrecht, aber da traut sich der Schröder nicht ran. Schröder ist noch dabei, das Beschlossene durchzusetzen, ansonsten würde er völlig das Gesicht zu verlieren- eine längerfristige Perspektive hat er nicht. Schon bald wird es die nächsten Probleme geben- nämlich bei der Einführung von Hartz IV im Januar- das wird garantiert ein Chaos, z.B. steht die Software noch gar nicht. Die wird u.a. von T-Systems entwickelt (und noch einer weiteren Firma, die einem Sozi gehört), die sich schon bei der Maut dabei waren. Sehr vertrauenserweckend...
Diese praktischen Schwierigkeiten werden dann wieder dafür sorgen, daß für ein Gesamtkonzept garantiert keine Zeit bleibt.
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Hartmann von der Tann
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2004 - 20:42 Uhr:   

Das Problem ist das die SPD das Pferd von hinten aufzäumt. Zunächst müßte der Arbeitsmarkt und das Steuerrecht reformiert werden. Das heißt Entmachtung der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, also Modernisierung des Tarifrechtes, Einschränkung des Kündigungsschutzes, Abschaffung sämtlicher steuerlicher Abschreibungsmöglichkeiten und Einführung des Dreistufensystems 15/25/35. Dies würde eine solche Dynamik freisetzten, dass auch die nötigen Arbeitsplätze wieder in Deutschland entstehen würden. Und dann hätte man Hartz IV realisieren müssen, damit dann die vermeintlich unwilligen Arbeitslosen in die neuentstandenen Arbeitsplätze gedrängt werden. Nun werden die Arbeitslosen aber in Arbeitsplätze gedrängt die überhaupt nicht da sind. Und dies ist, meiner Meinung nach, das fatale an der jetzigen Reform. Für die oben genannten Reformen fehlen der SPD/Grünen jedoch der Wille und die Kraft, da dies ja vermeintlich Soziale Ungeheuerlichkeiten seien. Ungeheuerlich und Sozialungerecht ist aber tatsächlich das, was nun geschieht......
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Immanuel Goldstein
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 10:00 Uhr:   

@Hartmann
Entmachtung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ahtten wir schon. 1934; war keine gute Zeit.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 12:04 Uhr:   

@Hartmann:
Deine Argumentation kommt mir so bekannt vor (und die teile ich gänzlich).
Kennen wir uns aus der IDL?

@Immanuel:
Das Totschlag-Argument mit den Nazis ist billig und blöde.

Keiner spricht Gewerkschaften oder anderen Verbänden das Recht ab, ihre eigenen Mitglieder zu vertreten.
Aber es ist nicht zu rechtfertigen, daß der Gesetzgebern diesen Verbänden die Möglichkeit gegeben hat, völlig undemokratisch auch über Leute zu bestimmen, die überhaupt nicht Mitglied sind.
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Sole
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 12:12 Uhr:   

Welche Rolle würden Gewerkschaften spielen (können) wenn Betriebsräte die Löhne vereinbaren?
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 12:17 Uhr:   

@Sole:
> Welche Rolle würden Gewerkschaften spielen (können) wenn
> Betriebsräte die Löhne vereinbaren?
Weiß nicht, ist auch nicht relevant.
Man kann doch den Gewerkschaften nicht das Recht einräumen, über andere Menschen zu bestimmen, nur weil den Gewerkschaften sonst ihre Rolle nicht bedeutend genug ist.
Und ihre Privilegien gehen ja weit über die Lohnverhandlungen hinaus.
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Sole
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 12:25 Uhr:   

Die Gewerkschaften sind nun mal keine private Lobby sondern wurden, als man sich diese Republik zusammengebastelt hat, mit gesellschaftlichen Funktionen bedacht. Wenn das nicht mehr richtig sein soll muss man aber auch klar die Alternative benennen, wie diese Funktionen künftg ausgefüllt werden sollen. Prinzipiell gibt es ja auch einen Wettbewerb unter den Gewerkschaften zwischen DGB und freien Gewerkschaften.
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Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 12:30 Uhr:   

Am Ende würde es dann wohl (ähnlich wie größtenteils schon jetzt in den USA) dazu kommen, dass jeder Arbeitnehmer individuell seinen Lohn aushandelt oder (wahrscheinlicher) vom Arbeitgeber wieder diktiert bekommt. Denn natürlich wird sich auch niemand etwas von Betriebsräten vorschreiben lassen wollen und die Arbeitgeber (bin selber einer ;-) würden sich natürlich am Ende genauso über die Betriebsräte aufregen, wie jetzt über die Gewerkschaften. Das ist einfach eine Schraube ohne Ende.

In den USA etwa ist es heute schon absolut üblich, dass Menschen, die dieselbe Arbeit verrichten, ganz unterschiedlichen Lohn bekommen. Wobei die Höhe des Lohns oftmals nur davon abhängig ist, ob sie sich gerade zum taktisch - sprich konjunkturell - "richtigen" oder "falschen" Zeitpunkt um eine Anstellung bemüht haben.

Was das für die Stimmung in der Belegschaft für Folgen hat, kann sich wohl jeder selbst ausrechnen. Große Teile der US-Wirtschaft haben eine geradezu gruselige Produktivitätsquote, was vor allem ein Motivationsproblem ist. Genau aus diesen Gründen sind viele ausländischen Investoren über das Arbeitsklima in Deutschland, das auch viel mit unseren Trarifsystemen zu tun hat, sehr zufrieden. Die Investitionsquote aus dem Ausland nimmt sogar, was wohl kaum jemand für möglich halten würde, immer noch zu.
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Nosfer
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 14:26 Uhr:   

@Ralf

Welche Privilegien der Gewerkschaften meinst du denn im speziellen. Mit fallen auf Anhieb leider keine ein.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 14:32 Uhr:   

@Martin: Volle Zustimmung. Flächentarifverträge mögen altmodisch sein, sie garantieren ein gewisses Mindestmaß an Rechten und bieten für die gleiche Arbeit gleiche Entlohnung. Dies mag nicht zeitgemäß gewesen sein, erhöhte aber die Arbeitssicherheit und die Motivation. Insbesondere die US-Regierung Reagan schaffte lauter Billigjobs, die unter George Bush senior wieder verloren gingen. Und es sind doch nicht die Gewerkschaften, sondern die Arbeitgeber, die aus den Flächentarifverträgen aussteigen wollen. Dass beide Seiten - Arbeitgeber wie Arbeitnehmer - ihre Interessen optimal vertreten und ihnen unbequeme Paragraphen in den Flächentarifverträgen beseitigen wollen, ist legitim. Aber es darf nicht übersehen werden, dass die Arbeitgeber in der derzeitigen Situation, die durch die Globalisierung nicht "gewerkschaftsfreundlicher" werden wird, sowieso - zumindest mittel- und längerfristig - am längeren Hebel sitzen. Aber ich merke, ich bin jetzt zu sehr vom Thema: Wahlrecht abgekommen. Martin hat aber meines Erachtens völlig recht.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 15:20 Uhr:   

@Sole:
> Die Gewerkschaften sind nun mal keine private Lobby sondern wurden,
> als man sich diese Republik zusammengebastelt hat, mit
> gesellschaftlichen Funktionen bedacht.
Sie sind sehr wohl eine private Lobby, ohne demokratische Legitimation, und werden nur von ihren Mitgliedern kontrolliert (wenn überhaupt).
Deswegen ist es ein Unding, daß man ihnen im Lauf der Jahrzehnte (m. W. nicht schon bei Gründung der BRD) immer mehr "gesellschaftliche Funktionen" übergeben hat, d.h. der Gesetzgeber hat sie privilegiert, über andere Menschen Macht auszuüben.

Das gilt übrigens analog für eine Reihe weiterer Verbände, die Gewerkschaften sind nur der größte Problemfall, nicht der einzige.

> Wenn das nicht mehr richtig sein soll muss man aber auch klar die
> Alternative benennen, wie diese Funktionen künftg ausgefüllt werden
> sollen.
Entweder der Bürger macht es selber oder aber die per Wahl legitimierte Regierung. Niemand sonst kann das Recht haben, über einen Bürger zu bestimmen.

@Nosfer:
> Welche Privilegien der Gewerkschaften meinst du denn im speziellen.
Zum Beispiel ihr Recht, Beisitzer bei den Arbeitsgerichten zu benennen und damit entscheidend das Arbeits- und Sozialrecht zu prägen.

Zum Beispiel ihre Vertreter in den Rundfunkräten und damit die Möglichkeit, die öffentliche Meinung zu steuern.

Zum Beispiel ihre Vertretung in der Bundesanstalt für Arbeit, wo sie über die Beiträge ALLER Arbeitnehmer entscheiden, obwohl nur ein kleiner Teil von denen Gewerkschaftsmitglied ist (und gerade hier haben die Gewerkschaften Milliarden an Sozialbeiträgen mißbraucht, um ihre Bildungswerke zu sponsorn).

Bei allen drei Beispielen haben parallel auch immer die Arbeitgeberverbände die entsprechenden Rechte - das ist natürlich genauso abzulehnen.

@Martin:
> Am Ende würde es dann wohl (ähnlich wie größtenteils schon jetzt in
> den USA) dazu kommen, dass jeder Arbeitnehmer individuell seinen
> Lohn aushandelt ...
Wie das heute schon ein großer Teil der Arbeitnehmer macht - ohne daß Verhältnisse wie in den USA aufgetreten sind.

Die Vermutung, Produktivitätsprobleme in den USA wären eine Folge fehlender Flächentarifverträge, halte ich für völlig unbelegte Spekulation.
Und das kann auf jeden Fall keine Rechtsgrundlage dafür sein, daß ein freier Bürger seinen Arbeitsvertrag nicht mehr selber aushandeln darf, sondern sich den Weisungen irgendeines Gewerkschaftsfunktionärs beugen muß.
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Nosfer
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 15:37 Uhr:   

@ Ralf

Auch in der BRD darf (fast)jeder Bürger seine Arbeitsverträge selbst aushandeln, sofern er nicht Mitglied in einer Gewerkschaft ist. Flächentarifverträge gelten nur für Gewerkschaftsmitglieder, außer sie werden für allgemeinverbindlich erklärt. Unter Einhaltung der Mindesbedingungen die per Gesetz vorgegeben sind, kann jeder Arbeitgeber mit seinem zukünftigen (nicht Gewerkschaftsmietglied)Arbeitnehmer die Bedingungen frei aushandeln.
(So jedenfalls die Theorie)
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 15:44 Uhr:   

@Nosfer:
> ... außer sie werden für allgemeinverbindlich erklärt.
Und nur um diesen Fall geht es doch!
Alle anderen Tarifverträge sind in der Tat mehr eine unverbindliche Empfehlung für die Nicht-Mitglieder, und das ist völlig in Ordnung.

Wobei ich sowieso die übrigen Gewerkschaftsprivilegien für viel bedenklicher halte als die in der Praxis ohnehin obsolet gewordenen Flächentarife.
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 15:49 Uhr:   

> ... außer sie werden für allgemeinverbindlich erklärt.
Und nur um diesen Fall geht es doch!


Diese Allgemeinverbindlichkeitserklärung machen aber nicht die Tarifparteien.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 16:03 Uhr:   

> Diese Allgemeinverbindlichkeitserklärung machen aber nicht die
> Tarifparteien.
Richtig.
Aber der zuständige Minister kann die Sachen, die er für allgemeinverbindlich erklärt, nicht selber bestimmen. Er kann nur das fertige Paket nehmen, das gibt den Tarifparteien schon erheblichen Einfluß.

Ansonsten aber wie schon gesagt: Ich halte das Tarifbeispiel (wurde auch nicht von mir aufgebracht) für nebensächlich gegenüber den übrigen Privilegien diverser Verbände.
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Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2004 - 16:04 Uhr:   

@Ralf Arnemann:
"Wie das heute schon ein großer Teil der Arbeitnehmer macht - ohne daß Verhältnisse wie in den USA aufgetreten sind."

Also diese Aussage wundert mich schon ziemlich. Bevor ich mich selbständig gemacht habe, war ich auch mehrmals "abhängig" Beschäftigter. Und wo immer ich angestellt wurde, hätte es aber einen reichlich eigenartigen Eindruck gemacht, wenn ich von meinem Chef gefordert hätte, dass ich mehr Geld erhielte, wie die auf gleicher Position eingesetzten Kollegen. Ich hätte mir auch keine Illusionen gemacht, dass sich das mit meinem Gehalt irgendwann rumgesprochen hätte. Zumindest in den mittelständischen Betrieben, in denen ich gearbeitet habe.
Es mag ja schon einige Branchen geben, wo die Beschäfftigten ihren Lohn ganz individuell aushandeln, aber in der Regel werden doch bei uns auf Betriebsebene "gleiche Löhne für gleiche Arbeit" gezahlt. Allenfalls in den "höheren Regionen" wird das dann wohl etwas differenzierter, da setzt dann aber - aus gutem Grund - auch schnell die große Geheimniskrämerei ein. Von einem "großen Teil" dieser speziellen Arbeitsverhältnisse kann man meiner Meinung nach aber nicht ausgehen.

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