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OT: Staatsverschuldung

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Frederic
Veröffentlicht am Samstag, 15. Februar 2003 - 11:41 Uhr:   

Es hat nicht allzu viel mit Wahlrecht zu tun, aber ich bitte die volkswirtschaftlich Gebildeten, derer es hier viele gibt, mir zu helfen.
Zur Staatsverschuldung gibt es ja zwei Sichten.
Einmal die traditionelle, die kurzfristig nach dem IS/LM-Modell von einer Erhöhung des Konsums verbunden mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit und erhöhtem Output ausgeht.
Langfristig jedoch kommt es nach dem Solow-Modell durch die geringere Ersparnis zu einem niedrigeren Kapitalstock und einem geringerem Output, also zu einem niedrigeren Wohlfahrtsniveau.

Andererseits gibt es die ricardianische Sicht, die diese Auswirkungen verneint, da die Bürger auf einen höheren Konsum verzichten, weil sie wissen, daß die Verschuldung sich irgendwann in höheren Steuern auswirken wird. Desweiteren sind die Generationen altruistisch verbunden.

Soweit, so gut.
Was ich aber in beiden Sichten vermisse, ist die Verschuldungsspirale, die, wie man in den letzten Jahrzehnten sehen konnte, ausgelöst wird.
Jedes Jahr kommt es zu weiterer Neuverschuldung und die Zinszahlungen nehmen einen immer höheren Teil des Staatshaushalts ein.
Theoretisch kann man dann ja einmal soweit sein, daß sämtliche Steuereinnahmen zur Bewältigung der Zinslasten verwendet werden müssen.
Ist man erst mal an diesem Punkt angekommen, ist ja an eine Rückführung der Neuverschuldung kaum mehr möglich, da die Steuern nicht so massiv angehoben werden können, wie sie müßten, ohne daß die Wirtschaft zusammenbricht.

Wird dieser Aspekt in den beiden Sichten tatsächlich nicht beachtet oder unterliege ich hier einem Denkfehler?
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niklas
Veröffentlicht am Samstag, 15. Februar 2003 - 13:01 Uhr:   

In der Tat kann ein deficit spending unter bestimmten Voraussetzungen kurzfristig positive Auswirkungen auf die Konjunktur haben, nämlich dann wenn es kein crowding-out über den Zinsmechanismus gibt.
Langfristig wird weniger in den Kapitalstock investiert (Solow), und das Wachstum gebremst.

So etwas wie die Auswirkungen einer steigenden Zins-Ausgaben-Quote wird meines Wissens nach zwar nicht theoretisch modelliert, kommt sehr wohl aber in den Lehrbüchern vor (ökonomische Grenzen der Staatsverschuldung). Das ganze ist aber außerhalb der Modelle.
Zu dieser Diskrepanz habe ich nur einen Satz passenden Satz gefunden (Zimmermann/Henke, Finanzwissenschaft, 8.Auflage, 2001, S. 166): "Aus theoretischer Sicht lassen sich zwar Ausgaben jederzeit kürzen und/oder Steuereinnahmen erhöhen, doch sind diesen Strategien politische und haushaltspolitische Grenzen gesetzt...". Ich schleiße daraus, dass die "Grenzen der Staatsverschuldung" eher ein praktisches denn theoretisches Problem darstellen.

Darüber hinaus gibt es noch psychologische Kosten der Staatsverschuldung, die dadurch entstehen, dass überschuldete Staaten im Chaos ersticken. Die Inflation von 1923 war z.B. auch die Folge eines überforderten Staatswesens. Die Erwartungen einer großen Staatsverschuldungskrise werden natürlich von den Wirtschaftssubjekten antizipiert, weshalb es negative Auswirkungen auch ohne konkrete Katastrophe gibt (z.B. Zinssteigerungen).

Andererseits könnte man auch argumentieren, dass kurzfristige Konjunktureinbrüche hohe Kosten verursachen, die durch Verschuldung gemildert werden können (Hysterisis-Effekte auf dem Arbeitmarkt). Das ist mE aber nur ein Argument für ein bedächtiges zurückfahren der Nettoneuverschuldung (v.a. in besseren Zeiten), keines für planlose, konsumptive Konjunkturpakete wie sie Oskar Lafontaine möchte.
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alberto
Veröffentlicht am Samstag, 15. Februar 2003 - 17:26 Uhr:   

smile
»Wer soll es tun?«

Quote:

Von Frederic am Samstag, den 15. Februar 2003 - 11:41 Uhr:Was ich aber in beiden Sichten vermisse, ist die Verschuldungsspirale, die, wie man in den letzten Jahrzehnten sehen konnte, ausgelöst wird. Jedes Jahr kommt es zu weiterer Neuverschuldung und die Zinszahlungen nehmen einen immer höheren Teil des Staatshaushalts ein. Theoretisch kann man dann ja einmal soweit sein, daß sämtliche Steuereinnahmen zur Bewältigung der Zinslasten verwendet werden müssen. Ist man erst mal an diesem Punkt angekommen, ist ja an eine Rückführung der Neuverschuldung kaum mehr möglich, da die Steuern nicht so massiv angehoben werden können, wie sie müßten, ohne daß die Wirtschaft zusammenbricht. Wird dieser Aspekt in den beiden Sichten tatsächlich nicht beachtet oder unterliege ich hier einem Denkfehler?


diese Frage tangiert das  passive Wahlrecht immer. Was denn sonst? Wenn nun - wie in diesem unserem Lande -, die Mehrheit  dabei ausgeschaltet wird - und das ist  faktisch so, wenn, wie nach der letzten »Wahl«, unter mehr als 180 Neuzugängen zur gesetzgebenden (und in Personalunion verfassunggebenden!) Versammlung kaum eine Handvoll Nichtödies mehr waren -, dann stellen sich Sachfragen nicht mehr nach sachlichen Gesichtspunkten, sondern nach »politischen« - zwei unvereinbare Gegensätze.

Und hier sind wir auch schon bei Ihrer Sorge und Ihrer abschließenden Frage. Bei welcher Gelegenheit hätten die Protagonisten lernen sollen, etwa zu bilanzieren oder ein Budget verantwortlich zu führen?? Sehen Sie, lieber Frederic, Ihre Frage ist offenbar gar nicht relevant

Nichts gegen das Zähneputzen, aber wenn das Häuschen brennt, gibt es andere Prioritäten. Damit hätten Sie im Prinzip recht. Aber die Protagonisten verfügen nun mal in geistiger Hinsicht nur über Zahnputzbecher und damit kann man sowieso nicht löschen. Damit hätten  die wieder recht. Sagen Sie selbst: Wer soll es denn tun?
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WahlRechtReform
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Nimreem
Veröffentlicht am Sonntag, 16. Februar 2003 - 21:18 Uhr:   

@ Frederic,

es sind Modelle. Und Modelle gehen von bestimmten Vorraussetzungen aus. Das zweite Modell geht davon aus, dass die Wirtschaftssubjekte wissen, dass die Schulden zurückgezahlt werden müssen. Das heisst nicht erst in the long run (we're all dead) sondern relativ kurzfristig. Du gehst aber davon aus, dass die Schulden relativ kurzfristig nicht zurückgezahlt werden sondern sich anhäufen (und dann irgendwann viel später zurückgezahlt werden oder eine Katastrophe auslösen). Damit bewegst du dich aber ausserhalb dieses einfachen Modells.

Das erste Modell geht davon aus, dass die Politiker in Boomzeiten sparen (Schulden zurückzahlen) und in Rezessionen Schulden anhäufen. Nur für einen solchen Fall gilt diese Wirtschaftsempfehlung. Handeln die Politiker nicht danach, bewegst du dich ausserhalb dieses Modells.

Es wird also in beiden Modellen die Frage gestellt: was passiert, wenn die Politiker sich so verhalten. Damit beantworten sie nicht die Frage, was passiert, wenn sich die Politiker nicht so verhalten.

Es sind ja Micky-Maus Modelle. Also Grundstudium. Kompliziertere und realistischere werden später gebildet. Vor allem die Politische Ökonomie behandelt die Anreize für Politiker sich so zu verhalten, wie sie sich realistischerweise verhalten und welche Folgen das für die Volkswirtschaft hat.
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Frederic
Veröffentlicht am Sonntag, 16. Februar 2003 - 21:41 Uhr:   

Danke an alle!
Ja Grundstudium, muß ich zu meiner "Schande" gestehen...
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alberto
Veröffentlicht am Montag, 17. Februar 2003 - 00:30 Uhr:   

smile
Reden wir über Utopien oder über Fakten?

Quote:

Das erste Modell geht davon aus, dass die Politiker in Boomzeiten sparen (Schulden zurückzahlen) und in Rezessionen Schulden anhäufen. Nur für einen solchen Fall gilt diese Wirtschaftsempfehlung. Handeln die Politiker nicht danach, bewegst du dich ausserhalb dieses Modells.


Sie werden auch morgen nicht danach handeln. Wenn wir nicht immerfort mehr desselben wollen, müssen wir Menschen in die Verantwortung bringen, die von den Konsequenzen ihres Handelns auch selber betroffen sind, also keine Ödies. Von denen ist immer nur mehr desselben zu erwarten.

Noch wissen wir von den Diensthabenden nicht einmal,
  • ob sie einen Einnahmeüberschuß anstreben?
  • ob sie das mit Wachstum anstreben?
  • oder ohne Wachstum?
  • oder Konsolidierung auf niedrigstem Niveau?
  • oder Nach-mir-die-Sintflut-Politik betreiben?
Vermutlich aber nichts von alledem, denn sie wissen nicht, was sie tun. Brauchbare Rezepte gibt es. Wir brauchen sie aber nicht zu diskutieren. Jetzt nicht. Denn wer soll das Richtige tun? Die Etablierten? Sie könnten es nicht, wenn sie denn wollten.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Montag, 17. Februar 2003 - 13:23 Uhr:   

Jenseits aller Theorien ist statistisch erhärtet, dass die öffentlichen Finanzen dort durchschnittlich deutlich besser dastehen, wo das Volk einen unmittelbaren Einfluss auf Finanzbeschlüsse (Steuern und Abgaben, Ausgaben, Haushaltsvoranschlag) hat. Dabei ist die Zusammensetzung eines Parlamentes verhältnismässig unwichtig. Der US-amerikanische Kongress besteht z. B. grossmehrheitlich aus vermöglichen Abgeordneten, da der Wahlkampf kostspielig ist. Nach US-Verfassung sind zudem alle Personen, die im Dienst der Union stehen oder von ihr besoldet werden, aus dem Kongress ausgeschlossen. Gleichwohl kursiert ein Flüsterwitz: "Stimme nie gegen Ausgaben und nie für höhere Steuern!"
Die Erklärung ist ganz einfach: Stimmen die Bürger selbst ab, entscheiden sie über ihr Geld. Stimmt ein Parlament ab, stimmt es über fremde Mittel ab.
Auch die Wirksamkeit gesetzlicher Ausgabenhürden, Schuldenlimiten, Defizitbremsen usw. ist nicht gerade hoch zu veranschlagen. Entscheidend ist, wie Beschlüsse mit finanziellen Wirkungen verantwortet werden müssen, ob gar nicht, nur bei den nächsten wahlen, evtl. Vorzeitig durch vom Volk verlangte Neuwahlen, Anfechtung von Beschlüssen bei einem Gericht oder dann vor allem fakultative und obligatorische Volksabstimmungen.
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Nimreem
Veröffentlicht am Montag, 17. Februar 2003 - 14:04 Uhr:   

@ Philipp,

was für eine Statistik? Wo sieht es denn durchschnittlich besser aus mit den öffentlichen Finanzen? Wahrscheinlich meinst du die Schweiz. Ansonsten sieht es mit der Bruttostaatsverschuldung noch gut in Norwegen und Australien aus. Haben da die Bürger einen grösseren Einfluss als woanders?

Besonders schlecht sieht es aus in Belgien, Italien und Japan. Haben da die Bürger einen besonders schlechten Einfluss?
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niklas
Veröffentlicht am Montag, 17. Februar 2003 - 18:43 Uhr:   

Vielleicht noch ein Gedanke zu den tendentiell höher verschuldeten Staaten: Von Koalitionen regierte Länder (extrem: Belgien oder Italien) könnten zu einer höheren Verschuldung neigen.

Aber insgesamt kann man da keine allgemeinen Aussagen machen, da viele Faktoren, auch Sonderfaktoren (z.B. Norwegen und Ölreichtum) mitspielen. Für die Schweiz würde ich aber schon den Zusammenhang zwischen Kontrolle durch die Steuerbürger und geringe Staatsausgaben bejahen.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Dienstag, 18. Februar 2003 - 00:37 Uhr:   

Tja, die Statstiken gründen sich auf verschiedene Gemeinwesen: Schweiz, v. a. Kantone (Bund kennt kein Finanzreferendum, seine Verschuldung ist traditionell grösser als die der meisten Kantone), einige US-amerikanische Bundesstaaten, ferner Gemeinden, bayrische Kommunen und Städte in Lateinamerika, in denen seit einigen Jahren eine Art öffentliches Auflageverfahren der Haushalte erprobt wird. Es sind also schon einige Gemeinwesen unter sehr verschiedenen realen und kulturellen Einflüssen, die da verglichen werden und eben durchschnittlich denselben Trend zeigen.
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Nimreem
Veröffentlicht am Dienstag, 18. Februar 2003 - 07:18 Uhr:   

@ Philipp,

naja, ziemlich zusammengestückelte Städte und Gemeinden weltweit. In der Schweiz werden nur die Kommunen und nicht der Bund betrachtet. Obwohl es ja auch eine Direktdemokratie auf Bundesebene gibt. Aktuelle Zahlen liegen mir nicht vor, aber auch 1998 gab es ja schon eine Direktdemokratie in der Schweiz.

Und wie sah da die Pro-Kopf-Verschuldung in ATS aus?
1. Luxemburg 33.700
2. Portugal 77.200
3. Spanien 117.200
4. Großbritannien 135.600
5. Irland 148.400
6. Finnland 149.100
7. Griechenland 149.700
8. Frankreich 175.300
9. Deutschland 196.700
10. Niederlande 200.800
11. Österreich 205.000
12. Schweden 222.000
13. Dänemark 225.700
14. Schweiz 245.700
http://www.staatsschuldenausschuss.at/html/inhalt/bericht98/kapitel5.htm
Geringe Staatsverschuldung also in der Schweiz?
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 18. Februar 2003 - 11:06 Uhr:   

@Nimreem:
Dein Argument ist grundsätzlich richtig. Sehr überzeugend niedrig ist der Schuldenstand nicht, um die These mit den segensreichen Volkabastimmungen direkt zu belegen (obwohl ich durchaus glaube, daß da was dran ist).

Es ist aber nicht sinnvoll, die umgerechneten Pro-Kopf-Zahlen zum Vergleich zu nehmen.
Da wird ein besonders reiches Land wie die Schweiz optisch schlechter gestellt, obwohl ihre Schuldenlast gemessen am Einkommen/Vermögen moderat ist.
Und der hohe Frankenkurs verzerrt zusätzlich.

Viel sinnvoller ist der Vergleich anhand des BIP-Anteils, da werden beide Effekte neutralisiert.
Die Zahlen finden sich ebenfalls auf der von Dir angegebenen Seite.
Und damit liegt dann die Schweiz nur noch im unteren Mittelfeld.
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Nimreem
Veröffentlicht am Dienstag, 18. Februar 2003 - 11:32 Uhr:   

@ Ralf,

das ist richtig. Und ich habe natürlich absichtlich die Pro-Kopf-Verschuldung genommen, weil diese häufig vergessen wird. Grundsätzlich sollten beide beachtet werden.

Die Kritik an der Pro-Kopf-Verschuldung hast du angebracht. Der stimme ich zu. Allerdings ist diese unabhängig von der Wirtschaftsentwicklung.

Wenn - wie häufig - der Vergleich zum BIP gewählt wird, bedeutet dies, dass in Zeiten der Rezession (BIP fällt) die gleiche Verschuldung höher erscheint als in Boomzeiten. Das ist um so unglücklicher, da in Rezessionszeiten die Verschuldung, wenn nicht angehoben, so doch gesenkt werden sollte. Die Bevölkerungszahlen sind in Europa eher konstant. Somit sind die Zahlen unabhängig vom jeweils aktuellen Wirtschaftswachstum.

Aber wie gesagt: beide Vergleichszahlen haben ihre Vor- und Nachteile. Und auch die Schulden/BIP geben ja kein grundsätzlich anderes Bild.
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 18. Februar 2003 - 16:28 Uhr:   

In der Tat werden durch Bürgerbeteiligung häufiger teure Großprojekte abgelehnt als neue initiiert. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass die Lobbys, die an unsinnigen Großprojekten Interesse haben, auf die Politiker weit größeren Einfluss haben als auf die Wählerschaft insgesamt, weswegen übrigens z.B. ein Tunnel häufig schneller verwirklicht wird als ein Zebrastreifen.

Allerdings lassen sich die Statistiken manchmal auch unterschiedlich interpretieren. In Bayern haben die kommunalen Bürgerentscheide z.B. ganz überwiegend zu großen Einsparungen geführt, während ein einziger ein Mehrfaches der summierten Ersparnisse gekostet hat bzw. noch kosten wird, nämlich der über den Bau von 3 Tunnels in München, der allerdings sehr knapp ausgegangen ist.

Dabei hat sich auch gezeigt, dass man mit Zahlen die Bürger durchaus manipulieren kann, oder zumindest so verwirren, dass sie letztlich gar nichts mehr glauben. Die Gegner haben großflächig den Text "Nein zu 2000 Millionen Mark Schulden" plakatiert (nämlich die aufgerundeten summierten Baukosten über mindestens 15 Jahre plus unterstellter Preissteigerungen, Budgetüberschreitungen und Kapitalkosten), und suggeriert, dass dem ebenso hohe Einsparungen an anderer Stelle innerhalb der Stadt gegenüberstehen müssten. Die Befürworter haben dagegen noch großflächiger den Text "3 Tunnels für nur 2 DM" plakatiert (nämlich die monatlichen Kosten pro Einwohner für den Anteil der Stadt bei unterstellten niedrigen Baukosten und überhöht angenommenen Zuschüssen des Lands), und suggeriert, dass das für die Stadt völlig vernachlässigbare Kosten wären. Die jeweiligen Broschüren haben noch viel ausführlicher Desinformationen verbreitet, und die Medien haben ohnehin wenig Ahnung von der Sache gehabt.

Man muss aber dazusagen, dass damals (1996) das Instrument des kommunalen Bürgerentscheids ganz neu war. Inzwischen ist es trotz der zwischenzeitlichen Entwertung zur Normalität geworden. Allein durch die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens wird seither von vornherein viel offener mit planerischen und finanziellen Details umgegangen, und von derart plumpen Parolen würd sich heute wohl kaum noch wer beeindrucken lassen. Schon durch diese Vorsicht im Vorfeld wird sicher viel Geld eingespart.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Dienstag, 18. Februar 2003 - 16:44 Uhr:   

Großprojekte müssen nicht per se Geldverschwendung sein, auch wenn da oft viel Geld unnötig verpulvert wird.
Gerade zur Schweiz fällt mir ein, daß die riesigen NEAT-Investionen (u.a. gehört dazu der 50km lange Gotthardbasistunnel) vor rund 10 Jahren vom Volk gutgeheißen wurden. Um über Sinn oder Unsinn zu urteilen fehlt mir allerdings das Wissen.
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 18. Februar 2003 - 16:45 Uhr:   

Noch allgemein zur Staatsverschuldung: Wenn da von "Wirtschaftssubjekten" die Rede ist, wird oft vergessen, dass es sich bei denen, die kassieren, und bei denen, die zahlen, in der Regel um unterschiedliche Subjekte handelt, und sofern es doch einmal dieselben sind, es ihnen meist vorher nicht bewusst ist. In rein wirtschaftlich motiviertem Denken ist es nicht anzunehmen, dass sie dann handeln, als ob sie die Folgen selber treffen würden.
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 18. Februar 2003 - 16:54 Uhr:   

Thomas:
Zur NEAT weiß ich auch zu wenig, um es wirklich beurteilen zu können, aber zum Brennerbasistunnel gibt es z.B. durchaus Alternativen, die mit einem Bruchteil der Kosten annähernd denselben Effekt erreichen (teils einspurige Tunnels, die nicht zur Befahrung durch Menschen ausgelegt sind, auf günstigerer Trasse für den Güterverkehr, und Personenverkehr getrennt davon auf weitgehend oberirdischen Strecken mit entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugen).
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Stephan Glutsch
Veröffentlicht am Dienstag, 18. Februar 2003 - 17:21 Uhr:   

Noch einmal zum deficit spending.

Selbst wenn es theoretisch moeglich ist, die Wirtschaft durch offentliche Ausgaben anzukurbeln und diese dann wieder in einer Phase hoeheren Wirtschaftswachstums zurueckzufahren, so ist die praktische Realisierbarkeit in einer Demokratie mehr als fraglich. Denn Politiker wollen im wesentlichen nur eins, naemlich wiedergewaehlt werden. Niemand wird die Staatsausgaben verringern, wenn er dafuer den Machtverlust bei der naechsten Wahl riskiert. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Belebung sehen doch die wenigsten ein, dass Staatsausgaben gekuerzt werden sollen, schliesslich ist ja genug da. Somit ist eine langfristige Wirtschaftssteuerung, wenn sie denn sinnvoll ist, nur dort moeglich, wo Regierungen sehr fest im Sattel sitzen.

Deswegen waere es vernuenftig, Staatsschulden grundsaetzlich zu verbieten. Einige Bundesstaaten der USA haben das in der Verfassung. Da kann es vorkommen, dass wegen Geldmangels oeffentliche Einrichtungen geschlossen werden muessen. Das ist meiner Ansicht immer noch besser, als die Probleme jahrelang vor sich her zu schieben.

Gibt es ueberhaupt Beweise in den letzten 20 jahren, wo keynesianische Methoden langfristigen Erfolg gehabt haben?
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Philipp.Waelchli
Veröffentlicht am Donnerstag, 20. Februar 2003 - 23:06 Uhr:   

Nur der Vollständigkeit halber: In der Schweiz gibt es Volksentscheide zu Finanzbeschlüssen NICHT auf Bundesebene.
Grossprojekte sind im übrigen auf Ebene der Kantone m. W. in den letzten zwanzig Jahren so gut wie nie angenommen worden. Anders sieht es auf Bundesebene aus: 1 Milliarde für die Expo (überflüssig), mehrere 100 Millionen für die konkursite Swissair (ökonomisch und politisch unsinnig) usw. usf.
Das einzige Grossprojekt, das durch eine Ausnahmebestimmung der Volksabstimmung unterlag, war die NEAT. Dieses Projekt ist aber auch das einzige sinnvolle. Es ist sonnenklar, dass die vor hundert Jahren gebauten Tunnels durch den Gotthard dem heutigen Verkehrsaufkommen nicht mehr genügen.
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Ruedi Lais
Veröffentlicht am Freitag, 21. Februar 2003 - 16:18 Uhr:   

@Philipp "Grossprojekte sind im übrigen auf Ebene der Kantone m. W. in den letzten zwanzig Jahren so gut wie nie angenommen worden"

Zum guten Glück ist das überhaupt nicht so ! Laufend werden Bahnprojekte und in letzter Zeit auch wieder Strassenprojekte haushoch angenommen. ZB. CHF 590 Mio. für die Métro Lausanne am 24.11.2002 oder CHF 650 Mio. für die Glattalbahn im Kanton Zürich am 9.2.2003. Aber auch bei Spitälern und Sportstadien zeigt sich der "Souverän" immer sehr investitionsfreudig.

Am meisten Mühe hatten in letzter Zeit Müllverbrennungsanlagen und Kredite für grosse Sportveranstaltungen.

Ruedi
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Montag, 24. Februar 2003 - 10:48 Uhr:   

@Ruedi Lais:
Na ja, 650 Mio. sind heute kaum mehr ein Grossprojekt. Im übrigen ist es ja zum Glück nicht so, dass der Souverän sinnvolle Projekte, bei denen Aufwand und Nutzen im Verhältnis bleiben, nicht billigen würde. Aber 1 Mia. für eine bankrotte Firma hier, 1 Mia. für eine überflüssige Ausstellung da, 1 Mia. Subvention dort - das geht eben doch nur beim Bund, weil es dort kein Finanzreferendum gibt.

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