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Benutzungszwang Wahlkabine

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Stefan Kirsten
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 21. April 2013 - 10:53 Uhr:   

Ehrlich gesagt, habe ich keinerlei Probleme damit, daß der Wahlvorstand bzw. sich gerade im Wahllokal befindliche Wähler erkennen können welche Partei/Kandidaten ich meine Stimme gebe. Aus diesem Grund beabsichtige ich bei der nächsten (Bundestags)Wahl meine Kreuzchen im Wahllokal offen, d.h. außerhalb der Wahlkabine zu machen, z.B. auf dem Tisch des Wahlvorstandes wo die leeren Wahlzettel bereitliegen.
Weiterhin möchte ich meinen ausgefüllten Stimmzettel nicht in den Wahlumschlag legen sondern den Wahlzettel direkt und ungefaltet in die Urne werfen.
Was ich aber nicht möchte, ist, das meine Stimme als ungültig gewertet wird bzw. man mich von der Wahl ausschließt.
Über eine Rückinfo eines gut Informierten würde ich mich freuen.
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Stefan Kirsten
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 21. April 2013 - 11:59 Uhr:   

Ich vergaß noch darauf hinzuweisen, daß ich langjähriges CDU-Mitglied bin und hier im Ort als solches auch wahrgenommen werde. Es weiß ohnehin jedes Kind für welche Partei/Kandidaten ich meine Stimme abgebe.
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 21. April 2013 - 12:01 Uhr:   

Für die Bundestagswahl gilt das Grundgesetz:


Artikel 38:

"...Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt."

Außerdem wird es noch einmal im Wahlrecht explizit festgehalten:

http://www.bundeswahlleiter.de/de/FAQ/wahlhandlung/wahlkabine.html


Das Wahlgeheimnis ist also einzuhalten. Sowohl durch den Wahlvorstand als auch den Wähler oder eventuelle Dritte (Wahlbeobachter etc.). Ihre Stimmabgabe in der dargestellten Weise wäre also unzulässig. Der Wahlvorstand müsste ihre Stimmabgabe verweigern und ihren Verstoß gegen das Wahlrecht u.U. sogar protokollieren.

Um alle Probleme zu vermeiden, rate ich, die Wahlkabine zu benutzen und alles ganz normal abzugeben. Wen sie gewählt haben, können sie ja immer noch bekannt geben (dabei können sie selbstverständlich auch lügen). Aber dabei bitte keine anderen Wähler/innen im Wahllokal beeinflußen, denn auch das ist verboten.

Für Landtagswahlen und Kommunalwahlen gelten analoge Vorschriften.


Persönlich verstehe ich Ihr Anliegen nicht, denn die List der Demokratie soll ja gerade sein, das die Regierenden nicht genau wissen, wer sie gewählt hat. So wird die optimale Politik für das Gemeinwohl die optimale Regierungspolitik.

Wenn sie aber eine Politik wünschen, die sich nicht am Gemeinwohl ausrichtetet, sondern nur an Ihren Partikularinteressen ("persönliches Anliegen"), dann betreiben sie besser Lobbyarbeit oder engagieren sie sich in der Partei Ihrer Wahl als Mitglied für Ihr Anliegen (letzteres ist m.E. ehrlicher, ersteres entspricht dem Zeitgeist).
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 21. April 2013 - 12:38 Uhr:   

§56 BWO
(6) Der Wahlvorstand hat einen Wähler zurückzuweisen, der
[...]
4. seinen Stimmzettel außerhalb der Wahlzelle gekennzeichnet oder gefaltet hat oder
5. seinen Stimmzettel so gefaltet hat, dass seine Stimmabgabe erkennbar ist, oder ihn mit einem äußerlich sichtbaren, das Wahlgeheimnis offensichtlich gefährden-den Kennzeichen versehen hat, [...]

Das ist sehr eindeutig. Und das GG legt auch fest, dass die BTW u.a. geheim ist. Das ist das Wesen dieser Wahl und wer an dem Tag offen wählen will, soll einen Karnickelzüchterverein mit entsprechender Satzung wählen!

Übrigens haben öffentliche Stimmabgaben ihre Wurzeln eher in Diktaturen: in der DDR etwa gehörte es zum guten Ton, der Kabine fernzubleiben, die war für Leute, die etwas zu verbergen hatten.
Sollten Sie tatsächlich ein lokal bekannter Parteienvertreter sein, wäre das ja noch schlimmer, weil Sie quasi den Wahlkampf im Lokal weiterbetreiben.
Ich gehe aber eher davon aus, dass Sie hier unter falscher Flagge posten, um einen echten oder fiktiven Stefan Kirsten oder die CDU allgemein mit diesem dreist-naiven. Falls Sie tatsächlich echt sind, wird Ihre zuständige Kreis- oder Landesgeschäftstelle Ihnen erklären, warum die Partei in der Öffentlichkeit nicht mit derartigen Vorstößen in Verbindung gebracht werden will.
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 21. April 2013 - 12:39 Uhr:   

Ich möchte hinzufügen, das ich gut finde, das sie sich engagieren, aber bitte halten auch sie das Wahlgeheimnis ein, auch wenn sie selbst nicht befürchten müssen, für Ihre Abgabe für Ihre Partei verfolgt oder unterdrückt zu werden.
Das ist aber gerade möglich, weil wir eine echte Wahl mit echter Geheimhaltung haben.


Und selbst für Parteimitglieder steht es immer frei, sich für eine Konkurrenzpartei zu entscheiden.

Darin liegt der Unterschied von freien Wahlen zu Scheinwahlen wie zur DDR-Volkskammer.
Auch wenn Ihre Stimme feststeht, so bitte ich darum, schon aus Respekt vor der echten Demokratie diese Regel der Geheimhaltung einzuhalten.

Auch in der DDR war übrigens die Wahlkabine vorhanden, aber wer sie benutze, machte sich verdächtig und musste mit Konsequenzen rechnen...
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Urlaub in Bulgarien? Kein Visum, sorry...
Studienplatz der Tochter? leider keiner mehr frei...
Kita in der Nähe? Nein, aber Kita ca. 50 km weit entfernt...
Lohnerhöhung? Für alle in der Abteilung, aber nicht für einen politisch unzuverlässigen...

Familie bisher unbescholten? Nun werden Frau, Tochter und Bruder zu Gesprächen bei der Stasi vorgeladen. Wer wird wohl als IM angeworben?
Wem können Sie noch trauen?

-------------------------------------------------------------------------

Schon um zu zeigen, das wir solche Verhältnisse nicht wollen, ist das Benutzen der Wahlkabine eine Art "Glaubensbekenntnis".
Für den Einzelnen nicht unbedingt nötig, aber zum Schutz des Einzelnen vor Verfolgung und Repression durchaus nützlich und nötig.

Benutzen sie die Wahlkabine also mit Stolz darauf, das es sie gibt.
Sollte in Ihrer Gemeinde einst jeder außer Ihnen die CDU wählen, und keiner die Kabine benutzen außer Ihnen, so würden sie schon aus eigener Erfahrung verstehen, welche große Errungenschaft dieser Zwang darstellt.

Wir können froh sein, das uns der Sinn hinter der Regel des Wahlgeheimnisses nicht so anschaulich bei unseren Wahlen präsent ist wie in der DDR.

Und die Wahlkabine als Schutz und Errungenschaft betrachten, auch wenn wir sie selbst,hoffentlich, niemals als Schutz benötigen.


Gerade das zeigt, das wir in der Demokratie angekommen sind.

Also betrachten sie die Kabine als Belohnung Ihres eigenen politischen Engagements in einer demokratischen Partei, die für die Demokratie und das Wahlgeheimnis kämpft, und benutzen Sie sie mit Stolz und Ehrfurcht statt sie wie bisher als lästiges Beiwerk wahrzunehmen.

Das ist sie nämlich nicht.
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juwie
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 21. April 2013 - 16:14 Uhr:   

@Ingo Zachos

Vielen Dank für die ausführliche Erklärung.
Es ist allerdings ein Armutszeugnis für den Zustand der politischen Bildung in Deutschland, dass man sie hier geben muss.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 04:05 Uhr:   

@Ingo Zachos:
"Schon um zu zeigen, das wir solche Verhältnisse nicht wollen, ist das Benutzen der Wahlkabine eine Art "Glaubensbekenntnis"."

Ja, aber das ist kein vernünftiges Argument. Gesamtpolitisch ist eine offene Wahl jedenfalls kein ernsthaftes Risiko für eine halbwegs stabile Demokratie. Wenn aufgrund einer Wahlentscheidung ernsthafte Probleme seitens der Gesellschaft zu befürchten sind, dann existiert eh keine Freiheit mehr. Eine geheime Wahl schützt nicht die Demokratie, auch wenn umgekehrt offene Wahl die Diktatur schützt.

Das wirkliche Problem, warum geheime Wahlen noch Sinn machen, sind kleinere gesellschaftliche Gruppen wie z.B. Familien, wo der subjektive oder auch objektive Druck teilweise noch recht hoch sein kann, wodurch die Gleichheit der Wahl beeinträchtigt wird. In einigen Jahrzehnten ist das vielleicht weitgehend obsolet. Wenn man meint, sich eine Briefwahl in der heutigen Form leisten zu können, ist der Nutzen der geheimen Wahl eigentlich eh schon so weit ausgehöhlt, dass man sie im Prinzip sofort entsorgen könnte.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 19:27 Uhr:   

@RL
Das Problem ist nicht der einzelne Offenwähler - das Problem ist, dass er Nachahmer finden könnte und sich das zu einem Gruppenzwang auswachsen könnte.
Darüberhinaus hat eine offene Wahl einen aufdringlich werbenden Charakter und konterkariert das Wahlwerbeverbot im Wahllokal und im direktem Umfeld.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 20:35 Uhr:   

Ein Gruppenzwang zu offener Wahl ist nicht per se problematisch (man kann eine offene Wahl auch gleich obligatorisch machen). Inakzeptabel wird es erst dann, wenn das auch Auswirkungen auf die Wahlentscheidung hat, die nicht nur dem Verantwortungsbereich des Wählers zuzurechnen sind. Wobei man über das Maß, das der Wähler selber verantworten sollte, unterschiedlicher Auffassung sein kann. Den Wähler stärker für seine Entscheidung verantwortlich zu machen, kann ja auch durchaus gewollt sein und wird z.B. bei namentlichen Abstimmungen in Parlamenten mit voller Absicht praktiziert.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 21:20 Uhr:   

@RL
Welches Problem haben Sie mit "Artikel 38 GG
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. "?
Warum wollen Sie das Wahlgeheimnis aushebeln?

Wie frei ist denn eine Wahl, wenn man sich ggf. vor Zeugen der Stimmabgabe rechtfertigen muss?
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 22:02 Uhr:   

Ich hab kein Problem mit einer obligatorisch geheimen Wahl. Ich seh sie bloß nicht als für alle Zeiten unabänderlichen Grundsatz an, insbesondere dann, wenn sie gleichzeitig durch die Briefwahl eh ausgehöhlt wird.

Ob eine nicht geheime Wahl frei ist, hängt vom vorhandenen Druck auf die Wahlentscheidung und der Souveränität der Wähler ab. Ohne Zweifel ist der Druck bei Abgeordneten viel höher, und man traut ihnen in der Regel trotzdem die Ausübung eines freien Mandats ohne entsprechenden Schutz zu.

Selbst dann, wenn man im Extremfall alle Stimmabgaben veröffentlicht, heißt das nicht, dass ein Wähler irgendwie zu einer Begründung gezwungen wär. Er müsste halt eventuell damit rechnen, dass er von seinem Umfeld deswegen gefragt wird. Das ist im Prinzip jetzt auch nicht anders, außer dass man die Möglichkeit zur Lüge hat (wenn man nicht zur Briefwahl gezwungen wird).
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 22:13 Uhr:   

Die namentliche Abstimmung in Parlamenten ist mit dem Wahlgeheimnis nicht zu vergleichen ... hier geht es um das Verhalten in Sachfragen, das den repräsentierten Wählern gegenüber transparent gemacht wird.
Die geheime Kanzlerwahl dagegen ist nicht-legislativ.

Die Briefwahl dagegen ist im Spannungsfeld von Wahlgeheimnis und Allgemeinheit der Wahl - hier wird ein eventueller Verlust an Geheimhaltung hingenommen, damit Menschen an der Wahl teilnehmen können, die das sonst nicht könnten.
"Er müsste halt eventuell damit rechnen, dass er von seinem Umfeld deswegen gefragt wird." - das ist aber eine massive Verharmlosung der negativen Beispiele aus der DDR.

Also: woraus leiten Sie hier Regelungsbedarf zur Abschaffung der Kabinenpflicht ab? Welches Recht sehen Sie hier beeinträchtigt?
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 23:18 Uhr:   

Eine Bundestagswahl ist auch in erster Linie eine Sachfrage. Aber Sachfragen sind viel sensibler als reine Personalentscheidungen. Bei Sachfragen ist man grundsätzlich von jedem Betroffenen erpressbar, bei Personalentscheidungen nur von den Kandidaten.

Richtig ist, dass es bei allgemeinen Wahlen keine Repräsentantenfunktion des Wählers gibt und deshalb daraus kein Transparenzgebot ableitbar ist. (Allerdings sind die Wahlen nicht allgemein und Jugendliche hätten durchaus Grund, das Wahlverhalten derer, von denen sie repräsentiert werden, im Einzelnen erfahren zu wollen.)

Für die Allgemeinheit der Wahl im Sinn einer möglichst guten Ausschöpfung der Teilnahme der Wahlberechtigten gibt es andere Möglichkeiten als die Briefwahl. Teilweise sind die weniger effektiv, aber es zeigt jedenfalls, dass das Wahlgeheimnis im Konfliktfall kein großes Gewicht hat. Zum größeren Teil geht es ja bloß darum, Leute zur Wahl zu bringen, die daran eigentlich garkein ernsthaftes Interesse haben.

In der DDR war das Problem nicht die soziale Kontrolle der Wahl, sondern das Vorhandensein eines totalitären Systems, das die Informationen sammelt und gezielt einsetzt. Das reale Risiko ist momentan eher, dass Großkonzerne Vergleichbares ausbilden und an Wahlentscheidungen durchaus interessiert sein können. Das läuft dann letztlich auf Stimmenkauf raus, wo man sich eh klar sein muss, dass Stimmen ohne obligatorisches Wahlgeheimnis faktisch handelbar werden.

Wie gesagt seh ich keinen akuten Handlungsbedarf. Die Frage ist doch eher umgekehrt, warum man sich keine Gedanken über die Sinnhaftigkeit des Wahlgeheimnis machen sollte. Im Prinzip könnte man es auch einfach als kultische Handlung akzeptieren, die für Änderungen tabu ist (faktisch ist das die Hauptmotivation). Die praktische Motivation, das infrage zu stellen, ist, dass das Wahlgeheimnis die Anwendung von Wahlcomputern verhindert, die durchaus ihre Vorteile hätten (es geht aber auch ohne, wenn man keine zu aufwändigen Wahlsysteme will und leicht fehlerhafte Wahlergebnisse inkauf nimmt).
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 23:18 Uhr:   

Die Frage war nicht, ob jemand zur offenen Wahl gezwungen werden sollte . Dieser verwegene, völlig demokratiefreie Gedanke wurde nicht einmal in der DDR gewagt, aber dort wurde immerhin festgehalten, wer die Wahlkabine benutzt, und das führte zu erheblichen Repressionen.

Es ist auch international ein Standard, das in einer freien Wahl das Wahlgeheimnis geschützt werden muss.

Für die Bundestagswahl ergibt sich der Zwang zur Benutzung der Wahlkabine unmittelbar aus der Verfassung. Ähnlich verhält es sich mit Landtagswahlen z.B. in NRW aus Artikel 31 I. Für die Europawahl ergibt es sich aus dem Europawahlgesetz und für die Kommunalwahl aus den Kommunalwahlgesetzen.

Es ist also nicht erlaubt, die Stimme offen abzugeben. Für die Bundestagswahl müsste die Verfassung geändert werden, gleiches gilt für den Landtag NRW.

Für die Europawahl und die Kommunalwahlen müsste nur das Gesetz geändert werden, aber es wäre auch dann fraglich, ob die betreffenden Gesetze dann nicht gefährlich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und auch anerkannte internationalen Standards verstießen.

Die Briefwahl und der Einsatz von Wahlcomputern oder Wahlmaschinen erlaubt eine faktische Aufweichung des Wahlgeheimnisses, auch wenn eine Beeinflussung weiterhin strafbar ist, und zur Ungültigkeit der Stimme oder sogar einer kompletten Wahl führen kann. Darüber muss man in der Tat kritisch diskutieren, aber das war hier nicht die Frage. Meine Eimpfehlung lautet immer, die Briefwahl nicht zu Hause durchzuführen, sondern in der dafür bereitgestellten Kabine im jeweiligen Wahlamt, quasi als "Vorabstimmabgabe". Schon um sicherzustellen, das die Stimme nicht auf dem Postweg verloren geht, denn in der Tat gehen täglich mehrere tausend Briefe und Postkarten bundesweit einfach verloren.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 23:36 Uhr:   

@I.Z.
Mein Wahlamt nennt das Direktwahl - und diese Möglichkeit ist der Grund, warum ich noch nie mein eigentliches Wahllokal von innen gesehen habe ;)

@R.L.
Also ich habe noch nie davon gehört, dass irgendjemand bedauert, dass hier Menschen wählen, die zu faul sind, sich am Wahlsonntag aus dem Sofa zu erheben. Das ist auch kein Problem - es wird ja niemand dazu genötigt.
Ein systematisches Unterlaufen des Wahlgeheimnisses hat noch nie positive Effekte in irgendeinem Land gehabt. Und eine einfachere Auszählung ist hier auch keine ausreichende Rechtfertigung!
Vielmehr sind Manipulationsrisiken innerhalb der Wahlcomputer schlimmer als einzelne Pannen bei der Auszählung.

Wenn Wahlcomputer nicht Verfassung können, sind sie unbrauchbar - und nicht die Verfassung.
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Norddeutscher
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 05. Mai 2013 - 23:51 Uhr:   

"Eine Bundestagswahl ist auch in erster Linie eine Sachfrage."

Nein, eine Sachfrage ist die Entscheidung über ein einzelnes Thema. Bei einer Wahl wird hingegen nach politischer Ausrichtung über das Personal entschieden, das Sachfragen verschieenster Art entscheiden soll.

"Aber Sachfragen sind viel sensibler als reine Personalentscheidungen."

Auch das ist falsch. Wird eine einzelne (von hunderten) Sachfragen einmal falsch entschieden, hat das in den seltensten Fällen (von der Entscheidung über Krieg und Frieden einmal abgesehen) fundamentale Auswirkungen auf die Gesellschaft. Bei der Frage, wer ein Gebiet führt, sieht das fundamental anders aus, da dadurch sämtliche vom gewählten Gremium zu entscheidenden Sachfragen in der Tendenz vorentschieden werden (insbesondere, wenn eine Partei die absolute Mehrheit erhält).

"Bei Sachfragen ist man grundsätzlich von jedem Betroffenen erpressbar, bei Personalentscheidungen nur von den Kandidaten."

Es geht bei der geheimen Wahl weniger um Erpressbarkeit, denn um Nachverfolgbarkeit. Gibt es keine geheime Wahl, kann - selbst wenn die Wahl sonst frei wäre - die Mehrheit hinterher den Anhänger der Minderheit Nachteile zufügen. Ist absehbar, wer wahrscheinlich die Wahl gewinnt, wird alleine die theoretische Möglichkeit der Nachverfolgung Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben. Im Hamburg der 1960er oder im Bayern der 1970er hätte sich wahrscheinlich bei nicht geheimer Wahl kein Staatsdiener (oder derjenige, der es weren wollte) getraut, die jeweilige Opposition zu wählen. Schon aus diesem Grunde ist die verpflichten geheime Wahl notwendig. Ist die geheime Wahl nicht mehr Pflicht, so wird schon die Benutzung der Wahlkabine dazu führen, dass im Umfeld gefragt wird, was derjenige wohl zu verbergen hätte. Sozialer Druck wir also zu offener Wahl für alle zwingen und damit auch zur faktischen Unterdrückung "unerwünschten" Stimmverhaltens (das kann im Bayerischen Wald durchaus eine SPD-Stimme sein, während es in Hamburg-St. Pauli unschlau sein kann, FDP zu wählen, wenn man nicht sozial geächtet werden möchte).
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Good Entity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 06. Mai 2013 - 01:27 Uhr:   

Das Weltbild von Ratinger Linke ist sympathisch, hier imho aber deutlich zu optimistisch, wenn sie schreibt

Das wirkliche Problem, warum geheime Wahlen noch Sinn machen, sind kleinere gesellschaftliche Gruppen wie z.B. Familien, wo der subjektive oder auch objektive Druck teilweise noch recht hoch sein kann, wodurch die Gleichheit der Wahl beeinträchtigt wird. In einigen Jahrzehnten ist das vielleicht weitgehend obsolet.

Die Gruppen sind aber real gerade nicht klein. Eine Community aus jetzt ja auch vielfach wahlberechtigten 16jährigen wird einen enormen Gruppendruck auf einen der ihren ausüben, wenn offen im Team abgestimmt wird. Das wird nicht nur jetzt oder in einigen Jahrzehnten sondern systembedingt immer so sein.

Bei meiner letzten Wahl war nach mir im Wahllokal eine vielköpfige Mehrgenerationen-Großfamilie mit Migrationshintergrund. Der Patriarch erläuterte im Vorraum den Familienmitgliedern anhand des ausgehängten Musterwahlzettels sehr eindringlich, wo jedes Familienmitglied sein Kreuz zu machen hätte. Trotz mangelnder Sprachkenntnis wusste ich als Unbeteiligter dann auch, was und wer zu wählen gewesen wäre. Ich glaube nicht, dass sich auch nur ein einziges Familienmitglied bei offener Abstimmung anders entschieden hätte. Vermutlich auch so nicht, aber das ist ein anderes Thema.

Ich denke nicht, dass man die geheime Wahl in den Bereich "kultische Handlung" oder vielleicht gar "Folklore" abschieben sollte. So wenig ich Ingo Zachos beim Thema Papstwahl folgen mochte: Hier stimme ich ihm zu.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 06. Mai 2013 - 03:17 Uhr:   

@Jan W.:

Der Verzicht auf das Wahlgeheimnis bei Wahlcomputern ermöglicht ja gerade die Verhinderung von Manipulationsmöglichkeiten. Wer bedenkenlos vor der Wahl im Wahlamt wählt, sollte sich auch keine allzu großen Gedanken über Manipulationsmöglichkeiten an anderer Stelle machen, gerade wenn er die größte Gefahr beim Staat sieht. Was aus einer Stimme im Wahlamt wird, weiß niemand (selbst der Fälscher weiß nicht, wer danach noch kommt, wenn er keine Komplettentsorgung macht).

Ich bedaure nicht, wenn Leute wählen, die das nur tun, wenn sie maximale Bequemlichkeit haben. Aber ich bedaure es auch nicht, wenn sie nicht wählen, wenn man ihnen das nicht bieten kann. Wobei mir schon klar ist, dass es auch Leute gibt, für die eine Einschränkung der Briefwahl eine echte Härte wär.

@Norddeutscher:

Entscheidungen im Bundestag sind in aller Regel auch Entscheidungen über ganze Packete mit mehr oder weniger großem Umfang. Der Unterschied zu einer Wahl ist nur graduell. Und wenn man nach Wichtigkeit unterscheidet, kann man sich fragen, ob die Wahl des Vorsitzenden von Ausschuss X in Gemeinde Y wirklich so viel wichtiger ist als die Entscheidung über Verfassungen oder zig Milliarden Euro.

Wenn eine Personalentscheidung eine Vorentscheidung in Sachfragen bedeutet, ist es keine reine Personalentscheidung. Die Person ist dann bloß Repräsentant der Sachfragen. Bei reinen Personalentscheidungen geht es nur um die bessere Qualifikation oder darum, wer bei repräsentativen Aufgaben schöner grinst.

Dass geheime Wahlen bei politischen Monokulturen eher die Möglichkeit erhalten, dass man sie auch wieder los werden kann, ist wohl richtig. Das Wählen ist da aber nur ein Teil des Problems. Wenn man schon nicht ungeschützt frei wählen kann, kann man sich noch viel weniger frei aktiv politisch betätigen, und woher soll dann die Änderung kommen?

Wenn man den Leuten von vornherein angewöhnt, dass sie kein Rückgrat brauchen, wird man von ihnen nur wenig erwarten können, wenns mal drauf ankommt. Das zugrundeliegende Konzept ist halt, dass es ein paar Helden gibt und eine Masse an eingeschüchterten und kaum handlungsfähigen, aber doch irgendwie denkfähigen Halbmenschen. Eventuell nicht völlig unzutreffend, aber für mich nicht das Modell der Zukunft.

@Good Entity:

Bei Gruppen von Jugendlichen seh ich kein großes Problem. Wenn bei denen eine politische Position überhaupt eine Rolle spielt, werden sie auch ohne Kontrolle alle konform wählen. Andernfalls wird der Gruppendruck in aller Regel bloß eine nicht vorhandene eigene Meinung verdrängen. Die resultierende Meinungsbildung muss nicht schlechter sein als bei einer Wahl im rein privaten Bereich. Die realistische Alternative ist nicht, dass jeder einzeln stundenlang Wahlprogramme studiert.

Relevanter ist der Druck wohl in der Frage, ob man überhaupt an einer Wahl teilnimmt. Das wird aber vom Wahlgeheimnis eh nicht abgedeckt.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 06. Mai 2013 - 14:29 Uhr:   

@RL
Jeder darf gemäß § 54 BWO bei der Auszählung der Stimmen anwesend sein - die versiegelte Urne wird geöffnet und das Aufaddieren kann verfolgt werden.
Genau das wird aber bei Wahlcomputern in eine Black Box verlagert und diese Öffentlichkeit geht verloren. In den USA gerieten übrigens die Hersteller in die Kritik, nicht unbedingt der Staat selbst.
Diese Öffentlichkeit konnte übrigens die letzte große Wahlfälschung in der DDR nachweisen, deshalb ist sie so unverzichtbar.

Übrigens finde ich es bedenklich, Menschen, die ihr Wahlgeheimnis verteidigen als rückratlos zu bezeichnen. Oder die Abschaffung des Geheimnisses zur charakterbildenden Maßnahme zu erklären.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 06. Mai 2013 - 16:12 Uhr:   

Welche versiegelte Urne? In eine Urne kommen die Briefwahlunterlagen erst bei der Auszählung. In der Zwischenzeit sind sie genauso in einer Black Box. Selbst wenn es sich im Einzelfall um eine versiegelte Urne handelt, ist ihr Verhalten nicht überprüfbar. Wahlcomputer funktionieren im Prinzip nicht anders. Das reine Zählen ist dagegen bei Wahlcomputern trivial nachprüfbar (wenn nicht gleich bei einer einfachen Stimmabgabe anonymisiert gezählt wird), während sonst ein Beobachter schon in einem einzelnen Wahllokal nicht wirklich die Kontrolle hat, ob die Ergebnisermittlung rechnerisch (oder auch sonst) korrekt ist.

Wer das Wahlgeheimnis für sich selber verteidigt, ist sicher nicht rückgratlos; ganz im Gegenteil macht man sich damit erst verdächtig. Der Sinn der obligatorisch geheimen Wahl ist ja gerade, dass das niemand selber machen muss. Letztlich ist es nichts Anderes als der Schutz von Schwächeren, wo man immer damit rechnen muss, dass ein Übermaß zur Degeneration führt und durch die nötige Pauschalierung von Stärkeren als Beschränkung ihrer Freiheit aufgefasst wird (wie beim Ursprungsposter).
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 06. Mai 2013 - 19:55 Uhr:   

Der Degenerationsvorwurf ist wirklich ein starkes Stück!
Sehen Sie etwa die erzwungen öffentliche Wahlhandlung als eine Art Kaderschmiede für den Widerstand gegen eine eventuelle künftige Diktatur? Oder wollen Sie damit Wahlverhalten lenken?

Der Ursprungsposter ist in seiner Freiheit kein bisschen eingeschränkt: als ortsbekanntes Parteimitglied lässt sich sein Wahlverhalten erahnen. Eine offene Stimmabgabe dagegen wäre eine aufdringliche Werbeaktion, die nicht in Wahllokale gehört.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 07. Mai 2013 - 00:11 Uhr:   

Eine Einschränkung der Freiheit ist es selbstverständlich schon, wenn sie sich auch durch die Sicherung der Freiheit Anderer rechtfertigen lässt. Als Werbung wird sowas wohl eher weniger gut ankommen. Wenn sein Wahlverhalten ohnehin bekannt ist und als übermäßige Werbung empfunden wird, müsste man wohl überhaupt seine Präsenz im Wahllokal unterbinden. Im Verhältnis zur real allgemein praktizierten medialen Zelebration der Stimmabgabe von Politprominenz ist das vom Werbeaspekt her jedenfalls harmlos.

Die Bemerkung zum Schutz der Schwächeren war eigentlich weniger auf den konkreten Fall hier gemünzt als eine allgemeine Nebenbemerkung. Aber es gilt halt in der Tendenz auch in solchen Fällen. Ich bin eigentlich nicht der, der radikalliberale Positionen vertritt, aber es lässt sich nicht leugnen, dass Bevormundung auch negative Aspekte hat.

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