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Fragen zum Verfassungrecht

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TunisCity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 01. April 2011 - 17:52 Uhr:   

Guten Tag zusammen :-)

Ich hab eine Tutoriumsaufgabe bekommen welche mich schon längere Zeit beschäftigt und ich nicht richtig weiß wie ich hier vorgehen soll. [Die sich für mich ergebende Problematik ist unter dem Text zu entnehmen :-)]


Die regierungstragenden Fraktionen haben einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht,der eine stärkere politische Partizipation und Repräsentanz der in Deutschland lebenden Bevölkerungals „Lebenselixier der Demokratie“ anstrebt.

Um dieses Ziel zu erreichen soll Art. 38 Abs. 2 GG wie folgt ergänzt werden:

„Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und sich seit mindestens
fünf Jahren legal im Bundesgebiet aufhält. Wahlberechtigte sind verpflichtet, sich, sofern
sie keine Briefwahl beantragt haben, am Tage der Wahl in ihrem jeweiligen Wahllokal zu
registrieren.

Von der Registrierungspflicht erhofft man sich, eine größere Wahlbeteiligung unter Erhalt der Wahlfreiheit sicherzustellen.
Denn wer ohnehin das Wahllokal aufsuchen müsse – so die allgemein
geteilte Erwartung -, werde sich dann nicht nur registrieren lassen, sondern auch den Wahlakt vornehmen.

Nach ordnungsgemäß durchgeführten Lesungen stimmen zwei Drittel der Abgeordneten des
Bundestages für das Gesetz. Die im Bundesrat vertretenen Länder stehen dem Gesetzesbeschluss
indes mehrheitlich ablehnend gegenüber, auch wenn das Grundanliegen der Grundgesetzänderung
geteilt wird. Es wird aber allgemein als zu belastend empfunden, die Bürger insbesondere in sogenannten „Superwahljahren“ „ständig an die Urnen zu befehlen“.

Noch vor einer Beschlussfassung im Bundesrat ruft daher die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss an, ohne das Anrufungsbegehren aber weiter zu konkretisieren.
Nach eingehenden Beratungen schlägt der Vermittlungsausschuss vor, neben der ohnehin für sinnvoll erachteten Verfassungsänderung
die Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen terminlich auf der Ebene des einfachen
Rechts zu harmonisieren, um eine übermäßige Belastung der Bürger zu vermeiden. Hierzu
benennt der Vorschlag den 2. Sonntag des Monats September als Wahltag, das heißt Wahlen
dürfen nur an diesem Tage im Jahr durchgeführt werden.

Bundestag und Bundesrat stimmen dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses mit den erforderlichen Mehrheiten zu.
Nach ordnungsgemäßen Abschlussverfahren und Inkrafttreten wird
das Gesetz in den Medien kontrovers diskutiert. Hierbei wird neben Bedenken, die sich aus
Art. 20 GG ergeben auch die Frage aufgeworfen, ob der Vermittlungsausschuss den Gesetzentwurf
so weit verändern durfte.


Erkannt habe ich im Text folgende Problematik:

-Kompetenzen des Vermittlungsausschusses wurden eindeutig übertreten
-Durch den Zusatz, dass man sich 5 Jahre legal in Deutschland aufhalten müsste um zu wählen liegt meines Erachtens eine Verletzung der Allgemeinheit der Wahl vor ( es reicht meines Wissens für ,,Auslandsdeutsche" aus, dass diese sich vor ihrem Wegzug aus dem Bundesgebiert mindesten 3 Monate hier aufgehalten haben [BGBI. l, S.394]

Problematisch erscheint mir wie ich hier die Wahlregistrierung behandeln soll, schliesslich wird der Bürger hier noch nicht zum Wahlgang verpflichtet, lediglich erhofft man sich, dass dieser aus Bequemlichkeit diesen gleich vollzieht. Daher erscheint mir hier eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes logischer als ein Verstoß gegen die Grundsätze der Wahl?


Erkennt hier jemand weitere Fallen/Problemstellungen welche sich mir nicht erschlossen haben? Im Übrigen handelt der ganze Fall von Seiten einer Länderregierung ob das erlasse Gesetzt verfassungskonform sei, sprich es geht um eine abstrakte NK.

Vielen Dank für alles schonmal im Vorrauss!}
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 01. April 2011 - 18:48 Uhr:   

Lies mal das hier:
http://www.servat.unibe.ch/fallrecht/bv083037.html
http://www.servat.unibe.ch/fallrecht/bv083060.html
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 01. April 2011 - 20:01 Uhr:   

Die Allgemeinheit der Wahl ist nicht per se unantastbar. Sie wird ja auch jetzt schon durch das Grundgesetz und selbst durch einfaches Gesetz massiv eingeschränkt. Die Frage ist nur, ob hier das Maß überschritten wird. Deutsche Ausländer waren jedenfalls früher auch nicht wahlberechtigt.

Ob inländische Ausländer mit dem Gesetz ein Wahlrecht bekommen, ist unklar. Auch bisher schränkt Art. 38 Abs. 2 für sich das Wahlrecht nicht auf Deutsche oder überhaupt Einwohner ein.

Die Wahlpflicht in der vorliegenden Form erscheint mir völlig unproblematisch, außer dass die implizite Einführung einer grundgesetzlichen Briefwahl unsauber ist und keine (nötigen) Ausnahmen vorgesehn sind.

Problematisch ist dagegen der verbindliche allgemeine Wahltermin, zumal als einfaches Gesetz.

IANAL.
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Lars Tietjen
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 01. April 2011 - 21:13 Uhr:   

Kritisch sehe ich Regelungskompetenz für die Bündelung der Wahltermine.

Kritisch sind sicherlich auch 5 Jahre "im Bundesgebiet aufhält". Dies hätte zur Folge, dass eine kurze Unterbrechung das Wahlrecht nimmt. (Die Formulierung könnte man eventuell sogar so lesen, dass ein Urlaub reicht um die Bedingungen nicht zu erfüllen. Man hätte m.E. auf den Wohnsitz oder "gewöhnlich aufhält" abzielen müssen.)
Dagegen ist ein Wahlrecht für Deutsche im Ausland m.E. nicht unbedingt zwingend.

Ich halte auch die Pflicht zur Registrierung am Wahltag für einen Eingriff in ein Grundrecht (Allgemeine Handlungsfreiheit wäre denkbar. Die Freiheit der Wahl wird m.E. nicht beschnitten. Sollte aber sicherlich diskutiert werden.). Ich halte die Rechtfertigung für den Eingriff für unzureichend.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 02. April 2011 - 12:55 Uhr:   

"Auch bisher schränkt Art. 38 Abs. 2 für sich das Wahlrecht nicht auf Deutsche oder überhaupt Einwohner ein."
Nach Art. 20 Abs. 2 geht aber die Staatsgewalt vom Volke aus und unter Volk sind lt. BVerfG ausschließlich Deutsche zu verstehen. Wegen Art. 79 Abs. 3 könnte ein Ausländerwahlrecht nicht durch eine GG-Änderung eingeführt werden. Das ginge nur über Art. 146.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 02. April 2011 - 13:26 Uhr:   

Ja, deshalb ist ja mindestens fraglich, ob damit ein Ausländerwahlrecht eingeführt wird (explizit steht dazu in der Änderung nichts drin). Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2, der auch unverändert bleibt, kann man wohl auch schließen, dass das Wahlrecht auf Deutsche beschränkt ist.

Weitgehend den selben Effekt wie ein Ausländerwahlrecht kann man ganz ohne Verfassungsänderung (und ohne Zustimmung des Bundesrats) über das Staatsangehörigkeitsgesetz erreichen. Das ist ohnehin die sinnvollere Variante (und rudimentär auch schon verwirklicht).
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Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 04. April 2011 - 21:53 Uhr:   

@TunisCity,

„Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und sich seit mindestens fünf Jahren legal im Bundesgebiet aufhält.

Also auf den unbefangenen Leser wirkt diese Formulierung wie eine abschließende Regelung des passiven Wahlrechts. Demnach würde diese Regelung allen Personen - ohne Einschränkung auf Staatsangehörige - das passive Wahlrecht erlauben, die die in dem fiktiven Artikel 38 II GG enthaltenen Anforderungen erfüllen.

Es stellt sich folgendes Problem:

Wie ist Art. 38 II GG fiktiv auszulegen?

1. Wortlaut - spricht für enthaltendes Ausländerwahlrecht

Die Einführung eines Ausländerwahlrechts steht nach ganz h.M. im Gegensatz zu Art. 20 II 1 GG (Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus). Darunter sind nur die deutschen Staatsangehörigen zu verstehen. Thomas Frings hat Links zu diesen Urteilen gesetzt.
Art. 1 und 20 GG sind durch die Veränderungssperre des Art. 79 III GG der Änderung durch den einfachen Gesetzgeber entzogen.
Wenn man die Vorschrift folglich isoliert betrachtet, würde es sich bei ihr um "verfassungswidriges Verfassungsrecht" handeln. Das BVerfG hat bislang noch nie einen GG-Artikel für verfassungswidrig erklärt, jedoch die Möglichkeit verfassungswidrigen Verfassungsrecht ausdrücklich bejaht. Ansonsten würde die Veränderungssperre des Art. 79 III GG bezüglich Art. 1 und 20 GG ja auch einfach unterlaufen werden können.

2. restriktive Auslegung von Art. 38 II GG fiktiv

Fraglich ist allerdings, ob der fiktive Artikel 38 II GG - der bei grammatischer Auslegung als verfassungswidriges Verfassungsrecht anzusehen wäre - durch eine "verfassungskonforme Auslegung" doch als verfassungsgemäß anzusehen wäre. Denkbar wäre - wie die in den vorigen Beiträgen schon angedacht - den Anwendungsbereich im Wege der teleologischen Reduktion auf deutsche Staatsangehörige zu beschränken.

Es ist schwierig diese Frage zu beantworten. Aber wenn - wie in der Gesetzesbegründung angeführt - das Ziel der Verfassungsänderung war, der gesamten in Deutschland lebenden "Bevölkerung" eine stärkere Partizipationsmöglichkeit zu geben, so bedeutet dies, dass der Verfassungsgesetzgeber durch diese Regelung ein Ausländerwahlrecht beabsichtigte (historisch-teleologische Auslegung).

Ob es möglich ist, trotz eines offenkundig entgegenstehenden Willens des historischen Verfassungsgesetzgebers die Norm anders auszulegen, ist die Frage, deren Beantwortung Du dich stellen musst.
An dieser Stelle ist eine umfangreiche eigene Argumentation gefragt und das Ergebnis zu begründen.
Ich würde - nach ersten Nachdenken - dazu tendieren eine restriktive Auslegung nicht für möglich zu halten (welchen Sinn sollte die Regelung des 5jährigen "legalen" Aufenthalts sonst haben? Es wäre sonst nur eine Einschränkung für eine gerade eingebürgerte Person, die aber vorher nicht fünf Jahre legal in Deutschland gelebt hat. Eine Einbürgerung solcher Personen ist aber gesetzlich allenfalls mit Sondergenehmigung des Innenminisgters möglich, da das Staatsangehörigkeitsgesetz einen deutlich längeren legalen Aufenthalt verlangt (8 Jahre).

Rein taktisch sehe ich keinen Grund die Frage in die eine oder andere Richtung zu beantworten. Ob Art. 38 II 1 GG fiktiv verfassungswidriges Verfassungsrecht ist oder nicht berührt die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Art. 38 II 2 GG fiktiv nicht.


"Wahlberechtigte sind verpflichtet, sich, sofern
sie keine Briefwahl beantragt haben, am Tage der Wahl in ihrem jeweiligen Wahllokal zu registrieren."

Fraglich ist, welche Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte durch die Registrierungspflicht berührt sind.
Die Wahlrechtsgrundsätze sind jedenfalls nicht unmittelbar tangiert. Die Freiheit der Wahl - wozu nach h.M. auch die Nichtwahl zählt - wird durch die Registrierungspflicht nicht aufgehoben. Selbst wenn man noch irgendwie eine Berührung des Schutzbereichs der Freiheit der Wahl annimmt, so sehe ich jedenfalls keinen Eingriff.

Man könnte dann zunächst an Art. 2 II 1 und Art 13 GG denken. M.E. nach ist der Schutzbereich dieser Vorschriften nicht tangiert. Ich würde sie wahrscheinlich auch nicht ansprechen.
Denkbar ist jedoch eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I i.V.m. 1 I GG). Fraglich ist jedoch, inwieweit eine solche Registrierungspflicht einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt.
Zu unterscheiden ist zwischen der Intimssphäre, der Privatsphäre und der Sozialsphäre (oder öffentlichen Sphäre). Die Registrierungspflicht scheint mir letzterer anzugehören, so dass es schon fraglich ist, ob hier überhaupt ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt.
Das läßt sich nur mit Hilfe der Auswertung der Kommentare und der Literatur beantworten. Ansonsten bliebe nur die allgemeine Handlungsfreiheit.
Der Eingriff dient jedenfalls einen legitimen Zweck - Erhöhung der Wahlbeteiligung. Ich würde dazu tendieren, denn Eingriff als verhältnismäßig (geeignet, erforderlich und angemessen) anzusehen.



"die Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen terminlich auf der Ebene des einfachen Rechts zu harmonisieren, um eine übermäßige Belastung der Bürger zu vermeiden"

Problem 1 ist, wie von Dir geschrieben, die Frage ob der Vermittlungsausschuss so weitgehende Kompetenzen hat.
Problem 2 ist die Frage, ob der Bundesgesetzgeber per einfachen Bundesgesetz die Wahltermine für Landtags- und Kommunalwahlen festlegen kann. Ich sehe nicht, woher sich die Gesetzgebungskompetenz des Bundes hierfür ergeben soll? Auf den ersten Blick erscheint es mir von daher erforderlich hierfür eine Verfassungsänderung vorzunehmen, die den Bund diese Kompetenz gibt, was vorliegend nicht der Fall ist.
Zumindest aus dem zweiten Grund scheint das Gesetz daher verfassungswidrig zu sein (möglicherweise auch zusätzlich aus dem ersten).


"Im Übrigen handelt der ganze Fall von Seiten einer Länderregierung ob das erlasse Gesetzt verfassungskonform sei, sprich es geht um eine abstrakte NK."

Hinweis: Alle aufgeworfenen Rechtsfragen sind in einem Gutachten zu beantworten - ohne das im Fall eines festgestellten Verfassungsverstoßes in Form eines Hilfsgutachtens fortzufahren ist. Vielmehr ist im Gutachten vorzufahren mit z.B. der Formulierung "Fraglich ist, ob das Gesetz noch aus weiteren Gründen verfassungswidrig ist."

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