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Archiv bis 29. Dezember 2010

Wahlrecht.de Forum » Sonstiges (FAQs, Wahltipps, usw. ...) » Freies Mandat » Archiv bis 29. Dezember 2010 « Zurück Weiter »

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Struber Verena
Veröffentlicht am Mittwoch, 04. August 1999 - 12:35 Uhr:   

WER kann mir bitte helfen

ich suche alles über das "freie Mandat" in D
besonders wichtig eine exakte Definition
vielen vielen dank
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Donnerstag, 05. August 1999 - 02:21 Uhr:   

Das sog. "freie Mandat" der Bundestagsabgeordneten ist in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes festgeschrieben: "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."

Natürlich kann (und will) das freie Mandat nicht verhindern, daß seitens der Parteien Druck auf die Abgeordneten ausgeübt wird, nicht abweichend von der Fraktionslinie abzustimmen ("Fraktionsdisziplin" bzw. "Fraktionszwang"). Aber das freie Mandat setzt den Einflußmöglichkeiten der Fraktionen auf ihre Abgeordneten eine äußerste rechtliche Grenze, indem es den Rechtsstatus der Abgeordneten und damit ihre politische Existenz schützt.

In Deutschland wird die Praxis der Fraktionsdisziplin häufig kritisiert und teilweise gar ein Verstoß gegen den oben zitierten Grundgesetzartikel behauptet. Ich persönlich sehe das nicht ganz so kritisch. Zunächst einmal ist es üblich, daß in wichtigen politischen Grundsatzfragen, die auch innerhalb der Parteien heftig umstritten sind, die Abstimmung "freigegeben" wird, d.h. es wird dann keinerlei Druck im Sinne der Fraktionsdisziplin ausgeübt (Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind die Hauptstadtfrage Bonn/Berlin, die Abtreibungsdiskussion oder der Lauschangriff).

Darüber hinaus ist es schlichtweg ein Faktum, daß die Bundestagsabgeordneten in aller Regel als Vertreter der jeweiligen Partei gewählt werden (unabhängig davon, ob es sich um einen Wahlkreis- oder Listenabgeordneten handelt). Es ist daher aus Sicht der Partei absolut legitim, daß sie einem Abgeordneten androht, ihn bei der nächsten Wahl nicht mehr aufzustellen, wenn er nicht willens ist, die Positionen der Partei zu vertreten. Es stünde ihm ja frei, sich bei der nächsten Wahl als Einzelbewerber aufzustellen. Sollte er sein Mandat tatsächlich seiner Persönlichkeit verdanken und nicht seiner Funktion als Kandidat einer bestimmten Partei, so dürfte er sich wohl durchaus Chancen ausrechnen können.

Ohnehin werden die Bundestagskandidaten von den Kreis- bzw. Landesverbänden der Parteien nominiert, so daß der Einfluß der Parteiführung hierauf eher begrenzt ist. Wer als Abgeordneter über eine gewisse "Hausmacht" verfügt, kann sich durchaus Konfrontationen mit der Parteiführung erlauben, ohne um seine nächste Kandidatur fürchten zu müssen. Schlimmstenfalls muß er dann damit rechnen, innerhalb der Fraktion an Einfluß zu verlieren, indem er beispielsweise nicht für die Ausschüsse benannt wird, in die er gerne rein will.

Unterm Strich ist das Verhältnis zwischen der Fraktionsdisziplin und der Unabhängigkeit der Abgeordneten in der bundesdeutschen Praxis durchaus ausgewogen, wie ich finde. Die wesentlichen strukturellen Probleme der deutschen Politik liegen jedenfalls woanders.
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Stehr
Veröffentlicht am Montag, 20. Mai 2002 - 14:13 Uhr:   

Ich sehe das genauso, zumal sich eine Partei/Regierung auch überlegen wird, ob sie einen Gesetzentwurf überhaupt einbringen wird, wenn sie befürchten muß, keine ausreichende Mehrheit zu bekommen. Das heißt, viele strittige Themen werden bereits im Vorfeld geklärt und zu innerparteilichen Kompromissen geführt.

Ein Beispiel ist das sog. "Airbus-Gemeinützigkeitsgesetz" in Hamburg. Nachdem mehrere Abgeordnete von CDU und FDP erklärt haben, sie könnten dem Gesetz aus grundsätzlichen verfassungspolitischen Erwägungen nicht zustimmen, geriet die Regierungsmehrheit in dieser Frage in Gefahr und das Gesetz scheint vom Senat erstmal auf Eis gelegt worden zu sein.

Interessant ist dabei die Rolle der Hamburger Medien, die sonst immer die Parteidisziplin kritisieren. Unisono wurde Bürgermeister Ole von Beust gescholten, er habe die Koalitionsfraktionen nicht im Griff und er müsse endlich ein Machtwort sprechen.
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Behme (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 04. Oktober 2006 - 17:47 Uhr:   

Nun, ich stimme in sofern zu, dass die strukturellen Probleme in Deutschland woanders liegen, vor allem in den ungeklärten Machtverhältnissen zwischen Bund und Ländern, die es selbst einer großen Koalition schwer machen, ihre Politik zu gestalten.
Jedoch halte ich den Eingriff der Fraktionen in die Abstimmung der "freien" Abgeordneten für gefährlich, wenn es einem Machtpolitiker damit gelingt, sich einer "Disziplin" zu bedienen, die in Zwang ausartet um zuvor zweifelhafte Mehrheiten zu sichern. Bestes Beispiel ist die Unart des Altkanzlers Schröder, eine umstrittene Abstimmung mit der Vertrauensfrage zu verknüpfen, erstmals geschehen bei der Frage des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan.
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mma
Veröffentlicht am Mittwoch, 04. Oktober 2006 - 18:02 Uhr:   

@Behme
("vor allem in den ungeklärten Machtverhältnissen zwischen Bund und Ländern")

Meinen Sie v o r dem Inkrafttreten der Föderalismusreform (vor einem Monat)
oder seitdem?
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Philipp
Veröffentlicht am Freitag, 06. Oktober 2006 - 18:14 Uhr:   

>Bestes Beispiel ist die Unart des Altkanzlers >Schröder, eine umstrittene Abstimmung mit der >Vertrauensfrage zu verknüpfen, erstmals geschehen >bei der Frage des Bundeswehreinsatzes in
>Afghanistan.

Das ist ja gerade unter anderem der Sinn der Vertrauensfrage, umstrittene Dinge durchzusetzen.

Freilich sollte das der Bundeskanzler nicht zu häufig machen, sondern ist die Regierung irgendwann "futsch".
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Luis Alberto Fernández Vidaud
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 14:25 Uhr:   

Das Institut des „freien Mandats“ gehört nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung so, wie sie in Art. 20 GG i.V.m. Art. 79(3) GG, der sogenannten „Ewigkeitsgarantie“ steht. Aber insbesondere ist es nicht mit Art. 20(4) GG vereinbar. Die Tatsache, daß es so was wie ein „freies Mandat“ gibt und daß die Parlamentarier in Deutschland dieses ausüben, ist Grund für die Annahme, daß der Wider­standsfall aus dem Widerstandsrecht nach Art. 20(4) GG eingetreten ist. Denn das sogenannte „freie Mandat“ kollidiert mit dem Volkssouveränitätsprinzip. Dieses Prinzip verlangt nämlich von den Abgeordneten, daß sie ein sogenanntes „gebundenes Mandat“ ausüben, ohne daß es in ein „ob­ligatorisches Mandat“ ausartet. Dieses letzte Mandat bezeichnet man auch als „imperatives Mandat“.

Der Abgeordnete selbst erhält verschiedene Namen, die eine von seinen Funktionen kennzeichnen. Einmal heißt er „Gesetzgeber“, obwohl er eigentlich gar keiner ist. Denn er schreibt die Gesetze nicht und schreibt auch keine Kommentare über die Gesetze, die er „erläßt“, d.h. genehmigen läßt. Ein anderes Mal heißt er „Volksvertreter“. Das hört sich wie eine anwaltliche Tätigkeit an. Es ergibt sich nach näherer Prüfung der Sachverhalte, daß es eine ist, denn es gibt keinen einzigen Abgeord­neten in den deutschen Parlamenten, der irgendjemanden so „vertritt“, wie ein Anwalt ein Mandant vertreten soll (vgl. § 356 StGB). Vielmehr verraten die Abgeordneten die Bürger und das Volk zu­gleich. Manche Abgeordnete halten es für ihre Pflicht oder ihre Aufgaben, Verrat am Bürger sowie am Volk zu verüben.

Das freie Mandat wird in http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Freies_Mandat.html wie folgt wie­dergegeben:

„Das freie Mandat ist in Deutschland rechtlich durch den Artikel 38 im Grundgesetz veran­kert. Dieses spricht den Abgeordneten von einer Bindung an den Parteiwillen oder eine ande­re Gruppe (z.B. seinen Wahlkreis) bei seiner Entscheidungsfindung (wie bei einem imperati­ven Mandat) frei.“

Ein Abgeordneter, der sich von seinen Wählern nicht beeinflußen läßt, übt nach dem Volkssouverä­nitätsprinzip, also nach einem der wesentlichen Bestandteile der „verfassungsmäßigen Ordnung“ kein ordentliches Mandat aus.

Die Ausnahme bildet den Fall, wenn sich der Abgeordnete von seinem Gewissen beeinflußen läßt, was nicht zur Folge hat, daß er auf seine Mandanten im Wahlkreis gar nicht hört, sondern daß er eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen trifft. Allerdings darf er nicht „nur seinem Gewissen“ unterworfen sein. Sonst müßte es heißen, daß er gar kein „richtiger“ Volksvertreter ist. Der Konflikt zwischen Gewissen und Mandat wurde in FOCUS Magazin unter Nr. 12/2008 erörtert (vgl. http://www.focus.de/politik/deutschland/brennpunkt-freies-mandat_aid_265399.html ).

Darüberhinaus wurde in den Medien auch der Konflikt zwischen dem freien Mandat und der Frak­tionsdisziplin bzw. dem Fraktionszwang erörtert (vgl. http://www.politikerklaert.de/freies-mandat-und-fraktionszwang-fraktionsdisziplin-78/ sowie auch http://www.landtag.ltsh.de/pol_bildung/themenblaetter/Kapitel_2c.pdf ).

Bis jetzt haben die nationalen Medien keinen Konflikt zwischen dem freien Mandat und dem Volks­souveränitätsprinzip bzw. der Aufgabe des Abgeordneten erkennen können, die darin besteht, das Volk zu vertreten und dabei seine Interessen so wahrzunehmen, wie es sie selbst festlegt. Denn als Volksvertreter muß sich der Abgeordnete als mandats- und „geschäftsfähig“ erweisen. Daß sie hier scheitern, geht aus dem hervor, was bisher über das freie Mandat erkannt werden kann, das wie eine „erweiterte Immunität“ praktiziert wird, in dem sich der Abgeordnete an nichts gebunden fühlt – nicht einmal an die Gesetze. Über allem schwebt er, und er bleibt auch im Schwebezustand.

Der Abgeordnete hat nach Locke, der das Widerstandsrecht ins Leben gerufen hat, sein Mandat treuhänderisch, vertrauenswürdig und mandatsmäßig auszuüben. Parteiverrat so zu betreiben, als ob er nicht mehr Volks-, sondern vielmehr „Staatsvertreter“ wäre, hat er zu unterbinden.

Deswegen besteht eine klare Kollision zwischen dem freien Mandat aus Art. 38(1) Satz 2 GG einerseits und dem Volkssouveränitätsprinzip und somit der verfassungsmäßigen Ordnung nach Art. 20 GG – insbesondere Art. 20(4) GG – andererseits.

Man fragt sich, warum überhaupt Wahlen abgehalten, wenn der Abgeordnete ein sogenanntes „frei­es Mandat“ im Wege einer „erweiterten Immunität“ ausüben darf. Haben Wahlen überhaupt einen Sinn, wenn dem so ist?

In der Tat haben Sie keinen Sinn, weil das Institut des freien Mandats die Legitimität der Wahlen und letzten Endes der Bundesrepublik Deutschland radikal in Frage stellen. Nach Art. 3 des Proto­kolls Nr. 1 der EMRK leiten die Mitgliedstaaten des Europarats – darunter Deutschland – ihre Le­gitimität nicht [mehr] aus Tradition und dem mit ihr einhergehenden Gewohnheitsrecht her, sondern aus den Wahlergebnissen. Das hat der ehemalige Justitiar der SPD-Fraktion des 16. Bundestages in der 231. Plenarsitzung am 03.07.2009 Benetter, MdB a.D. erklärt, als er folgendes verkündet:

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, sagt das Grundgesetz, und das Wahlrecht stellt si­cher – dazu ist es da –, dass das Parlament mit dieser Legitimation arbeiten kann. Nur die demokratische Wahl gibt uns das Recht, eine Regierung zu bestimmen und Gesetze zu be­schließen, die für alle gelten. Dass diese Legitimation zweifelsfrei besteht, muss das gemein­same Anliegen aller Demokraten und jedes einzelnen Parlamentariers hier im Hause sein. (vgl. S. 26156 C des Plenarprotokolls 16/231 vom 03.07.2009).

Früher mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die KPD vom 17.08.1956, nachlesbar in: BVerfGE 5, 85, Leitsatz 10 und S. 375 bis 380):

„Die Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland ist legitim. Sie ist es nicht nur deshalb, weil sie auf demokratische Weise zustande gekommen und seit ihrem Bestehen immer wieder in freien Wahlen vom Volke bestätigt worden ist. Sie ist es vor allem, weil sie – nicht notwen­dig in allen Einzelheiten, aber dem Grundsatze nach – Ausdruck der sozialen und politischen Gedankenwelt ist, die dem gegenwärtig erreichten kulturellen Zustand des deutschen Volkes entspricht.“ (vgl. S. 379 des o.a. anti-KPD-Urteils)

Dieser Rechtssatz gilt nicht mehr, seitdem die Bundesrepublik Deutschland Protokoll Nr. 1 der EMRK am 13.02.1957 ratifiziert hat.

Darum stellt sich die rhetorische Frage von Fidel Castro sehr reell für Deutschland: Wozu Wahlen, wenn man dadurch den Abgeordneten nicht beeinflußen darf? Denn das freie Mandat unterwandert die liberale und bürgerliche Demokratie so, wie sie im Grundgesetz und in den politischen Theorien von Locke und anderen wiedergegeben wird.

Da die Wahlen in Deutschland nicht legitim sind, weil kein Staatsbürger denjenigen Politiker wäh­len darf, der ihn auch nach den Wahlen ordentlich vertritt, handelt es sich bei der BRD um eine so­genannte „fake republic“, d.h. eine verfälschte Republik.

Da diese Normenkollision besteht, sollte sie auch gütig gelöst werden, indem man dem Abgeordne­ten einerseits einen gewissen Spielraum gestattet, der sein Gewissen gestaltet, ihn aber andererseits am Volks- und Bürgerwillen bindet. Denn so wie es jetzt ausgeübt wird, unternimmt das freie Man­dat, die nachkonstitutionelle sowie verfassungsmäßige Ordnung so zu beseitigen, wie sie in Art. 20 GG i.V.m. Art. 79(3) GG festgelegt wird.


Luis Fernández Vidaud
Berlin, den 29.12.2010

(Beitrag nachträglich am 29., Dezember. 2010 von psychonaut editiert)

(Beitrag nachträglich am 29., Dezember. 2010 von psychonaut editiert)
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 15:40 Uhr:   

Unsinn.


"Die Tatsache, daß es so was wie ein „freies Mandat“ gibt und daß die Par­lamentarier in Deutschland dieses ausüben, ist Grund für die Annahme, daß der Widerstandsfall aus dem Widerstandsrecht nach Art. 20(4) GG eingetreten ist."
Art. 20IV wurde erst nachträglich ins Grundgesetz eingefügt, das "freie Mandat" stand von Anfang drin und war von Anfang an Teil der verfassungsmäßigen Ordnung. Übrigens fällt Art. 20 IV auch nicht unter die "Ewigkeisgrantie".

"Ein Abgeordneter, der sich von seinen Wählern nicht beeinflußen läßt, übt nach dem Volkssouverä­nitätsprinzip, also nach einem der wesentlichen Bestandteile der „verfassungsmäßigen Ordnung“ kein ordentliches Mandat aus."
Solange Wahlen geheim sind, weiß man ja gar nicht, wer wie gewählt hat. Schon deshalb sind Instruktionen gar nicht möglich. Außerdem können die Wähler desselben Bewerbers oder derselben Partei ja auch in bestimmten Fragen verschiedener Meinung sein.

"Bis jetzt haben die nationalen Medien keinen Konflikt zwischen dem freien Mandat und dem Volks­souveränitätsprinzip bzw. der Aufgabe des Abgeordneten , das Volk zu vertreten und dabei seine In­teressen so wahrzunehmen, wie es sie selbst festlegt."
Sie haben nicht so richtig verstanden, was Demokratie ist. Es gibt keinen objektiv bestimmbaren Volkswillen. Wenn es den gäbe, bräuchte man gar keine Wahlen. In jedem Volk existieren zwangsläufig unterschiedliche Meinungen, die sich nicht zu einem einzigen Volkswillen zusammenfassen lassen. So etwas wie einen Willen aller gibt es nur in Diktaturen, wo niemand dem zu widersprechen wagt, was nach Ansicht der Herrschenden Volkswille ist bzw. zu sein hat.
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Luis Alberto Fernández Vidaud
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 16:31 Uhr:   

Sehr geehrter Herr Frings,

ich gestehe zu, daß mir einige Fehler unterlaufen sind. Die bessere Fassung ist unter

http://deutsches-unrecht.blog.de/2010/12/29/vertraegt-sogenannte-freie-mandat-volkvertretungsaufgabe-10272181/

nachzulesen. Ich wußte nicht, wie ich meine Fehler mit diesem System korrigieren konnte.

Zu den Einzelheiten Ihrer Einwände möchte ich folgendes sagen:

Ihre Auffassung, daß meine Thesen "Unsinn" seien, finde ich interessant. Dennoch möchte ich wissen, warum Sie sie als Unsinn qualifizieren.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.08.1956 gegen die KPD erkannte das Gericht an, daß das Widerstandsrecht im Grundgesetz inbegriffen ist. Laut Leitsatz 10 ist es "dem Grundgesetz immanent". Was unausgesprochenes Grund- und Verfassungsrecht war, wurde lediglich offiziell gemacht, indem es sozusagen "kodifiziert" in das Grundgesetz unter Art. 20 GG und nach Art. 20(3) GG aufgenommen wurde.

Dennoch stand auch das Volkssouveränitätsprinzip "von Anfang [an] drin". Das freie Mandat ist deswegen nicht Teil der verfassungsmäßigen Ordnung nach Art. 20 GG und demzufolge nach Art. 79(3) GG, nicht nach der ganzen Verfassung.

Denn in Art. 20(4) GG stehen folgende Worte:

"Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen daas Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."

Natürlich fragen sich die Kommentare: Was ist mit "dieser Ordnung" gemeint? Und alle haben beantwortet, daß die Ordnung nach Art. 20 GG gemeint ist, zumal sie in die Ewigkeitsgarantieklausel nach Art. 79(3) GG aufgenommen wird. Dazu gehören:

a) die Menschenwürde,
b) die verfassungsmäßige Ordnung und
c) die Nichtgleichschaltung der Länder.

Das spielt keine Rolle, ob die Wahlen geheim sind oder nicht. Das beeinträchtigt nicht die Ermittlung des Volks- und Bürgerwillens. Der Wahlkreisabgeordnete hat seine "Mandanten" im Wahlkreis zu vertreten, anstatt zu zertreten oder an ihnen zu Verrät zu verüben, wie dies gegenwärtig der Fall ist.

Das Phänomen des Parteiverrats als "eigentliches Verhältnis" zwischen Volksvertreter und Wahlkompetentem -- die Wahlkompetenz ist die Folge der Wahlberechtigung -- wird unter

http://de.wikiversity.org/wiki/Parlamentarischer_Parteiverrat

ausführlich abgehandelt.

Was den dritten Einwand anbelangt, so habe ich diesen Satz korrigiert -- auch bei wahlrecht.de . Er lautet nunmehr so:

"Bis jetzt haben die nationalen Medien keinen Konflikt zwischen dem freien Mandat und dem Volks­souveränitätsprinzip bzw. der Aufgabe des Abgeordneten erkennen können, die darin besteht, das Volk zu vertreten und dabei seine Interessen so wahrzunehmen, wie es sie selbst festlegt. Denn als Volksvertreter muß sich der Abgeordnete als mandats- und „geschäftsfähig“ erweisen."

Ich hoffe, daß Sie meinen Gedankengang wenigstens nachvollziehen können. Es gibt in der Tat eine Kollision zwischen "vogelfreiem Mandat" und "Volksvertretung". Sie bedarf einer verfassungsgerechten Lösung.

Die Demokratie haben die Deutschen nicht gewählt. Das paßt auch nicht zu ihrem Weltbild und Kultur. Sie war vielmehr die Strafe, die die Nationen der Welt Deutschland für den II. Weltkrieg und das III. Reich auferlegt haben. Deswegen wird sie von den meisten Deutschen als "Fremdherrschaft" empfunden. Sie liegt nicht in der Natur der Deutschen.

Deswegen verderben sie auch die Demokratie, indem sie so was wie den Bundestag diktatorisieren. Diese Reaktion -- und die Deutschen sind von Natur reaktionär, keineswegs fortschrittlich und progressiv -- ist eigentlich sehr verständlich. Sie ist aus der Sicht der Deutschen und der "deutschen Leitkultur" auch nachvollziehbar. Helmut Schmidt hat zwar von "Modell Deutschland" gesprochen, aber Deutschland ist ein "Modell" für die Diktaturen der ganzen Welt. Demzufolge bildet es ein sogenanntes "negatives Vorbild" paradigmatischen Charakters. In Burma ist von "disziplinierten Demokratie" die Rede. So ist auch die deutsche Demokratie. Länder wie Kuba, die unter deutschen Einfluß -- und zwar über den Marxismus -- standen, praktizieren auch diese Form von "verfälschter Demokratie". Die USA auch -- zum Teil, ja zum großen Teil.

Darum sehe ich nicht, daß die Deutschen den II. Weltkrieg verloren haben. Ich sehe sie als Sieger. Von den Deutschen zu lernen, heißt siegen zu lernen. Das müßte der Spruch richtig ausgesprochen sein.

Ihr


Luis

(Beitrag nachträglich am 29., Dezember. 2010 von psychonaut editiert)

(Beitrag nachträglich am 29., Dezember. 2010 von psychonaut editiert)
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mmaneu
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 16:38 Uhr:   

"wenn andere Abhilfe nicht möglich ist" wird von Notstandsausrufern gern überlesen, auch von Ihnen.
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Luis Alberto Fernández Vidaud
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 16:49 Uhr:   

Nein, ich sehe das nicht als Notstand. Das sagen vielfach die GG-Kommentare, aber ich meine, der Text ist so zu verstehen, wie er geschrieben ist. An diesem Inhalt braucht man nicht zu mogeln.

Das Widerstandsrecht gilt nach Maunz-Dürig als "individuelles Grundrecht". Wenn dem so ist, dann müßte es auch gerichtlich einklagbar sein. Vieles andere spricht ebenfalls für die Justiziabilität des Widerstandsrechts. Ich habe den Eindruck, daß man es anders nicht durchsetzen kann.


Luis
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mmaneu
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 17:04 Uhr:   

("Das Widerstandsrecht gilt nach Maunz-Dürig als "individuelles Grundrecht". Wenn dem so ist, dann müßte es auch gerichtlich einklagbar sein.")

Wenn es einklagbar ist, ist dann nicht bewiesen, dass andere Abhilfe - durch das Gericht - eben doch möglich ist?
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 17:15 Uhr:   

"Das paßt auch nicht zu ihrem Weltbild und Kultur. Sie war vielmehr die Strafe, die die Nationen der Welt Deutschland für den II. Weltkrieg und das III. Reich auferlegt wird. Deswegen wird sie von den meisten Deutschen als "Fremdherrschaft" empfunden. Sie liegt nicht in der Natur der Deutschen."
Sie scheinen die Deutschen ja besser zu kennen als diese sich selbst;-)


"Der Wahlkreisabgeordnete hat seine "Mandanten" im Wahlkreis zu vertreten, anstatt zu zertreten oder an ihnen zu Verrät zu verüben, wie dies gegenwärtig der Fall ist."
Erstens gibt es nicht "die" Wählerinteressen, zweitens besteht mindestens die Hälfte des Bundestags gar nicht aus Wahlkreisabgeordneten. Ein bestimmtes Wahlsystem gibt das GG auch nicht vor. Ich persönlich würde "meinen" derzeitigen Wahlkreisabgeordneten nie wählen, habe ihn nie gewählt und möchte von ihm auch gar nicht vertreten werden, weil ich ihn politisch und charakterlich für ungeeignet halte. Trotzdem stelle ich nicht seine Legitimation in Frage. Und wer soll bitte bestimmen, was "die" Interessen des Wahlkreises sind??? Aus dem Wahlergebnis lässt jedenfalls nicht herauslesen, was die Wähler über das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das EEG oder das Eisenbahnkreuzungsgesetz denken, so sie denn jemals davon gehört haben.


"Dennoch stand auch das Volkssouveränitätsprinzip "von Anfang [an] drin". Das freie Mandat ist deswegen nicht Teil der verfassungsmäßigen Ordnung nach Art. 20 GG und demzufolge nach Art. 79(3) GG, nicht nach der ganzen Verfassung."
Wird durch Wiederholung nicht richtiger. Was zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört, bestimmen nicht Sie, sondern das GG und zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören natürlich sämtliche Artikel der Verfassung selbst. Da kann man sich nicht einfach rausgreifen, was einem gefällt, und dann noch ganz wild heruminterpretieren.


"Es gibt in der Tat eine Kollision zwischen "vogelfreiem Mandat" und "Volksvertretung". Sie bedarf einer verfassungsgerechten Lösung."
Dann sagen Sie doch einfach mal, welche Lösung des von Ihnen behaupteten Problems Ihnen vorschwebt und nennen Sie ein ein Land, in dem solch eine Lösung verwirklicht ist.
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Luis Alberto Fernández Vidaud
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 18:33 Uhr:   

Danke für das Kompliment, Herr Frings. Vielleicht stimmt das, daß die Deutschen gegenüber sich selbst auch nicht besonders wahrnehmungsfähig sind.

Wählerinteressen gibt es durchaus. Sie unterscheiden sich von den Interessen des Staats. Das Parlament ist u.a. dafür da, um zwischen den widerstreitenden Interessen zu vermitteln. Dabei muß der Abgeordnete nicht den Staat, sondern den Bürger vertreten und dabei seine Interessen wahrnehmen.

Was der normale Abgeordnete aber tut, ist, daß -- um beim Gerichtssaal zu bleiben -- sich zunächst auf der Klägerseite positioniert, um dann zur Beklagtenseite zu gehen, indem er den Mandanten im Stich läßt.

Es stimmt, daß mindestens die Hälfte der Abgeordneten keine Direktmandate ausüben [sollten]. [Denn sie üben gar kein Mandat durch ihren Parteiverrat aus.] Diejenigen auf der Landesliste -- oder der Bezirksliste -- üben dennoch ein Mandat aus, d.h. sie würden es tun, wenn das Volkssouveränitätsprinzip für Deutschland gelten würde, was nicht der Fall wegen des freien Mandats ist. Wenn das Mandat nicht "direkt", dann ist es halt "indirekt". Dieser Abgeordnete vertritt diejenigen, die ihn gewählt hat.

Selbstverständlich gibt das Grundgesetz kein Wahlsystem vor, aber das tun die Länder. Ferner muß man bedenken, daß seit Beginn der angeblichen "BRD" das Verhältnis- und nicht das Mehrheitswahlrecht geherrscht. Darum ist es nicht vorstellbar, daß es in Deutschland zum Mehrheitswahlrecht gewechselt wird. Das ist inzwischen um so mehr der Fall, weil die damaligen "Volksparteien" keine Mehrheiten mehr vertreten, sondern nur "größere Minderheiten".

Darum ist es falsch, wenn in Art. 38(1) Satz 2 GG steht, daß die Abgeordneten "Vertreter des ganzen Volkes" seien. Wieder ein Widerspruch auf verfassungsrechtlicher Ebene. Das Verhältniswahlrecht unterbindet eine derartige "Vertretung", sofern man von einer Vertretung überhaupt sprechen kann. Vertretung und freies Mandat passen nicht zusammen. Ja, sie widersprechen sich gegenseitig.

"Vertreter des ganzen Volkes" gibt es in England oder in den USA, nur nicht in Deutschland oder in den meisten europäischen Ländern.

Auch wenn Sie Ihren Wahlkreisabgeordneten nicht gewählt haben und auch nicht wählen würden, wenn Sie die Gelegenheit hätten, vertritt er Sie. Ja, er muß das. Seine politische Konfession darf kein Hindernis für die parlamentarischen Vertretung sein. Man muß also Mißgefühle zunächst beiseitestellen.

Es gibt andere Möglichkeiten für eine demoskopische Untersuchung so, wie Sie sie wünschen. Dennoch muß das Mandatsverhältnis aufrechterhalten bleiben.

Was die "verfassungsmäßige Ordnung" angeht, sehe ich, daß Sie mich falsch verstanden haben. In bezug auf das Widerstandsrecht, den Widerstandsfall und die Ausübung dieses Rechts gilt Art. 20 GG als die "verfassungsmäßige Ordnung". Er enthält die Elemente der verfassungsmäßigen Ordnung -- zusammen mit Art. 79(3) GG. Alle Kommentare des GG sind sich darüber einig. Man muß nur den Wortlaut des Art. 20 GG lesen, um das herauszufinden. Die Kommentare sagen an dieser Stelle nichts anderes als das, was dem Wortlaut des Art. 20 GG zu entnehmen ist.

Es ist kein Akt der Willkür, sondern ein Akt des Einsatzes des Verstandes, der mich zu dieser Auslegung veranlaßt hat. Stellen Sie sich vor, es gibt Menschen, die die Gedankenfreiheit ausüben.

Die Lösung für diese Normenkollision habe ich im letzten Satz meines ersten Beitrages wenigstens nahegelegt. Die Abgeordneten in Deutschland haben weder zum Volk bzw. zum Bürger noch zum Gesetz keinen faßbaren Bezug. Das liegt an der Gesetzlosigkeit dieser Institution.


Luis

(Beitrag nachträglich am 29., Dezember. 2010 von psychonaut editiert)
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Luis Alberto Fernández Vidaud
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 18:49 Uhr:   

Zu Ihrem Satz:

"Da kann man sich nicht einfach rausgreifen, was einem gefällt, und dann noch ganz wild heruminterpretieren."

Sie haben für sich entschieden, ein Leben in Unfreiheit zu verbringen. Das ist in Ordnung. Die Entscheidung sollen Sie allerdings nicht auf andere übertragen, indem Sie andere verdammen und für moralisch verwerflich halten, die Ihre Lebensentscheidung, Ihre Entscheidung über Ihre Lebensführung nicht teilen.

Hier ist Anstand geboten -- und auch weltanschauliche Toleranz, Bejahung des Pluralismus auf dem Gebiet der Religion, Weltanschauung und der Politik.

Das Leben hat für manche nicht geordnet. Die Welt der Gedanken hat ebensowenig "geordnet" in Ihrem Sinne zu sein. Wenn Sie es in den Vordergrund stellen, daß die Welt und das Leben so zu sein haben und nichts anders, dann erlauben Sie es sich nicht, die Welt anderer zu erleben, ja vielleicht auch zu entdecken.

Sie bezeichnen meine Gedankengänge als "ganz wild". Das zeigt m.E., daß Sie zu staatssicherheitlichen Auffassungen und Einstellungen neigen. Demnach darf der Mensch kein bißchen Freiheit genießen, weil er sonst "gemeingefährlich" wird oder außer Band und Rand gerät.

Das sind Fantasien, die nicht unbedingt die Realität wiedergeben müssen.

Ihr


Luis
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 18:54 Uhr:   

Die "Volkssouveränität" ist reine Augenwischerei. Dass "alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht" ist doch eher so zu verstehen, dass sie ihm in geregelter Weise weggenommen wird. Ohne zusätzliche Festlegungen kann es auch gar nicht anders funktionieren, weil es, wie @Thomas Frings völlig richtig bemerkt, keinen objektiv bestiommbaren Volkswillen und damit auch keine Volkssouveränität gibt.

Mindestens muss man ein Mehrheitsprinzip (eventuell beschränkt auf gewisse Teile des Volks) postulieren und die Möglichkeit radikal reduzierter Handlungsoptionen akzeptieren (alternativ z.B. das Recht des Stärkeren). Dann kann man zumindest schon Abstimmungen durchführen und Einzelpersonen oder Gremien im Packet (etwa die Bundesregierung) wählen, wobei die Entscheidung zwischen IRV und Condorcet mit der Methodik der Reduzierung der Handlungsoptionen zusammenhängt.

Sonstige Wahlen brechen die Volkssouveränität aber auf jeden Fall so stark, dass man nicht mehr davon ausgehn kann, dass das Ergebnis der indirekten Entscheidungen irgendwas mit irgendeinem Volks- oder Wählerwillen zu tun hat (das häufige Gerede davon unterscheidet sich qualitativ kaum von der entsprechenden Nazipropaganda). Bei der Frage, wie eine Volksvertretung funktionieren soll (neben dem freien Mandat auch Prinzipien der Koalitionsbildung oder Konsensfindung, überqualifizierte Mehrheiten, mehrfach indirekte Konstrukte wie den Bundesrat u.Ä.), geht es ebenso wie beim Wahlsystem nur um die Wahl des kleinsten Übels (falls man den Grundgedanken der Volkssouveränität bejaht); was rauskommt, ist auf jeden Fall irgendeine Form von Oligarchie.

Im Übrigen geht ja schon aus dem Grundgesetz selbst klar hervor, dass die "Volkssouveränität" eine reine Floskel ist. Gleich im folgenden Satz (und in dem davor auch) wird sie radikal beschränkt, und jeder selbsternannte Diktator bekommt in Absatz 4 auch noch das Recht, das gewaltsam durchzusetzen.
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Luis Alberto Fernández Vidaud
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 19:39 Uhr:   

Nein, so ist sie m.E. nicht zu verstehen. Sie verwechseln Ist- mit Soll-Zuständen. Das Grundgesetz gibt einen Soll-Zustand wieder, es widerspiegelt die Realität nicht -- oder nur dann, wenn die Grundsätze der Verfassung verwirklicht oder umgesetzt werden.

Das ist nicht der Fall. Denn nicht einmal konnte sich in Deutschland das Rechtsstaatsprinzip durchsetzen. Ich denke, daß Sie sich zu billig verkaufen. Vielleicht sind Sie über die Mißstände frustriert, aber Sie sollten nicht die Hoffnung aufgeben, daß irgendwann mal die Sachen so funktionieren werden wie sie sollen.

Sie sollen sich nicht unterbewerten, Sie sollen die von mir gewählten Landsleute, die Deutschen, unterbewerten und herabsetzen.

Volkssouveränität darf sich nicht ausschließlich auf Wahlen einschränken. Jeder parlamentarische Akt ist ein Akt der Volkssouveränität. Das bedeutet nicht, daß dem so ist, sondern vielmehr daß es eigentlich so sein sollte.

Der Unterschied zwischen dem, was ist, und dem, was sein soll, ist enorm groß.

Was das Widerstandsrecht in Deutschland anbelangt, so habe ich etwas darüber geschrieben, und zwar unter

http://de.wikiversity.org/wiki/Widerstandsrecht_(Deutschland) .

Ich bin mit dem Vortrag nicht ganz fertig, aber die Ergänzungen, die ich dem bereits Anzusehenden hinzufügen möchte, sind relativ klein.

Ihr


Luis
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Luis Alberto Fernández Vidaud
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 19:53 Uhr:   

"Mindestens muss man ein Mehrheitsprinzip (eventuell beschränkt auf gewisse Teile des Volks) postulieren ...."

Deutschland hat ein anderes Wahlrecht -- nicht das Mehrheits-, sondern das Verhältniswahlrecht. Demzufolge wird Politik nicht nur durch Mehrheit gemacht, sondern in der Tat auch durch Minderheiten.

Eine Mehrheit ist stets ein Teil des Volkes. Deswegen stimmt der Satz nicht, daß Abgeordnete "Vertreter des ganzen Volkes" seien. Denn Mehrheit ist nicht gleich "Volk". Volk ist nach dem Wahlrecht auszulegen, das Deutschland hat.


Luis
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Thomas Frings
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Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 20:28 Uhr:   

""Vertreter des ganzen Volkes" gibt es in England oder in den USA, nur nicht in Deutschland oder in den meisten europäischen Ländern.
Auch wenn Sie Ihren Wahlkreisabgeordneten nicht gewählt haben und auch nicht wählen würden, wenn Sie die Gelegenheit hätten, vertritt er Sie. Ja, er muß das. Seine politische Konfession darf kein Hindernis für die parlamentarischen Vertretung sein. Man muß also Mißgefühle zunächst beiseitestellen."
Erzählen Sie doch nicht so einen Unsinn. Kein US-Abgeordneter oder US-Senator ist rechtlich verpflichtet, anders abzustimmen, als er persönlich das für richtig hält. Auch amerikanische Parlamentarier haben ein freies Mandat. Das Ansehen des Kongresses in der amerikanische Öffentlichkeit ist übrigens ziemlich schlecht. In Großbritannien ist nicht das Volk der Souverän, sondern das Parlament und dessen Angeordnete haben ein freies Mandat. Die Parlamentssouveränität schließt jede Verpflichtung der Parlamentarier für ihre Parlamentsarbeit gegenüber Außenstehenden aus.


"Danke für das Kompliment, Herr Frings. Vielleicht stimmt das, daß die Deutschen gegenüber sich selbst auch nicht besonders wahrnehmungsfähig sind."
Ironie ist wohl nicht Ihre Stärke.


"Wählerinteressen gibt es durchaus. Sie unterscheiden sich von den Interessen des Staats."
Ach ne. Bloß haben nicht alle Wähler dieselben Interessen, selbst dann oft nicht, wenn sie gleich wählen.


"Das Parlament ist u.a. dafür da, um zwischen den widerstreitenden Interessen zu vermitteln. Dabei muß der Abgeordnete nicht den Staat, sondern den Bürger vertreten und dabei seine Interessen wahrnehmen."
Nein. Das Parlament ist kein Vermittler, der Konsens herstellen soll, es ist ein Organ, um Entscheidungen zu treffen und die Regierung zu kontrollieren. Egal wie es entscheidet, wird es einem Teil der Bürger nicht gefallen. In der Praxis ist ja auch oft so, dass die Bürger nicht vor dem Staat geschützt werden wollen, sondern sie etwas vom Staat wollen.


"Bejahung des Pluralismus"
Damit ist vollkommen unvereinbar, einen einheitlichen Volkswillen zu unterstellen, wie Sie es hier ständig tun. In einer freien Gesellschaft gibt es sehr unterschiedliche und sich auch widersprechende Interessen. Da kann sich niemand hinstellen und anmaßen zu bestimmen, ob und welche Politiker den Volkswillen vertreten, weil es so etwas eben in einer pluralistischen Gesellschaft nicht gibt.


"Darum ist es falsch, wenn in Art. 38(1) Satz 2 GG steht, daß die Abgeordneten "Vertreter des ganzen Volkes" seien. Wieder ein Widerspruch auf verfassungsrechtlicher Ebene. Das Verhältniswahlrecht unterbindet eine derartige "Vertretung", sofern man von einer Vertretung überhaupt sprechen kann. Vertretung und freies Mandat passen nicht zusammen. "
Unsinn. Einmal würde Mehrheitswahl nichts am freien Mandat ändern, zum anderen verwechseln sie Vertreter mit Befehlsempfängern.

Einen Kommentar zum Rest erspar ich mir.
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Frank Schmidt
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Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2010 - 20:32 Uhr:   

@Vidaud

Ich habe Ihren Wikiversity-Eintrag gelesen. Darin steht, dass die BRD ein Unrechtsstaat ist (das gewählte Beispiel ist das Verbot der KPD), während es die DDR nicht war.

Ich sehe nicht einmal eine Grundlage für weitere Diskussionen, wenn Sie auf dieser Meinung beharren, insbesondere deshalb, weil die Volkssouveränität, so wie Sie sie beschreiben, nämlich als möglichst direktem Einfluss des Volks auf die Entscheidungen, in der DDR praktisch nicht existierte.

Ich sehe auch keine Grundlage für weitere Diskussionen, wenn Sie darauf beharren, dass Abgeordnete eben nicht, wie im Grundgesetz festgelegt, "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" sind. Auf Bundesebene beschränkt sich die Volkssouveränität leider auf die Wahlen, während die Länderverfassungen auch Volksbegehren und Volksentscheide, vereinzelt auch zur vorzeitigen Neuwahl des Parlaments, kennen. Wenn Sie dies für einen Defekt der Bundesebene halten, sind Sie nicht allein - aber das macht das freie Mandat nicht ungültig, sondern eröffnet dem Volk die Möglichkeit, Entscheidungen des Parlaments zu überstimmen (was in diesen Fällen eben noch mehr Einfluss für das Volk bedeuten würde, als es ein imperatives Mandat erlaubte).

Wenn Sie eine weitere Diskussion wünschen, dann beschreiben Sie bitte, wie Ihr gewünschtes System in Ihrem Sinne funktionieren könnte, und warum das gegenwärtige dort nicht funktioniert (und zwar möglichst strukturiert, so dass man auf einzelne Punkte eingehen kann).

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