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Wie funktioniert die Bischofsernennung

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Niederbayer (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Donnerstag, 13. September 2007 - 19:33 Uhr:   

Angesichts der Neubesetzung des Bischofssitzes von München und Freising würde ich gerne wissen, wie der genaue Ablauf ist, insbesondere wie groß der Einfluß vor Ort ist und wie groß der Einfluß des Papstes ist. Leider habe ich keine genauen Hinweise gefunden. Vielleicht kann mir jemand weiter helfen.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Donnerstag, 13. September 2007 - 22:59 Uhr:   

Also erstmal: Es kommt auf die Kirche an!
In den evangelischen Kirchen der Welt werden die Bischöfe bspw. meist von Synoden gewählt, ebenso in den orthodoxen (orientalischen) und den altkatholischen Kirchen.

Aber konkret scheint es um die Diözesen zu gehen, die zur römisch-katholischen Kirche (also nach ihrem Selbstverständnis: der einzigen Kirche) gehören. Und dort gilt Canon 377 des Codex Iuris Canonici von 1983:
Der Papst ernennt die Bischöfe frei oder bestätigt die rechtmässig gewählten. In jedem Fall also hat der Papst das letzte Wort, er kann ggf. auch einen gewählten oder designierten Kandidaten abweisen.
Die Bischöfe einer Kirchenprovinz (das sind diejenigen, die denselben Metropoliten resp. Erzbischof haben) oder die Bischofskonferenzen (Versammlung der Bischöfe einer Nation, z. B. Deutschlands) müssen wenigstens alle drei Jahre Kandidaten, die sie für fähig halten, nach Rom melden, überdies kann jeder Bischof jederzeit Rom Priester empfehlen, die er als geeignet fürs Bischofsamt ansieht.
Ist ein Sitz vakant oder soll ein sogenannter Koadjutor ernannt werden, ist es in der Regel Sache des örtlich zuständigen Nuntius (Botschafter des Papstes), zu ermitteln, wer geeignet sei, dabei auch den Metropoliten (Erzbischof) und die örtlichen Bischöfe, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Angehörige des Konsultorenkollegiums (des engsten Beratungsorgans des zu ersetzenden Bischofs) und des Kathedralkapitels (Domkapitels) zu konsultieren, ausserdem nach eigenem Gutdünken weitere Kleriker, Ordensleute oder auch Laien (kann und darf, muss er aber nicht). Daraus erstellt er einen Dreiervorschlag, der nach Rom geht und dort in der Regel von einem Kardinal oder einer Kardinalskommission begutachtet wird, bis schliesslich der Papst entscheidet.
Bei der Ernennung eines Koadjutors, der Weihbischof mit Nachfolgerecht ist, wird auch der amtierende Bischof mitangehört, der in der Regel die Initiative zur Ernennung ergreift und auch Personen vorschlägt (wenigstens drei).
In einigen Diözesen gibt es nun ausnahmsweise besondere Rechtsverhältnisse, meistens durch Konkordate mit den betreffenden Staaten bedingt oder durch die Erteilung von Privilegien. Das ist z. B. im Elsass noch der Fall, wo der französische Staatspräsident das Recht hat, die Kandidaten vorzuschlagen. In der Schweiz gibt es noch Domkapitel, die zur Wahl berechtigt sind, darüber hinaus gibt es sogar die konkordatäre Bestimmung, dass der Bischof von Basel sich einen Weihbischof selbst aussuchen kann (weitere müssen dagegen im ordentlichen Verfahren ernannt werden). Auch in einigen weiteren Diözesen gibt es noch solche Sonderbestimmungen oder deren Überreste. Wenn es solche gibt, dann sind diese und deren unbestrittenen Anwendungspraktiken massgebend. Steht, wie eben ausgeführt, das Vorschlags- oder Wahlrecht einer bestimmten Stelle zu, so beschränkt sich der Nuntius darauf, die Eignung der Kandidaten bzw. des Gewählten zu prüfen, und der Papst kann ggf. nur noch aus einer Liste auswählen oder den Gewählten bestätigen bzw. zurückweisen, sollte er nicht qualifiziert sein. Verpasst aber eine solche Stelle die Fristen oder sucht eine Person aus, die nicht die erforderlichen Qualifikationen aufweist, so tritt Devolution ein, d. h. in diesem Einzelfall geht das Bestellungsrecht auf den Papst über (bei der nächsten Ernennung hingegen tritt die alte Ordnung wieder in Kraft).
Wie immer es also läuft: das abschliessende und gewichtigste, ja entscheidende Wort hat stets der Papst.
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Niederbayer (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2007 - 07:14 Uhr:   

Philipp Wächeli, zum einen vielen Dank, ich hätte aber noch kurze Nachfragen. Zum einen: Muss sich der Papst an den Dreiervorschlag halten? Nur mal als Beipíel: In München möchte das Domkapitel den Bischof von Regensburg, den Herrn Müller, auf keinen Fall, er steht deshalb auch nicht auf der Dreierliste. Der Papst möchte aber genau diesen als besonders konservativ geltenden Bischof. Kann er diesen trotzdem ernennen?
Zum anderen zu den Sonderregelungen: In Bayern muss anscheinend der Bischof vom Ministerpräsidenten bestätigt werden. Trifft dies zu, bzw. ist schon einmal ein Kandidat abgelehnt worden? (In der Presse gibt es ja Spekulationen, dass der Erzbischof von München noch vor dem evangelischen Franken Beckstein ernannt werden soll).
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2007 - 10:18 Uhr:   

Beim Dreiervorschlag gilt es zu unterscheiden:
Im normalen Verfahren ist der Vorschlag eben nur ein Vorschlag, der Papst ernennt die Bischöfe ausdrücklich frei, ist also auch nicht an den Vorschlag gebunden.
Bestehen besondere Vorschlags- oder Präsentationsrechte, dann ist ein Vorschlag allerdings verbindlich in dem Sinne, dass der Papst ihn nur zurückweisen kann, wenn gegen einen Einzelvorschlag ein sachlicher Einwand besteht, bzw. bei einem Dreiervorschlag oder degleichen einen der Vorgeschlagenen ernennen muss, wenn dem kein sachlicher Hinderungsgrund entgegensteht.
Allerdings wäre es auch dabei möglich, einen eigenen Kandidaten durchzudrücken: Dafür müssten alle Vorgeschlagenen als ungeeignet ("nicht kanonisch") zurückgewiesen oder der Vorschlag über die gesetzte Frist hinaus verzögert werden, so dass Devolution einträte - was allerdings eher hypothetisch erscheint. Derartige Ränkespiele sind auch im Papsttum seit der Renaissance eher selten geworden (unmöglich wäre es aber nicht).

Über die bayrischen Diözesen bin ich im einzelnen nicht unterrichtet; meines Wissens ist das noch aus Königs Zeiten stammende Konkordat nicht mehr in Kraft, das königliche Ernennung vorsah. In Kraft müsste aber noch das Reichskonkordat aus den 1930er-Jahren stehen, das für ganz Deutschland steht; welche lokalen Besonderheiten, Privilegien, Absprachen oder Zusicherungen bestehen, liesse sich an Ort und Stelle wohl eher herausfinden.
Für manche Diözesen gibt es durchaus päpstliche Zusicherungen oder Privilegien, die eine gewisse Einschränkung der freien Ernennung bedeuten; so ist etwa der Regierung des Wallis zugesichert, dass der Bischof von Sitten so ausgesucht werde, dass er entweder Deutsch oder Französisch spreche und die jeweils andere Sprache verstehe (was angesichts der Situation auf der Sprachgrenze ja auch sinnvoll erscheint); eine weitere Klausel besagt, dass niemand ernannt werde, der der Regierung unangenehm sei - allerdings ist unklar, wie diese Unangenehmheit festgestellt wird, ein ausdrückliches Veto- oder Ablehnungsrecht ist nirgends stipuliert.
Ähnliche Unangenehmheist-Klauseln gibt es auch für andere Diözesen, es kann durchaus sein, dass diese in Bayern noch gilt; allerdings war seit jeher umstritten, wie die Klauseln gehandhabt werden sollen. In der Regel geht man davon aus, dass die betreffende Regierung vor einer Ernennung Gelegenheit erhält, einen Kandidaten für unangenehm zu erklären, der dann vom Papst nicht berücksichtigt würde. Aber wie gesagt: Näheres weiss gewiss jemand in München.

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