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Wahlrecht.de Forum » Sonstiges (FAQs, Wahltipps, usw. ...) » Neugliederung der Bundesländer » 1-25 « Zurück Weiter »

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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Januar 2003 - 14:46 Uhr:   

Verschiedene Politiker haben heute angeregt, Bundesländer zusammenzulegen (s. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,231393,00.html ).

In Zusammenhang mit der von allen Fraktionen befürworteten Verlängerung der BuTa-Legislatur auf 5 Jahre ergibt sich meiner Meinung nach eine Chance, den Dauerwahlkampf zu beenden und das deutsche Wahlrecht wieder ein bißchen vernünftiger zu machen (nämlich so, daß die Wahlen ihren Zweck erfüllen). Zusammen mit der Stärkung plebiszitärer Elemente hätte man so eine echte Demokratie-Reform. (ach ja, den Artikel 137 habe ich vergessen...)

Wie realistisch ist das? Wer muß sich da mit wem zusammensetzen? Wie lange dauert das? Wir bräuchten vielleicht einen "Fahrplan".
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Januar 2003 - 17:13 Uhr:   

Die Zusammenlegung von Bundesländern regelt Artikel 29 GG. Letzlich müssen die Wähler der betroffenenen Bundesländer jeweils mit Mehrheit zustimmen (woran Berlin-Brandenburg gescheitert ist). Da das ganze per Bundes und nicht Landesgesetz abläuft, könnte es theoretisch auch gegen den Willen der betroffenen Landtage/Landesregierungen durchgesetzt werden.

Um die Legislaturperiode des Bundestages zu verlängern muß Artikel 39 geändert werden (jeweils 2/3 Mehrheit im Bundestag und Bundesrat erforderlich). Dasselbe gilt bei der Einführung plebiszitärer Elemente auf Bundesebene.

Wenn wirklich alle Parteien für die Verlängerung der Legislaturperiode sind, dürfte es fast sicher ab der nächsten Wahl gelten. Bei den plebiszitären Elementen zweifle ich stark daran, daß ein solches sauber ins GG eingearbeitete Konzept vorgelegt wird und erst recht, daß es eine Mehrheit findet. Eine Zusammenlegung von Bundesländern wird davon abhängen, ob sich die Länder selbst einigen können und ob sich am Ende in keinem der Länder eine Bevölkerungsgruppe findet, die Nachteile befürchtet (Sehr unwahrscheinlich).
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Januar 2003 - 17:24 Uhr:   

Was niemanden davon abhalten sollte, es zu versuchen. Berlin-Brandenburg ist ja hauptsächlich an der PDS und der geringen Beteiligung gescheitert. Bei Bremen und Niedersachsen sehe ich eigentlich kaum Probleme, eher noch beim Saarland (eigene Geschichte, erst 1955 dazugekommen) und bei den drei Ost-Ländern, die scheinbar oder wirklich Einfluß verlieren könnten.
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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Januar 2003 - 19:50 Uhr:   

Die Gründung von Baden-Württemberg wär ohne den Artikel 118 auch ganz klar gescheitert. In (Süd-)Baden haben nur 37,8% für das gemeinsame Bundesland gestimmt.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 11:15 Uhr:   

Das Thema "Länderneugliederung" kann mich immer wieder aufregen. Da kommen dann die ewig gleichen populistischen Sprüche von den angeblich "nicht leistungsfähigen" kleinen Bundesländern.

Da kann man natürlich schön platt argumentieren, daß jedes Bundesland eine Regierung und ein Parlament braucht und solche Kosten kann man schön schlecht reden. Dabei sind das pro Kopf der Bevölkerung marginale Beträge.

Bei den allgemeinen Verwaltungskosten dagegen sind eher die zu großen Bundesländer ein Problem, weil da zwischen Landesregierung und Kreisebene noch teure Mittelbehörden eingezogen werden müssen.

Insgesamt kommen bei einer Fusion von Ländern wohl recht wenig Synergie-Effekte zusammen - und Skaleneffekte ohnehin nicht (es ist viel effizienter, 1 mal 2 Millionen Autos zu bauen als 2 mal 1 Million - aber es ist nicht effizienter, wenn man mit doppelt so viel Polizei "Sicherheit" für doppelt so viel Bevölkerung "produziert").

Meines Wissens gibt es bisher keine seriöse Rechnung, die den angeblichen Kostenvorteil von Fusionen belegen würde - insbesondere angesichts der nicht unerheblichen Fusionskosten.

Für das Thema "Vermeidung von Dauerwahlkampf" gibt das sowieso nicht viel her - dazu müßte wie eingangs diskutiert die Aufgabenverteilung Bund-Länder wieder sauber getrennt werden.

Eine Länderneugliederung wäre in manchen Bereichen schon sinnvoll, um geographisch sinnvolle Einheiten mit ähnlichen Wirtschaftsstrukturen zu schaffen.
Z. B. wäre die Zusammenfassung des Rhein/Main-Neckar-Raums bestimmt raumplanerisch ziemlich vorteilhaft.

Die typischerweise diskutierten Beispiele sind dagegen eher Unfug.
Wieso sollten sich die eher ländlich strukturierten Brandenburger von den Berlinern eingemeinden und dominieren lassen?
Welches saarländische Strukturproblem wären von Mainz aus besser zu lösen?
Wieso sollte eine Metropole wie Bremen von einem ohnehin schon völlig heterogen strukturieren Niedersachen besser regiert werden? Das würde in Praxis ohnehin nur einen häßlichen Dauerstreit zwischen Bremen und Hannover geben.

Man sollte eher mal daran denken, einige Bundesländer zu teilen.
Die Münchner Zentralregierung ist geistig vom prosperiernden Oberbayern geprägt und hat sich über Jahrzehnte hinweg als unfähig erwiesen, für die strukturschwachen Gebiete in Franken und der Oberpfalz Lösungen zu finden. In einem eigenen Bundesland könnten das die Betroffenen bestimmt viel besser.
Und der Moloch NRW könnte sich besser entwickeln, wenn die so unterschiedlichen Gebiete wie Rheinland, ländliches Westfalen oder das Ruhrgebiet eigenständig wären - groß genug wären sie dafür.
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niklas
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 11:49 Uhr:   

@Ralf Arnemann:

Na, wollt Ihr Hessen uns Bayern die Franken abspenstig machen? Mittlerweile haben wir uns auch an sie gewöhnt und fast schon lieb gewonnen. Wo rekrutierten wir sonst auch unsere Beamten , an oberster Stelle unseren Innenminister Dr. Beckstein?


Im Ernst ist schon was dran, dass Bayern als Verwaltungseinheit eher zu groß als zu klein ist, was v.a. an der flächenmäßigen Ausdehnung liegt. NRW hat es da besser, da die höhere Bevölkerungsdichte Infrastruktur tendentiell günstiger macht. Es gibt auch volkswirtschaftliche Ansätze über die optimale Größe einer staatlichen Einheit, die gegen zu überdehnte Staatengebilde sprechen.
Entscheidend ist die Frage, wie viele Zentralen man zu setzen hat, um die Vorteile der Aufgabenzentralisierung (Kostendegression) saldiert mit den Nachteilen einer Zentralverwaltung (Bürgerferne, Bürokratie) zu optimieren.
Rein rationalistisch lässt sich hier auch nicht argumentieren, da kulturelle Fragen auch mit erwogen werden müssen Bayern abzuschaffen wäre undenkbar, Hamburg als Teil on Schleswig-Holstein würde den freien Hansestädtern wohl auch kaum in den Kram passen.
Berlin und Brandenburg wäre aber natürlich (gehörten ja früher schon zusammen), auch ökonomiasch, da der zentrale Marktort mit dem Umland zusammengehören soll. Berlin erfüllt ohnehin schon Aufgaben für die Brandenburger (z.B.kult. Angebot) und Brandenburg für die Berliner (z.B. Naherholung).
Die kulturellen Unterschiede zwischen Saarländern und Rheinland-Pfälzern dürften wohl auch überbrückbar sein, und Bremen ist im Gegensatz zu Hamburg einfach zu klein.

Die Gefahr die ich sehe ist, dass bei der Zusammenlegung der Länder nicht etwa Verwaltung eingespart wird, sondern ein doppelter Apparat entsteht (Gute Nacht!). Das Beispiel Ost- und Westberlin sollte Abschreckung genug sein.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 12:21 Uhr:   

An große Einsparungen durch Länderfusionen glaube ich auch nicht. Grosse Einheiten sind in der Regel wenig effizient und erfordern hohen Koordinationsaufwand, wie man ja auch in der Privatwirtschaft bei Firmenmolochs wie z.B. Siemens sehen kann. Die Erfahrungen der letzten Jahre mit Unterhmensfusionen sind ja auch- vorsichtig formuliert- nicht gerade berauschend. Abgesehen davon kann natürlich kurzfristig fast gar nichts erreicht werden, da Beamte unkündbar sind und Angestellte nach 15 Jahren auch. In Sachsen-Anhalt beispielsweise haben die jetzt abgewählten rot-roten Finanzgenies ja sogar systematisch Angestellte verbeamtet um kurzfristig Sozialabgaben zu sparen. Die Idee, NRW aufzuteilen, finde ich persönlich sehr sympatisch, das Ruhrgebiet wäre ich gerne los. Und ein Eifelbewohner hat mit einem Ostwestfalen in Minden ungefähr so viel gemein wie ein Bewohner des Alpenvorlandes mit einem Nordlicht in Flensburg.
Eine Neugliederung des Bundesgebietes sollte aber nicht auf eine Zusammenfassung oder Aufteilung von Ländern hinauslaufen sondern zur Bildung von wirtschaftsgeographisch und landsmannschaftlich sinnvollen Einheiten führen. Davon kann im Moment keine Rede sein.

Wenn das Ruhrgebiet selbständig wäre, hätten die SPD-Betonköpfe die Region richtig vor die Wand gefahren (das haben sie auch jetzt schon, nur kann man das damit kaschieren, daß der Rest von NRW besser dasteht). Irgendwann ist die Not dann so groß,daß auch den linken Sozis nichts anderes übrig bleibt, als mit ökonomischer Vernunft nach rationalen Lösungen zu suchen. Die Wandlung von Scherf in Bremen ist ja schon erstaunlich.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 13:12 Uhr:   

Das Lamento wegen "kleiner" und "zu vieler" Länder klingt eher etwas abgehoben. Wie sieht es denn in Österreich aus? Oder in der Schweiz mit 26 Kantonen auf 7 Millionen Einwohner?
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 15:11 Uhr:   

Daß ein kleineres Gebilde in den meisten Fällen effizienter arbeitet als ein großes, sehe ich ein. Nur würde die Spaltung von Ländern das ganze System weiter verkomplizieren (grob geschätzt würde ich sagen, daß das Ruhrgebiet immer noch 6 Sitze im Bundesrat hätte, Rest-NRW aber auch noch 4 bis 5 etc.). Ohne weitreichende Reformen des Grundgesetzes würde bei 25 Ländern völliges Chaos herrschen, dazu inkl. Kommunal-, Bundestags- und Europawahl durchschnittlich mehr als 10 Wahlen pro Jahr. So geht es offenbar nicht.

Also andersherum: Wieso nicht gleich die Bundesländer abschaffen und den Kommunen dafür die Möglichkeit zu mehr regionaler Zusammenarbeit einräumen? Das würde allerdings wirklich eine vollkommen neue Verfassung erfordern, zumal wir ja noch nicht wissen, wie die EU-Verfassung die Gewichte auf Kommunen, Regionen, Staaten etc. verteilen wird. Aber wir können ja offen spekulieren.

Sollte dies an der Realität scheitern, müßte man sich trotzdem Überlegungen zur Neuordnung des Föderalismus machen. Prinzipiell befürworte ich dann Ralfs Vorschlag, zuerst den Ländern wieder mehr Rechte zu geben anstatt sie nur noch als Zwischenebene zw. Bund und Kommunen zu betrachten. Das ist ja auch der eigentliche Geist des Föderalismus, nur haben wir in Deutschland ja seit Jahrzehnten einen Trend zur Zentralregierung mit Blockadeinstitution Bundesrat.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 15:15 Uhr:   

@niklas:
> Rein rationalistisch lässt sich hier auch nicht argumentieren, da
> kulturelle Fragen auch mit erwogen werden müssen
Völlig richtig.
Wobei hinter diesen kulturellen (besser mentalitätsbezogenen) Fragen oft auch rational begründete Unterschiede wie ländlich vs. städtisch stehen.

Ansonsten darf man nicht vergessen, daß trotz 50 Jahren (durchaus erfolgreicher) Geschichte die heutigen Bundesländer zum größten Teil keine sehr fundierten historischen Wurzeln haben und teilweise mehr vom Egoismus der Apparate als dem Gemeinschaftsgefühl ihrer Bürger zusammengehalten werden.

> Bayern abzuschaffen wäre undenkbar, ...
Für die Altbayern vielleicht. Für die Franken nicht unbedingt. Und nach üblichem Völkerrecht würde es für eine Abspaltung reichen, wenn es in der abspaltungswilligen Region (also z. B. Franken) eine Mehrheit gäbe.

> Hamburg als Teil on Schleswig-Holstein würde den freien
> Hansestädtern wohl auch kaum in den Kram passen.
Richtig. Und umgekehrt gilt Ähnliches.
Es ist insgesamt überhaupt nicht einzusehen, welche Frage ein solcher Misch-Staat denn nun besser lösen können würde als Stadt und Land getrennt.

> Berlin und Brandenburg wäre aber natürlich ...
Nein - genauso unnatürlich wie Hamburg / Schleswig-Holstein.

> gehörten ja früher schon zusammen), ...
Nicht wirklich.
Beide Gebilde waren gemeinsam Teilstücke von Preußen, wie sie heute Teilstücke der Bundesrepublik sind.

> auch ökonomiasch, da der zentrale Marktort mit dem Umland
> zusammengehören soll.
Wieso sollte er?
Das ist ab einer gewissen Stadtgröße im Gegenteil sehr unüblich.
Die Stadt-Umland-Problematik in Deutschland wäre getrennt zu diskutieren, weil das auch innerhalb der Bundesländer ein Thema ist, das hat hier nur zufällig mit Länderneugliederung zu tun. Auch in einem gemeinsamen Bundesland wäre Berlin ja immer noch eine (erdrückend große) selbständige Kommune.

Das mit dem "kulturellem Angebot" ist so ein typischer Vorwand, mit dem die Städte das Umland abkassieren wollen (das haben unsere Darmstädter Lokalpolitiker auch schon versucht). Und das Umland weigert sich natürlich zu Recht zu zahlen.

> Die kulturellen Unterschiede zwischen Saarländern und
> Rheinland-Pfälzern dürften wohl auch überbrückbar sein,
Bösartige Kenner der Region bestreiten, daß die beidseitigen Unterschiede etwas mit Kultur zu tun haben können ;-)
Für einen Misch-Masch-Staat wie Rheinland-Pfalz wäre es akzeptabel, noch das Saarland mitzuverwalten.
Für die Saarländer dagegen mit ihrer sehr lebendigen und intakten Identität wäre es völlig unsinnig, sich von Mainz aus regieren zu lassen.

> und Bremen ist im Gegensatz zu Hamburg einfach zu klein.
Zu klein? Wofür?
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 15:25 Uhr:   

@Thomas Frings:
> An große Einsparungen durch Länderfusionen glaube ich auch nicht.
Sonst hätte schon längst einer der beutehungrigen Landesfürsten (z. B. Beck) Studien vorgelegt, die dem Übernahmeobjekt goldene Berge vorrechnen.

> Die Erfahrungen der letzten Jahre mit Unterhmensfusionen sind ja
> auch- vorsichtig formuliert- nicht gerade berauschend.
Das ist oft dann der Fall, wenn die Reorganisation zuviel Zeit und Aufwand kostet und die Firma dann am Markt gegenüber schnelleren Mitbewerbern Boden verliert.
Das zumindestens ist bei Länderfusionen eine untergeordnete Gefahr.

Umgekehrt aber gibt es bei Länderfusionen auch fast keine der Sparmöglichkeiten, die bei Firmen üblich sind.

@Philipp Wälchli:
> Das Lamento wegen "kleiner" und "zu vieler" Länder klingt eher etwas
> abgehoben. Wie sieht es denn in Österreich aus? Oder in der Schweiz
> mit 26 Kantonen auf 7 Millionen Einwohner?
Das mit "zu vielen" Ländern ist in der Tat dicht an bescheuert.
Bei "zu klein" kann man schon aber darüber nachdenken, wo das Minimum liegen sollte.
Einige hunderdtausend Einwohner muß ein deutsches Bundesland schon haben, um die verfassungsmäßig vorgegebenen Aufgaben erfüllen zu können (da liegt Bremen deutlich drüber).

Wie dagegen ein Kanton wie Uri arbeitsfähig sein soll, ist mir schwer verständlich. Mit 35000 Einwohnern wäre da anderswo nicht einmal ein funktionsfähiger Landkreis.
Wohlgemerkt, mit diesem Vergleich will ich nicht lästern - ich habe nur wirklich keine Ahnung, welche Leistungen ein Kanton bringen können muß.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 15:31 Uhr:   

@Torsten Schoeneberg:
> Ohne weitreichende Reformen des Grundgesetzes würde bei 25 Ländern
> völliges Chaos herrschen,
Aber bestimmt nicht. Ein paar Änderungen müßten schon sein, klar, aber die Hinzunahme von sechs Ländern hat die Bundesrepublik in ihrer Arbeitsfähigkeit überhaupt nicht gestört, und nochmal zehn mehr würden das auch nicht tun.

> dazu inkl. Kommunal-, Bundestags- und Europawahl durchschnittlich
> mehr als 10 Wahlen pro Jahr. So geht es offenbar nicht.
Gar kein Problem. Weil dann (bis auf die Bundestagswahl) die meisten Wahlen nur für das betreffende Gebiet interessant wären.
Es ist doch umgekehrt: Bei wenigen, großen Ländern - da sind die Landtagswahlen ein großer Hammer.
Durch die Zusammenlegung der Wahlen haben wir nun mit Hessen/Niedersachsen einen solchen Hammer, im Herbst folgt mit Bayern der zweite.
Dagegen ist die Bremen-Wahl im Mai doch Lokalfolklore, die in Berlin nun mit mäßigem Interesse verfolgt wird - und das liegt nicht nur an der großen Koalition dort.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 17:35 Uhr:   

Zwei kurze Bemerkungen aus Bremer Sicht:

1. Einen Zusammenschluß mit Niedersachsen - selbst wenn man ihn als sinnvoll erachtet - vermag ich mir nicht vorzustellen. Allein die Hauptstadtfrage dürfte kaum lösbar sein. Bremen ist wesentlich größer als Hannover, aber wo sollten Landtag und Landesregierung in Bremen unterkommen? Bürgerschaft und Rathaus blieben ja sicherlich Stadtrat und Bürgermeister vorbehalten. Es würde vermutlich auf einen Kompromiß-Murks wie zwischen Berlin und Bonn hinauslaufen, der letztlich teurer wäre als der Status Quo.

2. Die Bremer Bürgerschaftswahl ist nicht nur bundespolitisch eher belanglos, sondern umgekehrt spielt auch die Bundespolitik für die Bremer Wähler eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Das haben schon die vergangenen Wahlen gezeigt, als z.B. 1991 die SPD trotz Rückenwindes aus Bonn (Stichwort: Kohls "Steuerlüge") ihre absolute Mehrheit verlor oder als die SPD 1999 zwei Wochen vor dem Desaster bei der Europawahl fast zehn Prozent zulegen konnte (was freilich vor allem am Niedergang des AfB lag).
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 18:04 Uhr:   

@Wilko Zicht:
> Bremen ist wesentlich größer als Hannover ...
Nicht "wesentlich", nur gerade mal 20 000 Leute ...
Und für die Hauptstadtfrage dürfte das wenig interessieren. Für die Niedersachsen ist wohl einzig eine schlichte Eingemeindung Bremens mit Beibehaltung der Hauptstadt Hannover denkbar.

Die Größe ist auch sonst kein entscheidendes Kriterium bei Landeshauptstädten:
In Hessen ist Frankfurt größer als Wiesbaden.
In NRW sind Köln, Dortmund und Essen größer als Düsseldorf.
In Sachsen ist Leipzig (etwas) größer als Dresden.
In Sachsen-Anhalt ist Halle größer als Magdeburg.
In Mecklenburg-Vorpommern ist Rostock größer als Schwerin.

In Schleswig-Holstein war Lübeck größer als Kiel, und in Rheinland-Pfalz war Ludwigshafen größer als Mainz - deswegen wurden die beiden Landeshauptstädte in den 70ern durch massive Eingemeindungen auf vorzeigbare Zahlen gebracht (und die beiden Rivalen in regionalplanerisch lächerliche Weise klein gehalten).

Übrigens wäre in einem vereinigten Saar-Rheinland-Pfalz auch Saarbrücken größer als Mainz. Es ist aber nicht anzunehmen, daß Beck bei seinen Kolonisationsgelüsten an einen Regierungsumzug denkt.
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Nimreem
Veröffentlicht am Montag, 20. Januar 2003 - 18:52 Uhr:   

Eine Zusammenlegung der Landtagswahlen verursacht mehr Probleme als dadurch gelöst werden.

Vor einer Landtagswahl richtet sich die Bundespolitik vielleicht ca. ein Monat danach aus. Vor einer Bundestagwahl passiert jedoch ein Jahr lang nichts mehr. Werden die Landtagswahlen jedoch zusammengelegt, ist dieser Termin so bedeutsam, dass auch dort ein Jahr lang vorher nichts mehr passiert. Das heisst, es gibt dann zwei Jahre Stillstand.
Wenn alle Landtagswahlen am Tag der Bundestagswahl stattfinden, finden Landesthemen überhaupt kein Gehör mehr. Man kann ja an MV sehen, wie sehr da die Landespolitiker Schwierigkeiten hatten, sich mit ihren Landesargumenten durchzusetzen.

Und die Zusammenlegung der Länder wollen vielleicht viele Politiker und auch die Bayern (z.B.) sind für Niedersachsen-Bremen. Aber die dortige Bevölkerung? Man hat ja an Brandenburg-Berlin gesehen, wie schwer das in der Bevölkerung durchzusetzen ist. Ich weiss nicht, wie viel Niedersachsen mit der Begeisterung für eine (Mit-)übernahme der Bremer Schulden stimmen werden. Wohl nicht allzu viele.

Diese Diskussion ist für mich daher nicht zielführend, da schlicht unrealistisch.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Januar 2003 - 00:06 Uhr:   

Es fragt sich auch, wie es denn mit einem Eingriff in die Autonomie der Länder aussieht. Wenn ein Bundesland das Recht hat, sich seine eigene Verfassung zu geben, dann müsste es auch das Recht haben, seine Wahltermine selbst zu bestimmen.
Wenn wir also sagen, es sollten Landtagswahlen nach einem bestimmten System verteilt werden, dann sagen wir zugleich etwas über die Stellung der Länder aus - und zwar nichts, was sehr für diese spricht, im Grunde werden sie dann zu Verwaltungseinheiten des Bundes, der letztlich als einzige öffentliche Körperschaft sui iuris wäre.
An einem andern Beispiel liesse sich das noch deutlicher zeigen: So gibt es Länder, die Volksentscheide kennen, andere jedoch nicht. In den Ländern, in denen das Volk - zumindest gelegentlich - unmittelbar Sachentscheide fällen kann, ergibt sich automatisch eine andere Stellung von Regierung und Parlament, erhalten auch Wahlen einen anderen Stellenwert. Im Extremfall wäre es denkbar, dass in einem solchen Land konsequent nicht die Partei gewählt wird, die man unterstützt, z. B. aus taktischen Überlegungen oder wegen bundespolitischer Themen usw., weil man dann ja mittels Volksentscheid im Land die eigenen landespolitischen Anliegen immer noch durchsetzen kann.
Nun gleichen sich zwar die politischen Systeme in den einzelnen Ländern stark, aber das muss nicht so bleiben. Man erinnere sich daran, dass Bayern eine zweite Kammer namens Senat hatte. Was geschieht, wenn plötzlich ein Land findet, es möchte nun zum Zweikammersystem übergehen, z. B. nach der Devise "Einerwahlkreise für die erste, reine Verhältniswahl mit Parteilisten für die zweite Kammer - nieder mit dem Misch-Wahlsystem"? Oder vielleicht wird plötzlich der Ruf danach laut, den Ministerpräsidenten wählen zu lassen, vielleicht im Sinne eines Präsidialsystems - muss nun diese Wahl mit der Landtagswahl zusammenfallen, oder wie?
Ich denke, dass ein solcher Vorschlag, die Landtagswahlen bundesrechtlich an bestimmte Termine zu binden, in andern föderalistischen Staaten keine Chance hätte, auch nur ernst genommen zu werden. Ich kann mir dies z. B. für die USA nicht vorstellen, auch nicht für die Schweiz. Nach fester Überzeugung und teilweise auch staatsrechtlicher Lehre sind die Gliedstaaten eben immer noch souverände Staaten, die einen Teil ihrer Souveränität dem Bund nur abgetreten haben, die aber augenblicklich in voller Souveränität und Eigenständigkeit dastehen würden, falls der Bund aus irgend einem Grund unterginge.
In Deutschland sieht man das wohl eher umgekehrt, so scheint mir, dass nämlich die Länder gleichsam (ähnlich wie Vereine) ihre Autonomie vom Bund übertragen erhalten hätten. Das mag historisch auch berechtigt sein, insofern die heute bestehenden Länder jung sind. Doch immerhin muss man sich klarmachen, dass die hier diskutierten Themen eng mit der Frage des Status der Länder verbunden sind.
In einer Art Meta-Bestimmung schreibt übrigens das GG vor, dass u. a. der Föderalismus als solcher nicht Gegenstand einer Änderung des GG sein kann, m. a. W. dass er nicht abgeschafft werden kann.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Januar 2003 - 10:59 Uhr:   

@Philipp Wälchli:
Deine Einwände sind sehr gut und berechtigt.
Auch wenn es den Deutschen nicht so bewußt ist wie den Schweizern: In der Tat sind die Länder die eigenständig souveräne Einheiten und können eben nicht so ohne weiteres von der Bundesebene dirigiert werden.
Und die Hoheit über den eigenen Wahltermin (und die übrigen Details) gehört ganz fundamental und untrennbar dazu - eine Zusammenlegung von Wahlterminen kann nur freiwillig und im Einzelfall erfolgen und hat keine Bindungswirkung für die Zukunft.

Insbesondere sind in einem Land jederzeit vorgezogene Neuwahlen möglich (die so ein Schema immer dauerhaft stören würden).

Dagegen sind die Gemeinden keine autonomen Einheiten, sondern Unterstrukturen der Länder. Gemeinderäte haben deswegen keine Parlamentsqualität (auch wenn sie sich in Großstädten so fühlen) und werden landesweit gleichzeitig gewählt (was bei Koalitionskrach etc. zu großen lokalen Problemen führen kann).
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Frederic
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Januar 2003 - 11:32 Uhr:   

Es gibt aber doch die kommunale Selbstverwaltung in Art. 28 II GG.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Januar 2003 - 12:00 Uhr:   

Zu Bremen: Eine Fusion würde wohl nicht nur an den Bremern scheitern, sondern auch an Niedersachsen. Die werden wohl kaum ein Land schlucken wollen, daß pro Kopf mehr als doppelt so viel Schulden hat wie sie selbst. Auch im Länderfinanzausgleich kämen beide Länder zusammen wohl schlechter weg als jetzt getrennt, denn die Bremer Einwohner könnten dann ja nicht mehr veredelt werden.
Andererseits ist ja aber auch offensichtlich, daß Bremen ohne massive Hilfe nicht lebensfähig ist. Sinnvoll wäre da eine Zusammenlegung von Bremen und dem niedersächsischen Einyzugsgebiet der Stadt.
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Januar 2003 - 12:33 Uhr:   

Philipp, Ralf:

Natürlich können sich die Bundesländer auf gemeinsame Wahltermine verständigen, ähnlich wie sie es bei den Schulferien machen. Dazu braucht es kein Bundesrecht, und das ist auch langfristig angelegt möglich, wenngleich diese Entscheidung prinzipiell wohl von einzelnen Ländern wiederrufen werden könnte. Für den Fall von vorzeitigen Neuwahlen könnte man auch ziemlich problemlos Regelungen treffen.

Das ist also alles nur eine Frage des Willens. Wobei ich mir selber nicht sicher bin, ob die Vor- oder die Nachteile überwiegen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Januar 2003 - 13:01 Uhr:   

@c07:
Die Verständigung auf gemeinsame Termine ist durchaus üblich - es ist ja kein Zufall, daß wir am 2. Februar zwei Wahlen gleichzeitig haben.

Aber das geht halt immer nur innerhalb des (recht engen) Rahmens, den die jeweilige Länderverfassung hergibt.

Eine Verlängerung der Wahlperiode ist normalerweise ausgeschlossen. D.h. zur Vereinbarung eines bundesweit gemeinsamen Wahltermins müßten fast alle Länder vorgezogene Neuwahlen machen.
Für die jeweiligen Regierungsmehrheiten wäre das oft ein unnötiges Risiko. Vor allem würde ja dann kaum noch über ihre eigene Regierungsarbeit abgestimmt, sondern fast nur über den Bundestrend.

Ich glaube nicht, daß in nennenswert vielen Ländern die Bereitschaft besteht, sich solcherart ins Knie zu schießen um vielleicht ein Problem der Bundesebene zu lösen.
(Abgesehen davon halte ich persönlich die ganze Sache auch für unsinnig).
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Januar 2003 - 13:06 Uhr:   

Ralf: Die Länderverfassungen lassen sich ändern, wenn man will. Allerdings teil ich deine Einschätzung, dass das für die Länder(-regierungen) so unattraktiv ist, dass es wohl kaum tatsächlich so kommt.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Januar 2003 - 17:39 Uhr:   

@c07:
Natürlich kann eine solche Änderung der Länderverfassung nur für künftige Legislaturperioden gültig sein - nicht für die laufende.

Und wenn man das weiterdenkt, relativieren sich meine Ausführungen von oben ziemlich.

Wenn die Länder sich für die erste gemeinsame Wahl nämlich auf einen Zeitpunkt ausreichend in der Zukunft (so etwa 2010 ff.) einigen würden, dann könnte man mit Überleitgesetzen entsprechend zugeschnittene Legislaturperioden einschieben und das würde die jetzige Regierungsmehrheit in einem Land nicht belasten.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Januar 2003 - 20:09 Uhr:   

Außerdem ließe sich (wie in einigen Kommunalwahlgesetzen) festlegen, daß vorgezogene Neuwahlen nur für den Rest der laufenden Wahlperiode gelten. Dann bleibe man auch bei Neuwahlen im Takt mit den anderen Ländern.

In der Sache schließe ich mich aber den Vorrednern an, daß zusammengelegte Landtagswahlen unsinnig sind.
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Januar 2003 - 21:16 Uhr:   

Ich meine trotzdem, daß es ein Problem gibt, undmöchte einmal eine kurze Zwischenbilanz ziehen.

Ich würde das Problem nicht mehr so formulieren:

"Es gibt zu viele Landtagswahlen und dadaurch zu viel Dauerwahlkampf und zu wenig Politik."

sondern:

"Die (in Deutschland häufigen) Landtagswahlen werden zu sehr zu "Bundesratswahlen" und durch den dadurch entstehenden Dauerwahlkampf gibt es zu wenig Politik."

Die eine Methode geht nun davon aus, daß dieses Problem (de facto teilweise vorhandene, aber nicht vom GG intendierte Form des Föderalismus) nicht zu verhindern ist und will durch Konzentration der Landtagswahltermine (durch Zusammenlegung der Länder und/oder der Wahltermine) wenigstens 2-3 wahlkampffreie Jahre retten.

Die andere Methode kritisiert, daß die Akzeptanz der Landtagswahlen als Bundesratswahlen genau diesen Trend verstärkt und damit dem vom GG vorgesehenen Föderalismus noch stärker widerspricht als das jetzt schon der Fall ist.

Die Kritik ist m.E. berechtigt. Die Frage ist, welche Mittel zur Verfügung stehen, um das Problem zu entschärfen. Der einzige Ansatz, den ich bisher für konstruktiv und realistisch halte, ist die Verlängerung aller Legislaturperioden (zu deren "Ausgleich" man Elemente direkter Demokratie einführen könnte, aber das ist ein anderes Thema). Weitere Vorschläge sind willkommen!

Ansonsten ist dies sicherlich auch ein gesellschaftliches Problem: Landtagswahlen werden zu Bundesratswahlen, weil sie von Parteien und Medien so dargestellt und vom Wähler so gesehen werden. Vielleicht sollte sich auch die politische "Kaste" Gedanken um ihr Selbstverständnis machen, das eben nicht immerauf den nächsten Wahltermin sehen sollte.

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