Themen Themen Profil Profil Hilfe/Anleitungen Hilfe Teilnehmerliste Teilnehmerliste [Wahlrecht.de Startseite]
Suche Letzte 1|3|7 Tage Suche Suche Verzeichnis Verzeichnis  

001-025

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Wahl des Bundespräsidenten » Bundespräsidentenwahl 2004 » 001-025 « Zurück Weiter »

Autor Beitrag
 Link zu diesem Beitrag

Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 22. April 2002 - 15:53 Uhr:   

Die Bundesversammlung (die den Bundespräsidenten wählt) setzt sich meines Wissens zusammen aus den Abgeordneten des Bundestags und einer gleichgroßen Anzahl von Delegierten der Länderparlamente.
Weiß jemand, wie sich dieser Länderdelegiertenschlüssel definiert und wie die Länderhälfte der Bundesversammlung derzeit zusammengesetzt wird?
 Link zu diesem Beitrag

jan
Veröffentlicht am Montag, 22. April 2002 - 17:03 Uhr:   

Der Delegierten werden auf die Laender nach dem Verfahren der mathematischen Proportion (also im Prinzip Hare-Niemeyer verteilt). Geregelt durch das Gesetz ueber die Wahl des Bundespraesidenten durch die Bundesversammlung, hier Par. 2 Abs. 1 :

"Die Bundesregierung stellt rechtzeitig fest, wieviel Mitglieder die einzelnen Landtage zur Bundesversammlung zu wählen haben. Dabei sind die gesetzliche Mitgliederzahl des Bundestages im Zeitpunkt der Beschlußfassung der Bundesregierung und das Verhältnis der letzten amtlichen Bevölkerungszahlen der Länder zugrunde zu legen. Bei der Ermittlung der Bevölkerungszahlen bleiben Ausländer (§ 1 Abs. 2 des Ausländergesetzes ) unberücksichtigt. Die Bundesregierung macht die Zahl der von den einzelnen Landtagen zu wählenden Mitglieder im Bundesgesetzblatt bekannt."

Man kann also die Anzahl der den Laendern zustehenden Wahlleuten wie folgt errechnen:
(Deutsche im Land : Deutsche in allen Laendern) * 669

Wie die Bundesversammlung zurzeit aussieht kann man nicht sagen, da es zurzeit keine Bundesversammlung gibt. Sie ist kein staendiges Organ und wird immer erst dann ueberhaupt gebildet, wenn es noetig ist. Wenn also der Bundespraesident jetzt vom Blitz getroffen wuerde muessten die Laenderparlamenten so schnell wie moeglich ihre Delegierten waehlen, damit die Bundesversammlung binnen 60 Tagen nach seinem Tod und dem damit verbundenen Amtsverlust zusammentreten koennte. Sollte ein Landtag es versaeumen, blieben die Stimmen dieses Landes unbesetzt.

Viele Gruesse Jan
 Link zu diesem Beitrag

Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Montag, 22. April 2002 - 21:41 Uhr:   

Eine rollierende Neuberechnung der Bundesversammlung findet sich bei election.de
http://www.election.de/bv.html

Ich seh im übrigen weder im Bundespräsidentenwahlgesetz noch in Artikel 54 GG, daß als Länderdelegiertenschlüssel Hare-Niemeyer zwingend vorgeschrieben ist (http://www.bonnanwalt.de/gesetze/gg/bpraes-wahlg.htm).

Immerhin fordert Art 54 ja auch Verhältniswahl und das Gesetz antwortet mit d'Hondt.
 Link zu diesem Beitrag

Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 23. April 2002 - 12:39 Uhr:   

Vielen Dank für die Antworten!
Insbesondere die von Martin angegebene Seite ist exakt das, was ich gesucht habe. Vor allem in den Punkten Transparenz und Aktualität (Sachsen-Anhalt ist schon drin!).
Wenn ich das so richtig interpretiere, wird der nächste Bundespräsident ganz wesentlich vom Ausgang der nächsten Bundestagswahl bestimmt - bei den Ländern liegt alles dicht beieinander.
 Link zu diesem Beitrag

Wilko Zicht
Veröffentlicht am Dienstag, 23. April 2002 - 20:15 Uhr:   

Wie genau die Sitzverteilung auf die Länder berechnet wird, ist in der Tat nirgends festgelegt. Ich hatte das 1999 mal überprüft und war glaube ich zu dem Ergebnis gekommen, daß die Bundesregierung nach Hare/Niemeyer gerechnet hat.

Daß bei der Wahl der Landesvertreter in den Landtagen d'Hondt vorgeschrieben ist, führt übrigens zu einer erheblichen Benachteiligung der kleinen Parteien, da sich die systematische Verzerrung von d'Hondt natürlich in den 16 Landtagen summiert. Zumal bereits die Landtagszusammensetzung selbst teilweise auf d'Hondt beruht, was die Verzerrung noch weiter steigert.
 Link zu diesem Beitrag

Jan
Veröffentlicht am Mittwoch, 24. April 2002 - 19:29 Uhr:   

Wenn laut Gesetz "das Verhaeltnis der amtlichen Bevoelkerungszahlen" zugrunde gelegt werden soll, wuerde, zumindest nach meiner Auffassung, d'Hondt auch gar nicht passen.

Weil eigentlich wird bei d'Hondt ja gar kein Verhaeltnis (a:b wie c:d) der Gesamtzahl der Bevoelkerung (die zu verteilen ist) und den den Bevoelkerungszahlen (worauf zu verteilen ist) gebildet, sondern jede fuer sich selber dividiert.
Da aber ja d'Hondt-Systeme schon immer bei "Verhaeltnis"-Wahlen eingesetzt wurden, scheine ich mich diese Auffassung ja ausserhalb der herrschenden Meinung zu sein.

Schoene Gruesse Jan
PS: Eine Frage noch: Ist d'Hondt eigentlich das einzige System, bei dem man vor der Berechnung nicht wissen muss, wie hoch die Gesamtzahl der zu vergebenen Sitze ist?
 Link zu diesem Beitrag

Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. April 2002 - 19:55 Uhr:   

Auch bei D'Hondt wird ein Verhältnis gebildet und man muß auch wissen wieviel Sitze verteilt werden.

Jedes Verhälniswahlsystem beantwortet auf seine Art und Weise die Frage, wie eine ganzzahlige Menge an Sitzen dem Verhältnis nach zugeteilt werden soll.

Bei D'Hondt wird eine Bevölkerungszahl durch einen Divisor (Verhältnis Einwohner pro Sitz, letzte Höchstzahl) dividiert. Abgerundet ergibt sich die entsprechende Anzahl an Sitzen.
Das selbe Ergebnis ergibt sich im Ritual der Höchstzahlberechnung, auch wenn dies nicht mehr offensichtlich sein mag.
Ein Vorwurf an d'Hondt ist, daß es größeren Bevölkerungszahlen dabei einen Vorteil einräumt.
 Link zu diesem Beitrag

Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 26. April 2002 - 15:43 Uhr:   

> Wie genau die Sitzverteilung auf die Länder berechnet, ist in der
> Tat nirgends festgelegt.
Ist das nicht so, daß Bundesversammlungsdelegierten der Landtage sich exakt danach richten, wieviele Bundestagsabgeordnete dieses Land stellen darf?
D.h. dann müßte man die Verteilung der Wahlkreise auf die Länder im entsprechenden Bundesgesetz zu Rate ziehen.
 Link zu diesem Beitrag

Wilko Zicht
Veröffentlicht am Freitag, 26. April 2002 - 17:02 Uhr:   

Nein, die Zahl der Landesdelegierten hängt nicht von den Bundestagsabgeordneten des Landes ab. Das wäre ja auch ungerecht, da der Länderproporz im Bundestag durch unterschiedliche Wahlbeteiligungen, Überhangmandate und regionale Schwerpunktparteien (die an der bundesweiten Sperrklausel scheitern) stark verzerrt sein kann.
 Link zu diesem Beitrag

Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 13. September 2002 - 22:55 Uhr:   

Auf einen anderen Aspekt möchte ich an dieser Stelle auch hinweisen: durch die Bundestagswahl am 22. September wird indirekt auch darüber bestimmt, ob Johannes Rau als Bundespräsident eine Chance auf eine zweite Amtszeit haben wird. Da in der Bundesversammlung im Jahre 2004 die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Hälfte der Delegierten der Bundesversammlung ausmachen (die andere Hälfte sind Abgeordnete oder Abgesandte aus allen Länderparlamenten, vgl. http://www.election.de/)wird hier eine Vorentscheidung auch darüber getroffen werden, ob Rau oder ein Kandidat der Union (Schäuble, Vogel etc.) nächster Bundespräsident werden wird. Wie die Debatte um Bundesrat und Zuwanderung auch in diesem Forum gezeigt hat, hat ja der Bundespräsident, obwohl er überwiegend rein repräsentative Funktionen ausübt, in gewissen Bereichen - wie bei der Unterschrift von Gesetzen -, Artikel 63, 67 und 81 GG vor allem in Krisenzeiten politischen Einfluß. Ich denke, an diese Tatsache sollte hier auch erinnert werden. Ich bin sehr gespannt auf die Zusammensetzung der nächsten Bundesversammlung, die ja noch von den bis zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Landtagswahlen abhängen wird.
 Link zu diesem Beitrag

Eike
Veröffentlicht am Freitag, 13. September 2002 - 23:05 Uhr:   

Du hast völlig Recht, aber ich denke, da es noch 1 1/2 Jahre hin sind bis zur turnusmäßigen Neuwahl und ja auch Bundestagsneuwahlen nicht auszuschließen sind, kommt deine - richtige - Anregung etwas früh.
 Link zu diesem Beitrag

Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Samstag, 14. September 2002 - 12:45 Uhr:   

Ich hoffe doch sehr, daß auch bei einer SPD-Mehrheit keiner auf die Idee kommt, Rau ein weiteres Mal zu wählen.
Eine Amtszeit war schon schlimm genug, frischer wird er auch nicht mehr - und gerade die SPD sollte keine Schwierigkeiten haben, auch mal eine geeignete Frau zu nominieren.
 Link zu diesem Beitrag

Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 14. September 2002 - 14:46 Uhr:   

Ich denke aber, die SPD wird um eine erneute Kandidatur von Johannes Rau nicht herumkommen, wenn dieser nicht weichen will. Auch ein Lübke wurde von seiner eigenen Partei 1964 widerstrebend wiedergewählt. Man muss sich ja nur an das Verhalten der SPD in der Bundesversammlung 1994 erinnern. Hätte die SPD damals strategisch klug gedacht, wäre 1994 vermutlich Frau Hamm-Brücher Bundespräsidentin geworden und 1999 wiedergewählt worden. Aber genau wie man sich damals nicht traute, Rau zum Verzicht auf seine Kandidatur aufzufordern, so wird man sich nicht trauen, ihm, der sichtlich wiedergewählt werden will, dies zu verweigern - man mag zu Rau stehen wie man will - mein "Typ" ist er ja auch nicht gerade.
 Link zu diesem Beitrag

Andre
Veröffentlicht am Samstag, 14. September 2002 - 18:51 Uhr:   

Ich schlage der SPD Jutta Limbach vor
 Link zu diesem Beitrag

Stephan Glutsch
Veröffentlicht am Samstag, 14. September 2002 - 19:44 Uhr:   

Ich schlage der CDU Richard Schroeder vor.
 Link zu diesem Beitrag

Kaktus
Veröffentlicht am Samstag, 14. September 2002 - 21:21 Uhr:   

Es scheint offensichtlich Volkssport bei den Konservativen zu sein, über unseren Bunsepräsidenten her zu ziehen. Daher empfehle ich, einmal die "Berliner Reden" Raus in seiner Amtszeit nachzulesen. Johannes Rau ist für mich ein Bundespräsident, der zwar anders ist als v.Weisäcker und Herzog (auch zwei sehr gute BP), sich vor beiden aber keineswegs verstecken muß. Die billigen Attacken, denen Rau in den letzten Jahren ausgesetzt war, gegen die er sogar von der FDP verteidigt wurde, hat er nicht verdient. Sie werfen jedoch ein bezeichnendes Licht auf TEILE der Union. Für die Beschädigung des höchsten Amtes der BRD und des christlichen Wertmaßstäben verpflichteten, ZUTIEFST MENSCHLICHEN MENSCHEN Johannes Rau fehlt mir JEDES Verständnis.
Unabhängig davon kann man natürlich die Frage nach der Nachfolge Raus stellen. Sowohl Jutta Limbach wie auch Richard Schroeder wären eine gute Wahl. Vogel gehört zwar zu den (nicht sehr zahlreichen) Unionspolitikern, die ich schätze, wäre aber nicht meine erste Wahl. Wolfgang Schäuble möchte ich nicht als Bundespräsidenten.
Grundsätzlich: Es wird mal Zeit für eine Präsidentin.
 Link zu diesem Beitrag

Stephan Glutsch
Veröffentlicht am Samstag, 14. September 2002 - 21:46 Uhr:   

Rau war in NRW gegen eine Regierungsbeteiligung der Grünen. Also einen Pluspunkt hat er bei mir. Man könnte auch ganz auf einen Bundespräsidenten verzichten bzw. die Präsidiale Republik einführen.
 Link zu diesem Beitrag

Cram
Veröffentlicht am Samstag, 14. September 2002 - 23:07 Uhr:   

Ich würde der CDU empfehlen Frau Dagmar Schimpanski wieder zu nominieren.
 Link zu diesem Beitrag

Eike
Veröffentlicht am Samstag, 14. September 2002 - 23:17 Uhr:   

@Stephan: Meinst du damit ein Präsidialsystem oder die Übernahme der Befugnisse des Bundespräsidenten durch den Kanzler? Bei Zweiterem hätten wir eventuell Übereinstimmung.

Wollen wir nicht einfach zumindest mal ein Jahr warten (bis Herbst 2003)? Vielleicht stirbt Rau in der Zwischenzeit (damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich wünsche es ihm definitiv NICHT), vielleicht gibt es Bundestagsneuwahlen; auch die Landtage in Hessen, Niedersachsen und Bayern werden neu gewählt. Es ist noch so viel Zeit.
 Link zu diesem Beitrag

Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Samstag, 21. September 2002 - 23:03 Uhr:   

Es will mir scheinen, als ob der Umstand, dass der Bundestag an der Wahl des Bundespräsidenten mitwirkt, nicht den Ausschlag für das Wahlverhalten geben sollte. In erster Linie sollte die Frage gestellt werden, wer als Mitglied des Bundestages taugliche Arbeit leisten dürfte. Gesichtspunkte wie vertrauenswürdigkeit, politische Haltung u. dgl. sollten mehr Gewicht erhalten als die Aussicht, dass das Parlament einen Bundespräsidenten (mit-) zu wählen haben wird.
Es gehört zur Natur von Parlamenten, dass sie auch Wahlen vornehmen. In manchen Ländern wählt das Parlament die Regierung und das Staatsoberhaupt. Dazu mag man stehen, wie man will. Ein allgemeingültiges Rezept gibt es wohl nicht.
Viele Länder kennen die Volkswahl des Staatsoberhauptes. In manchen entscheidet aber das Parlament, wer gewählt wird, falls bei der Volkswahl keine Mehrheit zustande kommt. In andern Ländern wählt das Parlament allein oder in besonderer Zusammensetzung das Staatsoberhaupt.
Meistens haben vom Volk gewählte Präsidenten mehr Rechte, sind öfters zugleich auch Regierungschefs (wie in den USA). Die nur vom Parlament gewählten Präsidenten üben meist nur formelle und repräsentative Aufgaben aus.
Ja, eine Ordnung wie gegenwärtig in Israel, wo der Regierungschef vom Volk, die Regierung und der Staatspräsident jedoch vom Parlament bestellt werden, ist ebenso möglich. Die Überlegung dabei war, dass der Regierungschef politisch wichtiger ist und daher am besten vom Volk selbst ausgelesen werde. (Die Abschaffung der Volkswahl ist allerdings geplant.)
Deutlich mehr Gewicht sollte auf der Tatsache liegen, dass der Bundestag allein (also auch ohne den Bundesrat) den Regierungschef (Bundeskanzler) wählt, der durch seine Richtlinienkompetenz und durch den Vorschlag der Regierungsmitglieder die zentrale Figur der Politik ist.
Eine andere Frage ist jene, ob es neben einer parlamentarischen Regierung mit einem Bundeskanzler als Leitfigur einen Staatspräsidenten überhaupt noch brauche. Ich meine, dass es durchaus von Vorteil sein kann, wenn neben der Bundesregierung ein weiteres Organ die Regierungsakte gegenzeichnen und mindestens minimal in formeller und materieller Hinsicht prüfen muss. In Krisenzeiten kann diese Aufgabe sogar sehr wichtig werden. Wenn etwa der Bundeskanzler allein (oder mit seiner von ihm abhängigen Regierung zusammen) den Gesetzgebungsnotstand ausrufen könnte, wäre eine Bremse weniger gegen möglichen Missbrauch gegeben. Solange erst der Bundespräsident von dieser Massnahme überzeugt werden muss, ist eine gewisse minimale Kontrolle garantiert.
Anderseits sind die Kompetenzen des Bundespräsidenten so gering, dass seine gänzliche Entfernung aus dem System wohl kaum ins Gewicht fallen würden. Eine andere Aufteilung der Kompetenzen würde sich allerdings dann aufdrängen, einmal abgesehen davon, dass auch der Bundestagspräsident eine Reihe nicht unwesentlicher Kompetenzen besitzt, die dann vielleicht sinnvollerweise an ein Verwaltungsgericht delegiert würden.
Einen Staatspräsidenten braucht ein Land vielleicht auch gar nicht. Die Schweiz kennt kein Staatsoberhaupt und hat nie eines gekannt (unter dem System der alten Eidgenossenschaft gab es nur die Tagsatzung, später wurde nie ein formelles Oberhaupt bestimmt). Gleichwohl lässt sich nicht behaupten, dass die Schweiz deswegen weniger stabil wäre, deutlich schlechter regiert würde o. dgl.
Historisch betrachtet setzen Staatspräsidenten im wesentlichen die ehemaligen monarchischen Staatsoberhäupter (Kaiser, Könige, Fürsten, Herzöge) fort. Sie sind gleichsam die durch gewählte Beamte ersetzten Überbleibsel jener Staatsformen. Diese sind heute weitgehend wohl überflüssig geworden, soweit sie nicht eigentliche Regierungschefs sind. Eine Reihe von Prärogativen der Staatsoberhäupter deutet auf diese Herkunft auch noch hin: So besitzen fast alle das Begnadigungsrecht, schliessen Verträge mit dem Ausland ab, beglaubigen Gesandte, verleihen Orden, nehmen Ernennungen vor - alles Rechte, die unmittelbar auf die ehemaligen Monarchen verweisen, auch wenn dies bei den gewählten Staatsoberhäuptern im allgemeinen nur noch formelle Rechte sind, die einen vorausgehenden Beschluss eines andern Organs voraussetzen oder wenigstens deren Mitwirkung erforderlich ist.
Die Beseitigung dieser formellen Staatsoberhäupter, die bisweilen eher den Charakter von Staatspensionären tragen, wäre wohl nicht sehr schlimm. Anders sieht es bei der Stellung der Regierungschefs aus. Ein Regierungschef, der sämtliche Rechte eines Staatspräsidenten erben würde und zugleich noch Mitglied des Parlamentes sein dürfte, von dem er eingesetzt wurde, wäre meines Erachtens unter demokratischen Gesichtspunkten bedenklich. Ein solcher Machtzuwachs durch Übernahme von Präsidialrechten müsste m. E. mindestens dadurch ausgeglichen werden, dass Regierungsmitglieder nicht dem Parlament angehören können oder dass wenigstens ihre Rechte als Parlamentarier während ihrer Regierungstätigkeit sistiert wären.
Um zum eingangs angesprochenen Problem zurückzukehren, so wäre es sauber nur dadurch zu lösen, dass die Volkswahl des Präsidenten eingeführt oder dieser Posten gänzlich gestrichen würde. Dennoch bliebe das Problem in anderer Form bestehen: Solange ein Parlament irgendeine Wahl vorzunehmen hat, besteht immer die Möglichkeit, dass es eine andere Person wählt, als die Mehrheit des Volkes wählen würde. Dies liesse sich nur durch konsequente Volkswahl zumindest aller wesentlicher Posten lösen, was aber bei zunehmender Anzahl und Differenzierung der staatlichen Stellen problematisch wird. Immerhin lässt sich aber sagen, dass dann, wenn die Wahl des Staatsoberhauptes problematisch erscheint, auch die Wahl des Regierungschefs problematisch erscheinen kann: Wer ein guter Parlamentarier ist, braucht nicht unbedingt auch eine gute Nase bei der Wahl von Personen zu haben. Denn wer gut Gesetze redigieren kann, muss nicht unbedingt auch ein Gefühl für Menschen haben, nach meiner Erfahrung schliesst sich dies oft sogar gegenseitig aus. Dann müssen die Wählenden aber entscheiden, ob sie Parlamentarier wählen wollen, die in erster Linie gut in Gesetzgebung sind, oder ob sie solche wählen wollen, die in erster Linie gute Personalentscheidungen treffen können. Da wäre es dann sachgerechter, Parlament und Regierung je getrennt vom Volk wählen zu lassen.
So weit wollten die Väter des Grundgesetzes allerdings nicht gehen. Sie hatten nach den Erfahrungen der Weimarer Republik kein sonderliches Vertrauen in allzuviele Volkswahlen und schon gar keines in Volksabstimmungen. Ob dies begründet sei oder nicht, bleibe offen. Wenn man zwar die Wahl des Parlamentes durchs Volk vornehmen lässt, ihm ansonsten aber misstraut, wie hoch ist dann die Chance zu veranschlagen, dass das Volk die richtigen Parlamentarier auswählt? Das ist in der Tat eine offene, nicht zu beantwortende Frage. In einem Volk gibt es immer sehr verschiedene Charaktere, Fähigkeiten, Träume und Illusionen neben knallhartem Realismus oder gar Zynismus, und die grosse Zahl lässt immerhin hoffen, dass sich diese alle zu einem einigermassen gesunden Durchschnitt ausgleichen.
Die radikale Gegenposition dazu bildet natürlich die Diktatur, die auf eine Abstützung im Volk verzichtet. Eine andere Gegenposition findet sich an zwei auf den ersten Blick erstaunlich verschiedenen Orten: Im Kommunismus und im politischen Katholizismus. In beiden wurde eine Staatsform propagiert, die direkte Wahlen ausser auf der untersten Ebene ausschloss und die Wahl der jeweils nächsthöheren Instanz durch die Organe der unteren vornehmen liess.
Beide Systeme bilden dabei eine Pyramide: Im kommunistischen Rätesystem stehen auf der untersten Ebene Arbeiterräte, die von der Belegschaft eines Betriebes gewählt werden, bzw. Bauernräten in einer Genossenschaft, evtl. auch Dorfräte (in denen jene vertreten sind, die nicht Arbeiter oder Bauern sind, teilweise auch Studentenräte u. dgl.). Diese Räte wählen aus ihren Reihen Abgeordnete in den Rat der Region, die Räte der Regionen wählen aus ihren Reihen Abgeordnete in die Provnzräte usw. bis hin zum obersten Sowjet. Die Wahl auf der untersten Ebene schliesst somit alle höheren Ebenen indirekt mit ein.
Im sog. korporatistischen oder berufsständischen Modell der katholischen Soziallehre werden ebenfalls lokale Vertretungen gewählt, und zwar in Korporationen, die im wesentlichen Berufsverbänden entsprechen, also die Unternehmer, die Fabrikarbeiter, die Landarbeiter, die Bauern, die Lehrer, die Rektoren, usw. Deren Vertretungen wählen wiederum Vertreter auf regionaler und diese auf nationaler Ebene, wo sich dann ein so indirekt gewähltes Parlament bildet, das durch seine berufsständische Zusammensetzung einen Querschnitt durch alle Bevölkerungsgruppen bilden sollte (was bei frei gewählten Parlamenten nicht unbedingt der Fall ist).
In der praktischen Verwirklichung beider Modelle hat man das pyramidale System der indirekten Wahl nicht immer angewandt, sondern die Korporationen haben z. B. gleichzeitig lokale, regionale, provinziale und nationale Abgeordnete je separat gewählt u. dgl.
Ein gewisser Überrest des korporatistischen Modells war in Deutschland der bayrische Senat, der von "gesellschaftlichen Gruppen" gewählt wurde, die je für sich ihre Vertreter bestimmten. Inzwischen wurde er durch Volksentscheid jedoch geschlossen, da er ohnehin keine wirklichen Rechte besass und daher als eine Art Staatspension verschrien war.
Ich muss als Demokrat, Liberaler und Protestand gleichwohl eingestehen, dass das korporatistische Modell der katholischen Soziallehre einige Vorzüge aufweist, bei allen Nachteilen und Problemen, die ich darin erkenne. Ich möchte diese Vorteile kurz erwähnen: Konsequent angewandt, garantiert es immerhin eine ausgeglichene Vertretung aller gesellschaftlicher Gruppen, was bei "freien" Wahlen evident nicht der Fall ist. Es mag auch zutreffen, dass Wählende, die aus ihrem engeren Gesichtskreis der Arbeitskollegen, Studienkollegen, Nachbarschaft o. dgl. Personen auszuwählen haben, kompetenter wählen können, als wenn sie Leute "frei" zu wählen haben, die sie eigentlich kaum kennen oder nur aus dem Fernsehen (und sie somit eigentlich NICHT kennen). Somit ist das Modell mindestens theoretisch vielleicht sogar besser in der Lage, die gesellschaftliche Realität in einer Institution abzubilden, als dies eine "freie" Wahl bewirken kann. In allem übrigen aber hat das Modell nur Nachteile und zwar auch teilweise m. E. höchst schwerwiegende. Ich erwähne es hier aber deshalb, weil eine indirekte Wahl auch gewisse Vorteile bieten kann.
Es gibt schliesslich noch ein weiteres Modell, das statistisch betrachtet die besten Chancen bietet, auf Dauer eine ausgewogene Vertretung aller gesellschaftlicher Gruppen zu garantieren, das allen zudem gleiche Erfolgsaussichten bietet und erst noch billig ist. Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine Wahl, sondern um Auslosung. Man beachte: Wird eine Umfrage unter tausend zufällig ausgewählten Leuten geführt, so gilt sie als repräsentativ. Ein zufällig gewähltes Parlament gleicher Grösse müsste ebenso repräsentativ sein.

Wie man sich nun zu allen diesen Systemen und Modellen stellt, ein Punkt dürfte dabei klar sein: Es gibt kein politisch neutrales Wahlsystem. Ausnahmslos jedes setzt bestimmte politische, weltanschauliche Grundentscheidungen voraus. Je nach dem, welche Kriterien man wie gewichtet, wird man andere Voraussetzungen für ein Wahlsystem schaffen.
 Link zu diesem Beitrag

Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 11:57 Uhr:   

Die neue Mehrheit für die Bundesversammlung sieht nicht so gut aus für Rau.
Rot/grün hat die eigene Mehrheit verloren und kommt etwa 570 Stimmen. Schwarz/gelb bekommt wohl 590 Stimmen zusammen, die PDS 30 Stimmen.

Wobei ich das nur über den Daumen peilen konnte, die exakte Zuteilung der Länderstimmen muß noch nach der neuen Bundestagsgröße bestimmt werden.

Aber weder dadurch noch durch die Landtagswahlen bis zur nächsten BuPrä-Wahl sind grundlegende Änderungen zu erwarten.

Entweder gehen rot/grün mit der PDS zusammen (halte ich unwahrscheinlich, bei Rau für ausgeschlossen), oder aber im dritten Wahlgang reicht die relative Mehrheit der Opposition.
 Link zu diesem Beitrag

Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 18:35 Uhr:   

Die voraussichtliche Zusammensetzung der Bundesversammlung
Deutsche
in Tsd.
31.12.1999 Vertreter Sonstige

Gesamt 1206 488 521 87 75 32 3
Bundestag 603 251 248 55 47 2 0
Länder 74 800 603 237 273 32 28 30 3
Schleswig-Holstein 2 626 21 11 8 1 1 - SSW: 0
Mecklenburg-Vorpommern 1 757 14 7 5 - - 2 -
Hamburg 1 443 11 5 3 1 0 - Schill: 2
Niedersachsen 7 371 60 32 24 4 - - -
Bremen 562 4 2 2 0 - - DVU: 0
Brandenburg 2 540 20 8 6 - - 5 DVU: 1
Sachsen-Anhalt 2 605 21 5 9 - 3 4
Berlin 2 953 24 8 6 2 2 6 -
Nordrhein-Westfalen 15 955 130 58 50 9 13 - -
Sachsen 4 355 35 4 22 - - 9 -
Hessen 5 321 43 18 20 3 2 - -
Thüringen 2 407 19 4 11 - - 4 -
Rheinland-Pfalz 3 719 30 15 12 1 2 - -
Bayern 11 032 89 29 54 6 - - -
Baden-Württemberg 9 171 74 27 37 5 5 - -
Saarland 983 8 4 4 - - - -
 Link zu diesem Beitrag

Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 19:04 Uhr:   

Damit ergeben sich laut http://www.election.de/ folgende Mehrheitsverhältnisse:

SPD: 488 Sitze
Grüne: 87 Sitze
PDS: 32 Sitze
Zusammen: 607 Sitze

Union: 521 Sitze
FDP: 75 Sitze
Sonstige 3 Sitze
Zusammen: 509 Sitze

Bundesversammlung: 1206 Sitze
davon Bundestag: 603 Sitze
Länderparlamente: 603 Sitze

Im Gegensatz zur Meldung der "Offenbach-Post" von heute existiert keine schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung, sondern eine (wenn auch knappe) rot-grün-rote Mehrheit, die natürlich durch die noch ausstehenden Landtagswahlen gefährdet sein kann.
 Link zu diesem Beitrag

Bimm
Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 20:06 Uhr:   

...wahrscheinlich aber ausgebaut wird.
 Link zu diesem Beitrag

Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 28. September 2002 - 13:02 Uhr:   

Bei meiner Rechnung hat sich - wie Ihr seht - ein Tippfehler eingeschlichen:
607 Mandate von rot-grün-rot stehen 599 Mandaten von Union, FDP und Sonstigen gegenüber.

Admin Admin Logout Logout   Vorige Seite Vorige Seite Nächste Seite Nächste Seite