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Wahlprüfungsgericht Hessen

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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 18. Februar 2000 - 17:36 Uhr:   

In Hessen gibt es jetzt die ungewöhnliche Situation, daß eine bereits anerkannte Wahl noch einmal vom Wahlgericht geprüft werden soll.
Grund: Die CDU hat im Wahlkampf Mittel eingesetzt, von denen sich inzwischen herausgestellt hat, daß sie nicht dem Parteiengesetz entsprechend verbucht und gemeldet wurden.
Wie muß das Wahlgericht dies nun werten?

In einer Diskussion mit einem Juristen gestern sind wir zu folgendem Schluß gekommen:
Es ist anzunehmen, daß ohne die eingesetzten Mittel (etwa eine Million) die Wahl anders hätte ausgehen können.
D.h. wenn die CDU nicht über dieses Geld verfügt hätte, hätte sie vielleicht nicht gewonnen.

Aber: Wie sich inzwischen herausgestellt hat, war das Geld auf den Schweizer Konten durchaus CDU-Eigentum (das muß sie notfalls noch dem Gericht beweisen). D.h. es müßte nachgewiesen werden, daß die falsche Behandlung der Million im Rechenschaftsbericht die Wahl beeinflußt hat.
Das kann man aber wohl verneinen - wahrscheinlich haben keine 10 Wähler in Hessen den CDU-Rechenschaftsbericht je zur Kenntnis genommen.

Folgerung: Wenn das CDU-Eigentum an den Geldern klar ist, ist der Verstoß gegen das Parteiengesetz für die Wahl selber nicht relevant. Das Wahlgericht müßte also die Wahl als weiterhin gültig anerkennen.

Wie wird diese Einschätzung beurteilt?
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Freitag, 31. März 2000 - 17:16 Uhr:   

Würde es sich nicht um einen Fall in Hessen handeln, sondern in irgendeinem der 15 anderen Bundesländer, dann würde ich Deine Einschätzung ohne weiteres teilen.

Doch in Hessen haben wir nun einmal die besondere (und alles andere als nachahmenswerte) Situation, daß ein Wahlprüfungsgericht (überdies von zweifelhaft konzipierter Zusammensetzung) die Entscheidung über Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl auf Grundlage einer extrem dehnbaren Gummivorschrift ("die guten Sitten") zu fällen hat.

Nun hat das Gericht bekanntlich bereits entschieden, daß seiner Meinung nach sehr wohl Sittenwidrigkeit vorliegt; es geht jetzt nur noch darum, ob der Einsatz der nicht deklarierten Gelder auch das Wahlergebnis beeinflußt. Und wie Du ja auch, neige ich hier dazu, diese Frage zu bejahen. Aber dies wird jetzt erst einmal der Berichterstatter ermitteln müssen. Heute habe ich gelesen, der Vorsitzende des Wahlprüfungsberichts wäre froh, wenn die Sache "bis Ende nächsten Jahres" abgeschlossen ist. Bei aller Liebe - das finde
ich dann aber doch arg übertrieben.

Ob die Vorentscheidung des Gerichts, also die Bejahung der Sittenwidrigkeit, richtig ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Zum einen müßte man dazu wissen, was sich die Verfassungsväter damals
dabei gedacht haben, als sie sich diese Bestimmung ausgedacht haben. Zum anderen fällt es mir ohnehin schwer, mir bei so einer unbestimmten Vorschrift, in die man alles und nichts hineinlesen kann, eine feste Meinung zu bilden.

Sagen kann ich nur:

1. Ich finde es befremdlich, daß das Wahlprüfungsgericht die doch höchst entscheidungserhebliche Frage der Sittenwidrigkeit bereits vor Wiedereintritt in die eigentliche Wahlprüfung endgültig (?) entschieden hat. Schließlich sieht das Hessische Wahlprüfungsgericht vor, daß über die Gültigkeit der Wahl nach öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden werden muß. Auch die Frage der Sittenwidrigkeit hätte m.E. mündlich verhandelt werden müssen und nicht vorab im stillen Kämmerlein entschieden werden dürfen.

2. Die zwar nicht völlig unberechtigten, aber doch reichlich verzweifelten Versuche der Koalition, sowohl gegen besagte Vorentscheidung als auch gegen die Zusammensatzung des Gerichts vorzugehen, legen den Schluß nahe, daß eine Ungültigerklärung der Wahl wahrscheinlich sein dürfte.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 06. April 2000 - 14:18 Uhr:   

Lieber Wilko,

erst einmal vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Alles in allem kein sehr beglückender Vorgang.

> Ich finde es befremdlich, daß das
> Wahlprüfungsgericht die doch höchst
> entscheidungserhebliche Frage der
> Sittenwidrigkeit bereits vor Wiedereintritt in
> die eigentliche Wahlprüfung endgültig (?)
> entschieden hat.
Noch viel befremdlicher finde ich, daß nur dieser Beschluß veröffentlicht wurde (bei ansonsten geheimer Verhandlung) - und zwar genau am Vortag des F.D.P.-Sonderparteitags.

Da ist eine gewisse parteipolitische Absicht der beiden Berufsrichter im Gremium leider zu vermuten.

Eigentlich hoffe ich immer noch, daß diese Beiden in der Sache selber rein als Juristen urteilen und ihre politischen Präferenzen dabei zurückstellen. Immerhin geht es ja auch um ihre professionelle Reputation unter den Kollegen.

Die merkwürdige Ankündigung einer so langen Prozeßdauer läßt mich da aber zweifeln.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Donnerstag, 06. April 2000 - 14:34 Uhr:   

Wenn ich mich recht entsinne, stand der Termin der Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts schon fest, bevor die F.D.P. ihren Parteitag kurzfristig einberufen hat. Daß das Gericht die Öffentlichkeit über die getroffenen Beschlüsse sofort informiert und nicht noch den Parteitag abgewartet hat, ist glaube ich völlig in Ordnung.

Daß nur dieser eine Beschluß veröffentlicht wurde, dürfte daran liegen, daß es der einzige getroffene Beschluß war (abgesehen von der Entscheidung, den Berichterstatter mit der Untersuchung zu beauftragen, ob die festgestellte Sittenwidrigkeit mandatserheblich war). Es ist allgemein üblich, daß Gerichte nur ihre Beschlüsse bekanntgeben, nicht aber Details zum Ablauf der Verhandlungen.

Es ist prozeßökonomisch an sich auch nachvollziehbar, zunächst darüber vorentscheiden, ob überhaupt ein Wahlfehler vorgelegen hat, damit man sich im weiteren Verfahren auf die Mandatserheblichkeit konzentrieren kann, um nicht den Faden zu verlieren. Aber dann hätte man halt zwei öffentliche Verhandlungstage anberaumen müssen.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Sonntag, 23. Juli 2000 - 01:16 Uhr:   

Was haltet ihr eigentlich von den jüngsten Beschlüssen zur Befangenheit von Richtern in dieser Wahlprüfungssache Hessen?

Ich finde das ziemlich befremdlich.

Auf die Idee, aktiv in den Hessischen Landtagswahlkampf einzugreifen, obwohl man ganz genau weiß, daß man nach dem Wahltag als Vorsitzender des Wahlprüfungsgerichts agieren wird, muß man erst einmal kommen.

Und daß der Jentsch ein finanzielles Interesse daran hat, daß sein Sozius Kanther mit einer möglichst weißen Wäsche aus der Sache herauskommt - soweit das überhaupt noch möglich ist - liegt doch auch auf der Hand.

Von daher ist in beiden Fällen m. E. ganz eindeutig die Besorgnis (!) der Befangenheit (ob sie wirklich befangen sind, ist irrelevant) gegeben.

Schade. Gerade bei einem so hochbrisanten Fall wäre es wichtig gewesen, daß ein größtmögliches Vertrauen in die Unparteilichkeit der entscheidenden Gerichte besteht. Das ist nun leider nicht mehr gegeben - egal wie die Verfahren ausgehen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 21. August 2002 - 19:52 Uhr:   

Zu diesem Thread - ich sprach im anderen Zusammenhang davon, dass ich die de-facto-Entmachtung des Hessischen Wahlprüfungsgerichtes durch das BVerfG durchaus begrüsse und richtig finde, folgende Zusammenfassung einer juristischen Vorlesung an der FU Berlin, die ich unter www.google.de fand: Der Link selber findet sich unter: http://userpage.fu-berlin.de/~teampages/GK100_01/090201.htm

Einschub aus aktuellem Anlass: Hessisches Wahlprüfungsgericht
Am 7. Februar 2001 entschied das BVerfG über die Klage der hessischen Landesregierung gegen das hessische Wahlprüfungsgericht (Urteil des BVerfG (BVerfG, 2 BvF 1/00 vom 8.2.2001, Absatz-Nr. (1 - 123), http://www.bverfg.de/). Diese hatte im Zuge eines abstrakten Normkontrollverfahrens die Überprüfung der der Einrichtung des Wahlprüfungsgerichtes zugrundeliegenden Normen der hessischen Landesverfassung (Art. 78 II Hessische Landesverfassung) sowie des hessischen Wahlprüfungsgesetzes erwirkt.

Sie wies zur Begründung darauf hin, dass im Artikel 92 GG festgelegt ist, dass die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut sei. Da das hessische Wahlprüfungsgericht neben zwei Richtern auch aus drei Abgeordneten des hessischen Landtages besteht, verstieße dieses wegen seiner Zusammensetzung, und da es im Zuge der Wahlprüfung Recht zu sprechen habe gegen den Art. 92 GG.

Das Urteil des BVerfG veränderte durch die Aufhebung einer Rechtsnorm (§ 17 des Wahlprüfungsgesetzes) und Neuregelung dieses Bereichs dass Verfahren dahingehend, dass gegen die Entscheidung des hessischen Wahlprüfungsgerichtes innerhalb eines Monats beim hessischen Staatsgerichtshof Beschwerde eingelegt werden kann. Die vorher zwingende Rechtsfolge einer Landtagsauflösung bei Feststellung von Unregelmäßigkeiten wurde also aufgehoben, das Gericht in seinem Bestand aber bestätigt.

Das BVerfG hat hier eine bestimmte Frist festgelegt und damit die entstandene Lücke des § 17 wieder gefüllt. Es ist also gesetzgeberisch tätig geworden. Diese Kompetenz folgt aus § 35 BVerfGG (Vollstreckungskompetenz). Das BVerfG hat noch eine weitere „Gesetzgebungskompetenz“ und zwar aus § 32 BVerfGG, und zwar im Wege der „ Einstweiligen Anordnung“. Diese Kompetenzen des BVerfG sind problematisch im Bereich des Strafrechtes, da hier ein sehr strenges Bestimmtheitsgebot besteht.

Das Bestimmtheitsgebot der Verfassung kommt aus Art. 20 III GG (Bindung der Staatsgewalten). Die Bevölkerung wird durch die Grundrechte und Art. 20 GG gebunden, und zwar sind die Funktionsverteilungen des Art. 20 GG sinnlos, wenn der Vollmachtgeber nicht an das Recht gebunden ist.

Zitatende.

Ich glaube - so sehr ich mich auch persönlich über Roland Koch und die Schwarzgeldaffaire ärgere - dass das - im übrigen einstimmig ergangene - Urteil des BVerfG zu diesem Thema schlüssig ist. Wichtig ist, dass nicht das Wahlprüfungsgericht, dem ja drei Abgeordnete von CDU, SPD und FDP angehören (keine Grünen) und die beiden höchsten Richter des Landes, lediglich eine Vorprüfung über die Gültigkeit einer Wahl abgeben können. Hiergegen kann Einspruch beim Hessischen Staatsgerichtshof eingelegt werden. Dieser - ein reines Richtergremium - entscheidet dann in letzter Instanz. Diese Regelung halte ich für richtig. Über die andere Frage des Urteils, ob das Betreiben des Wahlkampfes aus Schwarzgeldern ausreicht, eine Wahl zu annullieren (dies hat das BVerfG einstimmig verneint), kann man sicherlich geteilter Meinung sein, wobei ich auch hierbei die Gründe des BVerfG nachvollziehen kann - das Weiterbestehen der Volksvertretung muss - so das BVerfG - "unerträglich" sein. Ich dachte, ich bringe mal diesen Kommentar der FU Berlin, dann weiß jeder den "neuesten" Stand in dieser Angelegenheit.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 21. August 2002 - 20:14 Uhr:   

Hier nochmals der Link zum Nachlesen (ich hatte ihn per Hand eingelesen, da gab es Probleme)

http://userpage.fu-berlin.de/~teampest/GK100_01/090201.htm
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Fragender
Veröffentlicht am Sonntag, 01. August 2004 - 21:03 Uhr:   

@ Bernhard Nowak

Sowohl das Hessische Wahlprüfungsgericht als auch der Hessische Staatsgerichtshof sind nach politischen Motiven ausgesucht, also wo liegt der Unterschied. Schwarz-Rot hat die Mehrheit, also wird ein bißchen rumgeplustert, um den Schein zu wahren und in Wahrheit hat man sich schon längst geeinigt und die Wahrheit fällt hinten 'runter.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 02. August 2004 - 18:12 Uhr:   

@Fragender:Dann hätte das Hessische Wahlprüfungsgericht wohl anders entschieden, wenn es wirklich so wäre, wie Du sagst. Das ist doch - gelinde gesagt - dummes Zeug
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kai
Veröffentlicht am Dienstag, 03. August 2004 - 11:54 Uhr:   

Das Hessische Wahlprüfungsgericht ist zusammengesetzt aus den beiden höchsten Richtern des Landes (Präsident des OLG und des VGH) sowie drei vom Landtag gewählten Abgeordneten (damals je ein Mitglied von CDU, SPD und Grünen). Der Staatsgerichtshof besteht aus 11 Richtern, von denen 6 für die Wahlperiode des Landtages und 5 für jeweils 7 Jahre gewählt sind.

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