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Archiv bis 02. Juli 2019

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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 27. Mai 2019 - 20:52 Uhr:   

Kurzkommentar zu den Ergebnissen der wichtigsten Parteien:

Union: Erstmals überhaupt bundesweit unter 30% und schuld ist natürlich ist die Kanzlerin schuld, nicht die angeblich nach rechts gerückte Junge Union und auch kein maßlos hochgejubelter Youtuber, all diese dummen Ausreden sind sehr durchschaubar. Wofür die Union steht, ist seit langem nicht erkennbar, das bürgerliche Lager hat Merkel gekonnt zertrümmert. Nur die immer noch große Zahl von Stammwählern bewahrt die CDU vor dem großen Absturz. Die CSU hat sich dagegen wieder gefangen, sie war aber zuvor wesentlich stärker eingebrochen als die CDU.

Grüne: Die Lieblingspartei der Medien, die permanent grünen Alarmismus mitschüren. Das wichtigste Propagandamittel war schon immer, den Quatsch möglichst oft zu widerholen, allein dadurch glauben es viele, hat schon Napoleon erkannt. Und so kann man eine 15-jährige Schulschwänzerin zur Prophetin machen, für die sich normalerweise keine Sau interessieren würde. Besonders wirksam dürfte das jetzt wegen der relativen Armut an anderen Themen sein. Die Gewinne der Grünen sind hauptsächlich Umverteilung im "linken Lager", R2G hat sogar einen leicht niedrigeren Stimmenanteil als 2014. Die Grünen gewinnen sehr stark z. B. in NRW, während sie u. a. in Bayern und Sachsen relativ wenig zulegten. Da gab es ja auch bei der SPD nicht so viel zu holen.

SPD: Sozialdemokratische Parteien sind überall in Europa seit längerer Zeit auf dem Rückzug und ein Auslaufmodell. Sie alle laufen mehr oder weniger den Grünen hinterher und entfremden sich damit von ihrer Stammklientel, die auch mit Juso-Bolschewisten nichts anfangen kann. Man sehe sich nur die Ergebnisse in Ruhrgebietsstädten an: Dortmund 22,9% (-16,4), Duisburg 24,5% (-15,8), Gelsenkirchen 25,7% (-20,5!). In der Opposition kann die SPD wieder etwas hochkommen, aber als gemäßigte Variante der Grünen mit einigen treuen aber wegsterbenden Stammwählern ist langfristig der Untergang programmiert.

AfD: Während sie bei der Bundestagswahl von einer günstigen Themenlage profitierte ist das jetzt weniger der Fall. Sie ist realistischerweise auch kaum in der Lage, selbst Themen zu setzen. Außerdem ist eine Partei, die stark von Protest lebt, stärker als andere auf hohe Wahlbeteiligung angewiesen. Die war diesmal zwar sehr gut für eine Europawahl, aber immer noch deutlich niedriger als bei Bundestagswahlen. Für die Partei ist das Ergebnis sicher enttäuschend, aber eine Niederlage kann man es auch nicht nennen. Solange die AfD die einzig relevante Partei rechts der Mitte ist, dürfte allein das schon dauerhaft Ergebnisse klar über 5% sichern, wenn sie sich nicht total zerlegt.

FDP: Ist relativ wenig aufgefallen die letzten Monate, was vor allem an einer mangelnden Botschaft liegt. Man denke z. B. an die verschwurbelte Quotendiskussion beim letzten Parteitag. Sowohl-als-auch-Palaver oder Alibigerede von Digitalisierung, um nirgendwo anzuecken, statt liberalen Botschaften sind typisch für die Lindner-FDP. Das kann für ein gutes Ergebnis reichen, wenn die Union gerade besonders intensiv Wähler vertreibt, ist aber keine längerfristige Erfolgsstrategie.

Linkspartei: Wie die FDP wenig aufgefallen, außer durch die Kaltstellung von Sahra Wagenknecht und die war ein Fehler. Sie war in der Lage, auch Wähler außerhalb des linksgrünen Milieus anzusprechen. Das ist nicht der Fall bei den zunehmend dominierenden totalen Irren wie Katja Kipping, die selbst ohne Drogen reden, wie auf einem Trip. Mit solchen Leuten entfremdet man sich von den Stammwählern im Osten, wo die Linkspartei auch schwer verlor. Es war auch bei vergangenen Wahlen zu beobachten, dass die Linkspartei-Wähler denen der Grünen immer ähnlicher werden. Das kann Erfolg haben, wenn die Grünen regieren, das tun sie aber z. Z. nicht, während man andere Wähler abschreckt.
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Mark Tröger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 27. Mai 2019 - 20:56 Uhr:   

Ich glaube die ARD gibt getrennte Zahlen für CDU und CSU seit 2009 an, allerdings normalerweise mit beiden Balken übereinander gestapelt. Gestern ist man davon abgewichen, um zu verdeutlichen, dass die CDU verloren, die CSU aber gewonnen hat. Die Gewinne und Verluste werden ja seit geraumer Zeit nur noch unter den Balken mit den absoluten Zahlen angegeben. Früher war auch das mal anders mit einer eigenen Grafik für die Gewinne und Verluste.
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Mark Tröger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 27. Mai 2019 - 21:42 Uhr:   

@Thomas Frings
"Sozialdemokratische Parteien sind überall in Europa seit längerer Zeit auf dem Rückzug und ein Auslaufmodell. Sie alle laufen mehr oder weniger den Grünen hinterher und entfremden sich damit von ihrer Stammklientel"

Ja, ich denke, Volksparteien sind insgesamt ein Auslaufmodell. Das Prinzip einer Volkspartei ist, unterschiedliche Strömungen und Ideologien zusammenzuführen. Früher konnten die großen Parteien so kleinen Parteien die Themen wegnehmen und sie marginalisieren. Das versucht die SPD jetzt auch wieder. Nahles hat ja schon angekündigt, dass die Klimapolitik jetzt noch mehr in den Vordergrund gestellt werden soll wegen den Grünen. Strategisch ist das grundfalsch. Sie kann einer anderen Partei nicht das Thema wegnehmen, die bereits größer ist als sie selbst. Sie sollte stattdessen wieder ihre ureigenen Themen in den Vordergrund stellen, und auch wenn das Thema mal nicht so gefragt ist, muss man da durch, standhaft bleiben und Glaubwürdigkeit gewinnen. Aber "Volksparteien", die einfach nur noch verunsichert jeder durchs Dorf getriebenen Sau hinterherrennen werden nicht mehr gebraucht.

Nahles macht wirklich einen desolaten Eindruck. Auch die schon häufiger in der Form gehörte Aussage, sie sei sich mit Frau Kramp-Karrenbauer einig, dass beide Parteien wieder mehr Profil zeigen sollten, lässt tief blicken. Wenn man echte Überzeugungen hat, dann spricht man sich nicht mit dem politischen Gegner ab, ob man sie auch vertreten sollte. Wenn beide Parteien sich jetzt absprechen, sich durch radikalere Forderungen stärker zu profilieren, es aber von vorn herein klar ist, dass man sich eh wieder in der Mitte trifft, dann ist das nichts anderes als Volksverarsche.
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SaaleMAX
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 27. Mai 2019 - 22:03 Uhr:   

EU Vergleich der Spitzenreiter:
Wenn ich jetzt mal so alle EU Wahlergebnisse durchgehe, dann ist wohl Fidesz in Ungarn unter V.Orban mit 52% ein eindeutiger Wahlgewinner.
Da kann man wohl noch von Volkspartei sprechen!

...........................

Erstaunlich auch Schweden.
Die Grünen in Schweden versinken unter der Grasnarbe...trotz Greta Thunberg.....was hat das wohl zu bedeuten?!?!?
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zigzag
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 28. Mai 2019 - 14:29 Uhr:   

Ja, Fidesz ist ein eindeutig ein großer Wahlgewinner. Noch mehr Prozent erreichten die maltesischen Sozialdemokraten (Partit Laburista, PL) mit 54,29%
https://en.wikipedia.org/wiki/2019_European_Parliament_election_in_Malta#Results
https://electoral.gov.mt/ElectionResults/MEP

Die meisten Sitze im EP haben CDU/CSU (wenn man sie denn zusammen zählt) und die Brexit-Partei mit je 29 Sitzen, dicht gefolgt von der Lega mit 28.

Erstaunlich in Schweden ist meiner Meinung nach eher, dass die Grünen (MP) sich so gut geschlagen haben. Im September 2018 waren sie mit 4,4% nur relativ knapp wieder ins Parlament gekommen. Umfragen zur EU-Wahl sahen sie bei 9,3-10,7%. Geworden sind es 11,4% und 2 Sitze (Auszählung läuft noch). Auch wenn dies ein Minus von 3,8 Punkten bzw. 2 Sitzen ist, ist die Grasnarbe auch in Schweden wohl niedriger.
https://en.wikipedia.org/wiki/2019_European_Parliament_election_in_Sweden#Opinion_polls
https://data.val.se/val/ep2019/prelresultat/E/rike/index.html
https://data.val.se/val/ep2019/slutresultat/E/rike/index.html
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Mai 2019 - 00:18 Uhr:   

Endgültiges Ergebnis Niederlande: % (Sitze)
PvdA 19,01 (6)
VVD 14,64 (4)
CDA 12,18 (4)
FvD 10,96 (3)
GL 10,90 (3)
D66 7,09 (2)
CU-SGP 6,83 (2)
PvdD 4,02 (1)
50+ 3,91 (1)
PVV 3,53 (-)
SP 3,37 (-)
Volt 1,93 (-)
Denk 1,10 (-)
vandeRegio & Piratenpartij 0,19 (-)
De Groenen 0,17 (-)
Jezus Leeft 0,15 (-)

Wahlbet. 41,93%
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 30. Mai 2019 - 16:35 Uhr:   

@Mark Tröger,

nunja, um eine Mehrheitsregierung zu bilden muss man unterschiedliche Strömungen und Ideologien zusammenzuführen.

Das Modell der Volksparteien hat dies vereinfacht, weil sie bereits unterschiedliche Strömungen zumsammengebunden haben und so mit einer kleinen Partien (oder gelegentlich auch mal miteinander) relativ leicht eine Regierung bilden können.
Zerfällt des Wählerspektrum auf mehr Parteien wird die Regierungsbildung schwieriger. Am Ende müssen ja trotzdem Mehrheiten gesucht und gefunden zu werden, damit eine handlungsfähige Regierung entsteht.

Tendenziell werden die Volksparteien schwächer. Allerdings ist dies keine linearer Prozess. 2013 haben etwa die Volksparteien bei der Bundestagswahl deutlich zugelegt gegenüber 2009 (von zusammen 56,8% auf 67,2%).

Das ist immer noch weniger als zu Hochzeiten der Volksparteien in den 60er- und 70er-Jahren, aber doch schon wiederum mehr als 2005 oder 2009.

Im Jahr 2011 gab es zunächst nach Fukushima einen Hype bei den Grünen, kurze Zeit später gab es einen Hype um die Piraten (Ende 2011 und 2012) und 2013 schrammte die CDU/CSU knapp an der absoluten Mehrheit vorbei (aufgrund 15,7% Stimmen für Parteien die an der 5%-Hürde gescheitert sind - ein bislang bei Bundestagswahlen einmalig hoher Wert).

Bemerkenswert ist die Kurzlebigkeit dieser vergangenen Trends. Das dürfte für viele heutige Trends nicht anders sein.

Grundlegender ist die in den letzten Jahren in Folge der zunehmenden Globalisierung in den westlichen Gesellschaften entstandene neue Spaltung der Gesellschafen: die Spaltung zwischen den Anywheres und Somewheres.

Dies ist keine rein ökonomische Spaltung, sondern primär eine kulturelle Spaltung zwischen den Gruppen der Gesellschaft die eine zunehmende Globalisierung und Europäisierung inklusive starker Zuwanderung bejahen und denjenigen, die in der Entwicklung einen zunehmenden Kontrollverlust sehen (einschließlich eines Verlusts demokratischer Kontrolle über Grenzen und Wirtschaft) und daher für die Stärkung der Nationalstaaten eintreten (auf dieser Grundlage stimmte auch eine Mehrheit der Briten für den Brexit).

In Deutschland werden diese zwei Pole am ehesten durch die Grünen und die AfD vertreten, die daher beide an Bedeutung gewonnen haben. Die AfD seit 2016/17 durch die Flüchtlingskrise, die Grünen seit 2018/19. Der Aufstieg der Grünen erfolgte zu dem Zeitpunkt, als sie sich als Anti-AfD profilierten und zudem ihre Themen setzen konnten, insbesondere in der sogenannten Klimapolitik. War es bei der AfD die Flüchtlingskrise 2015/16, war es bei den Grünen der Jahrhundertsommer 2018 und der Hype um das sog. Klimathema, der danach folgte.

Alle übrigen Parteien sind in diesen Fragen zerrissen. CDU/CSU, SPD, FDP und Linke sind teilweise für internationale Vernetzung und teilweise dagegen. Während CDU/CSU, FDP und SPD die wirtschaftliche Globalisierung in unterschiedlichen Grade mittragen (am wenigsten noch die SPD), wollen alle drei Parteien zu großen Teilen doch an der Möglichkeit nationaler Politiksteuerung festhalten (Union und FDP bei der Zuwanderung, der Steuer- und der Sozialpolitik, die SPD im Bereich der Energie und Außenpoliitk (besonders der Rüstungspolitik)). Alle diese Parteien sind für die EU, aber auch intern sehr uneins, ob und in welchen Umfang diese zusätzliche Kompetenzen erhalten soll. Die Linke ist in der Frage der Globalisierung auch völlig uneins, wie die Wagenknecht-Kontroverse gezeigt hat. Das Wagenknecht mit ihrer Position unterlegen ist führt zwar zu einer Annäherung der Linken zu SPD und Grünen, allerdings zu Verlust an Wahlen in Ostdeutschland an Nichtwähler bzw. AfD, die mit dem Multikulturalismus der "neuen" Linkspartei nichts anfangen können, während sie sich durch die Regionalpartei PDS/Linke in ihrer spezifisch ostdeutschen Identität durchaus vertreten sahen.

Einfache Positionen vertreten im neuen "Kulturkampf" nur Grüne und AfD: die einen für mehr EU und die anderen für einen Rückbau der EU in eine gehobene Freihandelszone/Zollunion (also ein zurück zur EWG/EG). Das gilt auch für das Thema Klimawandel. Die einen fordern ziemlich radikale Maßnahmen, die anderen wollen möglichst gar nichts ändern und verneinen teilweise sogar die Existenz des Problems.

Die einen stellen die Globalisierung als die schöne neue, bunte Welt dar (zumindest wenn sie von ihnen gemanagt wird), die anderen als ein Schreckgespenst. Beides ist weit jenseits der Realität. Die Globalisierung führt sowohl zum Wachstum des Welthandels und des weltweiten Wohlstands, als auch zur Zunahme politischer, sozialer und kultureller Friktionen. Während wirtschaflich der Wohlstand zunimmt und die zunehmend wirtschatliche Verpflechtung zur Entstehung einer globalisierten Klasse der Anywheres geführt hat, für die nationale und kulturelle Grenzen an Bedeutung verlieren, führt sie zugleich zur zunehmenden Spaltung innerhalb von Gesellschaften.

Die wirtschaftliche Dynamik sorgt sowohl für Wohlstand wie für zunehmende Unsicherheit. In einer stark auf Sicherheit bedachten Gesellschaft wie der deutschen Gesellschaft ist die zunehmende Dynamik des Arbeismarktes durchaus eine besondere politische und soziale Herausforderung. Das Modell einer lebenslangen Bindung an Parteien ist genauso ein Auslaufmodell wie das der Bindung an ein Unternehmen, wobei der Wechsel an der Wahlurne doch immer noch leichter zu bewerkstelligen ist als letzterer. Insgesamt dürfte daher heute das gesellschaftliche Unsicherheitsgefühl deutlich höher sein als noch vor 30 oder 40 Jahren. Die Folgen davon sind eine Zunahme populistischer Tendenzen rechts wie links geparrt mit einer
Moralisierung der Politik, die anderen Meinung die moralische Existenzberechtigung abspricht (das Youtube-Video eines gewissen Rezo ist nur ein Beispiel dafür. In der Vergangenheit hatte sich Claudia Roths Einlassungen stets einer solchen Theatralik bedient). Grüne Klimahysterie und Hypermoral auf der einen und Rechtspopulismus auf der anderen Seite zeigen eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft, wobei mittlere Positionen zunehmend schwächer werden. Wahrscheinlich wird dieser "Kulturkampf" in den nächsten Jahren noch zunehmen.

Im Herbst 2019 dürfte das Pendel wieder eher in Richtung AfD ausschlagen (Landtagswahlen in Ostdeutschland). Denn hier geht es um Regionen in denen die von den Grünen propagierte sofortige Stilllegung der Kohleindustrie ohnehin schon strukturschwache Regionen in eine große Krise stürzen würde, weshalb diese Regionen naturgemäß lange Übergangsfristen für den ökonmisch und ökologisch durchaus sinnvollen Kohleausstieg einfordern. Vergessen wird bei der gesamten Debatte, dass ohne Atomausstieg der Ausstieg aus der Kohle auch viel leichter und schneller zu bewerkstelligen wäre. Frankreich produziert 75% seines Stroms mittels Atomenergie und hat es daher sehr leich im Bereich der Stromerzeugung CO2-Neutralität zu erreichen. In Deutschland ist das bekanntermaßen nicht gewollt, so dass deutsche Kohle und russisches Gas als Back-Up für die nicht speicherfähige und unregelmäßig erzeugte und nach wie vor sehr hoch subventionierte erneuerbare Energie verwendet werden müssen. Nach dem Kohleausstieg wird Gas noch lange Zeit eine sehr wichtige Rolle in der Energieversorgung Europas spielen, insbesondere in den Ländern in denen die Atomenergie keine Rolle spielt bzw. mehr spielt (Italien, Österreich, Deutschland, Polen, u.a.).

Vergessen wird auch, dass der Erfolg der Grünen ein rein westdeutsches Phänomen ist. In Südeuropa, Osteuropa und in Ostdeutschland spielen die Grünen überwiegend keine Rolle. Nur in strukturstarken und wohlhabenden Regionen kommen bisher grüne Parteien auf den grünen Zweig. Sobald andere Themen dominieren (Zuwanderung, Sicherheit, Wirtschaft, Soziales) gewinnen Konservative, Sozialdemkraten bzw. immer häufiger Rechts- oder Linkspopulisten.

Sofern bei der nächsten Bundestagswahl eine Wirtschafskrise herrscht, kann die Lage auch wieder ganz anders aussehen. Statt teurer Klimaphantasien könnten dann handfeste soziale und wirtschaftliche Themen in den Vordergrund rücken, was tendenziell den Regierungsparteien nutzen dürfte (und die Grünen schwächen würde). Kommt es jedoch nicht zu einem Wirtschaftseinbruch und bleibt die SPD schwach (letzteres ist sehr wahrscheinlich) dürfte der grüne Hype wohl eine Weile andauern. Denn man
solte bei der Analyse der Zahlen nicht vergessen, dass ein Großteil des Erfolgs der Grünen dem desolaten Zustand der SPD zu verdanken ist.

Zudem werden die Grünen von den Medien auch sehr stark unterstützt. Das nimmt teilweise schon manipulative Züge an, etwa wenn behauptet wird, die Grünen seien stärkste Kraft bei den Wählern unter 60 Jahre.
Tatsache ist, dass sie nach allen Analysen allenfalls in der Wählergruppe bis 35 Jahre stärkst Kraft sind (und in der Kohorte davor auch nur mit 1%). Die Addition der Altersgruppen bis 60 Jahre ist insofern manipulativ, als sie fälschlich suggeriert, dass die Grünen in allen Altersgruppen bis 60 Jahren die stärkst Kraft seien. Das ist mitnichten der Fall. Lediglich bei den Erst- und Jungwählern ist dies der Fall, schon ab 35 Jahren ist damit Schluss. Zum anderen wird in vielen sozialen Netzwerken suggeriert, dass jüngere Wähler nicht AfD wählen und die AfD-Wähler aussterben würden. Dem ist mitnichten so. Tatsache ist, dass sowohl die besonders alten Wähler (über 70 Jahre) als auch die Jungwähler wenig AfD wählen, anders als allerdings die mittleren Altersgruppen zwischen 35-60 Jahren.

Da dass Wahlverhalten sich im Laufe des Lebens ändert kann man aus dem Wahlverhalten von Jungwählern grundsätzlich nicht die zukünftige Entwicklung extrapolieren. Tendenziell schneiden die Grünen beim Jungwähler immer besser ab. Das ist kein neues Phänomen. Die heutigen Ü60-jährigen sind großteils Vertreter der 68-Generation, die seinerzeit als besonders links galt. Diese Generation wählt heute überwiegend CDU.

Tendenziell wird das Wahlverhalten im Alter konservativer. Insofern sind die Panikreaktionen von Teilen der CDU auf ein Youtube-Video eines 26jährigen linksgrünen Youtube-Aktivisten schon erstaunlich. Etwas mehr Gelassenheit wäre angebracht gewesen. Zwar erodiert auch die CDU, sie ist aber strategisch immer noch in einer weit besseren Position als die SPD. Gegen sie kann faktisch auf Bundesebene keine Regierung mehr gebildet werden.

Wenn man eines aus dem Europawahlergebnis ableiten kann, dann dass die CDU/CSU zukünftig sich auf einen neuen Juniorpartner als Koalitionspartner einstellen muss: die Grünen anstelle der SPD. Die zunehmende Erosion der SPD deutet daraufhin, dass es durchaus 2021 für Schwarz-Grün reichen könnte (u.U. sogar ohne Jamaica). Ich wäre kein Fan einer Schwarz-Grünen Politik.
Allerdings dürfte ein solches Experiment wieder eine gewisse Normalisierung des Parteiensystems herbeiführen (wie ja auch einst in Hamburg). Sowohl SPD, FDP und AfD dürften von einer solchen Koalition profitieren, die CDU-Muff mit grüner Verbotspolitik kombinieren würde.

Im Fall von Jamaica dürfte die FDP große Probleme bekommen, da sie ihr Profil in einer solchen Konstellation nur schwer wird bewahren können.
Andererseits ist ein Ende von Schwarz-Rot überfällig und bei einer anderen personellen Konstellation (spätestens 2021 tritt Merkel ab) dürfte es eher darauf hinauslaufen, zumal die SPD nach einem weiteren großen Wahldesaster wohl endgültig in die Opposition fliehen dürfte.
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Mark Tröger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 31. Mai 2019 - 18:33 Uhr:   

@Marc

"Tendenziell werden die Volksparteien schwächer. Allerdings ist dies keine linearer Prozess. 2013 haben etwa die Volksparteien bei der Bundestagswahl deutlich zugelegt gegenüber 2009 (von zusammen 56,8% auf 67,2%).

Das ist immer noch weniger als zu Hochzeiten der Volksparteien in den 60er- und 70er-Jahren, aber doch schon wiederum mehr als 2005 oder 2009."


Die Volksparteien hatten 1976 mit 91,2% ihren Höhepunkt. Seit dem geht es recht kontinuierlich bergab mit der Ausnahme von Großen Koalitionen, die den Niedergang noch stark beschleunigen. Nach dem Einbruch 2009 konnten sich die Volksparteien außerhalb der großen Koalition bis 2013 zwar erholen, lagen dann aber mit zusammen 67,2% unter dem gemeinsamen Ergebnis von 2005 in Höhe von 69,4%. Seit dem geht es in der großen Koalition wieder steil bergab mit zusammen 53,4% 2017 und jetzt 44,7% bei der Europawahl. Dadurch dass die SPD nun hinter den Grünen liegt, könnte in ihrem Fall nun der Pount-of-no-return überschritten sein.

"Im Jahr 2011 gab es zunächst nach Fukushima einen Hype bei den Grünen, kurze Zeit später gab es einen Hype um die Piraten (Ende 2011 und 2012) und 2013 schrammte die CDU/CSU knapp an der absoluten Mehrheit vorbei (aufgrund 15,7% Stimmen für Parteien die an der 5%-Hürde gescheitert sind - ein bislang bei Bundestagswahlen einmalig hoher Wert)."

Das Unions-Hoch von 2013 würde ich eher auf die kurzzeitige Repolarisierung zwischen den Volksparteien und das Tief der FDP zurückführen.

Als dritten Hype würde ich aber stattdessen den kurzzeitigen Schulzhype von 2017 dazuzählen. Das jetzige Grünen-Hoch ist ein vierter Hype, der sich aber verfestigen könnte, da die SPD anders als 2011 an die Union gefesselt ist.

All diese vier Hypes deuten auf ein gewisses bei Bundestagswahlen bislang ungenutztes Potenzial mitte-links hin, wo ein etwas launenhaftes Verlangen nach Aufbruch und Veränderungen zu bestehen scheint. Vergleichbar ist das vielleicht mit Macron in Frankreich, der es allerdings vorläufig geschafft hat sich in der Mitte zu etablieren, und nicht nur die Sozialisten sondern auch die Konservativen dezimiert hat mit Le Pen als größer Widersacherin.

"In Deutschland werden diese zwei Pole am ehesten durch die Grünen und die AfD vertreten, die daher beide an Bedeutung gewonnen haben. Die AfD seit 2016/17 durch die Flüchtlingskrise, die Grünen seit 2018/19. Der Aufstieg der Grünen erfolgte zu dem Zeitpunkt, als sie sich als Anti-AfD profilierten und zudem ihre Themen setzen konnten, insbesondere in der sogenannten Klimapolitik. War es bei der AfD die Flüchtlingskrise 2015/16, war es bei den Grünen der Jahrhundertsommer 2018 und der Hype um das sog. Klimathema, der danach folgte."

Ich würde das Klimathema beim Aufstieg nicht so stark bewerten. Wenn ich den Verlauf der Umfragen seit der Bundestagswahl analysiere, schätze ich, dass die Grünen seit dem etwa 1% Jamaika-Anhänger von der FDP geholt hat, 4% von der SPD, die eine starke mitte-links Opposition gegen die Union wollen und 4% von der Union, die den Anti-Rechts-Kurs der Union durch die Streitereien im Sommer 2018 und den Rückzug Merkels vom Parteivorsitz aufgeweicht sehen. Macht zusammen 9%+1%+4%+4% = 18%. Die 20,5% bei der Europawahl führe ich auf eine stärkere Mobilisierung der Grünen speziell bei Europawahlen zurück. Die Schwankungen der Grünen fällt meines Erachtens zeitlich zu sehr mit den Ereignissen in der Koalition bzw. der Koalitionsbildung zusammen, als dass das Klima einen alles überragender Faktor sein könnte. Der Nimbus des Anti-AfD Bollwerks ist allerdings von Schulz und Merkel zu den Grünen gewandert.

"Die Folgen davon sind eine Zunahme populistischer Tendenzen rechts wie links geparrt mit einer
Moralisierung der Politik, die anderen Meinung die moralische Existenzberechtigung abspricht (das Youtube-Video eines gewissen Rezo ist nur ein Beispiel dafür. In der Vergangenheit hatte sich Claudia Roths Einlassungen stets einer solchen Theatralik bedient)."


So hypermoralisch finde ich Rezo garnicht. Er spricht nur die Dinge zum einen sehr direkt an, ohne politikerhafte nebulöse Verschleierung und Tabus und zum anderen stützt er sich auf bestimmte Fakten, auf denen er behaart und zugunsten derer er anderen Fakten wohl auch die Existenzberechtigung abspricht. Die Grünen argumentieren eigentlich viel weniger faktenbasiert, dafür aber viel mehr mir theatralischer Moral. So wie Rezo argumentiert, würde ich eigentlich davon ausgehen, dass man wenn man selbst mit Fakten argumentiert noch was bei ihm erreichen kann, außer da wo er halt Recht hat. Wenn man hingegen eine anderen Standpunkt als ein Grüner hat, dann würde ich sagen, macht es eigentlich überhaupt keinen Sinn mit Fakten zu kommen. Die Moralkeule ist da so gewiss wie das Amen in der Kirche.

"Grüne Klimahysterie und Hypermoral auf der einen und Rechtspopulismus auf der anderen Seite zeigen eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft, wobei mittlere Positionen zunehmend schwächer werden. Wahrscheinlich wird dieser "Kulturkampf" in den nächsten Jahren noch zunehmen."

Aber zu einem gewissen Grad ist das auch ganz normal. Früher haben sich SPD und Union auch bekriegt. Nur ist zwischen diesen Parteien anscheinend eben ein Frieden ausgebrochen, und für die Kämpfe von heute braucht es vielleicht einfach auch neue Parteien.

"Vergessen wird bei der gesamten Debatte, dass ohne Atomausstieg der Ausstieg aus der Kohle auch viel leichter und schneller zu bewerkstelligen wäre."

Ja, Atomkraftwerke auf dem neuesten Sicherheitsstand wären eigentlich die ideale Brückentechnologie. Als Dauerlösung wäre halt das Restrisiko problematisch. Aber das z. B. kann man einem Grünen nicht sagen. Dass er sich zu sehr von Ängsten leiten lässt, auch nicht, denn angstgeleitet sind ja nur die bösen AfD-Hinterwäldler.

"Zudem werden die Grünen von den Medien auch sehr stark unterstützt. Das nimmt teilweise schon manipulative Züge an, etwa wenn behauptet wird, die Grünen seien stärkste Kraft bei den Wählern unter 60 Jahre."

Wenn man die Wähler nach dem Alter nur in zwei Teile teilen will, dann scheint mir der Schnitt bei 60 Jahren der sinnvollste zu sein, weil sich dann die Unterschiede am auffälligsten sind. Das so eine Statistik dann gewisse Fehlinterpretationen zulässt, ist eigentlich so oder so unvermeidbar. Verwerflich finde ich es eher, wenn z. B. in den öffentlich-rechtlichen Talkshows weit überproportional Grüne eingeladen werden, oder wenn Leute wie Relotius es mit dem Journalismus nicht so genau nehmen. Insgesamt merkt man auch, dass es unter den Journalisten relativ viel mehr Grünen-Anhänger gibt als in der Gesamtgesellschaft.

"Zum anderen wird in vielen sozialen Netzwerken suggeriert, dass jüngere Wähler nicht AfD wählen und die AfD-Wähler aussterben würden. Dem ist mitnichten so. Tatsache ist, dass sowohl die besonders alten Wähler (über 70 Jahre) als auch die Jungwähler wenig AfD wählen, anders als allerdings die mittleren Altersgruppen zwischen 35-60 Jahren."

Ja, was das Land-Stadt-Gefälle und das Alt-Jung-Gefälle angeht bildet die Union den eigentlichen Gegenpol zu den Grünen. Aber viele Union-Wähler scheinen von den Lebensumständen her soweit weg von den Grünen zu sein, dass sie mit diesen noch nicht einmal konfrontiert sind, und deshalb anders als bei den AfD-Wählern die Dagegen-Haltung auch nicht so stark ist.

In anderen Ländern haben rechte Parteien sogar den stärksten Zuspruch bei den jüngsten Wählern. Gewissermaßen bricht da in der jüngeren Generation ein Streit aus zwischen progressiv und rechts, bei dem die Älteren relativ unbeteiligt sind. Warum in Deutschland die AfD ein anderes Altersprofil hat, kann ich mir noch nicht ganz erklären.

"Insofern sind die Panikreaktionen von Teilen der CDU auf ein Youtube-Video eines 26jährigen linksgrünen Youtube-Aktivisten schon erstaunlich. Etwas mehr Gelassenheit wäre angebracht gewesen."

Die Union sieht halt ihre Macht schwinden, und hat es hier mit einem neuen Feld zu tun, von dem sie schlicht keine Ahnung hat. Sie kann eben noch nicht einmal verstehen, dass sie auf dem Feld nichts gewinnen kann. Deshalb versucht sie es und macht mit dem vorprogramierten Fettnäpfchen-Marathon alles nur noch schlimmer.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 01. Juni 2019 - 14:39 Uhr:   

@Mark Tröger,

"Tendenziell werden die Volksparteien schwächer. Allerdings ist dies keine linearer Prozess. 2013 haben etwa die Volksparteien bei der Bundestagswahl deutlich zugelegt gegenüber 2009 (von zusammen 56,8% auf 67,2%).

Das ist immer noch weniger als zu Hochzeiten der Volksparteien in den 60er- und 70er-Jahren, aber doch schon wiederum mehr als 2005 oder 2009."


Die Frage ist, ob sich bestimmte Trends linear fortsetzen oder ob es eher Wellenbewegungen gibt.

So waren 1949 die "Volksparteien" noch relativ schwach. Die SPD war eigentlich erst ab 1959, dem Godesberger Programm, eine echte Volkspartei. Vorher war sie nach ihrem ideologischen Selbstverständnis eine Arbeiterpartei. Es gab Anfang der 50er-Jahre auch noch Ministerpräsidenten der FDP, also einer "dritten Kraft". Bezüglich Westdeutschland weist die Lage damit gewisse Ähnlichkeiten auf - und wieder ist Baden-Württemberg der Ausreißer.

Damals öffnete sich die SPD in Richtung Volkspartei, während der FDP dieser Sprung nicht gelang (in der Weimarer Republik gab es mit DVP und DDP durchaus zwei recht starke liberale Parteien; doch konnten Union und SPD große Teile dieser Klientel für sich gewinnen). Ob den Grünen der Sprung zur Volkspartei gelingen wird und insofern die Ablösung der SPD als linke Volkspartei bleibt abzuwarten. Eher könnte sich eine Konstellation anbahnen in denen beide Parteien für lange Zeit um den ersten Platz im linken Spektrum konkurrieren.

Unser Verhältniswahlsystem hat den Effekt, dass eine solche Konkurrenzsituation eher lange nicht entschieden wird, während im Fall eines Mehrheitswahlrechts die Ablösung einer Volkspartei relativ schnell gehen kann. In den 1920er-Jahren etwa gelang es Labour die Liberals vom ersten Platz im linken Spektrum zu verdrängen. Die beiden Parteien hatten vorher lange kooperiert. Als Labour 1924 erstmals knapp in Führung lag stützte sie sich auf die nur etwas schwächeren Liberals. Gedankt hat Labour es den Liberalen jedoch nicht. Sie provozierten ein Ende der Kooperation und Neuwahlen, bei denen die Liberals in der Bedeutungslosigkeit verschwanden und ein neues Zwei-Parteiensystgem entstande (Laobur und Torries statt Liberals und Terrories). Den wenigen geschichtsbewussten Sozialdemokraten dürfte das Risiko, dass die Grünen für die SPD darstellen durchaus bewusst sein.

Andererseits haben die Grünen aber auch noch erhebliche Defizite die Rolle einer Volkspartei zu übernehmen. Ihr Funktionärskörper ist noch relativ schwach und zudem sehr ideologisch, anders als große Teile der Wählerschaft, die überwiegend auf den Grünen Trend aufgesprungen sind. Da ist auch viel Flugsand dabei und es dürfte den Grünen schwer fallen diese Wähler längerfristig zu binden. Ich teile die Ansicht, dass die Grünen mit 20% bundesweit bei dieser Wahl ihr Potenzial ausgeschöpft haben. Erweitern könnten sie dieses nur, wenn auch sie eine Art "Godesberger Programm" verabschieden und sich selbst zur Volkspartei definieren und auch inhaltlich neu aufstellen würden. Ein Winfried Kretschmann würde dies zweifellos tun, aber er hat nicht die Mehrheit in der grünen Bundespartei hinter sich.

Zur Europawahl:
Ich bin ein Anhänger eine Wahl mit der vorherigen selben Wahl zu vergleichen. Tatsache ist: die Grünen haben weit weniger gewonnen als SPD und Linke verloren haben. Das linke Spektrum ist bei der Europawahl schwächer als bei der letzten Europawahl und schwächer als die Mitte-Rechts-Parteien. Das gilt sowohl bei einem Vergleich von CDU/CSU, AFD und FDP mit SPD, Grünen und Linken als auch bei Berücksichtigung der sonstigen Parteien. Bei der Europawahl haben gerade bürgerliche Wähler ihre Stimmen bei sonstigen Parteien geparkt: sowohl FW, ÖDP und die Familienpartei fallen eher ins bürgerliche Spektrum, während die Partei, Volt und Tierschutz eher ins linke Spektrum fallen dürften. Bei Bundestagswahlen dürften viele dieser Wähler zu den "größeren" Parteinen zurückkehren. Das bei der Europawahl keine Sperrklausel bestand war allgemein bekannt und hat die kleinen Parteien begünstigt. Insgesamt ergibt die Wahl keine Verschiebung nach links. Das linke Spektrum ist nicht mehr ganz so schwach wie bei der Bundestagswahl. Dies dürfte jedoch eher auf Mobilisierungseffekte zurückzuführen sein (schwache Mobilisierung bei der Bundestagswahl, während diesmal vor allem Union und SPD Mobilisierungsdefizite hatten).



Ich würde das Klimathema beim Aufstieg nicht so stark bewerten.

Richtig ist, dass es den Grünen gelungen ist die Rolle des Oppositionsführers faktisch einzunehmen, die nach dem Wahlergebnis eigentlich der FPD zukommen würde. Der FDP ist es allerdings nicht gelungen ein Thema klar voranzubringen. Den Grünen fällt dies leichter, da sie bestimmte Themen sehr stark verkürzen und plakative Forderungen aufstellen (sowohl in der Klima- wie der Umweltpolitik). Zudem haben sie sich in Folge ihres Führungswechsels ein junges Image zugelegt. Vor wenigen Jahren sah es zeitweise ja noch so aus, als ob die Grünen zur einer Ein-Generationen-Partei (68er) werden könnten. Inzwischen haben sie im Vergleich zur Konkurrenz am besten den Anschluss zur jungen Generation gefunden. Indes wird auch diese älter und das Wahlverhalten wird generell volatiler. Derzeit profitieren die Grünen vor allem von der Schwäche der SPD.

Die Schwankungen der Grünen fällt meines Erachtens zeitlich zu sehr mit den Ereignissen in der Koalition bzw. der Koalitionsbildung zusammen, als dass das Klima einen alles überragender Faktor sein könnte. Der Nimbus des Anti-AfD Bollwerks ist allerdings von Schulz und Merkel zu den Grünen gewandert.

Seitdem sich CDU und SPD nicht mehr primär als AfD-Bollwerk sehen ist die Zustimmung für die AfD zurückgegangen. Die völlig hysterische Reaktion auf den Aufstieg der AfD, inklusive der Veränderung von Regeln (zum Beispiel zur Verhinderung eines Alterspräsidenten der AfD) und den Bruch von Regeln (Verweigerung der Wahl jedes AfD-Kandidaten zum Vizepräsidenten; letzteres ist sogar noch schlimmer als eine auch in dem Fall mögliche Regeländerung, da damit die Mehrheit des Bundestages die eigene von ihm selbst neu beschlossene Geschäftsordnung untergräbt) bringt der AfD nur einen Opfermythos, der die Partei und ihre Anhänger nur enger zusammenschweißt.
Seitdem die ständig parteipolitische und mediale Fokussierung auf diese Partei ein wenig nachgelassen hat, ist sie schwächer geworden. Das dürfte sich im Herbst 2019 wieder ändern. Wenn die mediale Berichterstattung dieselbe Richtung wie vor und nach der Bundestagswahl 2017 einschlagen sollte (was wahrscheinlich ist) dürfte das der AfD wieder sehr nutzen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir bis 2021 ein Auf-und Ab von Grünen Hypes und AfD-Hypes erleben werden. Die deutsche Gesellschaft weist die selben Spaltungstendenzen wie andere westlichen Gesellschaften auf. Insofern wäre es sehr überraschend, wenn die Entwicklung nicht ähnlich verläuft wie anderswo.

So hypermoralisch finde ich Rezo garnicht. Er spricht nur die Dinge zum einen sehr direkt an, ohne politikerhafte nebulöse Verschleierung und Tabus und zum anderen stützt er sich auf bestimmte Fakten, auf denen er behaart und zugunsten derer er anderen Fakten wohl auch die Existenzberechtigung abspricht. Die Grünen argumentieren eigentlich viel weniger faktenbasiert, dafür aber viel mehr mir theatralischer Moral.

Bei den Grünen stimmen wir überein. Bei Rezo allerdings nicht. Die vielfältigen Manipulationen und Verzerrungen von Rezo wurden in breiten Teilen der Presse bereits erörtert und sollten daher bekannt sein.

Er hat selektive bestimmte Fakten rausgesucht (zum Teil auch noch manipulativ zusammengestellt) die sein Weltbild stützen.
Sein Beitrag ist eine Polemik und teilweise sind es auch Fake News.


Das beginnt schon bei der These es werde immer mehr vererbt. Dabei hat sich das Niveau in Deutschland nur normalisiert, dass infolge der Zerstörungen des zweiten Weltkriegs massive gesunken war (es gab einfach nichts zu vererben, große Teile der Bevölkerung waren schließlich Flüchtlinge). Eine Statistik im zeitlichen Verlauf so abzuschneiden dass sie das polemisch gewünschte Ergebnis zeigt statt die tatsächlich bestehende temporäre Delle (indem man sie am Tiefpunkt abschneidet ist schlicht und ergreifend manipulativ.
Tatsache ist - und das zeigt das Original der von Rezo manipulativ abgeschnittenen Grapik - dass andere westliche Staaten eine höheren Veerbungsanteil am Vermögen haben (etwa Frankreich und GB) als Deutschland, insofern Deutschland in der Hinsicht egalitärer ist.

Ebenfalls manipulativ sind seine Aussagen zur Armutsentwicklung. Er unterschlägt den Unterschied zwischen relativer und absoluter Armut und den Umstand, dass der Wohlstand weiter steigt. Lediglich im einkommensschwächsten Zehntel ist die Lage schwieriger. Unterschlagen wird dabei allerdings, dass ein erheblicher Teil dieser Personen erst in den letzten Jahren in dieses Land eingereist ist. Verglichen zu den Lebensverhältnissen die diese Menschen in ihren Ursprungsländern hatten hat sich deren Lage dramatisch verbessert.

Völlig verquer sind seine Aussagen zur Außenpolitik. Er scheint schlicht und ergreifend keine Ahnung zu haben wie Außenpolitik funktioniert, nämlich dass es sich hierbei um Politik zur Durchsetzung von Interessen von Staaten handelt. Von internationalen Bündnissystemen scheint er auch nichts zu verstehen. Er geht ja scheinbar von einer Art Äquistanz Deutschland und Europas zu den USA und Russland aus. Das ist weit entfernt von der politischen Realitäten.

Wer sich im übrigen zur Lage im Nahen Osten und Afghanistan äußert und dabei die Rolle des Islamischen Staates und der Taliban unterschlägt, insbesondere den wahnwitzigen Terror des Islamischen Staates in der Levante und inzwischen auch in Afghanistan der verzerrt auch die Realitäten. Man kann natürlich in Bezug auf den 2. Weltkrieg die Bombardements der Allierten gegen deutsche Stätte kritisieren im Hinblick auf die vielen zivilen Opfern. Wer aber gleichzeitig den Angriffskrieg Nazi-Deutschlands unerwähnt lässt und die weit größeren in dem Zusammenhang begangenen Verbrechen, dem wird zurecht Geschichtsverfälschung vorgeworfen.
Dies muss man leider Rezo - wie auch vielen anderen Linken - in Bezug auf die islamistische Ideologie vorwerfen, die vielfach und in Bezug auf ihre Gefährlichtkeit nicht zu Unrecht als Islamofaschismus bezeichnet wird.

Zum Klimawandel sind seine Ausführungen nicht nur polemisch überspitzt, sondern auch weit übertrieben. Die Behauptung, dass der Klimawandel das Leben auf der Erde vollständig auslöschen könnte wird - soweit ersichtlich - von keinem ernstzunehmenden Wissenschaftler vertreten.

Vertreten wird allerdings die Hypothese - die bislang wissenschaftschaftlich nicht erwiesen ist - dass der Klimawandel zu Massenausterben von Arten führen könnte. Massenaussterben von Arten ist indes nichts neues. Seitdem der Mensch Afrika verlassen hat, hat er in allen Regionen in die er einwanderte erstmal ein Massenausterben herbeigeführt (das Verschwinden der Mammuts, der Pferder in Amerika (in Eurasien überlebten sie nur in Zentalasien und überlebten am Ende nur, da hier die Domestizierung gelang) bis zur australischen Großtierwelt), ohne dass dies mit eine globalen Klimawandel einherging. Diese Massenausterben haben das Überleben der Menschheit nicht behindert. Vielfach hat es das Leben der Menschen sogar weit sicherer gemacht. Man wird eben nicht mehr von Tigern gefressen, wenn man sie ausrottet (bzw. heute versucht sie in Nationalparks abzuschieben, die in der Regel umzäunt sind). Auch die Bekäpfung des Bären oder Wolfs folgte diesem Schema. Wenn man heute meint dieses Thema anders handhaben zu sollen muss man ernsthaft folgende Fragen beantworten: 1. Wer trägt die Verluste für Schäden die von solchen wilden Raubtieren insbesondere in der Landwirtschaft entstehen und 2. wie viele menschliche Opfer ist man bereit für dieses mehr an Natur hinzunehmen und was tut man um deren Zahl zu minimieren. In der Tat ein Thema das Rezo nicht behandelt hat, da er das Verschwinden von Arten generell als Problem für die Menschheit dargestellt hat. Das ist gerade im Hinblick auf die Geschichte der Menschheit - die für das Verschwinden sehr vieler Arten verantwortlich ist - nicht erwiesen und in Bezug auf einige Arten sogar evidentermaßen falsch, deren Verschwinden bzw. zurückdrängen die Entwicklung menschlicher Zivilisation überhaupt erst ermöglicht hat. Aus wilden Wald wurde Kulturland und Nutzwald und aus wilden Tieren Nutztiere. In einer von mehr und mehr Menschen bevölkerten Welt ist für wilde Tiere schlicht insgesamt immer weniger Platz vorhanden.

Den Punkt des Bevölkerungswachstums hat auch Rezo in Bezug auf den Klimawandel unterschlagen. Eine Milliarden Menschen benötigen weniger fossile Ressourcen benötigen als 8 Mrd. (wie derzeit) und 10 oder 15 Mrd. im nächsten Jahrhundert (erst recht mit einem Lebensstandard der bis dahin weiter steigen wird).

Grundlegender als diese Punkte ist aber folgende Verzerrung: Seine polemische Darstellung erweckt nahezu den Eindruck, dass die CDU für den Klimawandel verantwortlich ist. Deutschland trägt indes nur 2% der weltweiten Emissionen bei (bei knapp 1% der Welbevölkerung). Selbst bei einer Halbierung dieses Anteils hätte das global so gut wie keine Auswirkunen, da der Ausstoß der Entwicklungs- und Schwellenländer weiter steigen wird. Spieltheoretische Fragestellungen scheinen in Rezos Weltbild keine Rolle zu spielen. Man spiele das Szenerio durch Deutschland und die EU würden tatsächlich radikale Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes unternehmen. Die Folge wäre der Niedergang der europäischen Industrie, deren beschleunigte Abwanderung in Schwellenländer, für die bisherigen völkerrechtlichen Verträge keinerlei Beschränkugen des CO2-Ausstoßes vorsehen. Eine solche Politik könnte das Gegenteil dessen bewirken, was sie beabsichtigt. Selbst wenn man dies mit Gegenmaßnahmen begleitet (das wäre dann allerdings eine Schutzzollpolitik) hätte dies massiv negative Auswirkungen auf die europäische und besonders die deutsche Wirtschaft. Erstens würden die Kosten für die Produktion steigen (und damit die Preise) und zum anderen würden andere Wirtschaftsblöcke ebenfalls Schutzzöle erheben. Für ein Land mit Exportüberschüssen ein katastrophale Strategie.

Diese könnte dann zwar zum Rückgang der Emmissionen in der EU führen, verbunden aber mit einem massiven Einbruch der Industrie. In den 90er-Jahren hat sich in der DDR die Umwelt auch schlagartig verbessert durch die Stilllegung vieler Betriebe, die weder wettbewersfähig noch umweltverträglich produzierten. Allerdings führte dies auch zu bis zu 20% Arbeitslosigkeit und zu erheblichen sozialen Verwerfungen. Alles Punkte, die aus Sicht von Rezo scheinbar irrelevant sind, da es ja "um das Überleben der Menschheit" geht. Zumal selbst in Fall eines solchen Szenarios dies weltweit gesehen noch nicht einmal zur Absenkung der Emissionen führen muss, da in Asien, Afrika und Amerika diese weiter steigen werden. Europa ist nur ein sehr kleiner Teil der Welt und seine Bedeutung nimmt ab. Das gilt noch mehr für Deutschland. Und die CDU hat nicht die Macht und Bedeutung, die Rezo ihr zuspricht.

Eine Abwägung verschiedener politischer Ziele und welche Folgen bestimmte Maßnahmen haben findet bei Rezo nicht statt.

Ich sehe hier eine sehr ideologische Position. Sein Berufen auf "die Wissenschaft" erinnert fatal an die Position orthodoxer Marxisten, die die Lösung aller politischen Fragen im wissenschaftlichen Marxismus-Lenismus gesucht haben. Eine revolutionäre Avantgarde soll führen. Es gibt nur eine Wahrheit und zu dieser kann man "keine andere Meinung" haben. So argumentiert Rezo beim Klimathema und eine solche Argumentation hat totalitäre Züge.

In der Demokratie gibt es immer andere Meinungen und es gibt auch immer andere politischen Prioritäten. SPD, CDU/CSU und FDP machen sich Sorgen um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer von den Grünen und noch stärker von Rezo propagierten Klimapolitik. Aus meiner Sicht zurecht. Das die von Rezo so gelobte Linkspartei das grundlegend anders sieht wäre mir neu. Als sie als SED noch regierte spielte Umweltpolitik jedenfalls keine große Rolle und auch heute sind sie in dem Punkt wenig profiliert. Rezo gibt sich mit seinen Aussagen als Fan linksgrüner Politik zu erkennen. Das ist eine Meinung und er darf diese Meinung wie jeder andere äußern. Das er indes anderen Meinungen die Existenzberechtigung abspricht und eine Pflicht der Politiker den Vorschlägen bestimmter Klimaforscher zu folgen postuliert ist mit der Demokratie nicht vereinbar.

Man könnte z.B. sicherlich die Welternährungslage verbessern, indem Fleischkonsum verboten wird. Dass hätte übrigens auch positive Folgen auf den Klimawandel. Man würde weniger Ackerflächen benötigen (da ein Großteil der Tierhaltung entfallen würde und man zur Fleischerzeugung etwa die fünffache Menge an Getreide benötigt die alternativ direkt vom Menschen verzehrt werden könnten. Auch gäbe es weniger Methanausstoß. Da die Mehrheit der Menschen indes Fleisch ißt und weiter essen möchte wird das - zumindest auf absehbare Zeit - nicht passieren und man muss eine andere Lösung für das Problem finden.

Beim Klimawandel dürfte es m.E. so sein, dass man die von den Klimaforschern postulierten Klimaziele politisch nicht erreichen kann (deren erreichen allenfalls theoretisch möglich ist, realpolitisch aber völlig unmöglich), da die Mehrheit der Weltbevölkerung nicht bereit ist wirtschaftliche Einschränkungen hinzunehmen, die ansonsten ergriffen werden müssten.

Insofern müsste die pragmatische Frage lauten: Wie managen wir den Klimawandel, minimieren Schäden und ziehen aus ihm nutzen (die Norost- und die Nordwestpassage dürften sich z.B. öffnen, was neue Handelsrouten ermöglicht. Zugleich wir die Ausbeutung der Rohstoffe der arktischen Regionen erleichtert und es dürfte gerade in nördlichen Breiten mehr Ackerland entstehen, dass die durch Desertifikation in anderen Regionen enstandenen Nutzlandverluste ausgleichen könnte). Wie managen wir eine Anstieg des Meeresspiegels (die Niderlande hat hierzu schon sehr weitgehende Konzepte entwickelt). Mir fehlt in der Debatte der Pragmatismus und die Bereitschaft sich auf unterschiedlichen Szenarien einzurichten. Das gilt auch für viele Klimaforscher, die sich eher als politische Aktivisten gerieren als als politische Berater.



"Vergessen wird bei der gesamten Debatte, dass ohne Atomausstieg der Ausstieg aus der Kohle auch viel leichter und schneller zu bewerkstelligen wäre."

Ja, Atomkraftwerke auf dem neuesten Sicherheitsstand wären eigentlich die ideale Brückentechnologie. Als Dauerlösung wäre halt das Restrisiko problematisch. Aber das z. B. kann man einem Grünen nicht sagen. Dass er sich zu sehr von Ängsten leiten lässt, auch nicht, denn angstgeleitet sind ja nur die bösen AfD-Hinterwäldler.


Ich erkenne auch nicht bei Rezo eine Offenheit in dem Punkt, obgleich er Frankreich lobt für seinen niedrigeren CO2-Ausstoß. Die Ursachen indes verschweigt er (75% des Strom aus Kernkraft).

"Zudem werden die Grünen von den Medien auch sehr stark unterstützt. Das nimmt teilweise schon manipulative Züge an, etwa wenn behauptet wird, die Grünen seien stärkste Kraft bei den Wählern unter 60 Jahre."

Wenn man die Wähler nach dem Alter nur in zwei Teile teilen will, dann scheint mir der Schnitt bei 60 Jahren der sinnvollste zu sein, weil sich dann die Unterschiede am auffälligsten sind. Das so eine Statistik dann gewisse Fehlinterpretationen zulässt, ist eigentlich so oder so unvermeidbar. Verwerflich finde ich es eher, wenn z. B. in den öffentlich-rechtlichen Talkshows weit überproportional Grüne eingeladen werden, oder wenn Leute wie Relotius es mit dem Journalismus nicht so genau nehmen. Insgesamt merkt man auch, dass es unter den Journalisten relativ viel mehr Grünen-Anhänger gibt als in der Gesamtgesellschaft.


Mir schein eine solche Zweiteilung nicht sinnvoll zu sein.

In den Sozialwissenschaften unterscheidet man heute die Lebensphase des Menschen längst in mehr als drei Teile (Jugendlicher, Erwachsener, Alter) sondern in fünf Teile (young adult, maturing adult, adult, elderly und bonus-elderly).

In den westlichen Staaten gibt es immer weniger Personen die bereits mit 18 im Berufsleben stehen. Die Ausbildungszeiten verlängern sich. Der "young adult" ist Schüler, Student oder Auszubildender. Die Ausbildungs- und Reifungsprozesse dauern insofern heute immer länger.

Diese Gruppe separat zu berücksichtigen macht daher absolut sind. Das Wahlverhalten bei der Europawahl zeigt dies ja, das dies von allen Altersgruppen erheblich abweicht. Die Grenze dieser Altersgruppe dürfte bei rund 25 (oder sogar höher liegen, individuell unterschiedlich).

Der maturing adult steht am Anfang seines Berufslebens und versucht dort seine Rolle zu finden (Altersgrupe ca. 25 bis 35-40- individuell unterschiedlich). Auch diese Gruppe hat einen ganz eigenen Blickwinkel (hier sind die Grünen und die CDU laut Wahlanalysen derzeit gleichauf, die SPD schwach).

Die Gruppe adult ist die "etablierte Gruppe" (35/40-60). Sie steht mitten im Berufsleben. In dieser Altersgruppe spielt naturgemäß Familie eine große Rolle. Diese Grupp trägt die Gesellschaft wirtschaftlich maßgeblich, ist für das Wohlergehen der Alten und Kinder verantwortlich und leitet auf der Arbeit die young adults oder maturing adults an. Leitungs- und Führungspositionen formeller oder auch informeller Art sind hauptsächlich durch diese Altersgruppe besetzt. Insofern sollte man auch deren Perspektive gesondert berücksichtigen.

Elderly (60-70). Diese Gruppe steht in der Endphase des Berufslebens. Vielfach möchte sie durchaus etwas kürzer treten. Das Ende der vollen Berufstätigkeit zeichnet sich ab und tritt ein und damit auch eine erhebliche Lebensumstellung. Diese Gruppe ist heute weit aktiver als in der Vergangenheit und aufgrund ihrer zahlenmäßigen Stärke werden ihre Belange politisch stark berücksichtigt (z.B. durch die SPD mit der Rente ab 63).
Der Einfluss der Elderly steigt und sie bleibt zunehmend länger erwerbstätig, ohne dass sie allerdings völlig mit der mittleren Generation verschmiltzt. Auch das Erwerbsleben zerfällt zunehmend in verschiedene Phasen - maturing adult, adult, elderly).

Bonus Elderly (70+): Diese Gruppe ist weit überwigend in Rente. Sollte das Rentenalter künftig über 70 steigen dürfte das Alter für diese Gruppe ebenfalls steigen.
Während in der Vergangenheit diese Gruppe statistisch gesehen nur die letzten paar Jahre vor dem Tod erfasst hat, hat ein heute 70-jährigen im Schnitt noch 10 Jahre vor sich.


"Zum anderen wird in vielen sozialen Netzwerken suggeriert, dass jüngere Wähler nicht AfD wählen und die AfD-Wähler aussterben würden. Dem ist mitnichten so. Tatsache ist, dass sowohl die besonders alten Wähler (über 70 Jahre) als auch die Jungwähler wenig AfD wählen, anders als allerdings die mittleren Altersgruppen zwischen 35-60 Jahren."

Ja, was das Land-Stadt-Gefälle und das Alt-Jung-Gefälle angeht bildet die Union den eigentlichen Gegenpol zu den Grünen. Aber viele Union-Wähler scheinen von den Lebensumständen her soweit weg von den Grünen zu sein, dass sie mit diesen noch nicht einmal konfrontiert sind, und deshalb anders als bei den AfD-Wählern die Dagegen-Haltung auch nicht so stark ist.


Ich denke, dass sich die Wählerschaft der Grünen stark verändert. Sie werden immer stärker im linksbügerlichen Milieu und verdrängen dort die Sozialdemokraten. Die Grünen sind längst eine etablierte Partei und auch eine Partei der Besserverdienenden und Karrieristen, die sich einfach an die erfolgversprechende Partei hängen bzw. den Trend der Zeit folgen (ganz anders als in den 80er- oder 90er-Jahren, als die Grünen noch stärker subkulturell strukturiert waren).

Union und Grüne sind insofern heute auch kulturell weit näher beieinander als vor 20 oder 30 Jahren. Allerdings wird die Konkurrenz größer, da die Grünen die Chance wittern auf Platz 2 oder gar (vereinzelt) auf Platz 1 im Parteiensystem zu kommen.

In meinen sozialen Umfeld dürften - ohne dass ich das statistisch belegen kann - Union, Grüne und FDP überdurchschnittlich stark sein, SPD schwächer und Linke und AfD sehr schwach.

Generell weist die Gesellschaft eine immer stärkere Tendenz zur Ausplitterung aus.

Es gibt in der Tat nur zwei Pole, die sich konträr gegenüberstehen (AFD und Grüne). Ansonstgen gibt es - wenn auch häufig in unterschiedlichen Milieus - Wählerwechsel zwischen Afd und CDU/CSU, SPD, Linke oder auch FDP (bei letzterer sehr gering) bzw. von Grünen mit SPD, Linke, CDU/CSU und FDP (bei letzterer sehr gering).


In anderen Ländern haben rechte Parteien sogar den stärksten Zuspruch bei den jüngsten Wählern. Gewissermaßen bricht da in der jüngeren Generation ein Streit aus zwischen progressiv und rechts, bei dem die Älteren relativ unbeteiligt sind. Warum in Deutschland die AfD ein anderes Altersprofil hat, kann ich mir noch nicht ganz erklären.

Es ist noch verfrüht aus einer Wahl Schlüsse zu ziehen. Die AfD hat kein großes Wahlthema bei der Europawahl gefunden, während die Grünen gut moblisieren konnten. Im Übrigen fällt das abweichende Wahlverhalten in Ostdeutschland auf. Schließlich ist bei der Bundestagswahl die Wahlbeteiligung höher. Daher können auch die Prozentwerte und zwar auch für die Altersgruppen deutlich abweichen.

Ich würde das Wahlergebnis jedenfalls nicht als "Aufstand der Jugend" interpretieren. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, so war der Lehrkörper doch überwiegend rot-grün. Wenn man die politische Entwicklung des akademischen Milieus der letzten Jahre extrapoliert dürfte er bei jungen Lehrern und Lehrerinnen heute wohl Grün-Rot sein.

Auch das universitäre Milieu ist seit langen links und zunehmend grün.

1968 war in der Tat eine Revolte gegen das Establishment. Heute haben wir es eher mit einer Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Teilen des Establishments zu tun, wobei es den Grünen gelingt trotz ihres erheblichen politischen Einflusses in den Ländern sich als Oppositionskraft zu gerieren. Sie übt zugleich im Bildungsbereich großen Einfluss aus und ihr gelingt es sich ein "modernes Image" zuzulegen. Das kommt ihr offenkundig zugute.

Die CDU ist hingegen ausgemerkelt und muss sich erst wieder neu finden (genau wie in der Endphase der Kohl-Ära). Die SPD scheint sich auf einer Himmelfahrt ins nichts zu finden. Die FDP ist in stabiler Seitenlage - relativ stabil aber ohne Potenzial nach oben.


"Insofern sind die Panikreaktionen von Teilen der CDU auf ein Youtube-Video eines 26jährigen linksgrünen Youtube-Aktivisten schon erstaunlich. Etwas mehr Gelassenheit wäre angebracht gewesen."

Die Union sieht halt ihre Macht schwinden, und hat es hier mit einem neuen Feld zu tun, von dem sie schlicht keine Ahnung hat. Sie kann eben noch nicht einmal verstehen, dass sie auf dem Feld nichts gewinnen kann. Deshalb versucht sie es und macht mit dem vorprogramierten Fettnäpfchen-Marathon alles nur noch schlimmer.


Bei aller Kritik an Merkel, in dem Fall hat Merkel richtig reagiert. Sie ignoriert Rezo und wertet ihn damit nicht auf. Dass wäre die richtige Strategie gewesen bzw. allenfalls eine Zurückweisung der Thesen.
Gesprächsangebote werten eine solche Person, die nun wirklich nicht zur Zielgruppe der Union gehört, unnötig auf.
Hier bewahrt sich mal wieder die Weisheit: "Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben."
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Mark Tröger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 01. Juni 2019 - 19:32 Uhr:   

@Marc

Die Frage ist, ob sich bestimmte Trends linear fortsetzen oder ob es eher Wellenbewegungen gibt.

So waren 1949 die "Volksparteien" noch relativ schwach. Die SPD war eigentlich erst ab 1959, dem Godesberger Programm, eine echte Volkspartei. Vorher war sie nach ihrem ideologischen Selbstverständnis eine Arbeiterpartei. Es gab Anfang der 50er-Jahre auch noch Ministerpräsidenten der FDP, also einer "dritten Kraft". Bezüglich Westdeutschland weist die Lage damit gewisse Ähnlichkeiten auf - und wieder ist Baden-Württemberg der Ausreißer.


In Baden-Würtemberg scheint es eine besondere Neigung zu linksbürgerlichen Parteien zu geben. Das war schon im Kaiserreich so, wo die radikalste linksliberale Partei, die damalige Deutsche Volkspartei, in Würtemberg ihre Hochburg hatte. So kam sie in Würtemberg bei der Reichstagswahl 1893 z. B. auf 34,2%, während es reichsweit nur für 2,2% reichte. Dass Baden-Würtemberg das erste Land war, in dem die SPD ihre Führung im mitte-links-Lager verloren hat, ist vermutlich kein Zufall.

Seitdem sich CDU und SPD nicht mehr primär als AfD-Bollwerk sehen ist die Zustimmung für die AfD zurückgegangen.

Seit der Bundestagswahl haben die Umfragewerte der AfD meines Erachtens eher mit der Zerstrittenheit der Koalition korreliert. Beim Streit um Zurückführungen an der Grenze und beim Streit um Maaßen waren die AfD-Wert am höchsten. Davon abgesehen waren/sind sie recht konstant auf dem Niveau der Bundestagswahl. Als Bollwerk gegen die AfD sieht sich m. E. aber immernoch jede einzelne andere Partei.

Tatsache ist - und das zeigt das Original der von Rezo manipulativ abgeschnittenen Grapik - dass andere westliche Staaten eine höheren Veerbungsanteil am Vermögen haben (etwa Frankreich und GB) als Deutschland, insofern Deutschland in der Hinsicht egalitärer ist.

In anderen Ländern wie Frankreich und England ist die Wohneigentumsquote aber höher, sodass weniger Leute Mieten zahlen müssen. Insofern stelle ich infrage, ob mehr Vererbung überhaupt ein guter Indikator für mehr soziale Ungleichheit ist.

Ebenfalls manipulativ sind seine Aussagen zur Armutsentwicklung. Er unterschlägt den Unterschied zwischen relativer und absoluter Armut und den Umstand, dass der Wohlstand weiter steigt.

Aber dass die Schere zwischen (relativ) Arm und Reich immer weiter auseinander geht, lässt sich meines Erachtens nicht abstreiten. Und dagegen zu sein ist durchaus eine legitime Position, die er nun mal einnimmt. Der Gegenseite steht es natürlich offen, dafür zu sein, oder mit irgendwelchen Sachzwängen zu argumentieren.

Rezo greift in dem Video CDU/CSU, SPD und AfD an. Überall in Deutschland haben in der Vergangenheit entweder Union oder SPD oder beide zusammen regiert. Damit hat er mit Union und SPD die politisch Verantwortlichen für die Entwicklung auch richtig benannt.

Völlig verquer sind seine Aussagen zur Außenpolitik. Er scheint schlicht und ergreifend keine Ahnung zu haben wie Außenpolitik funktioniert, nämlich dass es sich hierbei um Politik zur Durchsetzung von Interessen von Staaten handelt.

Dazu muss man aber sagen, dass zum einen die Regierungsparteien selbst es in der Außendarstellung so darstellen, dass sie vor allem wertegeleitete Außenpolitik betreiben, und dass es zum anderen zumindest hier und da auch tatsächlich den Anschein hat, dass deutschen Interessen zuwidergehandelt wird.

Wenn die Regierung den Leuten erzählt und propagiert, es gehe in der Außenpolitik um Menschenrechte, dann wundert es nicht, dass dies auch gerade von jungen, unerfahrenen Menschen eingefordert wird.

Wer sich im übrigen zur Lage im Nahen Osten und Afghanistan äußert und dabei die Rolle des Islamischen Staates und der Taliban unterschlägt, insbesondere den wahnwitzigen Terror des Islamischen Staates in der Levante und inzwischen auch in Afghanistan der verzerrt auch die Realitäten.

Den Islamischen Staat hätte es nie gegeben, wäre die USA nicht in den Irak einmarschiert. Vom Westen wurden in der Region nicht nur viele bestehende Staaten destabilisiert, sondern mit Saudi-Arabien auch derjenige Staat unterstützt, welches das Wespennest der sunnitischen Hassprediger darstellt, die für den islamistischen Terror in der Welt verantwortlich sind.

Dass Rezo über Deutschland gesteuerte Kriegsverbrechen der USA anprangert, mag man vielleicht als naiv-weltfremd abtun können. Aber dieses (in diesem Fall m. E. durchaus berechtigte) Gutmenschentum ist es doch, dass die Regierung und die Schulen den jungen Leuten selbst beibringt. Über Interessenpolitik wird doch nicht offen geredet. Wenn Union und SPD sagen, dass es in der Außenpolitik um Interessen geht, haben sie doch schon wieder Angst, dass sie von den Grünen die Moralkeule übergezogen bekommen.

Aber was die Interessen angeht, stelle ich hinter die deutsche Außenpolitik auch ein Fragezeichen. Und Rezo spricht es auch an, dass der Terrorismus, seit den Kriegen im Irak und Afghanistan noch gestiegen ist. Was diesen Aspekt angeht, hat das westliche Eingreifen offensichtich einen schädlichen Effekt. Aber auch auf wirtschaftlicher Ebene wäre etwas mehr Äquidistanz zu Iran-Russland und Saudi-Arabien-USA vielleicht nicht schlecht. Aber vielleicht kann die Regierung ja auch ganz logisch erklären, warum es im deutschen Interesse besser ist, sich eng an letztere zu halten und deren Kriegsverbrechen zu decken. Das sollte sie dann auch öffentlich propagieren, anstatt es nur hintenrum einfach zu tun. Ansonsten hat sie es halt verdient, sich mit sojemandem wie Rezo rumzuschlagen.

Grundlegender als diese Punkte ist aber folgende Verzerrung: Seine polemische Darstellung erweckt nahezu den Eindruck, dass die CDU für den Klimawandel verantwortlich ist. Deutschland trägt indes nur 2% der weltweiten Emissionen bei (bei knapp 1% der Welbevölkerung). Selbst bei einer Halbierung dieses Anteils hätte das global so gut wie keine Auswirkunen, da der Ausstoß der Entwicklungs- und Schwellenländer weiter steigen wird.

Rezo kann es sich hier halt ganz einfach machen, und mit den von der Regierung selbst gesteckten Zielen, die verfehlt werden, argumentieren.

Dass der Klimawandel insgesamt von weit mehr abhängt ist natürlich richtig. Bei klimabewegten Linken kann man manchmal den Eindruck gewinnen, dass es ihnen weniger um den Klimawandel geht, als darum, dass Deutschland nicht dran schuld sein soll.

Allerdings führte dies auch zu bis zu 20% Arbeitslosigkeit und zu erheblichen sozialen Verwerfungen. Alles Punkte, die aus Sicht von Rezo scheinbar irrelevant sind

Rezo meinte, dass da stattdessen einfach Arbeitsplätze bei den neuen Energien geschaffen werden könnten, worauf die Regierung aus zweifelhaften Gründen verzichtet hätte. Was da dran ist, weiß ich nicht. Aber das wäre meines Erachtens so ein Punkt, wo man mit Rezo noch diskutieren könnte, wenn man ihm eben aufzeigen würde, dass die Faktenlage eine andere ist. Es scheint mir eher so zu sein, dass er an Ideologen geraten ist, die ihm verzerrte Fakten geliefert haben, als dass er selbst so ein Ideologe wäre.

Mir schein eine solche Zweiteilung nicht sinnvoll zu sein.

Es kommt auf den Zweck an. Will man den Altersunterschieden möglichst gerecht werden? Dann mag eine mindestens Dreiteilung besser sein.

Ich habe in den letzten Tagen versucht zu vergleichen, nach welchem Kriterium die Spaltung in Deutschland eigentlich am größten ist. Da gibt es Kriterien wie alte Länder-neue Länder oder Mann-Frau, wo es von Natur aus eine klare Zweiteilung gibt. Um vergleichen zu können muss man dafür auch bei Kriterien wie alt-jung oder Land-Stadt zu einer Zweiteilung kommen, nur als Beispiel. Herausgekommen ist übrigens, dass die Teilung zwischen Ost-West am stärksten ist, und die zwischen jung-alt stärker als zwischen Land-Stadt.

Ich denke, dass sich die Wählerschaft der Grünen stark verändert. Sie werden immer stärker im linksbügerlichen Milieu und verdrängen dort die Sozialdemokraten. Die Grünen sind längst eine etablierte Partei und auch eine Partei der Besserverdienenden und Karrieristen, die sich einfach an die erfolgversprechende Partei hängen bzw. den Trend der Zeit folgen (ganz anders als in den 80er- oder 90er-Jahren, als die Grünen noch stärker subkulturell strukturiert waren).

Union und Grüne sind insofern heute auch kulturell weit näher beieinander als vor 20 oder 30 Jahren.


Interessant in dem Zusammenhang ist auch, dass beide Parteien mehr von Frauen als Männern gewählt werden. Bei den Grünen war das in den 80ern noch anders, als sie vor allem von Männern gewählt wurden.

Die Union hingegen wurde schon zu Beginn der Bundesrepublik mehr von Frauen gewählt, wobei der Geschlechteranteil sich in den 70ern zwischenzeitlich angeglichen hatte.

Ein höherer Frauen- als Männeranteil weißt meines Erachtens auf einen hohen Etablierungsgrad einer Partei hin.

Es gibt in der Tat nur zwei Pole, die sich konträr gegenüberstehen (AFD und Grüne).

FDP und Linke könnten quer dazu auch zwei Pole darstellen.
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SaaleMAX
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 02. Juni 2019 - 20:45 Uhr:   

Anmerkung.
Ich weiß gar nicht warum diesem Youtuber so wirklich überduchschnittlich viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Jeder Mensch hat seine eigene Meinung und kann diese gerne kundtun.
Bei manchem Youtuber bzw. Influenzer wäre ich persönlich vorsichtig, weil da manchmal im Hintergrund eben nicht nur EINE "private Einzelmeinung" steht.
......
Bei "Rezo" mal ins Impressum geschaut ?
.............

Oder wer steckt eigentlich hinter "Fridays for Future" ??..einfach mal wirklich nachfragen.Wer hält unsere Kinder vom freitäglichen Schulunterricht ab und Lehrer und Behörden schauen dabei auch noch zu.Da läuft momentan etwas schief und es wird auch noch von einigen Teilen hochgejubelt und gut geheissen.
Kinder und Jugendliche dürfen gerne Demonstrieren aber bitte NACH der Schule.Was wäre denn wenn alle Beschäftigten jetzt auch noch unter Tags 3 Stunden auf die Straße gehen....wäre das dann ein Generalstreik?
Bei Rezo und Fridays für Future stecken wirkliche Interessen dahinter.
Übrigens wer für Fridays for Future spenden will, wird erstaunt sein wohin das Geld gehen soll...
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 04. Juni 2019 - 23:40 Uhr:   

@Mark Tröger,

die AfD hatte ihr bestes Ergebnis bei der Bundestagswahl nach einem insgesamt äußerst langweiligen Wahlkampf. Eine Korrelation zur Zerstrittenheit der Koalition besteht insofern nur bedingt. Grundsätzlich profitiert natürlich die Opposition von der Krise und den Streit der Regierungsparteien. Ob jedoch mehr die AfD oder die Grünen profitieren hängt davon ab, welche Themen gerade im Fokus sind.

Tatsache ist - und das zeigt das Original der von Rezo manipulativ abgeschnittenen Grapik - dass andere westliche Staaten eine höheren Veerbungsanteil am Vermögen haben (etwa Frankreich und GB) als Deutschland, insofern Deutschland in der Hinsicht egalitärer ist.

In anderen Ländern wie Frankreich und England ist die Wohneigentumsquote aber höher, sodass weniger Leute Mieten zahlen müssen. Insofern stelle ich infrage, ob mehr Vererbung überhaupt ein guter Indikator für mehr soziale Ungleichheit ist.


Das in Deutschland die Eigenheimquote niedrig ist, ist ja gerade ein Problem, auch im Hinblick auf die Entwicklung der Mietpreise. Es gab mal eine Eigenheimzulage, die das erhöhen sollte. Wurde von der GroKo 2005-2009 als "Subvention" abgeschafft. Sozialpolitisch war das wohl weniger sinnvoll.
Weitere Gründe für den niedrigen Eigentumsanteil sind in Deutschland sehr hohe Baukosten (in England haben Häuser grds. keinen Keller, was EUR 50.000 im Schnitt einsparrt) und sehr umfangreiche Bauvorschriften (inklusive in Bezug auf den Klimaschutz), die die Baukosten massiv in die Höhe treiben.

Die Kappung der Pendlerpauschale trägt ihr übrigens dazu bei, dass der Zuzug in die Großstädte und der Anstieg von Immobilienpreisen und Mieten zunimmt. Währenddessen verfallen allerdings die Immobilienpreise auf den Land. Diesem Thema wird in der medialen Öffentlichkeit keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Diese einseitige Fixierung auf die Großstädte befördert und verstärkt die wachsenden Gegensätze zwischen Stadt und Land. Klarer Nutznießer ist die AfD.

Zur Außenpolitik nur soviel: Wer garantiert seit 1945 die Sicherheit Westeuropas vor Machtgelüsten der jeweiligen Moskauer Machthaber? Wer schützt heute Osteuropa vor einem revanchistischen Russland, dass die Unabhängigkeit der Staaten im postsowjetischen Raum nicht wirklich anerkennt, einschließlich der Nato-, EU-, und Eurozonenmitglieder Estland, Lettland und Litauen? Die EU bringt nicht genügend militärische Macht auf die Wagschale um Russland abzuschrecken. Deutschland ist nicht willens genug Geld auszugeben und Frankreich hat Osteuropas Sicherheitsbefindlichkeiten ziemlich lange igoriert.
Im Fall der Ukraine ziehen die USA und die EU an einem Strang.

Auch in vielen anderen Bereichen gibt es schlicht und ergreifend massive übereinstimmende Interessen zwischen den USA und der EU. Wobei die Abhängigkeit im Sicherheitsbereich einseitig ausgeprägt ist. Die EU und Deutschland brauchen die USA mehr als umgekehrt (und seit dem Ende des Kalten Krieges verliert Europa an Interesse für die USA, während der pazifische Raum (Chinas Nachbarn) an Bedeutung gewinnt).

Solange die EU-Staaten derart abhängig von der USA sind, müssen sie sich eng an die USA binden. Wer das ändern wollte müsste mehr für Rüstung ausgeben. In dem Punkt ist von den Grünen jedoch nichts zu erwarten.
Stattdessen wird versucht - auch von der CDU - Deutschland weiter als Trittbrettfahrer der USA zu positionieren. Präsident Trump ist nicht bereit das auf Dauer zu dulden und zieht daher die Daumenschrauben an. Bislang ist Deutschland gut mit der Trittbrettfahrerstrategie gefahren (wenig Geld für Rüstung, viel für Sozialpolitik und für die Förderung der eigenen Wirtschaft). Deutschland exportiert massiv in die USA, die einen großzügigen Maktzugang gewähren - besser im Übrigen als umgekehrt die EU in vielen Bereichen (Autozölle EU 10%, USA 2,5%). Im Gegenzug hat Deutschland sich auch als loyaler Verbündeter verhalten. Oder kurz: Im Gegenzug zu den Wirtschaftszugang sind wir ein Flugzeugträger der USA (wie im pazifischen Raum Japan).

Seit dem Ende des Kalten Krieges hat Deutschland indes an Bedeutung verloren. Sollte Deutschland den USA Probleme bereiten stehen GB oder Polen bereit Ersatzbasen anzubieten. Es ist im Ergebnis belanglos, ob die USA ihre Einsätze über Basen in Deutschland, Polen oder GB abwickeln. Zu glauben irgendein europäisches Land könne die USA von ihrer Nahostpolitik abhalten verkennt die machtpolitischen Realitäten. In einer solchen Konstellation ist dann doch besser ein gutes Verhältnis zu den USA zu wahren, aber auch deutlich zu machen, dass die USA allein verantwortlich sind, was sie von ihren Basen aus betreiben und das der deutsche Staat keinerlei Verantwortung für die amerikanischen Militäreinsätze trägt.

Zu Saudi-Arabien bin ich im Übrigen teilweise anderer Ansicht. Saudi-Arabien hat zwar eine problematische Ideologie, dass dortige Regime ist aber keine Sicherheitsbedrohung für den Westen. Inzwischen hat Saudi-Arabien sogar Kontakte mit Israel aufgenommen. Iran hingegen untersützt Hamas und Hizbollah die die größte Sicherheitsbedrohung Israels sind und fördert den islamischen Antisemitismus in Europa (der Al-Qudz-Tag wird von Iran gefördert). Im übrigen entwickelt Iran Mittelstreckenraketen, die bis Berlin fliegen könnte. Außerdem betreibt Iran ein fragwürdiges Atomprogramm. Das Atomabkommen mit Iran hatte große Schwächen. Vor allem war es bis 2026 beschränkt, was eigentlich inakzeptabel sein sollte. Anstelle sich von Iran vorführen lassen, sollte die EU zusammen mit Russland und China Iran veranlassen verbesserte Angebote zu machen - zum Beispiel zu einem zeitlich unbefristeten Überwachungsprogramm plus Rückzug iranischer Kräfte aus Syrien. Iran wird durch die US-Sanktionen schwer getroffen. Vielleicht werden wir im Iran eine ähnliche Entwicklung wie mit Nordkorea sehen. Man sollte erstmal abwarten, ob die unorthodoxe Diplomatie Trumps nicht Erfolge zeigt. In Fall Nordkorea gibt es zwar keinen Durchbruch, allerdings betreibt Nordkorea seit Trump keine Atomtests mehr, was unter Bush und Obama bekanntlich noch anders lief. Im Vergleich zu seinen beiden Amtsvorgängern scheint mir das doch relativ erfolgreich zu sein. Eine Trägodie ist es rückblickend, dass Bill Clinton in den 90er-Jahren das Problem nicht lösen könnte. Damals glaubte man allerdings wohl noch an einen Kollaps des Regimes. Trump beurteilt das heute realistischer.

Eine Äquidistanz zwischen den USA und Russland-Iran (abgesehen davon, dass der Iran sich niemals einen russischen Block unterordnen würde) wäre wirtschaftlich töricht. Russland hat ein BIP kleiner als Italien und die USA sind die größte Volkswirtschaft der Welt. Iran spielt eine noch geringere Rolle.

Wenn man in geopolitischen Dimensionen spricht, müsste man von Äquidistanz zu den USA und China sprechen. Allerdings haben wir mit China ein Handelsdefizit und mit den USA einen Überschuss. Sofern wir uns entscheiden müssten zwischen beiden würde die Wahl immer noch auf die USA fallen. Allerdings wäre es in der Tat gut, wenn wir zu beiden gute Beziehungen haben. Das versuchen auch alle EU-Staaten (inklusive der osteuropäischen). China ist auch keine Sicherheitsbedrohung für uns. Zugleich sollten wir aber auch unsere Partnerschaft mit Japan, Südkorea, Vietnam und Indien ausbauen. China muss ausbalanciert werden - und auch hierfür benötigen wir die USA. Kurzum: ohne die enge Partnerschaft mit den USA funktioniert unsere Außenpolitik nicht und funktioniert die Weltpolitik auch nicht.


Ich habe in den letzten Tagen versucht zu vergleichen, nach welchem Kriterium die Spaltung in Deutschland eigentlich am größten ist. Da gibt es Kriterien wie alte Länder-neue Länder oder Mann-Frau, wo es von Natur aus eine klare Zweiteilung gibt. Um vergleichen zu können muss man dafür auch bei Kriterien wie alt-jung oder Land-Stadt zu einer Zweiteilung kommen, nur als Beispiel. Herausgekommen ist übrigens, dass die Teilung zwischen Ost-West am stärksten ist, und die zwischen jung-alt stärker als zwischen Land-Stadt.

Die Teilung zwischen Ost- und West ist nichts neues. Ich nenne nur mal das Stichwort Linkspartei, die in Ostdeutschland ebenfalls mehr als doppelt so stark abschneidet wie im Westen. Inzwischen wird die Linkspartei im Osten schwächer - zugunsten der AfD - und im Westen stärker (primär durch Gewinne von der SPD und vom linksgrünen Milieu). Diese Spaltung halte ich daher nicht für so bemerkenswert.

Bemerkenswerter und viel grundsätzlicher (und auch global vergleichbarer) ist die Spaltung Stadt-Land. Diese sehen wir auch in GB im Fall des Brexit (übrigens ergibt dies auch eine regionale Spaltung, da Nordengland ländlicher und Südengland städtischer geprägt ist, ebenso wie Westdeutschland im Schnitt deutlich urbaner geprägt ist als Ostdeutschland). Den Punkt halte ich für am bedenklichsten, weil er zeigt, dass abhängte Regionen entstehen, in denen zunehmen Hoffnungslosigkeit sich breit macht. Das gilt für Teile Ostdeutschlands, aber auch einge wenige Regionen Westdeutschlands.

Die Generationenspaltung im Wahlverhalten ist grundsätzlich nichts ungewöhnliches. Allerdings scheint sie doch deutlich stärker ausgeprägt als früher. Dies könnte auch zu einem Problem für die Grünen werden. Die Wählerschaft wird im Schnitt nämlich nicht jünger, sondern älter. Oder anders gesprochen. Während SPD und CDU Probleme mit den Jungwählern haben, haben die Grünen Probleme mit den älteren Wählerschichten. Die Gesellschaft zerfällt immer stärker in unterschiedliche Teile, die offenkundig und mehr aneinander vorbei reden.

Allerdings sehe ich das nicht nur zwischen den Generationen, sondern grundsätzlich. Die relative Stärke der unterschiedlichen Gruppen mag zwischen den Altersgruppen unteschiedlich sein, aber ein 20jähriger AfD-Wähler und ein 20jähriger Grünen-Wähler leben ideologisch genauso in unterschiedlichen Welten wie vergleichbare 60-jährige.

Andererseit muss ich auch sagen: Die Grünen haben ihr Image deutlich verändert. In den 90er-Jahren waren sie eine Partei, die noch primär ein "alternatives" Milieu ansprach. Heute sind sie linksbürgerlicher Mainstream und sind damit in ein Wählersegment der "Mitte" eingedrungen, um dass sich traditionell nur CDU/CSU und SPD gestritten hatten. Heute ziehen die Grünen auch sehr viele Karrieristen an, die früher eher in die SPD gegangen wären. Dies halt so seine Vor- und Nachteile. Jedenfalls gleichen sich die Grünen damit SPD und CDU/CSU mehr und mehr an, so dass zu erwarten wäre, dass sie mit gewisser Zeitverzögerung vor ähnlichen strukturellen Problemen stehen könnten. Mehr als 20% bundesweit für die Grünen sehe ich jedenfalls nicht als Wählerpotenzial.
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Marc
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Veröffentlicht am Mittwoch, 05. Juni 2019 - 00:17 Uhr:   

@SaaleMax,

Anmerkung.
Ich weiß gar nicht warum diesem Youtuber so wirklich überduchschnittlich viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Jeder Mensch hat seine eigene Meinung und kann diese gerne kundtun.
Bei manchem Youtuber bzw. Influenzer wäre ich persönlich vorsichtig, weil da manchmal im Hintergrund eben nicht nur EINE "private Einzelmeinung" steht.
......
Bei "Rezo" mal ins Impressum geschaut ?


Das ist ein wichtiger Hinweis. Natürlich war das eine Kampagne.
Rezo ist kein Hobby-Youtuber, sondern ein besserverdiendere Internetunternehmer, der sozusagen das Mundstück eines Unternehmens und eines bestimmten Milieus ist. Dagegen ist grundsätzlich auch nichts zu sagen. Nur eine solche Polemik, die von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, ist keine seriöse, wissenschaftliche Abhandlung und "bloße Darstellung von Fakten". In zahlreichen Medien wurden die Fehler von Rezo ausführlich dargelegt.

Ich denke es gibt zwei Gründe für den Hype um Rezo: 1. der Zeitpunkt unmittelbar vor der Wahl, der bewusst gewählt wurde. 2. eine insgesamt mit den Grünen stark sympathisierende Medienlandschaft in Deutschland, die dem daher großen Raum beigemessen hat (Rezo hat ja eine Wahlempfehlung für Grüne und Linke abgegeben) und 3. der Umstand, dass die traditionellen Medien faziniert und erschrocken zugleich darüber sind, dass über Youtube eine solche Breitenwirkung in bestimmten Marktsegmenten (potentiellen Lesersegmenten) erzielt werden kann. Sowohl Fernsehen wie Zeitungen (inklusive deren Online-Angebote) drohen hier den Anschluss zu verlieren und 4. die völlig inkompetente Reaktion der CDU, die Rezo aufgewertet hat. Es wäre besser gewesen ihn zu ignorieren bzw. seine Vorwürfe zurückzuweisen. Eine nachträgliche Gesprächseinladung war eine überflüssige Aufwertung dieser Person. Viel wichtiger gewesen wäre es, die eigene Position deutlich zu machen und zu erläutern. Und zwar auch mit Fakten - zum Beispiel wie bedeutend die deutsche Industrie ist, gerade auch die Automobilindustrie und das die CDU den Wohlstand Deutschlands sichrn muss und die Unweltpolitik daher mit Augenmaß gestaltet. Man hätte hierbei auch auf den beschlossenen Kohleausstieg verweisen können - darauf, dass man schrittweise denn Weg aus der Kohle geht.

Man hätte darauf hinweisen können, dass man auch in der Vergangenheit schon Umweltprobleme gelöst hat (zum Beispiel den sog. sauren Regen durch Umweltauflagen für die Industrie und den Katalysator) und schrittweise auch diese Problem löst - gerade im internationalen Rahmen - was in dem Fall auch unausweichlich ist. Kurzum: man hätte diese Fakten herausstellen können, statt völlig hilflos zu reagieren.

Was besonders störend an den Beitrag ist, ist dass der Autor ständig behauptet nur Fakten zu referieren aber offenkundig den Unterschied zwischen Streiks und Demonstrationen nicht kennt. Streiks sind Arbeisniederlegung von Arbeitnehmern zur Durchsetzung von Lohnforderungen oder anderen arbeitsvertraglichen Forderungen, die - soweit sie von Gewerkschaften ausgerufen sind - unter die Koalitionsfreiheit fallen.

Schüler und Studenten sind keine Arbeitnehmer und können daher schon per se nicht den Schulunterricht bestreiken. Das könnten Lehrer, sofern sie mehr Gehalt einfordern möchten.

Der Unterchied zwischen einem Streik (zur Durchsetzung von Lohnforderungen gegen den Arbeitgeber) und einer Demonstration zur Durchsetzung allgemeinpolitische Forderungen gegen die Politik sollte 1. bekannt sein und 2. nicht verwischt werder. Die Politik sollte durchaus Demonstrationen beachtet. Allerdings erhält sie ihre Legitimation durch Wahlen, die auch andere Ergebnisse erbringen können als sich Demonstanten wünschen. Auch das muss in einer Demokratie respektiert werden. Die Staatsgewahlt geht durch Wahlen und Abstimmungen aus und nicht durch Demonstrationen.
Wenn die Schüler während der Schulzeit demonstrieren schaden sie im Übrigen nur der eigenen Bildung. Ferner weckt dies Zweifel an der Motivation der Schüler - nämlich echter Protest oder nur die Möglichkeit zu erhalten den Schulunterricht zu schwänzen. Ich entsinne mich, dass in den 90er-Jahren gegen die Schulpolitik der Bundesländer demonstriert wurde - während der Schulzeit - viele Schüler aber dann lieber zum shoppen gegangen sind. Das war indes nur ein sporadischer Prozess (den damals niemand als Streik bezeichnet hätte). Jetzt haben wir es ja mit einer allwöchentlichen Demonstrationsveranstaltung zu tun. Glaubwürdiger wäre das ganze, wenn diese auf den Samstag verlegt werden würden. Die Wahrscheinlichkeit ist indes sehr groß, dass dann die Teilnehmerzahl stark fallen würde.
Dieser Umstand lässt daher meiner Ansicht nach zurecht die etwas älteren (und damit meine ich die Über-30-Jährigen) vielfach doch zweifeln an der echten Stärke dieser sogenannten Protestbewegung. Sicherlich gibt es überzeugte Aktivisten. Solange diese Demos allerdings eine Gelegenheit darstellen die Schule schwänzen zu können liegt die Vermutung nahe, dass die Mehrheit der Teilnehmer aus reinem Opportunismus die Gelegenheit nutzen etwas weniger Schulunterricht zu haben (was in dem Alter normal ist, aber von Älteren nicht bejubelt werden sollte. Aus guten Gründen gibt es in diesem Land die Schulpflicht und die Kinder schaden sich damit nur selbst. Inosfern war und ist dieser Hinweis an die Schüler berechtigt. Sie müssen selbst die Konsequenzen ihrer Handlung tragen (sei es durch schlechtere Noten oder gar Sitzen bleiben). Da darf es dann keinen Demo-Bonus geben.
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Mark Tröger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. Juni 2019 - 16:36 Uhr:   

@Marc

"Zur Außenpolitik nur soviel: Wer garantiert seit 1945 die Sicherheit Westeuropas vor Machtgelüsten der jeweiligen Moskauer Machthaber?"

Die Frage ist, ob das im Falle Deutschlands überhaupt nötig gewesen wäre. Österreich war nach dem 2. Weltkrieg auch von den Siegermächten militärisch aufgeteilt worden, jedoch zogen sie sich 1955 zurück, als sich Österreich neutral erklärte. Und auch Deutschland wurde 1952 von Stalin die Wiedervereinigung angeboten, sollte es sich neutral erklären. Doch Adenauer hat sich darauf nicht eingelassen, was die Sicherheitslage etwa während der Kuba-Krise nicht gerade verbessert haben dürfte. Neben Österreich zeigen auch die Schweiz und Schweden, dass man sich als neutraler Staat außerhalb der NATO wirtschaftlich gut entwicklen kann, ohne Gefahr zu laufen von Russland besetzt zu werden.

"Wer schützt heute Osteuropa vor einem revanchistischen Russland, dass die Unabhängigkeit der Staaten im postsowjetischen Raum nicht wirklich anerkennt, einschließlich der Nato-, EU-, und Eurozonenmitglieder Estland, Lettland und Litauen?"

In seiner unmittelbaren Nachbarschaft hat auch die USA Probleme damit, kommunistische Staaten anzuerkennen, siehe Kuba. Der Versuch den jeweils anderen einzuengen, steigert meines Erachtens die Kriegsgefahr. Keine Großmacht wird tatenlos zusehen, wie seine Einflusszone immer weiter eingeengt wird. Die USA hat seit dem Untergang der Sowjetunion die Oberhand, und versucht den Vorteil maximal auszunutzen. Revanchistische Bestrebungen werden dadurch beim Gegner aber gestärkt. Das zeigt die Erfahrung mit dem überharten Versailler Vertrag in Deutschland, der den Aufstieg des Revanchisten Hitler begünstigt hat.

"Die Teilung zwischen Ost- und West ist nichts neues. Ich nenne nur mal das Stichwort Linkspartei"

Ja, der Anteil der Stimmen, die zwischen Ost und West unterschiedlich vergeben werden, liegt seit 2004 zwischen 20% und 30%, zuletzt aber wieder mit ansteigender Tendenz (Europawahl 2014: 22,3%, Bundestagswahl 2017: 23,6%, Europawahl 2019: 25,8%).

"Bemerkenswerter und viel grundsätzlicher (und auch global vergleichbarer) ist die Spaltung Stadt-Land."

Ja, die Stadt-Land-Spaltung ist zwar nach wie vor auf einem geringeren Niveau, steigt dafür aber stärker an als die Ost-West-Spaltung. So wurden meinen Berechnungen zufolge noch bei der Bundestagswahl 2017 zwischen Gemeinden mit mehr bzw. weniger als 50.000 Wahlberechtigten 10,7% der Stimmen unterschiedlich vergeben. Deutschlandweit konnte ich den Wert jetzt bei der Europawahl noch nicht herausfinden, allerdings z. B. für Hessen: Da wurden zwischen Gemeinden mit mehr bzw. weniger als 50.000 Wahlberechtigten 14,0% der Stimmen unterschiedlich vergeben (Sonstige als Einheit betrachtet).

Noch wesentlich stärker ist die Spaltung allerdings zwischen Jung und Alt. Da wurden jetzt bei der Europawahl zwischen den unter bzw. über 60-Jährigen 29% der Stimmen unterschiedlich vergeben (laut infratest dimap). Bei der Bundestagswahl 2017 waren es noch nur 16,6%!

Auch bemerkenswert ist, dass die Spaltung zwischen Mann und Frau auf einem Allzeithoch seit 1953 ist. Der bisherige Rekord lag bei 10,0% im Jahr 1969. Bis 1980 hat sich der Wert auf 1,2% verringert. Seitdem ist er wieder angestiegen und lag zuletzt bei der Bundestagswahl bei 10,1% und laut Meinungforschern bei der Europawahl ebenfalls bei gerundet 10%.

(Bei diesen Berechnungen konnte ich aus unterschiedlichen Gründen die Sonstigen noch nicht genau aufschlüsseln, und habe sie stattdessen als Einheit betrachtet.)
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SaaleMAX
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 05. Juni 2019 - 20:57 Uhr:   

Ich möchte auch zum Fall Strache mit seinem Video auf Ibiza anmerken...wo er bekanntlich die KRONEN Zeitung angeboten hat.....
Normalerweise kann jemand nur etwas verkaufen was IHM auch gehört!Und ein beachtlicher Anteilseigner der KRONEN ZEITUNG ist die deutsche Funke Mediengruppe, die hierzulande einen Großteil der Printmedien in Besitz hält.
Somit hätte diese ja dem Verkauf zustimmen müssen.Dieser " Skandal" ist so hahnebüchen konstruiert , daß einem sich die Haare sträuben...

Aber auch da waren unsere deutschen Medien, die mit den größten Reichweiten, wieder ganz vorne mit dabei, genau wie bei Rezo.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. Juni 2019 - 18:29 Uhr:   

@Mark Tröger

"Zur Außenpolitik nur soviel: Wer garantiert seit 1945 die Sicherheit Westeuropas vor Machtgelüsten der jeweiligen Moskauer Machthaber?"

Die Frage ist, ob das im Falle Deutschlands überhaupt nötig gewesen wäre. Österreich war nach dem 2. Weltkrieg auch von den Siegermächten militärisch aufgeteilt worden, jedoch zogen sie sich 1955 zurück, als sich Österreich neutral erklärte. Und auch Deutschland wurde 1952 von Stalin die Wiedervereinigung angeboten, sollte es sich neutral erklären. Doch Adenauer hat sich darauf nicht eingelassen, was die Sicherheitslage etwa während der Kuba-Krise nicht gerade verbessert haben dürfte. Neben Österreich zeigen auch die Schweiz und Schweden, dass man sich als neutraler Staat außerhalb der NATO wirtschaftlich gut entwicklen kann, ohne Gefahr zu laufen von Russland besetzt zu werden.


Es gab in Deutschland in der Tat seinerzeit stark neutralistische Strömungen. Diese verkennen jedoch, dass Deutschland weder Österreich, die Schweiz noch Schweden oder Finnland ist (letzteres war im Übrigen faktisch in stark in die sowjetische Sphäre eingebunden). Deutschland, mit seinem bevölkerungsmäßigen und politischen Gewicht ist strukturell der größte Machtfaktor in Europa. Insofern ware eine Neutralisierung anders als bei Kleinstaaten keine reale Option. Faktisch waren diese "neutralen" Staaten ja auch mehr oder weniger einem der beiden Blöcke näher (Österreich, Schweiz und Schweden dem Westen, Finnland erzwungenermaßen der Sowjetunion).

Da die Sowjetunion durch die Westverschiebung Polens zudem das schlesische Kohlerevier für den Ostblock vereinnahmt hat, war logisch, dass der Westblock dies durch die Einbeziehung des westdeutschen Ruhrgebiets kompensiert. Ohne Einbeziehung der Bundesrepublik Deutschland wäre auch die Sicherheit der westeuropäischen Staaten (Frankreich, Benelux, GB) sowie von Italien vor der Sowjetunion nicht gesichert gewesen. Ein Orwelsches Szenario (Spaltung der Welt in Eurasien, dass den gesamten europäischen Kontinent kontrolliert und Ozeanien) wäre wohl die Folge gewesen, was einen Sieg des Westens im Kalten Krieg undwahrscheinlicher gemacht hätte. Gerade in Osteuropa hat die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik ausgestrahlt. Oder kurz: deutsches Geld hat die Loyalität der lokalen Eliten gegenüber Moskau deutlich aufgeweicht und schließlich sogar die Sowjetunion selbst zur Aufgabe Osteuropas bewogen. Ohne Einbindung Deutschlands in den Westen wäre Deutschland nicht wirtschaftlich wieder so erfolgreich geworden und wäre nicht in der Lage gewesen im Bündnis mit den USA Europa neu zu ordnen und den Einfluß Moskaus zurückzudrängen. Schließlich entsprach das Bündnis mit den USA auch den nationalen geopolitischen Interessen und stand und steht i Einklang mit den vorherrschenden politischen Ansichten in beiden Staaten. Das gilt m.E. nach - wenn auch mit Abstrichen - noch heute. Denn sowohl Russland als auch China sind uns politisch und kutlturell ferner. Wirtschaftlich interessant wäre allein China. Allerdings betreibt China eine knallharte Interessenpolitik und wirtschaftlich bestehen hier weit größere Spannungen als mit den USA (Technologiediebstahl, Außenhandelsdefizit), während das Verhältnis zu den USA trotz der aktuellen Spannungen ausgewogener und auf einer stärker reziroker Basis steht (deutsche und amerikanische Unternehmen können wechselseitig in beiden Staaten investieren; China hingegen verlangt joint-venture mit chinesischer Mehrheitsbeteiligung in China, verlangt allerdings freie Investitionen für seine Unternehmen im Rest der Welt. Trump hat recht, dass er diese chinesische Poltik so nicht weiter hinnehmen will und er setzt China bereits stark unter Druck. Wir sollten es begrüßen, wenn dieses diktatorische Regime etwas geschwächt wird.).

}"Wer schützt heute Osteuropa vor einem revanchistischen Russland, dass die Unabhängigkeit der Staaten im postsowjetischen Raum nicht wirklich anerkennt, einschließlich der Nato-, EU-, und Eurozonenmitglieder Estland, Lettland und Litauen?"

In seiner unmittelbaren Nachbarschaft hat auch die USA Probleme damit, kommunistische Staaten anzuerkennen, siehe Kuba. Der Versuch den jeweils anderen einzuengen, steigert meines Erachtens die Kriegsgefahr. Keine Großmacht wird tatenlos zusehen, wie seine Einflusszone immer weiter eingeengt wird.


Russland ist keine Supermacht mehr, sondern eine alterne, stagnierende Regionalmacht, die - wie Frankreich und GB nach dem Zweiten Weltkrieg - sein Kolonialreich verloren und seine neue Rolle noch finden muss.
Das Verhalten und die Entwicklung Russland ist m.E. nach mehr mit der inneren Entwicklung Russlands zu erklären. Der Versuch Anfang der 90er-Jahre Russland zu verwestlichen ist vorerst gescheitert. Die russische Elite versucht daher erneut mit anti-westlichen Ressentiments und Aufbau von Feindbildern den Staat zusammenzuhalten, der weiter starke Verfallstendenzen aufweist (besonders im Kaukasus (Tschetschenien, Dagestan).
Wäre die Demokratisierung Russlands in den 90er-Jahren gelungen, so würde es heute sehr enge Beziehungen zwischen Russland und der EU geben. Eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine wäre kein Problem, würde Russland sogar helfen, da die Ukraine ein Fürsprecher für Wirtschaftsbeziehungen mit Russland wäre (schon aus Eigeninteresse). Die Schwarzmeerflotte hätte Russland auch anderswo am Schwarzen Meer parken können (das Land hat schließlich eine eigene Schwarzemeerküste und hatte daher keine Veranlassung für den Landraub der Krim). Wäre die Entwicklung so verlaufen wären wohl Russland und die Ukraine sogar zusammen der Nato beigetreten (denn ein solches Russland würde sich mehr am Westen als an China orientieren).

Russland hat einen anderen Weg eingeschlagen und ist in sein historisches autokratisches Muster zurückgefallen. Die Folge davon wird sein, dass Russland zu einem Vasall Chinas wird, sofern es seine Politik nicht überdenkt. Wir sollten die Tür durchaus für Moskau offen halten. Bedingung ist allerdings, dass es sich wieder an die westlichen Spielregeln hält und die Souveräntität der Ukraine anerkennt.

Übrigens: selbst wenn man die westliche Politik gegenüber Russland in den 90er-Jahren für falsch hält, wäre es nun grundfalsch jetzt mit Appeasement zu antworten, genauso wie es in den 30er-Jahren ein großer Fehler war Hitler-Deutschland mit Appeasement zu begegnen. Größere Härte wäre hier angebrachter gewesen und selbst dann wenn man die westliche Politik der 20er-Jahre für falsch gehalten hat. Denn man hat es nunmal mit einer revanchistischen Diktatur zu tun. Russland ist leider auch in revanchistische Großmachtphantasien abgerutscht. Grund hierfür ist nicht die Politik des Westens, sondern dass Scheitern der Verwestlichung Russlands in den 90er-Jahren.

Ich bedauere daher ausdrücklich, dass Russland wieder am Europarat teilnehmen darf, obwohl Russland dieses Jahr gegenüber der Ukraine den Konflikt erneut eskaliert hat mit pauschalen Passvergaben, die die Sourveränität der Ukraine untergraben. Das europäische Verhalten könnte in Moskau als Schwäche aufgefasst werden. Man kann Sanktionen abbauen, aber nur wenn Moskau selbst den Weg der Entspannung geht. Dafür ist die Zeit allerdings noch nicht reif. Vielleicht wird sie es in der Nach-Putin-Ära. Wir brauchen dafür Geduld und einen langen Atem. Der Kalte Krieg sollte hier Vorbild sein für eine kluge Russlandpolitik, die zwischen Sanktionen und Entspannung flexibel wechselte (im Gegensatz zum Appeasement der 30er-Jahre).


Ja, die Stadt-Land-Spaltung ist zwar nach wie vor auf einem geringeren Niveau, steigt dafür aber stärker an als die Ost-West-Spaltung. So wurden meinen Berechnungen zufolge noch bei der Bundestagswahl 2017 zwischen Gemeinden mit mehr bzw. weniger als 50.000 Wahlberechtigten 10,7% der Stimmen unterschiedlich vergeben. Deutschlandweit konnte ich den Wert jetzt bei der Europawahl noch nicht herausfinden, allerdings z. B. für Hessen: Da wurden zwischen Gemeinden mit mehr bzw. weniger als 50.000 Wahlberechtigten 14,0% der Stimmen unterschiedlich vergeben (Sonstige als Einheit betrachtet).

Noch wesentlich stärker ist die Spaltung allerdings zwischen Jung und Alt. Da wurden jetzt bei der Europawahl zwischen den unter bzw. über 60-Jährigen 29% der Stimmen unterschiedlich vergeben (laut infratest dimap). Bei der Bundestagswahl 2017 waren es noch nur 16,6%!

Auch bemerkenswert ist, dass die Spaltung zwischen Mann und Frau auf einem Allzeithoch seit 1953 ist. Der bisherige Rekord lag bei 10,0% im Jahr 1969. Bis 1980 hat sich der Wert auf 1,2% verringert. Seitdem ist er wieder angestiegen und lag zuletzt bei der Bundestagswahl bei 10,1% und laut Meinungforschern bei der Europawahl ebenfalls bei gerundet 10%.

(Bei diesen Berechnungen konnte ich aus unterschiedlichen Gründen die Sonstigen noch nicht genau aufschlüsseln, und habe sie stattdessen als Einheit betrachtet.)


Mich würden durchaus diese weiteren Statistiken interessieren. Die Medien kaprizieren sich doch sehr auf Ost-West und das Alter. Ost-West-Spaltungen sind nichts neues.

Interessanter finde ich die Entwicklung beim Alter und zwischen Stadt und Land. Bezüglich des Wahlverhaltens der Geschlechter sehe ich keine Überraschungen (Grünen stärker bei Frauen, AfD stärker bei Männern - interessanter ist vielmehr, dass bei den übrigen Parteien der Zuspruch in etwa gleich groß ist (früher erhielt z.B. die FDP weniger Zuspruch von Frauen).
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Mark Tröger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 28. Juni 2019 - 20:29 Uhr:   

Die Frage der kulturellen Nähe zu den USA und Russland beurteile ich etwas anderes. Bei Russland handelt es sich wie bei Deutschland um eine alte europäische Kulturnation, während die USA m. E. doch eher eine kulturell oberflächliche Nation sind. Zwar ist Deutschland seit 1945 einer kulturellen Amerikanisierung ausgesetzt, aber das muss man nicht gut finden. Ich für meinen Teil ziehe einen Peter Tschaikowsky einer Britneys Spears dann doch vor. In sportlicher Hinsicht sind die US-Amerikaner an ganz anderen Sportarten interessiert als wir. In Hinsicht auf die Bestrafungskultur muss man auch festhalten, dass Russland seit es im Europarat ist, die Todesstrafe nicht mehr anwendet, ganz im Gegensatz zur USA.

In der Frage der Appeasement-Politik kann man, denke ich, festhalten, dass diese gegenüber Hitler nichts gebracht hat, aber in den 20er-Jahren gegenüber Deutschland Noch von Nutzen gewesen wäre, z. B. dadurch dass Hitler wohl gar nicht erst an die Macht gekommen wäre. Zum heutigen Russland muss man sagen, dass es sich dabei zwar um eine interessengeleitete Halbdiktatur handelt, diese von einer ideologisch fanatischen, totalitären Diktatur wie dem Dritten Reich aber noch weit entfernt ist.

Natürlich sollte man gegenüber Russland wie auch gegenüber jedem anderen Grenzen setzen, gegen deren Überschreitung man sich hart stellt. Die Frage ist nur welche Grenzen das sein sollen. Bestenfalls sind das Grenzen, denen auch die andere Seite einmal zugestimmt hat. Z. B. in Bezug auf die Krim, hat Russland aber nie zugestimmt, dass diese unter westlichen Einfluss fällt. Auch muss man berücksichtigen, dass die ethnische und sprachliche Bevölkerungszusammensetzung im ehemaligen wilden Feld in der Ukraine nun einmal kompliziert ist. Als rote Linie die ukrainische Ostgrenze festzulegen war m. E. töricht. Hinter diese Grenzen kann Russland jetzt auch gar nicht mehr zurück. Die Rückgabe der Krim wäre eine nationale Schmach und propagandistisches Desaster. Meines Erachtens wird man darauf bis zum Sankt Nimmerleins-Tag warten können. Die Frage ist, ob man deswegen Russland wirklich als Vasall in die Arme Chinas treiben will.

Zuletzt möchte ich auch die innerdeutsche Entscheidungsfindung in Bezug auf Russland kritisieren. Deutschland ist in der Frage in Ost und West gespalten. Parteiübergreifend ist man in Ostdeutschland gegen die Sanktionen, weil man durch die Geschichte mit Russland mehr verpflochten ist. In der Frage mit einfacher gesamtdeutscher Mehrheit zu entscheiden, läuft darauf hinaus, den Osten systematisch zu übergehen und zu benachteiligen. In Belgien ist es bei manchen Gesetzen erforderlich, dass eine Mehrheit beider Sprachgruppen zustimmt. Eine ähnliche (möglicherweise auch ungeschriebene) Regel wäre bei manchen Fragen in Deutschland auch zwischen Ost und West wünschenswert.

"Mich würden durchaus diese weiteren Statistiken interessieren. Die Medien kaprizieren sich doch sehr auf Ost-West und das Alter. Ost-West-Spaltungen sind nichts neues.

Interessanter finde ich die Entwicklung beim Alter und zwischen Stadt und Land."


Beim Land-Stadt-Unterschied scheint sich nicht viel zu tun. Der Bundeswahlleiter hat mittlerweile die Endergebnisse nach kreisfreien Städten und Landkreisen veröffentlicht.

2014 haben sich über 13% der Stimmen zwischen kreisfreien Städten und Landkreisen unterschiedlich verteilt.

In den kreisfreien Städten teilen sich diese wie folgt auf (ohne Berücksichtigung von Kleinstparteien):
- 5,94% Grüne
- 2,92% Linke
- 2,53% SPD
- 0,51% Die PARTEI
- 0,88% Piraten
- 0,45% FDP

Und in den Landkreisen wie folgt:
- 11,40% Union
- 0,00% AfD
- 1,01% Freie Wähler
- 0,30% Familie
- 0,32% NPD

2019 wurden über 14% zwischen kreisfreien Städten und Landkreisen unterschiedlich vergeben.

In den kreisfreien Städten teilen sich diese wie folgt auf:
- 7,76% Grüne
- 2,46% Linke
- 0,68% SPD
- 1,62% Die PARTEI
- 0,20% Piraten
- 0,05% FDP

Und in den Landkreisen wie folgt:
- 10,24% Union
- 2,00% AfD
- 1,39% Freie Wähler
- 0,28% Familie
- 0,12% NPD

Da hat sich also nicht viel getan.

Dagegen gab es im Vergleich zwischen Alt und Jung erdrutschartige Veränderungen: https://www.merkur.de/bilder/2019/05/26/12322655/1899813077-euuropawahl-2019-so-stimmten-unter-30-jaehrigen-ab-2zRGPqfx6NG.jpg
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 01. Juli 2019 - 20:39 Uhr:   

Ich habe Merkel ja immer für eine außenpolitische Amateurin gehalten, aber dieses Maß an Unfähigkeit überrascht selbst mich. Sie wollte ihren Schoßhund zum Kommissionspräsidenten zu machen und blamiert sich total, was eher an der eigenen Unfähigkeit als an Macron liegt.

Ein roter Faden der französischen Außenpolitik vom Dreißigjährigen Krieg bis heute ist das Bestreben, Deutschland klein zu halten – früher eher durch Landraub, heute mit subtileren Methoden. Auch die Montanunion als Vorläuferin der EU wurde aus dieser Motivation heraus von Schuman und Monnet ersonnen. Auch viel später reagierte Frankreich sehr empfindlich, wenn Deutschland zu mächtig werden drohte. Man denke nur an das Gewürge beim Vertrag von Nizza, wo die Franzosen zunächst die doppelte Mehrheit bei Ratsbeschlüssen nicht akzeptieren wollten, weil dabei Deutschland mehr Gewicht hat als Frankreich. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass die Franzosen Weber ablehnen. Dass der null Regierungserfahrung hat, muss die Franzosen erst recht darin bestärken, dass er bloß das Werkzeug Merkels ist.

Als Merkels plumper Plan zu scheitern droht, macht sie bereits den nächsten Fehler, indem sie Weber schon vor offiziellen Verhandlungen fallen lässt. Rein machttaktisch wäre es für sie am besten gewesen, an Weber bis in die Verhandlungen festzuhalten, um dann in einem Personalpaket an anderer Stelle etwas rauszuholen. Aber Merkel stellt es besonders dumm an: Sie gibt Weber auf für eine Lösung, bei der sie schlecht abschneidet, die aber absehbar auf große Widerstände stoßen wird. Bringt dieser den Plan zu Fall – und danach sieht es aus – steht sie total blamiert da. Ihr Wort zählt wenig, wenn das Scheckheft nicht bereit liegt – vollkommen zurecht bei so viel Unfähigkeit.

Das Prinzip Spitzenkandidat als Kommissionschef hat Merkel bestimmt nicht geritten. Um Prinzipien und Recht hat sie sich bisher viel zu wenig geschert, um glaubwürdig zu sein. Dass Prinzip Spitzenkandidat ist sowieso zweifelhaft. Ein europäisches Volk gibt es weder juristisch noch im Bewusstsein der Menschen. Die meisten kennen die sogenannten europäischen Spitzenkandidaten gar nicht und die europäischen Parteien sind lockere Zusammenschlüsse mit schwacher Fraktionsdisziplin. Die Entscheidungen der EU beruhen eben vor allem auf Konsens oder wenigstens breiten Mehrheit der Mitgliedsstaaten und nicht wie in Nationalstaaten auf (oft knappen) Parlamentsmehrheiten. Es ist auch in den Mitgliedsstaaten keine feste Regel, dass die stärkste Fraktion immer den Regierungschef stellen muss, schon gar nicht mit einem knappen Viertel der Sitze, wie sie die EVP-Fraktion hat.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 02. Juli 2019 - 18:37 Uhr:   

Von der Leyen, oha. Immerhin ist relativ sicher, dass der neue Verteidigungsminister nicht noch unfähiger ist.

Von der Leyen wurde offenbar von Macron ins Spiel gebracht. Die Franzosen bekommen dafür das Amt des EZB-Präsidenten, was sie wohl auch am liebsten wollten, damit die Notenpresse mindestens so gut rattert wie bei Draghi. Das ist wohl schlimmer für die Bürger als von der Leyen.

Der linksgrün-kommunistische Teil des Europaparlaments wird heftig zetern, aber letztlich werden sie das Personaltableau nicht blockieren, wenn es denn so vom Rat beschlossen wird.
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maschi
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 02. Juli 2019 - 20:40 Uhr:   

Immerhin... mit ihrer Erfahrung im Zuschanzen von Beraterverträgen ist sie ja für ein hohes EU Amt bestens qualifiziert.

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