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Archiv bis 11. Juli 2019

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Landtagswahlen in Deutschland » Landtagswahl in Sachsen » Archiv bis 11. Juli 2019 « Zurück Weiter »

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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 08. Juli 2019 - 13:25 Uhr:   

@tg
Wenn ein Landeswahlausschuss eine Listenaufstellung trotz Unregelmäßigkeiten hinnimmt, ist es das Problem des Landes - inkl. Kosten für eine Neuwahl. Ein Wahlausschluss wäre eine Strafe.
Die Nichtanerkennung problematischer Listenbestandteile schützt dagegen die Wahl vor einer Anfechtung.
Übrigens gab es vor der Sitzung wohl schon einen Schriftwechsel - die AfD war offenbar nicht bereit, die Unstimmigkeiten zu beheben. Die damalige Landesvorsitzende Petry hat im Vorfeld der BTW in einem ähnlichen Fall genau das getan, wie ihr Gatte vor wenigen Tagen in einem Tweet angedeutet hat ...
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Mark Tröger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 08. Juli 2019 - 15:31 Uhr:   

Tomas Spahn bringt meines Erachtens einen wichtigen Aspekt auf den Punkt:

"Für die Einstellung der Bürger zur Demokratie wäre es eine Katastrophe, gelangten sie zu der Auffassung, dass missliebige Konkurrenz durch Hintertürtricks verhindert wird. So könnte Schreck unabhängig davon, ob sie formal im Recht ist oder nicht, der Demokratie einen nicht zu heilenden Bärendienst erwiesen haben."

"Allein schon das Gefühl, dass hier eine Entscheidung gefallen ist, die gezielt die demokratische Teilhabe der AfD an den Landtagswahlen und am parlamentarischen Prozess aushebeln soll, wird insofern selbst mit juristisch möglicherwiese zutreffenden Erläuterungen nicht auszuräumen sein."

https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/afd-in-sachsen-formfehler-oder-anschlag-auf-die-demokratie/

Kern der Demokratie ist die Volkswahl, in dem der Souverän frei seine Vertretung wählt. Die innerparteiliche Demokratie ist von sekundärem Rang, da sich die Parteien anschließend immernoch dem Votum des Volkes stellen müssen, und damit eben legitimiert werden oder eben nicht. Wenn der Staat Maßnahmen zur Erwirkung innerparteilicher Demokratie ergreift, dann sollten sich diese zumindest nicht zulasten der freien Volkswahl, dem Kern der Demokratie auswirken. Eine Alternative wäre z. B. die Kürzung der staatlichen Parteienfinanzierung bei Missachtung der innerparteilichen Demokratie.

Dass jetzt in Sachsen die Volkswahl beeinträchtigt wird, aufgrund (rein formaler?) Verstöße gegen die innerparteiliche Demokratie, ist umso bedenklicher, da an anderer Stelle handfeste Verstöße gegen die innerparteiliche Demokratie hingenommen werden. So liegt es laut derzeitiger Rechtssprechung im Handlungsspielraum der Parteien, ob sie für sich Geschlechterquoten einführen, die GG Art. 3 (3) eigentlich widersprechen. Wurde hier im Forum ja auch schon öfters besprochen. Wenn aber eine Partei eine Liste in zwei Versammlungen aufstellt, dann soll das also ein zu großer Verstoß gegen die innerparteiliche Demokratie sein, der mit Teilausschluss von der Landtagswahl bestraft werden muss.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 08. Juli 2019 - 18:47 Uhr:   

Görd
"Im zitierten Gesetzestext steht doch "in einer Mitgliederversammlung ... in einer besonderen oder allgemeinen Vertreterversammlung"."
Jeder Bewerber muss in einer Mitglieder- oder Vertreterversammlung gewählt worden sein, es steht dort NICHT, dass alle Bewerber von derselben Versammlung zu wählen sind. Die Bestimmung bezieht sich eigentlich auf die Wahl eines Direktkandidaten und gilt für die Listenaufstellung entsprechend gilt, wodurch die Formulierung für die Listenaufstellung unpräzise ist.
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Florian das Original
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 08. Juli 2019 - 18:48 Uhr:   

Frage 1: ca. wieviele Sitze wird die AfD wahrscheinlich durch ihre eigene Blödheit verlieren?
Aktuell steht die AfD in Umfragen bei rund 26%.
Je nachdem ob die FDP in den Landtag einzieht, werden rund 7-12% der Stimmen unter den Tisch fallen. Der AfD dürften also rund 35 der 120 Mandate zustehen.
Da die AfD in etwa gleich auf mit der CDU ist, wird sie rund 25-30 Direktmandate erringen können.
Es ziehen also nur noch rund 5-10 Plätze von der Landesliste. Allerdings sind sicher viele Direktkandidaten auf der Liste abgesichert.*
Aber je nach Erststimmenergebnis besteht ggf. für die AfD die Hoffnung, dass ihr Formfehler sie keine oder nur sehr wenige Mandate kostet.
Frage an die Experten: Habe ich hier (überschlägig) richtig gerechnet?

Frage 2: Gibt es hier eigentlich für die AfD ein mögliches zusätzliches Risiko durch Überhangmandate? (wenn die CDU sehr stark bei den Erststimmen abschneidet, dann stehen ja ggf. den anderen Fraktionen Ausgleichsmandate zu, die die AfD aber nicht besetzen könnte).

Frage 3: * Kann die AfD hier eigentlich noch was drehen? Also in einzelnen Wahlkreisen neue, nicht auf der Liste abgesicherte, Direktkandidaten aufstellen?
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 08. Juli 2019 - 19:23 Uhr:   

"Frage 2: Gibt es hier eigentlich für die AfD ein mögliches zusätzliches Risiko durch Überhangmandate?"
Wenn die CDU überhängt, ja. Wenn (nur) sie selbst überhängt, ist der Schaden natürlich null.

"Frage 3: * Kann die AfD hier eigentlich noch was drehen? Also in einzelnen Wahlkreisen neue, nicht auf der Liste abgesicherte, Direktkandidaten aufstellen?"
Weder dürfte die AfD das wollen noch ist das möglich. Offenkundig sind die meisten der 60 Direktkandidaten (wenn sie Direktkandidaten in allen Wahlkreisen hat, wovon ich mal ausgehe) sowieso nicht unter den 18 Bewerbern der zugelassenen Liste.

Ob und, wenn ja, wie viel Schaden die AfD hat, kann man nicht abschätzen.

(Beitrag nachträglich am 08., Juli. 2019 von frings editiert)
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SaaleMAX
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 08. Juli 2019 - 19:58 Uhr:   

Aus MDR.de /Thüringen(C):

"
Nachdem Teile der sächsischen AfD-Landesliste für ungültig erklärt wurden, prüft die Partei in Thüringen ihren Wahlprozess. Derzeit gehe man davon aus, dass die Kandidatenliste Bestand haben werde, hieß es. Der Landeswahlausschuss in Sachsen hatte bei der AfD die Aufstellung der Kandidaten auf den Listenplätzen 19 bis 61 für ungültig erklärt. Grund sind formale Mängel. Die Liste war bei zwei Versammlungen im Februar und März mit verschiedenen Versammlungsleitern und getrennten Wahlverfahren aufgestellt worden.
....................

Laut einem Sprecher in Thüringen wurde auch die Liste der Thüringer AfD an zwei Wochenenden erstellt, dabei sei aber an beiden Terminen derselbe Versammlungsleiter zum Einsatz gekommen."



Quelle: https://www.mdr.de/thueringen/index.html
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SaaleMAX
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 08. Juli 2019 - 20:49 Uhr:   

Viele AfD Direktkandidaten in Sachsen stehen auch als Absicherung auf den ungestrichenen AFD Listenplätzen.


Aus LVZ Leipzig (c) Zitat :



"Ein Beispiel: Nach der jüngsten Umfrage würde die AfD 26 Prozent der Stimmen erhalten, was 34 Sitze im Parlament bedeutet. Theoretisch müsste die AfD also mindestens 16 Wahlkreise direkt gewinnen, um alle Plätze zu besetzen. Zusammen mit den 18 Kandidaten auf der Landesliste käme sie dann auf die 34 Abgeordneten.


Das Problem:
Auf den vorderen Plätzen der Landesliste befinden sich die aussichtsreichen Bewerber der Partei, die auch als Direktkandidaten antreten. Diese Kandidaten können aber nur einmal einen Abgeordnetenplatz erringen, entweder als Direktkandidat oder über die Landesliste.

Damit wird die AfD wohl deutlich mehr als die 16 Wahlkreise holen müssen, um in voller Mannschaftsstärke wieder in den Landtag einzuziehen.

Beobachter erwarten jetzt einen AfD-Wahlkampf, der deutlich auf die Erststimmen abzielt. " Zitat Ende.

Quelle: https://www.lvz.de/Region/Mitteldeutschland/Gekuerzte-AfD-Liste-Das-sind-die-wichtigsten-Fragen-und-Antworten-vor-der-Landtagswahl
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Wilko Zicht
Moderator
Veröffentlicht am Dienstag, 09. Juli 2019 - 00:24 Uhr:   

Die Landeswahlleiterin hat heute ergänzende Informationen zur Entscheidung des Landeswahlausschusses veröffentlicht:

https://www.wahlen.sachsen.de/download/Medieninformation/LWL-17-2019.pdf

Eine vollständig plausible Begründung für die Entscheidung kann ich dort aber nicht erkennen.

Zum einen sei wegen der nachträglichen Änderung des Wahlverfahrens ab Platz 31 von Einzel- auf Blockwahl die notwendige Chancengleichheit aller Bewerberinnen und Bewerber im Verfahren der Kandidatenaufstellung nach Ansicht des Landeswahlausschusses damit nicht gegeben. Worin genau die Ungleichbehandlung liegen soll, wird aber nicht erläutert. Grundsätzlich ist es nicht völlig ungewöhnlich, dass eine Aufstellungsversammlung erst während des Verfahrens erkennt, dass man zeitlich nicht hinkommt, und daraufhin das ursprünglich beschlossene Verfahren ändert. Dabei muss man sicherlich auf manche Dinge achten (z. B. darf man nicht die Vorstellungszeit reduzieren, wenn bei den späteren Wahlgängen auch Personen antreten, die zuvor eine längere Vorstellungsrede halten durften), aber per se unzulässig ist das nicht. Und selbst wenn aus bisher unbekannten Gründen tatsächlich ein Gleichheitsverstoß vorgelegen haben sollte, scheint dies ja nur die Liste ab Platz 31 zu betreffen. Wären die ersten 30 Plätze zugelassen worden, hätte die AfD nun ein deutlich geringeres Problem.

Zum anderen habe für die Einordnung als zwei getrennte Aufstellungsversammlungen die fehlende Personenidentität der im Wahlgesetz vorgesehenen maßgeblichen Personen (u. a. Versammlungsleiter sowie Personen, die eine eidesstattliche Versicherung abzugeben haben) gesprochen. Das kann ich nun noch weniger nachvollziehen. Die naheliegende Begründung für die fehlende Personenidentität wäre doch wohl, dass die betroffenen Personen beim zweiten Termin einfach nicht mehr dabei waren, weil sie z. B. keine Zeit hatten. Wenn, wovon ich ausgehe, beim zweiten Termin die Aufstellung bei Platz 19 wieder aufgenommen wurde, müssten schon krasse (bisher unbekannte) Formfehler begangen worden sein, damit der Landeswahlausschuss stattdessen von zwei getrennten Versammlungen ausgehen darf. Und selbst wenn, dann hätten ja zwei konkurrierende Landeslisten der AfD vorgelegen, so dass erklärungsbedürftig wäre, warum wegen des Verbots der Doppelkandidatur nicht beide Landeslisten für unzulässig erklärt wurden. Siehe dieses Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshof.

Ich will nicht ausschließen, dass es gute Gründe gab für die Entscheidung des Landeswahlausschusses. Aber von der Landeswahlleiterin genannt wurden diese guten Gründe bisher nicht.
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Wahlhelfer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 09. Juli 2019 - 11:21 Uhr:   

Wilko Zicht: Was bedeutet das konkret? Ist davon auszugehen, dass eine Klage nach der Wahl Erfolg hat? Falls ja, ist die Wahl dann überhaupt demokratisch legitimiert?
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Wilko Zicht
Moderator
Veröffentlicht am Dienstag, 09. Juli 2019 - 13:09 Uhr:   

Das vermag ich aufgrund der dürftigen Informationslage nicht einzuschätzen. Wenn die Entscheidung des Landeswahlausschusses tatsächlich falsch war, hätte die Sache aber wohl durchaus Potential für eine Wiederholungswahl. Schon bei der letzten Sachsen-Wahl hatte der Landeswahlausschuss eine rechtswidrige Streichung auf der AfD-Liste vorgenommen. Damals allerdings auf Wunsch der AfD. Der Verfassungsgerichtshof sah trotzdem davon ab, die Wahl für ungültig zu erklären, weil er das Fortbestehen des rechtswidrig zusammengesetzten Landtags nicht als unerträglich bewertete:

https://www.justiz.sachsen.de/esaver/internet/2017_108_V/2017_108_V.pdf

Damals ging es allerdings nur um ein einziges Mandat, das zudem auch nicht die Kräfteverhältnisse zwischen den Parteien beeinträchtigte.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 09. Juli 2019 - 15:17 Uhr:   

@florian
Unter http://www.election.de/cgi-bin/showpoll.pl?name=ltw_sn kannst Du aktuelle Umfragen durch einen Sitzrechner jagen. Ich hab als maximalen AfD-Sitzanspruch 34 entdeckt.
Das gilt natürlich nur für die reguläre Hausgröße von 120.

Faustregel ist: Prozente der Partei * Hausgröße / Prozente aller sperrklauselüberwindenden Parteien
Basierend auf der aktuellen Infratest-dimap-Umfrage: 26 × 120 ÷ 93 =‬ 33,54...
Die 93 errechnen sich wie folgt: 100 - 4 (Sonstige) - 3 (FW) = 93. Teilt man durch 88, erhält man den AfD-Sitzanspruch für den Fall, dass die 5%-FDP die Hürde knapp verfehlt.

1) Die AfD hat es jetzt mit zwei Typen von Wahlkreisen zu tun:
18 Wahlkreise, in denen ein Sieg für rein gar nichts zur Behebung des Schadens beiträgt. Und 42 Wahlkreise, in denen diese Möglichkeit besteht.
Allerdings ist die 18er-Landesliste sehr ostsachsen-lastig und die chancenreichen Direktkandidaten sind tendenziell eher diejenigen mit den wertlosen Siegen.
Bisherige Direktmandatsprognosen sind weitgehend wertlos, weil sie eben nicht berücksichtigen, dass eine taktische Erststimmenabgabe (etwa durch linke und grüne Zweitstimmenwähler an CDU-Kandidaten) in 42 Wahlkreisen für die AfD das Listenerschöpfungsproblem vergrößern.
Damit dürften auch Direktmandatsprognose für die nächste Wahl ruiniert werden, weil aus den Ergebnissen keine Hochburgenstruktur abgeleitet werden kann.

2) Der Schaden für die AfD ist ausgehend von der Faustformel umso größer, je höher die Werte im Zähler (eigener Stimmanteil, Hausgröße) sind und je niedriger der Wert im Nenner ist. Umgekehrt würde der Schaden geringer.
In einem reinen Zweitstimmen-Szenario mit einer 15%-AfD ohne Parteien, die an der Sperrklausel scheitern wäre die Rechnung 15*120/100=18 ... da wäre ein Schaden von 0.

3) Die Fristen dürften abgelaufen sein. Ein Austausch ist eher eine Notlösung und lässt sich nicht glaubhaft begründen, wenn die zurückziehenden 18 weiterhin auf der Liste bleiben wollen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 09. Juli 2019 - 17:54 Uhr:   

Was die Landeswahlleiterin schreibt, ist in der Tat seltsam.

Der Landesparteitag im Februar 2019 beschloss für die Listenplätze 1 bis 61, also für alle Listenplätze, die Kandidaten im Einzelwahlverfahren zu wählen. Der Landesparteitag im März 2019 befasste sich erneut mit dem Wahlverfahren und änderte den Beschluss vom Februar ab, so dass ab der Listenposition 31 das Blockwahlverfahren zur Anwendung kam. Die notwendige Chancengleichheit aller Bewerberinnen und Bewerber im Verfahren der Kandidatenaufstellung war nach Ansicht des Landeswahlausschusses damit nicht gegeben.

Eine bewusste Änderung des zuvor beschlossenen Wahlverfahrens ist wohl eher ein Indiz FÜR eine einheitliche Versammlung. Wobei die Ausführungen hier schwammig sind und nicht klar ist, ob man nach der Wahl von Platz 30 die Änderung beschlossen hat oder schon vor der Aufstellung von Nr. 19. Auch nicht nachvollziehbar ist, warum diese angebliche Ungleichbehandlung für zwei getrennte Versammlungen sprechen soll. Wie dem auch sei, ist unklar, worin die Ungleichbehandlung bestehen soll. Einzelwahl für vordere Plätze und Blockwahl weiter hinten ist jedenfalls absolut nicht ungewöhnlich und meines Wissens wurde das noch nie beanstandet.


Für die Einordnung als zwei getrennte Aufstellungsversammlungen sprachen zudem die fehlende Personenidentität der im Wahlgesetz vorgesehenen maßgeblichen Personen (u. a. Versammlungsleiter sowie Personen, die eine eidesstattliche Versicherung abzugeben haben).

Das ist eine Fehlinterpretation des Gesetzes. Es ist nicht Aufgabe des Landeswahlausschusses, (anfechtbare) Indizien für eine Ungültigkeit zu suchen und dann im Zweifel gegen die Partei zu entscheiden, sondern Wahlvorschläge zurückzuweisen (evtl. bloß teilweise), wenn klare Rechtsverstöße vorliegen. Eine Anforderung eines einheitlichen Versammlungsleiters lässt sich nur mit Gewalt konstruieren. Nicht einmal, dass alle Listenbewerber in einer einzigen Versammlung zu wählen sind, ergibt sich zwingend aus § 21.

Um solch seltsamen Rechtsinterpretationen vozubeugen, sollte eine Partei aber natürlich besser jedes Risiko meiden und eine einheitliche Niederschrift erstellen usw.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 09. Juli 2019 - 18:00 Uhr:   

"Allerdings ist die 18er-Landesliste sehr ostsachsen-lastig und die chancenreichen Direktkandidaten sind tendenziell eher diejenigen mit den wertlosen Siegen."
So klar ist das nicht, es gibt z. B. vier Dresdener und zwei Leipziger auf der Liste.
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Mark Tröger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 09. Juli 2019 - 23:13 Uhr:   

@Jan W., Florian das Original

"1) Die AfD hat es jetzt mit zwei Typen von Wahlkreisen zu tun:
18 Wahlkreise, in denen ein Sieg für rein gar nichts zur Behebung des Schadens beiträgt. Und 42 Wahlkreise, in denen diese Möglichkeit besteht.
Allerdings ist die 18er-Landesliste sehr ostsachsen-lastig und die chancenreichen Direktkandidaten sind tendenziell eher diejenigen mit den wertlosen Siegen."


Es ist kompliziert. Zunächst einmal wurde im Wahlkreis 4 im Vogtland der AfD-Direktkandidat garnicht zugelassen. Dafür treten allerdings nur 17 der 18 Listenkandidaten der AfD auch als Direktkandidaten an. In 42 Wahlkreisen treten AfD-Direktkandidaten an, die nicht auf der Liste stehen.

Die Verteilung der 17 Wahlkreise mit Listenkandidaten ist leicht ostsachsenlastig. Gehen wir die Kreise einmal durch:

- 1 von 3 Direktkandidaten im Vogtland sind auf der Liste.
- 1 von 5 Direktkandidaten im Landkreis Zwickau sind auf der Liste.
- 1 von 3 Direktkandidaten in Chemnitz sind auf der Liste.
- 1 von 5 Direktkandidaten im Erzgebirge sind auf der Liste.
- 1 von 5 Direktkandidaten in Mittelsachsen sind auf der Liste.
- 0 von 4 Direktkandidaten im Landkreis Leipzig sind auf der Liste.
- 2 von 7 Direktkandidaten in der Stadt Leipzig sind auf der Liste.
- 0 von 3 Direktkandidaten in Nordsachsen sind auf der Liste.
- 2 von 4 Direktkandidaten im Landkreis Meißen sind auf der Liste.
- 3 von 7 Direktkandidaten in Dresden sind auf der Liste.
- 2 von 4 Direktkandidaten in der Sächsischen Schweiz sind auf der Liste.
- 2 von 5 Direktkandidaten im Landkreis Bautzen sind auf der Liste.
- 1 von 4 Direktkandidaten im Landkreis Görlitz sind auf der Liste.

Durch zu erwartende Erststimmenkampagnen gegen die AfD ist mit CDU-Überhangmandaten zu rechnen, und dadurch wiederum mit Ausgleichmandaten, wovon die AfD ihre nicht besetzen kann. Da die AfD etwa 1/3 der nicht an die CDU gehenden Zweitstimmen erhalten wird, wird es für jedes CDU-Überhangmandat etwa 2/3 Ausgleichsmandate für die übrigen Parteien geben, die der AfD ebenfalls schaden. Die Zahl der CDU-Überhangmandate lässt sich allerdings auch durch AfD-Direktmandatsgewinne durch Kandidaten, die auch auf der Liste abgesichert sind, verringern.

AfD-Direktmandatsgewinne durch Kandidaten, die nicht auf der Liste stehen, lohnen sich also dreifach:
- durch ein zusätzliches AfD-Mandat im Landtag
- durch ein verhindertes CDU-Überhangmandat
- durch ein in 2 von 3 Fällen verhindertes Ausgleichsmandat für die übrigen Parteien.

AfD-Direktmandatsgewinne durch Kandidaten, die auf der Liste stehen, lohnen sich aber immernoch durch die letzen beiden Punkte. Jedes AfD-Direktmandat verringert die Mandate der anderen Parteien um 1 2/3 Sitze, aber nur in den besagten 42 Wahlkreisen erhöht sich dadurch auch die Zahl der AfD-Mandate um 1.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 10. Juli 2019 - 16:41 Uhr:   

Sorry für den schwammigen Begriff "Ostsachsen", es ging mir konkret um den "Direktionsbezirk Dresden" (früher Regierungsbezirk), also um die Wahlkreise ab Nummer 37.
Ich darf die letzten 5 Zeilen Deiner Kreisauflistung zusammenfassen:
10 der 17 (statt 18) Listen+Direktkandidaten und damit 59% kommen aus dem Bezirk, in dem sich 24 der 60 Wahlkreise (40%) befinden.

Dort befinden sich auch 16 von derzeit 26 Wahlkreisen, in denen wahlkreisprognose.de die Partei vorne sehen.

Das mit dem Lohnen ist ja relativ. AfD-Wähler wählen die AfD - das haben sie vor der Sitzung des Ausschusses getan, das tun sie danach, das würden sie auch tun, wenn der VGH den Beschluss kippen würde.
Eine Erststimmenkampagne wirkt da etwas tollpatschig: wer sich anlässlich der Prozente von Wippel und Europawahl wie ein Silberrücken auf die Brust trommelt, kann davon ausgehen, dass seine Wähler bereits wissen, dass Direktmandate in Reichweite sind.
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Holger81
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 10. Juli 2019 - 17:42 Uhr:   

@Thomas Frings:
"Eine bewusste Änderung des zuvor beschlossenen Wahlverfahrens ist wohl eher ein Indiz FÜR eine einheitliche Versammlung."

Nein, da laut AfD-Wahlordnung das Wahlverfahren vor dem Beginn der Wahl beschlossen werden muss und nicht mittendrin.

"Einzelwahl für vordere Plätze und Blockwahl weiter hinten ist jedenfalls absolut nicht ungewöhnlich und meines Wissens wurde das noch nie beanstandet."

Das mag sein, aber hier geht es um den Fall, dass (wenn man von einer Versammlung ausgeht) mitten in der Versammlung das Wahlverfahren geändert wurde. Wurde so etwas von einer anderen Partei schon einmal praktiziert und vom Wahlausschuss akzeptiert? So etwas benachteiligt diejenigen Kandidaten unangemessen, die, wenn sie im Voraus von dem Wechsel gewusst hätten, schon für einen früheren (Nicht-Block-)Listenplatz kandidiert hätten.

Ein einfaches hypothetisches Beispiel: Die Grünen können laut Umfragen mit ca. 15 Listenmandaten rechnen; sie beschließen am Beginn ihres Parteitags die Einzelwahl nach ihrem üblichen Reißverschlussverfahren, und wählen damit die ersten zehn Listenkandidaten einzeln (FMFMFMFMFM). Danach beschließt der Parteitag jedoch, die weiteren Kandidaten in Zehnerblöcken zu wählen, und zwar jeweils abwechselnd ein reiner Frauenblock und ein reiner Männerblock, beginnend mit einem Frauenblock für Platz 11-20. Damit hätten diejenigen Männer, die für die aussichtsreichen Plätze 12 oder 14 kandidieren wollten, keine Chance mehr auf einen aussichtsreichen Listenplatz. Hätten sie vorher von dieser Änderung gewusst, hätten sie sich wahrscheinlich für eine Kampfkandidatur um den letzten für sie erreichbaren sicheren Listenplatz 10 entschieden. Im guten Glauben an das beschlossene Einzelwahlverfahren haben sie es aber nicht getan, da sie sich für Platz 12/14 bessere Chancen ausrechneten und ihre Kandidatur nicht vorher "verbrennen" wollten.
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Wilko Zicht
Moderator
Veröffentlicht am Mittwoch, 10. Juli 2019 - 20:51 Uhr:   

Ja, so eine plötzliche Änderung des Verfahrens kann im Einzelfall problematisch sein. Im vorliegenden Fall wurde der Beschluss "ab Platz 30 Bockwahl" aber offensichtlich zu Beginn des zweiten Wochenendes getroffen, also vor der Wahl von Platz 19. Es blieb also genug Gelegenheit für alle Kandidaten, ihre strategischen Überlegungen entsprechend anzupassen.

Unabhängig davon ist so eine Änderung des Wahlverfahrens jedenfalls kein Verstoß gegen den „Kernbestand an Verfahrensgrundsätzen“, und nur dieser Kernbestand ist für die Zulassung relevant. Der Landeswahlausschuss umgeht diese Rechtsprechung zum Kernbestand letztlich, indem er aufgrund von irgendwelchen kleinen Verfahrensmängeln, die keinesfalls zum Kernbestand gehören, die Einheitlichkeit der Aufstellungsversammlung in Frage stellt.

Schon diese Einheitlichkeit der Aufstellungsversammlung gehört aber nicht zum Kernbestand der Verfahrensregeln im Sinne der Rechtsprechung.

Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat in dem Urteil zur AfD-Landesliste der Landtagswahl 2014 schließlich ausdrücklich eine Konstellation benannt, in der eine erneute, von der ersten Versammlung getrennt zu betrachtende Aufstellungsversammlung zwingend erforderlich ist, nämlich bei der Änderung eines Wahlvorschlags nach § 24 SächsWahlG. Gerade weil zur Streichung des Kandidaten Samtlebens KEINE zweite Versammlung durchgeführt wurde, hätte der Landeswahlausschuss damals die Streichung nicht akzeptieren dürfen, so der Verfassungsgerichtshof.

Der Verordnungsgeber hat diese Rechtsprechung im Januar 2019 in der Landeswahlordnung umgesetzt, wo es nun in § 35 Abs. 4 heißt:

„Eine eingereichte Landesliste kann bis zum Ablauf der Einreichungsfrist durch gemeinsame schriftliche Erklärung der Vertrauensperson und der stellvertretenden Vertrauensperson geändert werden, wenn die Änderung zuvor von der Mitglieder- oder Vertreterversammlung nach § 21 Absatz 1 in Verbindung mit § 27 Absatz 5 des Sächsischen Wahlgesetzes beschlossen worden ist. Der geänderten Landesliste ist eine Ausfertigung der Niederschrift über die Beschlussfassung der Mitglieder- oder Vertreterversammlung nach dem Muster der Anlage 15 mit den entsprechenden eidesstattlichen Versicherungen nach dem Muster der Anlage 15A gemäß § 21 Absatz 5 in Verbindung mit § 27 Absatz 5 des Sächsischen Wahlgesetzes beizufügen.“

Im Falle einer Änderung des Wahlvorschlags soll eine Partei nach dem Willen des Verordnungsgebers also einfach eine zweite Aufstellungsversammlung durchführen und einen zweiten Satz Unterlagen einreichen. Selbstverständlich ist es dabei nicht erforderlich, dass die zweite Versammlung von der gleichen Person geleitet wird wie die erste Versammlung oder dass die gleichen zwei Personen eidesstattliche Versicherungen abgeben.

Es wäre also zweifellos zulässig, wenn eine Partei zunächst eine Landesliste mit 18 Personen beschließt und dann nach einigen Monaten auf die Idee kommt, wegen guter Umfragewerte die Landesliste noch um einige Personen zu ergänzen, und zu diesem Zweck eine zweite Aufstellungsversammlung einberuft.

Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint es wenig überzeugend, die angebliche Notwendigkeit einer einheitlichen Versammlung zu betonen und diesbezüglich hohe Anforderungen an den Wahlvorschlagsträger zu stellen.
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Mark Tröger
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 10. Juli 2019 - 22:06 Uhr:   

@Jan W.

"Das mit dem Lohnen ist ja relativ. AfD-Wähler wählen die AfD - das haben sie vor der Sitzung des Ausschusses getan, das tun sie danach, das würden sie auch tun, wenn der VGH den Beschluss kippen würde.
Eine Erststimmenkampagne wirkt da etwas tollpatschig: wer sich anlässlich der Prozente von Wippel und Europawahl wie ein Silberrücken auf die Brust trommelt, kann davon ausgehen, dass seine Wähler bereits wissen, dass Direktmandate in Reichweite sind."


Die Erststimmenkampagne ist meines Erachtens aus zwei Gründen sinnvoll:

1. Bei der Bundestagswahl 2017 hat die AfD in Sachsen drei Direktmandate geholt, lag bei den Zweitstimmen aber in sechs Wahlkreisen vorne. Es gab also zumindest noch 2017 ein Defizit bei der Erststimme im Vergleich zur CDU, dass möglicherweise recht einfach durch explizite Erststimmenkampagnen verringert werden kann. Und bei etwa gleich großen Parteien können beim Mehrheitswahlrecht eben schon geringe Verschiebungen dazu führen, dass viele Mandate kippen. Selbst wenn man dadurch nur 3% mehr Erststimmen holt, könnte das schon ein Dutzend zusätzliche Direktmandate verursachen, die nun besonders wichtig für die AfD sind.

2. Bei dieser Wahl hat die AfD auch für Nicht-AfD-Wähler ein gutes Argument, sie mit der Erststimme zu wählen: Denn nur durch ausreichend AfD-Direktmandate, kann überhaupt gewahrt werden, dass das Zweitstimmenverhältnis über die Sitzverteilung im Landtag entscheidet. Es gibt vermutlich schon einige Wähler anderer Parteien, die der AfD zwar nicht am nächsten stehen, die aber schon wollen, dass das Wahlergebnis über die Sitzverteilung entscheidet, und nicht der Landeswahlausschuss im Vorfeld der Wahl. Selbst wenn das nur 5% der Wähler sind, kann das sehr viel ausmachen.
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Werner Fischer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 11. Juli 2019 - 00:09 Uhr:   

Der Argumentation von Wilko stimme ich inhaltlich voll zu. Nach meinem Demokratieverständnis ist die Aufstellung der AfD-Kandidaten nicht zu beanstanden. Die Mitglieder haben das Verfahren durch entsprechende Beschlüsse jeweils legitimiert und diese entsprechen durchaus üblichen Gepflogenheiten bei Listenerstellungen.

Ich will die demokratische Gesinnung der Wahlausschuss-Mitglieder nicht in Abrede stellen, doch vielleicht wurde da ein unbewusster Wunsch doch zu sehr zum "Vater des Gedankens"?
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 11. Juli 2019 - 17:46 Uhr:   

@Mark Tröger
Verglichen mit dem durchschnittlichen Wähler hat der Nicht-AfD-Wähler aber recht wenig Lust, AfD-Kandidaten ein Mandat zu verschaffen - schließlich ist das eine Partei, die sie im Zweifelsfall aufgrund ihrer Zweitstimmenentscheidung als "linksversifft" bezeichnet. Im Falle der ADPM kann das natürlich anders aussehen. Da dürfte vermutlich der eine oder andere auch Stimmsplitting betreiben.

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