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Archiv bis 29. September 2016

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Wahlen, Abstimmungen usw. im europäischen Ausland » Vereinigtes Königreich – Großbritannien » Archiv bis 29. September 2016 « Zurück Weiter »

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Björn
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Veröffentlicht am Montag, 04. Juli 2016 - 11:21 Uhr:   

In der gesamten Debatte vor dem Referendum wurde stets auf das Norwegen-Modell verwiesen durch die Leave-Campaigner. Dass sie im Nachhinein feststellen, dass es doch nicht so günstig für UK ist und sich sämtliche Versprechungen dadurch als unhaltbar erwiesen haben, das wurde inzwischen eingeräumt.

Natürlich hat die EU auch ein Interesse, das hat auch niemand bestritten, nur zu glauben, dass UK wieder mal den Britenrabatt ausspielen kann und dadurch das gesamte Projekt EU gefährdet, das wird wohl von den Leavern wiederum vollkommen ausgeblendet.

Neben Johnson hat übrigens auch Farage gerade einen Rückzieher gemacht, nachdem deren Plan nun vollendet ist. So etwas nennt man vertrauensvolle und verantwortungsvolle Politik und es beweist wieder, dass diese Möchtegern-Rebellen genauso verlogen agieren, wie sie das immer den Etablierten vorwerfen.

(Beitrag nachträglich am 04., Juli. 2016 von siveste editiert)
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 04. Juli 2016 - 12:05 Uhr:   

@Björn,

Farange hat doch sein politisches Lebensziel, den Austritt GB aus der EU, nun erreicht. Was soll er jetzt noch erreichen?
Seine Partei ist doch gar nicht im britischen Parlament vertreten, so dass doch ohnehin klar ist, dass er keine Funktion in einer britischen Regierung übernehmen kann. Er bleibt übrigens Abgeordneter im EU-Parlament bis zum britischen EU-Austritt 2019.

Im Rennen um die Nachfolge von Cameron sind übrigens zwei dezidierte Brexiters: Leadsom und Gove (dessen Antreten maßgeblich zum Rückzug von Johnson beigetragen haben dürfte).

Frau Leadsom war übrigens die Hauptvertreterin der Brexiters in der letzten TV-Debatte.

Die Fraktion der Torries wird jetzt erstmal zwei Kandidaten auswählen: wahrscheinlich einen Remainer (May) und einen Leaver (Leadsom oder Gove). Und dann wird die Partei entscheiden. Das sind demokratische Prozesse an die wir im alternativlosen Deutschland nicht mehr so gewöhnt sind wie im demokratischen Großbritannien.

(Beitrag nachträglich am 04., Juli. 2016 von Marc editiert)
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Björn
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 04. Juli 2016 - 12:18 Uhr:   

Sein Ziel hat er eben noch nicht erreicht, auch wenn er das in seiner Rücktrittsrede gesagt hat. Art. 50 ist noch nicht ausgerufen und es gibt durchaus immer noch Stimmen, die den Exit vom Brexit in Angriff nehmen. Da müsste er als politischer Anführer weiterhin Druck aufbauen. Dass er natürlich von seinem gut bezahlten Pöstchen im EU-Parlament nicht Abstand nehmen will, versteht sich von selbst.

"Das sind demokratische Prozesse an die wir im alternativlosen Deutschland nicht mehr so gewöhnt sind wie im demokratischen Großbritannien."

Blödsinn bleibt unkommentiert.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 04. Juli 2016 - 12:28 Uhr:   

@Björn,

die Entscheidung darüber, ob und wann GB eine Erklärung nach Art. 50 abgegeben wird obliegt allein der britischen Regierung (ggf. unter Beteiligung des britischen Parlaments). Es besteht hierfür keinerleit Zeitdruck. Cameron hat entschieden dies seinen Nachfolger zu überlassen, aber auch erklärt, dass das Abstimmungsergebnis umgesetzt werden müsse. Ich gehe davon aus, dass dies auch geschehehen wird, da sich GB ansonsten völlig lächerlich machen würde. Für Farange, der seinen Triumph bereits gefeiert hat, gibt es nun keine politische Aufgabe mehr. Seine Partei ist erledigt. Sie hat als einziges Ziel den Austritt aus der EU gehabt. Da dieses Ziel nun erreicht ist sind die Aussichten der Partei düster. Im britischen Unterhaus ist sie ohnehin nicht vertreten. Kurzum: der ideale Zeitpunkt um zu gehen ist jetzt - zum Zeitpunkt des größten Erfolgs gekommen.
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zigzag
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 04. Juli 2016 - 13:04 Uhr:   

@Marc

die UKIP hat einen Sitz im Unterhaus (Douglas Carswell, Wahlkreis Clacton):
https://en.wikipedia.org/wiki/UK_Independence_Party#Election_results
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 04. Juli 2016 - 13:57 Uhr:   

@zigzag,

danke für den Hinweis, ändert aber nichts, dass sie im House of Commons, das 650 Abgeordnete zählt, keine Rolle spielt.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 04. Juli 2016 - 14:16 Uhr:   

Mittlerweile zeichnet sich ein Dreikampf bezüglich der Nominierung der zwei Kandidaten für den Mitgliederentscheid des Torries ab.

May (ex-Reamin) und Gove (Leave) streben einen langsamen Ausstieg an, während Leadsom sich für zügige Austrittsverhandlungen ausspricht. Gove gerät unterdessen zunehmend unter Druck, da ihm "doppelter Verrat" (gegenüber Cameron und Johnson) vorgeworfen wird.

Möglicherweise also ein rein weibliches Finale im Kampf um die Nachfolge Camerons zwischen May and Leadsom?


http://derstandard.at/2000040325360/Weiblicher-Kampf-um-britisches-Premiersamt
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Juli 2016 - 10:09 Uhr:   

Mittlerweile zeichnet sich ab, dass das Leave-Lager sich hinter Frau Leadsom versammelt.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/david-cameron-nachfolge-theresa-may-und-andrea-leadsom-vorn-a-1101278.html

Umfagen zeigen eine leichte Führung von Leadsom vor May bei Mitgliedern der Torries.

http://www.conservativehome.com/thetorydiary/2016/07/our-special-next-party-leader-survey-result-its-a-two-horse-race-activists-want-leadsom-v-may-in-the-final.html
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Björn
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Juli 2016 - 12:18 Uhr:   

Leadsoms Auftritt gestern Abend war aber offensichtlich alles andere als gut:

http://www.huffingtonpost.co.uk/entry/conservative-leadership-contest-andrea-leadsom-in-car-crash-performance-at-first-hustings_uk_577aaacae4b0f7b55795b23f

https://www.buzzfeed.com/emilyashton/andrea-leadsom-didnt-go-down-well-at-leadership-hustings-tor?bftwuk&utm_term=.eypqKpQGxw#.yanlZbvALJ

Da ist also noch viel Bewegung, was im Übrigen auch im Link von Marc zu lesen war, dass die Umfrage vor kurzem noch komplett anders aussah.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Juli 2016 - 14:52 Uhr:   

@Björn,

bei der vorherigen Umfrage war aber noch Johnson als Kandidat gehandelt wurden. Dieser hat nach dem überraschenden Antreten von Gove einen Rückzieher gemacht. Gove hat mittlerweile an Unterstützung verloren zugunsten von Leadsom, die mittlerweile auch von Johnson und anderen prominenten Leave-Anhängern unterstützt wird. Am Ende kommt es auch nicht auf die Abstimmung in der Fraktion an - da wird May zweifellos die Nase vorn haben - so auf die Mitgliederbefragung der Torries.

Die Fraktion war ja auch mehrheitlich pro-Remain, während die Anhängerschaft der Torries zu 60% für Leave votierten. Ob diese nun eine Remain-Befürworterin als Premierministerin wollen? Sogar John Mayor hat sich dafür ausgesprochen, dass nun eine Leave-Befürworter die Verantwortung übernehmen sollte.

Man mag nun von Johnson halten was man will - er hat sich zurückgezogen - aber es gibt nun mehrere andere Leave-Kandidaten im Rennen. Die pauschale Behauptung Leave-Anhänger würden keine Verantwortung übernehmen wollen entbehrt also jeder realen Grundlage.

Überhaupt ist vieles, was von den Medien und der politischen Klasse in Kontinentaleuropa verbreitet wird von Wunschdenken geprägt.

Hier eine Übersicht über Brexit-Mythen:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/referendum-drei-mythen-der-brexit-entscheidung-14311448.html

Erfreulich das die F.A.Z., die ansonsten ebenfalls die Brexit-Mythen verbreitet und mit diesen Stimmung macht, einer anderen Stimme einmal das Wort gibt. Ja, es gibt Brexit-Befürworter, die ihre Stimmabgabe bereuen, aber dies sind nach Umfragen nur 1% der Personen, die für den Brexit abgestimmt haben. 51,9% minus 1% von diesen macht immer noch rund 51,4% für den Brexit. Mehrheit ist Mehrheit. Eine Volksabstimmung kann man nur machen, wenn man auch bereit ist das Ergebnis zu respektieren, auch wenn es einem nicht gefällt. Alles andere würde die Demokratie völlig unterhölen und den bereits bestehenden Vertrauensverlust zwischen Volk und politischer Elite weiter vertiefen. Die vermehrten Google-Anfragen nach EU-Fragen wurden auch hemmungslos von Medien, inklusive englischen und amerikanischen Medien, aufgebauscht. Tatsächlich stiegen die Anfragen nachdem das Leave-Lager schließlich in den Hochrechnungen vorne lag. Nur lag die Zahl der Anfragen immer noch nur bei rund 1000. Bei diesen Zahlen davon zu sprechen ein substanzieller Anteil der über 17 Mio. Leave-Anhänger hätte sich erst hinterher informiert ist grotesk (abgesehen davon dass diese Anfragen wahrscheinlich genauso oder gar überwiegend von Remain-Anhängern oder Nicht-Teilnehmern der Abstimmung gekommen sein könnten, die sich angesichts des sich abzeichnenden Ergebnisses über Folgen informieren wollten).

Weitere Mythen - wie die Teilung der Generationen - sind ebenfalls aufgebauscht und völlig verzerrt dargestellt. Die Mehrheit der Jüngeren ging gar nicht zur Abstimmung. Diese sind weder Pro noch Contra EU. Diesen ist die EU vielmehr völlig egal und auch egal ob GB drinnen oder draußen ist. Die These der pro-EU-Jugend hält empirischer Prüfung nicht stand.

Ebenso wenig ist die These überzeugend, dass GB oder andere große europäische Staaten ohne die EU gar nicht wirtschaftlich lebensfähig wären. Tatsache ist, dass seit 1945 die Zahl der souveränen Staaten weltweit gestiegen ist und gleichzeitig der weltweite Wohlstand gewachsen ist. Richtig ist, dass die EU durch den gemeinsamen Markt die wirtschatliche Entwicklung der Teilnehmerstaaten begünstigt. Falsch ist hingegen die Annahme, dass die zwangsläufig zu einer politischen Union führen muss (die Grundannahme der europäischen Föderalisten, inklusive Bundeskanzler Kohl). Es ist kein Grund ersichtlich weshalb GB, die fünftgrößte Handelsnation der Welt, ohne die EU nicht lebensfähig sein könnte. Hunderte von kleineren Staaten kommen ohne eine vergleichbare Organisation aus. Japan ist noch nicht mal Teil eines vergleichbaren Freihandelsraums und eines der wirtschaftstärksten Länder der Welt. GB hat darüber hinaus die Option der engeren Bindung an die USA und Kanada über Freihandelsabkommen, mithin Ländern denen es kulturell näher steht als Kontinentaleuropa.

Richtig ist, dass kurz- und mittelfristig der EU-Austritt GB schadet. Zunächst wegen der Unsicherheit, gegebenenfalls wegen dem künftig nur noch beschränkten Binnenmarktzugang (wegen einem Freihandelsabkommen, dass möglicherweise nicht alle Bereiche abdeckt bzw. nicht automatische Anerkennungen in allen Fällen enthält). Daher bin und bleibe ich der Auffassung, dass auch aus britischer Sicht ein Verbleib in der EU besser gewesen wäre - trotz der Defizite der EU.

Allerdings dürfte GB durchaus in der Lage sein sich wirtschaftlich neu auszurichten, stärker auf Nordamerika und Asien, so dass es auch außerhalb der EU eine der stärksten Wirtschafts- und Handelsmächte bleibt. Langfristig bietet der Brexit nicht nur Risiken, sondern auch Chancen für GB. Die in den kontinentaleuropäischen Medien verbreitete Stimmungsmache die Brexit-Befürworter pauschal für verrückt zu erklären entbehrt daher einer realen Grundlage. Natürlich gab es auch emotionales Abstimmungsverhalten. Aber allein damit kann man das Votum nicht erklären. Es ist ein Mißtrauensvotum gegen die EU und die EU-Verantwortlichen gewesen. Ein Votum für Westminister und gegen Brüssel. Aus verständlichen Gründen hält man Westmister - trotz aller Defizite - für eindeutig demokratischer als Brüssel und traut sich eher zu dort politische Entscheidung wirklich mitbestimmen zu können. Das Leave-Lager war daher auch pluralistisch in der Zusammensetzung: von konservativen bishin zu Teilen von Labour, von Links- bis Rechtsradikalen. Man kann das Leave-Camp aber nicht auf diese Gruppen verkürzen, ohne den größten Teil der Leaver Unrecht zu tun. Ich bedauere diese Entscheidung von Großritannien, aber ich respektiere sie und das sollten alle Demokraten tun.

Es gibt durchaus rationale Argumente für das Leave, auch wenn diese mich persönlich nicht überzeugen. Jedenfalls hat das Leave für Großbritannien, ein Land am Rande Europas mit Handelsverbindungen in die ganze Welt und eine enge Bindung an die USA weit geringere Auswirkungen, als ein Leave für ein kontinentaleuropäisches Land hätte.


Jetzt müssen sich die Briten erstmal sortieren und erklären, wie sie sich die künftigen Beziehungen vorstellen - so eng wie mit Norwegen oder eher entfernter wie mit Kanada oder - wohl am wahrscheinlichsten - irgend etwas dazwischen.

Unterdessen muss sich auch die EU auf neue geopolitische Realitäten einstellen. Der Verlust Großbritannien schwächt die EU erheblich, aber genau wie Großbritannien ohne EU-Mitgliedschaft weiter eine bedeutende Macht sein kann ist die EU im Prinzip gleichfalls in der Lage ohne Großbritannien weiter zu bestehen.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Juli 2016 - 15:24 Uhr:   

> Farange hat doch sein politisches Lebensziel, den Austritt
> GB aus der EU, nun erreicht.
Das versucht er so darzustellen, um es nach einem siegreichen Rückzug aussehen zu lassen.
Aber das ist natürlich falsch.

GB ist nicht aus der EU ausgetreten, das Referendum war maximal ein Zwischenschritt in diese Richtung.

Farage will sich schlicht davor drücken kritische Fragen zu beantworten, wenn sich im weiteren Verlauf die Unhaltbarkeit der UKIP-Versprechen erweist.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Juli 2016 - 15:29 Uhr:   

@Florian:
> Was bedeutet hier "alle EU-Regelungen"?
Gemeint waren natürlich "alle den Binnenmarkt betreffenden EU-Regelungen".

Natürlich gibt es auch noch andere EU-Zuständigkeiten, aber die zum Binnenmarkt sind schon dominant.
Insbesondere gibt es besonders beim Binnenmarkt-Bereich die Regelungen, die die EU-Gegner besonders stören (wie z. B. die ehemalige Gurkenkrümmungsregelung).
D.h. Binnenmarktzugang bedeutet für GB genau in den Bereichen die EU zu behalten, wo es diversen Leuten weh tut. Und das ohne Mitwirkungsmöglichkeiten.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Juli 2016 - 15:43 Uhr:   

@Ralf Arnemann,

Farange bleibt doch im Europaparlament. Jeder kann ihm Fragen stellen, nur mit den Antworten werden natürlich die meisten Journalisten nicht zufrieden sein. Farange hat im Übrigen nicht das berühmte 350 Mio.-Versprechen gemacht. Das war die Vote-Leave-Kampagne, der er nicht angehörte. Diese wurde vielmehr von Johnson geführt, der nun mangels Rückhalt einen Rückzieher gemacht hat.

Faranage hat schon einmal einen Rücktritt erklärt - 2015 nach der Unterhauswahl als er den Einzug in das House of Commons verpasst hat und ist dann doch zurückgekehrt um für den Brexit zu trommeln. Dieses Ziel hat er nun politisch erreicht. Die wichtigsten Parteiführer Großbritanniens haben erklärt, dass dieses Ergebnis respektiert und auch umgesetzt werden müsse (Cameron, Corbyn). Dies gilt ebenso für die Nachfolgekandidaten von Cameron. Die Nichtumsetzung des Votums ist nur noch theoretisch denkbar, in der praktischen Politik jedoch ausgeschlossen.

Politische Verantwortung trägt seine Partei im Übrigen nicht. Welche Funktion soll eine Partei auch übernehmen, die nur einen Sitz im Unterhaus hat.

Für UKIP fängt daher nun ein neues Kapitel an. Die Partei wird sich neu ausrichten müssen, neue Themen abdecken müssen oder sie wird - da sie ihr Hauptziel nun politisch erreicht hat - zugrunde gehen.

Insoweit stimme ich den Auswirkungen der NZZ zu. Bei der Kritik Camerons teile ich die Auffassung nicht ganz. Es war am Ende das britische Volk, dass mehrheitlich für den Brexit votierte. Es ist das britische Volk, das insoweit diese Entscheidung selbst zu verantworten hat, nicht irgendein politischer Anführer (egal ob man ihn für eine starke oder schwache Führungspersönlichkeit hält). Gerade von einer Schweizer Zeitung hätte ich mir hier klarere Worte erwartet. Volksabstimmung heißt eben auch Volksverantwortung.

http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/ruecktritt-von-ukip-fuehrer-nigel-farage-verantwortung-fuer-brexit-partei-oder-land-ld.103869
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Juli 2016 - 15:59 Uhr:   

@Ralf,

unterschiedliche technische Standards sind natürlich ein Hindernis für den Handel. Aber das ganze ist durchaus bewältigbar. Europäische Unternehmen müssen sich für Exporte ja bekanntlich auch an die Standards der jeweiligen Drittländer halten (etwa die Standard der USA). Mehr als die Hälfte der britschen und deutschen Exporte gehen aber außerhalb der EU und des EWG. Offensichtlich geht das also.
GB hat aber nun andere Stellschrauben - zum Beispiel bezüglich der Deregulierung des Arbeitsrechts, der Aufhebung der Arbeitszeitrichtlinie, der bürokratischen Anti-Diskriminierungsrichtlinie und Frauenquoten-Regelungen, der Aufhebung bürokratischer Überregulierung im Bereich des Umweltschutzes, der Förderung der grünen Gentechnik (gegen die es in Kontinentaleuropa erhebliche Widerstände gibt), bis hin zur Etablierung von Großbritannien als Niedrigsteuerland und wettbewerbsfähigen Welthandelsstandort - als Drehscheibe zwischen Nordamerika und Europa mit Freihandelsabkommen mit beiden Seiten (während die Verhandlungen bezüglich TTIP zunehmend stagnieren).

Hinsichtlich der Finanzbranche halte ich es übrigens für ausgeschlossen, dass GB sich künftigen EU-Regeln unterwirft, die nach seinem Austritt erlassen werden. Allenfalls eine Bindung an derzeit bestehendes EU-Recht erscheint denkbar. Vielleicht werden britische Finanzinstitute formal künftig eben EU-Tochterunternehmen gründen müssen. Das schließt nicht aus, dass ein Großteil der Tätigkeit weiter in London erfolgt und die Töchter nur für als Adressen für die Kommunikation und als formale Vertragspartei (mit keinen oder nur ganz wenigen Mitarbeitern) fungieren. Wir haben schließlich sogar russische Banken (faktisch) auf dem deutschen Markt, die über EU-Tochterunternehmen hier im Markt Geld verdienen. Das wird GB auch möglich sein, selbst wenn es keine Einigung auf ein Folge-Binnenmarkt oder auch nur ein Folge-Freihandelsabkommen geben sollte.

Im Übrigen stellen sich ja zwei Fragen:
1. Übernimmt GB pauschal Binnenmarktregeln oder
2. Müssen britische Unternehmen die Einhaltung bestimmter Regeln garantieren um ihre Produkte exportieren zu können (was bedeutet, dass britische Unternehmen, die ihre Produkte nicht in die EU exportieren wollen insoweit von diesen dispensiert wären).

All dies sind Fragen, die bei Verhandlungen geklärt werden müssen. Große praktische Probleme dürfte es in großen Teilen der Industrie jedenfalls erstmal nicht geben, da beide Parteien ja nun gleiche Standards seit Jahrzehnten haben und ein großes Interesse an der Beibehaltung besteht. Probleme dürfte es eher im Dienstleistungsbereich, im Bereich Landwirtschaft und bestimmten Technologiebereichen (Gentechnik, Pharma, etc.) geben, wo die Vorstellungen beider Seiten doch auseinander gehen.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 07. Juli 2016 - 18:21 Uhr:   

Jetzt ist auch Gove aus den Rennen.

Die Spitzenkandidatur wird nun bei einer Mitgliederbefragung der Torries zwischen den Kandidatinnen May und Leadsom entschieden. Erstmals seit Thatcher wird damit wieder eine Frau Preminister.

http://www.tagesspiegel.de/politik/cameron-nachfolge-nach-brexit-votum-justizminister-michael-gove-ist-aus-dem-rennen/13843836.html
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Zeitenwende
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 02. August 2016 - 00:26 Uhr:   

Also wir hatten ja diese Diskussion zu den Folgen. Nun berichtet die Welt:

http://www.welt.de/wirtschaft/article157440418/Britische-Wirtschaft-stuerzt-nach-Brexit-ab.html

"Britische Wirtschaft stürzt nach Brexit ab.

Die Prognosen waren klar: Ein Austritt Großbritanniens aus der EU würde der Wirtschaft im Königreich nicht gut tun. Doch die Auswirkungen sind offenbar noch dramatischer als zunächst angenommen.

Nach dem Brexit-Schock ist die Industrie in Großbritannien so rasant auf Talfahrt gegangen wie seit mehr als drei Jahren nicht mehr. Das entsprechende Barometer des Forschungsinstituts Markit ging im Juli auf 48,2 Zähler von 52,4 Punkten im Juni zurück, wie die Londoner Marktforscher am Montag auf Basis endgültiger Daten mitteilten. [..]"



Bilde ich mir das nur ein oder sind die Wirtschaften früher irgendwie dramatischer – oder besser gesagt: eindrucksvoller – abgestürzt?

Der Zeit- und Planungshorizont scheint kürzer geworden zu sein, wenn man drei Jahre so eindrucksvoll findet; das klingt auch als hätte man auf der Insel alle paar Wochen Wirtschaftskatastrophen.

Bei der Welt bin ich mir oft nicht sicher, ob die das echt ernst meinen oder ob das so eine Art subtiler Humor sein soll, vllt eine Art Rebellion gegen die politische Leitlinie? War es so auch in der DDR?
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marvin
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 05. August 2016 - 21:48 Uhr:   

Also ich habe mal gelernt (ist aber auch über 20 Jahre her), dass ein typischer Wirtschaftszyklus 6 - 8 Jahre dauert. Wenn das auch heute noch aktuell ist, dann wäre jede Talfahrt die schlimmste seit mehr als drei Jahren.
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Maik Otter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 28. September 2016 - 23:32 Uhr:   

Der Gewerkschafter Jeremy Corbin ist erneut zum Vorsitzenden der britischen Labour Party gewählt worden! Dies ist der sichere Weg zum Verlieren der nächsten Unterhauswahl.

Ich folgere: Jeremy Corbin wird niemals ein Ministerpräsident des Vereinigten Königreiches von Großbritanien und Nordirland, werden!
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Björn
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 29. September 2016 - 12:01 Uhr:   

1. Er heißt Jeremy Corbyn.
2. Das Problem für Corbyn ist zunächst, dass die Partei tief gespalten ist zwischen der Basis und den Labour-Parlamentariern, da hier in der Mehrheit noch die Blairisten vertreten sind. Und die haben in den letzten Monaten massiv gegen Corbyn gearbeitet. Da die Partei so tief gespalten ist, ist ein Sieg tatsächlich unwahrscheinlich. Das hat aber weniger mit Corbyn als Person zu tun, sondern mit dem tiefen Riss zwischen Basis und Parlamentariern.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 29. September 2016 - 13:06 Uhr:   

> Da die Partei so tief gespalten ist, ist ein Sieg tatsächlich
> unwahrscheinlich. Das hat aber weniger mit Corbyn als Person
> zu tun, sondern mit dem tiefen Riss zwischen Basis und Parlamentariern.
Diese Erklärung vertauscht Ursache und Wirkung.
Denn der Riss in der Partei ist ja überhaupt nur durch die Person Corbyns und seine Politik entstanden. Zu Recht traut die Mehrheit der Parlamentarier ihm keinen Wahlsieg zu - viele Abgeordnete müssen im Gegenteil sogar fürchten, durchs Corbyns unpopuläre Positionen ihr Mandat zu verlieren.

Und deswegen gibt es diese Spaltung, die deutlich über die "normalen" Flügelkonflikte hinausgeht. Daß das die Wahlchancen noch weiter beschädigt ist klar - aber gewinnen könnte Corbyn auch nicht, wenn die MPs ihm alle brav folgen würden.

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