Thomas Frings
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| Veröffentlicht am Sonntag, 30. Oktober 2016 - 21:22 Uhr: | |
Morgen tritt das Parlament zum 46. Mal zur Wahl eines Präsidenten zusammen und wird wahrscheinlich Michel Aoun zum Präsidenten wählen. Das Amt ist seit Mai 2014 vakant. Im ersten Wahlgang war eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, die nicht erreicht wurde. Bei den folgenden Wahlgängen reicht die absolute Mehrheit. 44 Wahlgänge scheiterten aber, weil nicht die Mehrheit der Abgeordneten anwesend und das Parlament damit beschlussunfähig war. Wem der Name Aoun bekannt vorkommt, der liegt richtig, er ist seit Jahrzehnten aktiv und auch kontrovers. Seine Wahl beruht auf einem Pakt von Aoun bzw. seiner Partei Freie Patriotische Bewegung mit Hisbollah, seinem christlichen Rivalen Geagea und seinem bisherigen Feind Saad Hariri, der von Aoun zum Ministerpräsidenten ernannt werden soll (was er schon von 2009 bis 2011 war, sein 2005 ermordeter Vater war zweimal Premier). Nicht nur das Präsidentenamt ist vakant, eigentlich ist auch die Amtszeit des Parlaments 2013 abgelaufen, man hat die Wahl einfach nicht durchgeführt, weil man sich nicht auf eine Reform des Wahlrechts einigen konnte, womit wohl viele unzufrieden sind. Angeblich wird nächstes Jahr gewählt. Besonderheit ist, dass jede Konfession eine genau festgelegte Sitzzahl hat, die auch nicht ganz proportional zum Bevölkerungsanteil ist. Christen machen insgesamt ca. 40 % der Bevölkerung aus und stellen 64 der 128 Abgeordneten. Soweit scheint das Wahlsystem gar nicht umstritten zu sein, wohl aber der Rest. Das Land ist in 26 Wahlkreise eingeteilt und auch die konfessionelle Aufteilung für jeden Wahlkreis ist festgelegt, z. B. im Wahlkreis Baabda 3 Maroniten, 2 Schiiten, ein Druse. Jeder Wähler hat so viele Stimmen, wie Sitze zu vergeben sind. Im genannten Beispiel kann er also bis zu drei Maroniten, bis zu zwei Schiiten und einen Drusen wählen. Es wählen also alle Wähler die Abgeordneten aller Konfessionen. Eine weitere und auch relevante Besonderheit ist, dass es keine amtlichen Stimmzettel, wie es auch in Deutschland in grauer Vorzeit war (bis 1924) der Fall war. Wahlbündnisse lassen Stimmzettel mit ihren Bewerbern drucken und verteilen sie an die Wähler, was für die natürlich auch bequemer ist, als selbst einen Stimmzetel zu erstellen. Das ist auch ein Grund dafür, dass oft mehrere Bewerber fast dieselbe Stimmenzahl bekommen. Ergebnisse der letzten Wahl 2009: http://psephos.adam-carr.net/countries/l/lebanon/index2009.shtml |