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Archiv bis 23. Juni 2016

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Wahlen, Abstimmungen usw. im europäischen Ausland » Vereinigtes Königreich – Großbritannien » Archiv bis 23. Juni 2016 « Zurück Weiter »

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Björn
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Veröffentlicht am Sonntag, 19. Juni 2016 - 21:54 Uhr:   

Norwegen ist auch nicht Teil der EU und die Regierung prophezeit jetzt schon UK den großen Katzenjammer, denn die Norweger müssen trotzdem viele Teile der EU-Regelungen akzeptieren, um in den EU-Binnenmarkt reinzukommen, ohne am Verhandlungstisch überhaupt mitentscheiden zu können.
http://www.politico.eu/article/eu-referendum-look-before-you-leap-norways-pm-tells-brexiteers/
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Good Entity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Juni 2016 - 22:46 Uhr:   

Großbritannien hat den € nicht eingeführt, es ist also ziemlich egal, ob und was Angela Merkel oder sonstwer diesbezüglich veranlasst hat. In Großbritannien geht es um die Zuwanderer aus Polen, die von vielen dort als Problem gesehen werden - Pakistanis, Bangla Deshis, Chinesen, Inder sind schon alle seit langer Zeit da. Zuwanderung aus Polen ist aber relativ neu und ganz klar etwas, was die EU betrifft, Angela Merkel ist auch da ohne Belang.

Natürlich ist das Referendum auch keine symbolische Entscheidung, Du bist schon arg weltfremd, @Danny.

Es geht etwa um die Frage der Zollschranken, die für Irland übel werden, wenn sie ihre Lebensmittel nicht mehr nach UK bringen können, und die für die Engländer zu hohen Lebensmittelpreisen führen können, denn sie produzieren selbst ja eher wenig. Auch die französischen Winzer sind not amused.

Andererseits regen sich die Engländer über viele Bestimmungen aus Brüssel auf, die sie für kompletten Schwachsinn halten - Tierschutz etwa, oder Umweltschutzbestimmungen. UK muss natürlich diese Bestimmungen beachten und macht das auch mehr oder weniger widerwillig - Deine gegenteilige Behauptung ist Unfug. Ohne die EU kann Großbritannien wieder vieles tun, was sie jetzt nicht dürfen. Dafür verlieren sie aber ihren Einfluss auf das Finanzsystem, denn London wird nicht mehr Bankplatz Nr. 1 sein können.

Für Deutschland ist ganz klar schlecht, wenn ein weiterer großer Nettozahler neben uns in der EU ausfällt.

Insgesamt betrachtet ist ein Brexit auch imho keine Katastrophe. Wir werden höhere Preise bekommen, insbesondere bei Arzneimitteln, und höhere Steuern. Und einige Arbeitsplätze werden kaputtgehen. Aber dafür gibt es ein paar neue, etwa für Verwaltungsjuristen, die jetzt ein paar neue Anträge und Durchführungsverordnungen entwerfen müssen.
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Danny
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Juni 2016 - 20:11 Uhr:   

Björn:
Für den Marktzugang der Norweger gilt im Zweifelsfall das Meistbegünstigstenprinzip, d.h. Norwegen darf nicht schlechter behandelt werden als EU-Länder.
Geht es nun um die Änderung von Marktregeln ist die EU da aus dem Grund ohnehin schon sehr stark beschränkt, will sie kein WTO-Schiedsverfahren riskieren. Im Prinzip geht es bei allen EU-Regelungen deshalb nur noch um Protektionismus innerhalb des relativ kleinen von der WTO erlaubten Bereichs.

Bzgl. dem Einfluss auf Marktregeln ist ausserdem allgemein anerkannt, dass auch alle Nichtmitglieder für die es relevant ist einen erheblichen Einfluss haben über Anhörungen und indirekt über die Modalitäten die in entsprechenden Staatsverträgen vereinbart wurden und werden.

Real gesehen würde ich mal behaupten bemisst sich der Einfluss eines Staates auf Marktregeln in erster Linie an seiner Wirtschaftskraft. Die EU ist nun einfach EINE Art und Weise wie Staaten diesen Einfluss realisieren können. Über Staatsverträge und WTO wird GB seinen aus Wirtschaftsgründen hohen Einfluss wohl ähnlich gut realisieren können, so wie zB die Schweiz auch.

Vereinigungen wie die EU erhöhen nur da potentiell die Verhandlungsmacht wo gleichgerichtete Interessen bestehen. Das ist mittlerweile kaum mehr der Fall. Die Existenz der EU kann man so imho nicht mehr erklären, bzw. nur in einem abstrakten Sinne (da schreib ich später noch was zu).
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Mark Obrembalski
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Juni 2016 - 21:58 Uhr:   

Vom Meistbegünstigungsprinzip gibt es in den WTO-Verträgen Ausnahmen, die sich gerade auf Zollunionen, Freihandelszonen und andere Übereinkommen der wirtschaftlichen Integration beziehen, etwa Art. XXIV GATT und Art. V GATS. Wer nicht in der EU ist oder aus ihr austritt, kann sich den EU-internen Regeln gegenüber also gerade nicht aufs Meistbegünstigungsprinzip berufen.
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Danny
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Juni 2016 - 22:36 Uhr:   

@Good Entity

Ok, es stimmt, das Großbritannien bisher zu den 5-6 EU-Ländern gehört in dem die EU-Gesetze grösstenteils beachtet werden. Ich wollte mehr darauf hinaus, dass sie nicht müssten, wenn sie nicht wollten. Staaten wir Griechenland, Italien, Zypern und Spanien ignorieren auch weitgehend folgenlos grosse Bereiche des EU-Rechts. Sogar in Frankreich gabs letztens eine rechtlich fragwürdige Kollektivabschiebung von Zigeunern. Wenn die Empfängerländer das können und zur Belohnung noch dt. Staatsgarantieren bekommen, warum sollte ein Geberland wie GB das nicht können?

Die Polen in England sind ein gutes Beispiel: GB hätte ohne weiteres die Möglichkeit gehabt seinen Arbeitsmarkt noch bis zu 7 weitere Jahre für die Neuzutrittsländer (wie Polen) legal geschlossen zu halten. Von der Möglichkeit haben auch zB Deutschland und Österreich gebrauch gemacht. GB wurde also zu nichts gezwungen sondern hat den Migrationsboom freiwillig ausgelöst und hingenommen; das nun der EU vorzuwerfen ist also nicht wirklich berechtigt. Es war einfach eine bewusste Entscheidung der britischen Politik (genau genommen hätte man dem Beitritt Polens garnicht zustimmen müssen).

Zu den andren Punkten:
- Warum sollte Irland keine Lebensmittel mehr nach UK einführen dürfen? Das würde den WTO regeln widersprechen und liegt weder im Interesse von GB noch von der EU noch von Irland. Selbst wenn es Probleme gäbe würde man die sofort durch einen Staatsvertrag lösen.
- Dass England sich (freiwillig) noch daran hält geb ich ja zu. Das kann man aber auch ohne EU, und auch wenn man es nicht tut glaube ich nicht, dass London als Finanzplatz dadurch irgendwelche Nachteile hätte, im Gegenteil. Warum konkret sollten britische Banken Nachteile haben?
Bereits vor der EU war London wichtigster Finanzplatz und die Schweiz, Liechtenstein, New York, usw sind auch heute ohne EU wichtige Finanzplätze. Freihandel gibt es nicht wegen oder dank der EU sondern (mittlerweile) eher trotz der EU, und zwar weil es in der Regel für beide Seiten vorteilhaft ist.
- An den strukturellen wirtschaftlichen Gegebenheiten ändert sich durch den Austritt wenig bis nichts, deshalb wird man nach dem Austritt weitgehend äquivalente Staatsverträge abschliessen, allerdings ohne die sinnlosen, für GB klar nachteilhaften Teile (jedenfalls soweit der EU dort die Verhandlungsmacht fehlt; das ist aber in den meisten umstrittenen Bereichen der Fall). Wie schon angedeutet: Die Macht GBs entsteht nicht durch die EU sondern durch seine Wirtschaftskraft. Ob die EU nun eine gute Art und Weise ist diese Macht auszuüben, oder ob dadurch die Verhandlungsmacht GBs eher reduziert wird ist imho sehr unklar.
- Auf unsere Preise wird der Austritt wohl wenig Auswirkungen haben. Deutschland muss allerdings sicher höhere EU-Beiträge schultern und hat einen marktliberalen Partner weniger. Es gibt möglicherweise mehr Verwaltungsaufwand, aber nur wo GB in Zukunft von den bisherigen Regeln stark abweicht, was wohl nur recht begrenzt passieren wird. Teilweise ist aber auch das Gegenteil vorstellbar (zumindest für GB).


Für uns wird der Austritt wohl insgesamt begrenzte Nachteile haben; allerdings ist Deutschland das selbst schuld.

Als normaler Bürger bekommt man das nicht so mit, aber die EU hat in den letzten Jahrzehnten eine Masse an katastrophalen, vollkommen schwachsinnigen Richtlinien erlassen. Man kann Italien, usw. auch da wenig Vorwürfe machen, dass die nicht beachtet werden, weil dazu eine extrem leistungsfähige Verwaltung (in Staat und Unternehmen) notwendig ist, die in den meisten EU Staaten nur eingeschränkt besteht.

Das ganze EU Chemikalienrecht ist ein gutes Beispiel. Stichwort REACH. Schon von der Idee her vollkommen schwachsinnig und niemals umsetzbar ohne die gesamte Chemie-Industrie der EU mit Ausnahme der grössten Hersteller zu ruinieren. Und zu dem sinnlosen Prinzip werden dann noch ständig schwachsinnige Einzelentscheidungen getroffen. Zwei Beispiele:

- Glyphosat: Ein Verbot wär objektiv umweltschädlich (Substitutionseffekte), landwirtschaftlich katastrophal und vollkommen unberechtigt, weil es eines der harmlosesten Mittel ist was es gibt. Wissenschaftlich ist die Lage vollkommen klar; der einzige Grund warum es da nun Probleme gibt die Zulassung zu verlängern ist die Agitation von Umweltschutzbewegungen, die zu Unrecht ernst genommen wird. Man kann nur hoffen, dass dort noch Vernunft einkehrt, deshalb wurd die Entscheidung wohl auch verschoben (in der Hoffnung dass die Presse weiterzieht).
- Bisphenol A (BPA): Hier genau das Gegenteil. Es gibt schon seit Ewigkeiten starke empirische Hinweise darauf, dass es die zum Einsatz kommenden Mengen tatsächlich gesundheitsschädlich sind und BPA in vielen Fällen bei den üblichen Verwendungen in Verpackungsmaterial als endrokriner Disrupter wirkt (heisst: wie ein weibliches Hormon). Aktuelle wiss. Studien sprechen auch alle für eine stärkere Regulierung. Trotzdem ist Jahrzehntelang nichts passiert, weil Interessengruppen der Plastikindustrie der EU (insbes. nicht-deutsche) sehr gute Lobbyarbeit gemacht haben. Man hat sich dann vor ein paar Jahren nach (diesmal berechtigten) Kampagnen der Umweltschutzorganisationen mal bequemt ein paar strengere Richtwerte für besonders gefährliche Anwendungen (Babyflaschen, etc.) zu erlassen, aber objektiv ist das Schutzlevel im Lebensmittelbereich immernoch unzureichend. DE arbeitet nun im Hintergrund daran die Industrie in den anderen EU-Ländern zum freiwilligen Verzicht zu bewegen, mittelerfolgreich bisher. Mit Ausnahme der 3-4 Produzentenländer hätten ohne EU schon alle anderen EU-Länder sinnvollere nationale Grenzwerte erlassen (wie andere Drittländer es frühzeitig getan haben).

REACH insgesamt wird übrigens aus genannten Grund nur schleichend ("substanzweise") eingeführt. Beim aktuellen Tempo ist man vllt in 500 Jahren fertig, allerdings nur in DACH, denn die anderen Länder ignorieren das weitgehend. (Wer sich da mal informieren will sollte übrigens lieber die englische Wikipedia-Version als Ausgangspunkt nehmen, in der dt. steht im Chemiebereich sehr viel Müll).

In anderen Bereichen kenn ich mich nicht sogut aus, aber in allen Bereichen wo ich mich auskenne (IT, Chemie, Genetik, Asyl, Wirtschaftspolitik) sind die Regulierungsbemühungen der EU lachhaft, insgesamt kontraproduktiv und in der Regel für die EU als ganzes sicher schädlich. Anderes bekanntes lächerliches Beispiel: die Privatzensur bei Google.
Als Beispiel für das Regulierungschaos probier mal zu bestimmen welches Asylrecht in Deutschland gilt. In der Praxis überlagern sich: native dt. Gesetze, dt. Umsetzungsgesetze, direkt rechtswirksame EU-Verordnungen, indirekt rechtswirksame EU-Richtlinien (über die direkte Rechtswirkung subjektiver Rechte), Recht aus Staatsverträgen inkl. "EU-Verfassungsrecht" und GFK, sowie dt. Verfassungsrecht. Im Ergebnis kann man im Asylrecht fast jede Position mit guten Argumenten verteidigen weil tausend Rechtsquellen das gleiche Regeln ohne dass es klare Vorrangsregeln gibt, deshalb macht jeder Staat seine eigenes Ding. Da überhaupt noch von Regulierung oder Recht zu sprechen ist schon fragwürdig.

Je mehr disfunktionale Regulierung erlassen wird desto mehr muss Deutschland zahlen damit die anderen Länder die weitere Teilnahme (sofern sie sich überhaupt noch daran halten) noch als vertretbar erachten. Das Problem ist imho, dass Deutschland seiner Integrationsverantwortung nicht nachkommt und seine wirtschaftliche Macht nicht einsetzt um Regelungen zu erreichen, die zumindest insgesamt für die EU sinnvoll und vorteilhaft sind. Stattdessen gibt es disfunktionale Lobby-Politik und das Muster der indirekten Regierungsgesetzgebung über EU-Richtlinien und Kuhhandel.

EU = (die Herrschaft der Minderwertigen)^2


Meine Einschätzung bzgl. der Symbolwirkung mag etwas übertrieben sein, aber es ist gut vorstellbar dass dadurch weitere Austritte ausgelöst werden, wenn klar wird, dass GB vom Austritt keine grossen wirtschaftlichen Nachteile hat. Aber ich sehe ein, dass es für die gegenteilige Sichtweise genug vernünftige Argumente gibt.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Juni 2016 - 23:03 Uhr:   

Ein Problem bei einem Austritt ist für GB und wäre natürlich, dass sich das austretende Land gegenüber der EU in einer schwachen Verhandlungsposition befindet. Für GB wäre eine Einigung mit der EU sehr viel wichtiger als umgekehrt, von den Iren abgesehen. Vielleicht würde die EU sogar besonders hart verhandeln, um ein Exempel zu statuieren. Umgehen ließe sich dieses Problem nur mit einem koordinierten Vorgehen mehrerer Staaten, die zusammen Gewicht haben. Nur Deutschland wäre allein dazu in der Lage, mit einem Austritt die ganze EU zum Einsturz zu bringen und wäre auch ohne Partner nicht in einer schwachen Position. Dies könnte Deutschland durchaus für sich nutzen, Europa in seinem Sinne zu verändern, wenn der politische Wille da wäre. Aber in Deutschland ist die EU ja eher eine Art Religion und darf auf keinen Fall in Frage gestellt werden, nicht einmal verhandlungstaktisch. Für die Briten ist die EU dagegen eher ein Zweckbündnis, dem man aus Pragmatismus angehört (sofern sie die EU nicht ablehnen).

Ich vermute, dass am Ende doch die Mehrheit für den Status quo stimmt, ähnlich wie in Schottland, wo es einen günstigen Trend für die Unabhängigkeitsbefürworter gab, aber letztlich doch eine (nicht einmal knappe) Mehrheit dagegen stimmte.
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Good Entity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Juni 2016 - 16:11 Uhr:   

@Danny: Du hast offenbar noch nicht versucht, deutschen Wein in die Schweiz zu bringen. Die Zollgrenzen sind deutlich schärfer und der Zoll selbst höher, als wenn Du das gleiche mit den Niederlanden versuchst.

Die gleichen praktischen Erfahrungen machen Briefmarkensammler, die ihre aus der Schweiz geschickten Sammlerbriefmarken dann bei der Post nachverzollen müssen, und zwar nicht zu knapp.

Das gleiche wird den irischen Bauern passieren, wenn sie ihre Kartoffeln nach einem Brexit nach Nordirland bringen wollen. Mark Obrembalski hat oben schon etwas zum Hintergrund gesagt. Du müsstest das eigentlich kennen, wenn Du mit Import und Export von Chemikalien zu tun hast. Ein Staatsvertrag allein löst das Problem nicht.

In den letzten Jahren haben viele japanische Unternehmen in Großbritannien Fertigungsstätten aufgebaut, bekannt ist das sicherlich für den Automobilsektor. Der Vorteil liegt in einer im Vergleich zu Süd- und Osteuropa besseren Ausbildung der Arbeitskräfte, zumal es ja Automobilindustrie in UK gab, auch wenn BMW mit Rover nicht klargekommen ist. Dazu kommt auch ein höhere Qualitätsverständnis als in Süd- und Osteuropa und niedrigeren Kosten als etwa in Deutschland. Ganz wesentlich ist aber der Bau innerhalb der EU mit entsprechenden Zoll- und sonstigen Vorteilen.

Nach einem Brexit wird das wegfallen. Die deutsche, französische und italienische Automobilindustrie wird sich fragen, ob der britische Markt ggf. verlorengegeben werden kann, wenn man dafür die japanische Konkurrenz vom Festland fernhalten kann. Kann sein, dass da ein heftiges und für den Verbraucher recht teures Feilschen einsetzt, denn die dann höheren Einnahmen aus dem Zoll gehen in die EU-Kasse und fördern eben diese Bürokratie auch noch finanziell.

Ich glaube nicht, dass das die Wahlentscheidung generell beeinflusst. Es ist aber schon zu erkennen, dass dort, wo der einzelne erkennt, dass sein Arbeitgeber vom Export oder Import lebt, die Tendenz gegen den Brexit läuft. Schottland (verkürzt: Erdöl und Whisky), Nordirland (Handel mit der irischen Südhälfte) und auch Wales sind wohl schon deutlich gegen den Brexit. Auch wenn diese Teile viel kleiner sind als England, bei einem knappen Ausgang kann das entscheiden. Ich neige dazu, Thomas Frings zuzustimmen.
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Danny
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 04:58 Uhr:   

OK, in einigen Sektoren scheint die EU in der besseren Verhandlungsposition zu sein (KFZ), in anderen (Lebensmittel) GB. Liegt es da nicht nah die Leistungsbilanz als Heuristik zur Bestimmung der Verhandlungsmacht heranzuziehen?

GB importiert insgesamt deutlich mehr aus der EU als umgekehrt, also die EU Exportindustrie scheint aktuell mehr vom Bestehen des gemeinsamen Markts zu profitieren als umgekehrt die von GB (das gleiche gilt wenn man Dienstleistungen dazurechnet).
Warum sollte GB also noch über EU-Nettobeiträge dafür bezahlen?

Das passt übrigens auch zu meiner EU-Theorie (http://www.wahlrecht.de/forum/messages/40/7020.html?1466477872). Für Deutschland macht es Sinn EU-Nettobeiträge zu zahlen weil wir dafür Marktzugang erhalten, den wir wie man an unseren Leistungsbilanzsalden sieht auch vorteilhaft nutzen. Für GB ist die Situation (mittlerweile) genau umgekehrt. Wäre die EU funktional ausgestaltet würde GB - so wie zB Griechenland - EU-Nettoempfänger sein, und dann wohl auch nicht austreten wollen.

So wie es aktuell ist würd ich GB in der besseren Verhandlungsposition sehen.
Die Frage wie das "WTO-Fallback" aussehen würde wenn man sich nicht einigt, ist aber wohl echt viel komplexer als ich dachte.
@Mark Obrembalski: Meinst du die Anwendung der WTO-Regeln würden die EU stärker begünstigen?


(Leistungsbilanzüberschüsse sind ein haariges Thema, aber allgemein sieht man sie wohl als wünschenswert an. Was langfristige Überschüsse, insbes. unsere betrifft seh ich das mittlerweile anders, weil unsere Forderungen gegen die anderen EU Länder quasi wertlos sind, wegen dem katastrophalen EURO-Management. Ob das bzgl. GB relevant ist wär eine interessante Frage, zumindest hat GB von der Finanzkrise stark profitiert was die NIIP betrifft. Andererseits kann GB seine Leistungsbilanzdefizite nicht über wie die anderen EU-Defizitländer über Target-2 Salden finanzieren und muss selbst auf den Aussenwert seiner Währung achten. Ist eine schwierige Frage; die obige Sichtweise macht natürlich nur Sinn wenn Leistungsbilanzüberschüsse positiv sind, aber solange jeder daran glaubt macht es wohl keinen Unterschied.)
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Björn
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 10:41 Uhr:   

Ich habe auch das Gefühl, dass UK sich für Remain entscheidet. Es ist eigentlich schon erstaunlich, dass die Umfragen trotz der starken und lauten Leave-Kampagne ziemlich stabil geblieben sind.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 11:04 Uhr:   

@Danny,

ein nicht zu unterschätzendes Problem dürfte denn Finanzplatz London treffen. Derzeit können wegen der EU sämtliche in GB vertriebenen Finanzprodukte über den "Europa-Pass" in der gesamten EU vertrieben werden.
Im Fall eines Austritts aus der EU, der gemäß Art. 50 EUV erst zwei Jahre nach der Erklärung wirksam wird (also frühestens 2018 - wobei der Rat eine Verlängerung dieser Frist beschließen kann) - würde dies wegfallen.

Der Finanzplatz London würde erhebliche Einbußen erleiden. Konservative Schätzungen gehen vom Verlust von 10% der Arbeitsplätze in der Finanzbranche in London aus. Bei rund 600.000 Beschäftigten in dem Bereich wären dies 60.000. Wahrscheinlich wird ein Großteil dieser Arbeitsplätze nach Frankfurt verlagert werden.

Gerade internationale Banken und Finanzkonzerne (aus Amerika und Asien), die bisher London als ihr Europa-Headquarter verwendet haben, dürften abziehen, während britische Finanzkonzerne dem heimischen Markt weiter verbunden bleiben dürften. Die beabsichtigte Börsenfusion Frankfurt dürfte im Fall eines Brexit nicht zustande kommen, während sie im umgekehrten Fall nicht unwahrscheinlich ist (vorbehaltlich aufichtsrechtlicher Genehmigungen) und eher dem Standort London als Frankfurt nützen dürfte.

Alles in allem dürfte ein Brexit ein kräftiges Minus für die in GB sehr bedeutende Finanzbranche nach sich ziehen. Unmittelbar nach einem negativen Referendumsergebnis dürfte das Britische Pfund massiv einbrechen. Das Ergebnis wird ein erheblicher Kaufkraft- und Wohlstandsverlust der meisten britischen Bürger sein. Zumindest kurzfristig wären die Auswirkungen eines Austritts für GB klar negativ.

Auch der Wert GB für zentrale Verbündete wie die USA liegt in seinen Einfluß in der EU. Charles de Gaulle sah das Vereinigte Königreich ja auch als trojanisches Pferd der Amerikaner an und verweigerte GB seinerzeit den Beitritt zur EG. Ist GB nicht mehr in der EU verringert sich auch sein Gewicht in Europa, es ist für die USA weniger nützlich und wird in Europa und auch global weiter an Einfluß verlieren. Schon jetzt hat GB einen erheblichen Bedeutungsverlust erlitten. Während Hollande bei den Verhandlungen mit Putin noch als Staffage neben Merkel auftritt glänzt Cameroon durch völlige Abwesenheit. Alles in allen dürfte ein Austritt GB die Bedeutung Deutschlands in Europa weiter stärken - allerdings auch die Lasten für Deutschland bezüglich Transferzahlungen. Die politische Klasse in diesem Land ist allerdings bereit dies zu tragen (Thomas Frings spricht zurecht von der EU-Religion), so dass jedenfalls kurzfristig der Austritt GB nicht zu einem Kollaps der EU führen dürfte. Alles in allem ist die EU hochgradig dysfunktional. Allerdings können auch hochgradig dysfunktionale Konstruktionen lange überleben.

Das gilt sogar für die Europäische Währungsunion, deren Dysfunktionalität an die Lateinische Münzunion (1864 bis de facto 1914, de jure 1926) erinnert. Trotz ihrer Dysfunktionalität bestand sie faktisch über 50 Jahre:


https://de.wikipedia.org/wiki/Lateinische_M%C3%BCnzunion

Zur allgemeine Information nachstehen Art. 50 des Vertrages über die Europäische Union:


Art. 50 EUV

(1) Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten.

(2) Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat seine Absicht mit. Auf der Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates handelt die Union mit diesem Staat ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus und schließt das Abkommen, wobei der Rahmen für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur Union berücksichtigt wird. Das Abkommen wird nach Artikel 218 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ausgehandelt. Es wird vom Rat im Namen der Union geschlossen; der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments.

(3) Die Verträge finden auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der in Absatz 2 genannten Mitteilung keine Anwendung mehr, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.

(4) Für die Zwecke der Absätze 2 und 3 nimmt das Mitglied des Europäischen Rates und des Rates, das den austretenden Mitgliedstaat vertritt, weder an den diesen Mitgliedstaat betreffenden Beratungen noch an der entsprechenden Beschlussfassung des Europäischen Rates oder des Rates teil.

Die qualifizierte Mehrheit bestimmt sich nach Artikel 238 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

(5) Ein Staat, der aus der Union ausgetreten ist und erneut Mitglied werden möchte, muss dies nach dem Verfahren des Artikels 49 beantragen.


(Beitrag nachträglich am 22., Juni. 2016 von Marc editiert)
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 11:10 Uhr:   

> Ich vermute, dass am Ende doch die Mehrheit für den Status quo stimmt,
> ähnlich wie in Schottland, wo es einen günstigen Trend für die
> Unabhängigkeitsbefürworter gab, aber letztlich doch eine (nicht
> einmal knappe) Mehrheit dagegen stimmte.
Genau diesen Eindruck habe ich schon länger.
Es ist halt eine Sache, einem Meinungsumfrager gegenüber große Sprüche zu machen (d.h. zu behaupten, man würde für die Wiederherstellung des Empire stimmen ...) oder in der Wahlkabine dann wirklich ein Kreuz zu machen, dessen Folgen man spüren wird.
Die Folgen eines Brexit sind einfach viel zu unklar, viele grundsätzlich EU-skeptische Wähler werden sich das einfach nicht trauen.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 11:31 Uhr:   

@Björn,

die Umfragen sind relativ stabil, aber auch schon seit einiger Zeit ziemlich knapp.

http://de.reuters.com/article/brexit-umfragen-idDEKCN0Z70DI

Das Ergebnis ist offen.
Ich hoffe auf einen Verbleib von GB. Aber auch ein anderes Ergebnis ist nach den Meinungsumfragen möglich. Das ergibt international kein gutes Bild der EU.

Dies gilt zumal angesichts des Umstands, dass selbst die europaskeptischen Briten noch 1975 mit mehr als zwei Dritteln für den Verbleib in der seinerzeitigen EG stimmten:

_1975,https://en.wikipedia.org/wiki/United_Kingdom_European_Communities_membership_referendum,_1975


Dies zeigt einen erheblichen Akzeptanzverlust des "europäischen Projekts", der keineswegs auf GB beschränkt ist. Das Modell einer "immer enger werdenden Union", das rein denklogisch im Ergebnis auf einen europäischen Superzentralstaat hinauslaufen würde, trifft in fast allen Staaten auf erheblichen Widerspruch.

Der ehemalige französische Außenminnister Hubert Védrine konstatiert daher zutreffend in der F.A.Z., dass es (zumindest derzeit) keinen demokratischen Weg zu einer stärkeren Integration gibt.

http://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/zerfaellt-europa-10-radikaler-wandel-oder-untergang-14283038.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Die Frage ist nun wie es weiter geht: Weiter auf undemokratische Weise die europäische Integration beschleunigen oder das gesamte Projekt zu überdenken und neu zu gestalten. Statt einer "immer enger werdenden Union" könnte man als Leitbild das einer "Staatenkonföderation" nehmen, unter Rückgriff auf Charles de Gaulle eines "Europas der Vaterländer" oder auf Tony Blair "a Europe of nations, not a super state".

Statt alles en detail aus Brüssel zu regulieren und administrieren zu wollen, könnte man sich stärker auf eine Koordinierungsfunktion beschränken und den Mitgliedsstaaten durch eine geringere Regulierung wieder mehr Freiräume eröffnen. Dies würde die EU nicht nur entlasten, sondern auch der Tendenz nationaler Politik alles auf Brüssel zu schieben den Boden entziehen. Statt unpopulärer Entscheidungen könnte sich die EU stärker auf die Koordinierung gemeinsamer Projekte, der Förderung europäische Kooperation, insbesondere im Bildungs- und Technologiesektor konzentrieren und ferner auch stärker in der Koordinierung einer gemeinsamen Außenpolitik. Hier gibt die EU ein sehr schwaches Bild ab. Man traut ihr kaum strategische Geduld und Durchhaltevermögen zu. Daher ist es auch kein Wunder, dass der russische Präsident testet wie weit er gehen kann und auch testet, ob er mit rein verbalen Zugeständnissen und Luftblasen die Sanktionsfront unterhölen kann, während tatsächlich gleichzeitig sich die Situation in der Ostukraine zusehends verschlechtert (mehr Kämpfe, mehr Tote), wie uns die OSZE-Beobachter berichten.

Das Auftreten der EU und zahlreicher EU-Regierungschefs (von Renzi bis Orban) ist hier wirklich kläglich. In dem Punkt stehen im Wesentlichen Polen, GB und Merkel für eine konsequente Position (anders als Teile der SPD, bis hin zum Außenminister).

(Beitrag nachträglich am 22., Juni. 2016 von Marc editiert)
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 16:44 Uhr:   

@Ralf Arnemann,

ich habe keine Zweifel, dass eine große Merheit der Briten für die "Wiederherstellung des Empire" (und sei es in Form einer Freihandelszone im Commonwealth of Nations) stimmen würde.
Nur dass steht nicht zur Wahl. Und die meisten Länder im Commonwealth sind so bettelarm (etwa in Afrika), dass eine solche Freihandelszone ihnen nichts bringen würde. Und die weiter entwickelten wären ohnehin eher an Handelsabkommen mit der gesamten EU, inklusive GB, interessiert und nicht nur mit GB. Kurzum: Die Wiederherstellung des Empire steht nicht zur Wahl, sondern die Frage, ob GB weiter in der EU bleibt oder ob es sich isoliert und zu einer Art Insel-Schweiz wird, was den weltpolitischen Anspruch von GB gerade widerspricht.

Viele Wähler in GB wissen das und werden sich hoffentlich spätestens in der Wahlkabine besinnen.

(Beitrag nachträglich am 22., Juni. 2016 von Marc editiert)
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Good Entity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 16:59 Uhr:   

Großbritannien profitiert auch für seine Importe von den vergleichsweise niedrigen Zöllen, auch bei einer negativen Bilanz macht es grundsätzlich Sinn, in der EU zu sein. Als Engländer würde ich günstige Kartoffeln aus Irland, Rotwein aus Frankreich, Rübenzucker aus Dänemark, Lederwaren aus Bulgarien auch gerne weiterhin begrüßen, die sonst alle teurer werden. Und auch für den durchaus vorhandenen britischen Maschinenbau wäre es von Nachteil, für Zulieferteile etwa von Bosch oder Siemens aus Deutschland oder Philips aus den Niederlanden mehr bezahlen zu müssen als beispielsweise die französische Konkurrenz. Dann verliert man gegenüber den Wettbewerbern etwa auf dem US-Markt noch mehr an Wettbewerbsfähigkeit.

So mancher unentschiedene Engländer, der sich durchaus regelmäßig und vielleicht auch vollkommen zu Recht über die EU ärgert und vielleicht auch deshalb mal seine Stimme für UKIP abgegeben hat, kommt vielleicht ins Grübeln, wenn ihm seine Schwiegertochter erzählt, sie mache sich Gedanken um ihren Job als Bankkauffrau, wenn beim Brexit einiges aus London verlagert wird, siehe @Marcs ganz richtige Überlegungen dazu. Das will man sich als Schwiegervater nun doch nicht vorwerfen müssen.

Wenn dann allerdings die EU auf Initiative von "deutschen Umweltverbänden", wie es heute heißt, eine neue Richtlinie erlassen will, die das Angeln angeblich weitgehend verbieten soll, dann sind allerdings nicht nur die deutschen, sondern auch die britischen Angler sauer, und davon gibt es ziemlich viele. Ich bin kein Angler und habe von Inhalt und Sinn dieser Richtlinie keine Ahnung, aber zumindest das Timing ist schon ziemlich dämlich.
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Danny
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 20:36 Uhr:   

"Als Engländer würde ich günstige Kartoffeln aus Irland, Rotwein aus Frankreich, Rübenzucker aus Dänemark, Lederwaren aus Bulgarien auch gerne weiterhin begrüßen, die sonst alle teurer werden."

Das musst du mir mal erklären. Warum sollte das teurer werden?
Ob GB nach einem Austritt überhaupt Importzölle auf Lebensmittel erhebt entscheidet GB doch selbst und ich seh keinen Grund warum man da über das aktuelle Schutzlevel hinausgehen sollte (ausser retributiv, aber das vermeidet man heute meistens durch gütliche Gesamteinigungen). GB könnte sogar die gesparten EU-Gelder nutzen, um Lebensmittel billiger zu machen (zB durch einen ermässigten MwSt Satz wie bei uns).

Zum Umweltschutz.. ja, ich denk auch immer wieder: dümmer gehts nicht mehr, aber dann fällt denen noch was absurderes ein. Am Sonntag fast vor meiner Haustür (Grugapark): eine Demo von 150 Kanadagans-SchützerINNEN, incl. Morddrohung und Entenumsiedlungsplan ("nach Norddeutschland"). Optisch ist so eine Demo sicher eine Bereicherung und mit Waffen können Frauen eh nicht umgehen, aber das mit dem Wahlrecht war wirklich keine gute Idee. Immerhin, sollte die EU am Lebensrecht für Fische oder Bäume scheitern weiss wenigstens jeder sofort welches Land dafür verantwortlich ist.
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SaaleMAX
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 21:22 Uhr:   

Britannien BLEIBT ! :-)

Gott sei dank hat dieser Spuk bald ein ENDE..ansonsten könnte man noch Gedanken um einen DE-xit hegen?!?! Zumindest wnen man mal wieder Wind in der EU-Küche bräuchte.Gre-xit ist ja bereits paseè.
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Mark Obrembalski
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 23:26 Uhr:   

@Danny: Die Leistungsbilanz würde ich nicht direkt als Indiz fürs Profitieren vom gemeinsamen Markt und erst recht nicht für Verhandlungsstärke hernehmen.

Was die Leistungsbilanz angeht, ist die Frage ja nicht, wie sie gerade ausfällt, sondern wie sie sich ohne britische EU-Mitgliedschaft verändern würde. Nicht für jede Ware findet sich eine gleichwertige inländische Alternative. Und was man selbst nicht vernünftig herstellen kann, muss man halt auch ohne EU weiter draußen einkaufen.

Dazu kommt, dass die Bedeutung der Verhandlungen zwischen UK und EU für die beiden Seiten nicht die gleiche ist. Die übrige EU macht für das UK einen recht großen Anteil seiner Handelsbeziehungen aus. Für die EU ohne UK ist der Anteil des Handels mit dem UK hingegen geringer. Die EU kann einen Zustand ohne Handelsvertrag also leichter aussitzen als das UK.

Aber die Frage der EU-Mitgliedschaft ist wohl eh nicht in erster Linie eine wirtschaftliche.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2016 - 23:39 Uhr:   

@SaaleMAX,

ich hoffe das Sie recht haben, aber das Ergebnis kennen wir frühestens morgen abend.

GB wird im Übrigen auch im Falle eines Jas ein sehr kritisches EU-Mitglied bleiben, dass sich - wie bisher - gegen weitere Zentralisierung und Kompetenzerweiterungen Brüssels aussprechen wird.

Im Falle eines Jas dürfte die EU-Frage im Prinzip für einige Jahrzehnte geklärt sein - so wie die Abstimmung 1975 den britischen Regierungen ermöglichte für vier Dekaden in den europäischen Institutionen mitzuwirken, dürfte ein Mandat 2015 auch für lange Zeit wirken.

Ein nächstes Referendum dürfte es erst dann geben, sofern die EU weitere massive Zentralisierungsschritte gehen sollte. Das dürfte in den nächsten fünf bis zehn Jahren kaum der Fall sein (zwischen den Römischen Verträgen und den Maastrichter Vertrag von 1992 lagen immerhin 35 Jahre, in denen die EWG/EG sich zwar kontinuierlich weiter entwickelte, aber ein Staatenverbund souveräner Nationalstaaten mit eigener Währung verblieb.

In gewissenen Sinne kommt dieses Referendum mehr als 20 Jahre zu spät (seinerzeit verhandelte GB in den Maastrichter Vertrag ein Opt-Out für die Währungsunion um in der EG/EU zu bleiben, ohne diesen Integrationsschritt den es - wie die Entwicklung der Eurozone zeigte aus guten Gründen - ablehnte nicht gehen zu müssen. Nachfolgende Integrationsideen - wie der Verfassungsvertrag - scheiterten bereits bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden, so dass GB gar nicht erst eine Volksabstimmung abhalten musste - die zweifellos kein anderes Erbebnis als in GB oder in Frankreich erbracht hätte).

Weitere Integrationsschritte und Vorgaben betreffen vorwiegend die Eurozone und damit GB nicht, so dass - außer den grundlegenden strukturellen Problemen und der immerwährenden Brüsseler Regulierungswut - keine konkreten Gründe für diese Abstimmung bestanden - außer innenpolitischen und innerparteilichen (zunehmende EU-Müdigkeit und EU-Kritik).

Das könnte sich in ferner Zukunft ändern sollten in Zukunft wieder Integrationisten das Ruder in der EU übernehmen - was auf Grund der hohen Zahl an Staaten aber schwierig sein dürfte. Gerade auch osteuropäische Staaten reagieren zunehmend allergisch auf die Abgabe von Souveränität.

Das unter den Begriff der gemeinsamen Ausübung von Souveränität zu verkleiden ist ein guter rethorischer Trick, ändert aber nichts an den Umstand, dass ich nicht mehr allein entscheiden kann, sondern andere mitentscheiden und mich ggf. sogar überstimmen können. Das mag für manche Bereiche zum Funktionieren des gemeinsamen Marktes erforderlich zu sein. Eine einheitliche Regulierung der Mindesthöhe der Sandschicht in Sandkästen oder des Angels in der Natur gehört wohl eher nicht zu Regelungsbereichen für die zur Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes eine einheitliche Regulierung erforderlich ist.
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Danny
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Veröffentlicht am Donnerstag, 23. Juni 2016 - 13:33 Uhr:   

@Marc: Imho ist schon die Idee einer "demokratischen Einigung" Europas selbstwidersprüchlich und das Reden von einer "demokratischen EU" irreführend:

Das Problem ist nicht, dass die EU nicht demokratisch ist, sondern dass sie garnicht demokratisch sein kann, weil es kein europäisches Volk gibt.
Was eine Gruppe von Menschen zu einem Volk macht ist der allgemeinen Wille einen gemeinsamen Staat zu bilden, den es nur geben kann wenn man sich über grundlegende kulturelle Vorstellungen einig ist. Und da gibt es in Europa noch viel zu grosse Unterschiede, was man zB an der unterschiedlichen Behandlung von Asylanten oder Arbeitslosen sieht.

Besteht noch keine ausreichend kulturelle Übereinstimmung kann man sie - quasi per Definition - auch nicht demokratisch herstellen.
Anders gesagt: der politischen Einigung Europas muss eine kulturelle Einigung vorausgehen.

Zu einer europäischen Demokratie führen dann genau zwei Wege:
- hegemonial: Herstellung einer gemeinsamen Kultur durch Unterwerfung (meist militärisch) und Umerziehung (typische Beispiele: USA, Islam)
- historisch/evolutionär: Entstehung einer gemeinsamen Kultur durch freiwillige Übernahme, d.h. wir müssen die anderen Europäer dazu bewegen unsere Kultur übernehmen zu wollen indem wir ihre Überlegenheit beweisen, also quasi ein Vorbild sind (typisches Beispiel: das Christentum)

Im Hinblick auf den zweiten Weg (auf den wir uns beschränken sollten, obschon er länger dauert) muss man wohl leider feststellen, dass die Strahlkraft der deutschen Kultur in der europäischen Geschichte schonmal grösser gewesen ist als heute (was eigentlich noch eine freundliche Ausdrucksweise ist, mir fällt kein Zeitpunkt in den letzten paar hundert Jahren ein in dem unsere Kultur in einem ärmlicheren Zustand als heute war). Halbwegs überzeugend ist allenfalls noch unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, was aber ein relativ unwichtiger Aspekt ist.

Über EU und EURO konvertiert Deutschland nun seine wirtschaftliche Macht in politische Macht über die wirtschaftlich schwächeren Staaten. An sich muss das nicht problematisch sein, allerdings nutzen wir diese Macht aktuell vorallem um in der Staaten der Peripherie wirtschaftliche Katastrophen und damit finanzielle Abhängigkeit herbeizuführen. Das wird dann in den betroffenen Staaten zurecht als Fremdbestimmung durch Deutschland wahrgenommen, egal ob die Entwicklung von Deutschland beabsichtigt war oder nicht. Da hilft es auch nicht das dt. Hegemonialstreben als "geteilte Souveränität" zu bezeichnen, denn zB bei der Flüchtlingskrise sieht man ja deutlich, dass Deutschland seine Kultur und Werte den anderen Staaten aufzwingen will und grade nicht bereit ist sich an die anderen EU-Staaten anzupassen.

Akut bedrohlich wird das seitdem Deutschlands Aussenpolitik nun sogar die äussere (->Konflikt mit Russland) und innere Sicherheit (->Flüchtlinge) mehrerer EU-Staaten bedroht. Die Hauptursache hast du glaub ich schon angedeutet: die USA benutzt Deutschland und GB um über Europa zu herrschen (quasi europ. balance-of-power durch transitive Hegemonie).

Der gesamteuropäische Trend nach Rechts ist mglw. sogar am besten erklärbar als Autonomiebewegung gerichtet gegen den Einfluss raumfremder Mächte auf die europäische Kultur und Politik, speziell:
1. in Deutschland gegen die Fremdbestimmung durch die USA, die ihre vollkommenste Verkörperung wohl in Gestalt der CDU unter Merkel gefunden hat
2. in Resteuropa gegen die Fremdbestimmung durch Deutschland (vermittelt durch EU und EURO)
3. in Osteuropa zusätzlich auch gegen Fremdbestimmung durch Russland.

Auslöser war vermutlich die zunehmend offensichtliche Schädlichkeit der amerikanischen Einflussnahme, v.a. seit der Ukrainekrise (die anders kaum erklärbar ist, weil es innerhalb Europas einfach keine hinreichend starken Interessengegensätze für so eine Konfliktlage gibt).

Ob die EU erhalten bleibt hängt dann vllt daran, ob Deutschland es schafft sich von der USA zu emanzipieren bevor Resteuropa es schafft sich von Deutschland zu emanzipieren.
Mir ist auch grade aufgefallen, dass die EU Politik von Deutschland durch den Ukraine-Konflikt beschränkt wird; z.B. sind wir zwingend auf die Stimme Griechenlands angewiesen um die Sanktionen zu verlängern wodurch unsere theoretisch starke Verhandlungsposition in der EURO-Krise natürlich flöten geht.
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Björn
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. Juni 2016 - 13:40 Uhr:   

Die letzte Umfrage wurde heute veröffentlicht, danach machte das Pfund einen Sprung nach oben. Ipsos/MORI sieht das Remain-Lager mit 52% vorn. Anscheinend gibt es wohl einen uneinheitlichen Trend bei der Methodik der Umfragen. Telefonumfragen sehen eher das Remain-Lager vorn, Online-Umfragen das Leave-Lager.


Weitere Infos aus der heutigen Umfrage zusammengefasst vom Guardian-Liveticker:
"Down amongst the detail of today’s Ipsos Mori poll are a couple of interesting nuggets. Two weeks into the campaign the Ipsos Mori polls showed that immigration had overtaken concerns about the impact of Brexit on the economy as the issue which was the most important in helping people to decide how to vote.

Last week’s poll which had a six point Leave lead had 33% of people naming immigration as the decisive issue for them.

Today’s poll (which gives Remain a four point lead) still shows immigration as the issue of most concern at 32% but concerns about the impact of Brexit on economy has closed the gap to 31%. This may explain how the swing to Remain has taken place.

The poll also has some interesting party breakdowns. It shows that 68% of Labour voters intend to vote Remain, but only 43% of those who voted Conservative at the general election intend to back Remain."

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