Thomas Frings
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| Veröffentlicht am Donnerstag, 27. März 2014 - 22:08 Uhr: | |
In Indien findet in der Zeit vom 7. April bis 12. Mai die Wahl des Unterhauses (Lok Sabha) statt. Zu Jahresbeginn gab es 814,5 Mio. registrierte Wahlberechtigte. Seit den 90er wird die Wahl an verschiedenen Tagen abgehalten, um den Einsatz von Sicherheitskräften zu erleichtern. Insgesamt gibt es acht Wahltage. Ausgezählt wird landesweit einheitlich erst am 16. Mai. Gewählt wird überall elektronisch. Bei der letzten Wahl 2009 betrug die Wahlbeteiligung bei sehr großen regionalen Unterschieden landesweit 58%. 543 Mitglieder werden in Einerwahlkreisen nach relativer Mehrheit gewählt, zwei vom Präsidenten ernannt. Die Wahlkreiseinteilung wurde gegenüber der letzten Wahl nicht verändert. Oft wird ja unterstellt, dass relative Mehrheitswahl zu einem Zweiparteiensystem führe. In Indien gab es so etwas nie. In den ersten 30 Jahren nach der Unabhängigkeit dominierte die Kongresspartei unangefochten, obwohl das beste Ergebnis in der Zeit nur 48% betrug (unter 40% fiel sie aber auch nicht), da kein ernstzunehmender Konkurrent existierte. Mitte der 70er Jahre allerdings hatte sich Indira Gandhi (übrigens nicht verwandt mit Mahatma Gandhi) massiv unbeliebt gemacht und ab 1975 auch nicht mehr demokratisch regiert. Anfang 1977 glaubte sie dann die Gelegenheit günstig, um sich wieder einen demokratischen Anstrich zu geben. Aber zum ersten Mal schlossen sich einige Oppositionsparteien zu einer großen Partei zusammen und schlugen die Kongresspartei deutlich. 1977 war die Wahl, bei der man einem Zweiparteiensystem am nächsten kam, aber auch damals entfiel immerhin ein Sechstel der Sitze nicht auf die beiden stärksten Parteien. Heutzutage sind es über 40%. Nach dem Machtwechsel 1977 zerfiel die regierende Janata-Partei schnell wieder und schon im Januar 1980 wurde Indira Gandhi wie Premierministerin. Die Wahl 1980 und 1984 ergaben dann wieder das klassische Bild, Kongress mit großer Mandatsmehrheit der Rest sehr zersplittert. Seit 1984 hat es aber keine absolute Mehrheit mehr und die Dominanz der der Kongresspartei wurde mit ihrer nächsten Niederlage 1989 endgültig gebrochen. Dennoch hat sie bis jetzt etwa 80% der Zeit seit der Unabhängigkeit regiert. Praktisch die einzigen landesweit aktiven Parteien sind Kongress (offiziell: Indian National Congress) und BJP. Alle anderen Parteien beschränken sich entweder selbst auf bestimmte Staaten oder im Extremfall sogar nur auf Teile davon oder sie sind de facto nur in einem oder wenigen Staaten relevant, wie z. B. die beiden kommunistischen Parteien. Die beiden großen Parteien verbünden sich mit diversen kleineren Parteien, wobei die Partner teilweise von Wahl zu Wahl wechseln. Eventuell schließen sich nicht mit einer der beiden nationalen Großparteien verbündeten Parteien zu einer "3. Front" zusammen und treffen entsprechende Wahlkreisabsprachen. Der bisherige Premier Manmohan Singh, 81 Jahre alt und amtsmüde, kandidiert nicht mehr. Er war nicht so mächtig und im Grunde nur Werkzeug der Kongress-Vorsitzenden Sonia Gandhi, die nicht Premierministerin werden wollte. Einen offiziellen Premier-Kandidaten hat der Kongress nicht präsentiert, was ziemlich seltsam ist. Wo auf der Welt präsentiert die Partei, die den Regierungschef stellt, keinen Spitzenkandidaten? Es ist klar, dass Rahul Gandhi (Sohn von Sonia Gandhi und des 1991 ermordeten Ex-Premiers Rajiv Gandhi) bei einem Wahlsieg der Kongresspartei Premier werden soll. Aber die Chancen auf einen Wahlsieg stehen nicht so gut und das ist wahrscheinlich den Grund, warum man ihn nicht zum Spitzenkandaten macht, der dann ja auch die Verantwortung für eine wahrscheinliche Niederlage trüge. Spitzenkandidat der BJP ist Narendra Modi, seit 2001 Chefminister des Bundesstaates Gujarat. Er versucht vor allem mit Wirtschaftskompetenz zu überzeugen. Gujarat hat konstant hohe Wachstumsraten und gilt als wenig korrupt (Korruptionsaffären sind parteiübergreifend an der Tagesordnung). Die Wirtschaftslage ist auch ein wesentlicher Grund für die Unzufriedenheit mit der Regierung. Modi ist umstritten, weil es in Gujarat 2002 nach einem Terroranschlag auf Hindu-Pilger zu schweren Ausschreitungen gegen Moslems kam, wogegen er nicht ausreichend eingeschritten sein soll. Gut möglich ist, dass weder BJP noch Kongress eine Mehrheit bekommen, auch nicht mit ihren Verbündeten. Auch die derzeitige Regierung hat keine absolute Mehrheit. |