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Archiv bis 27. Februar 2014

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Ukraine künftig als EU-Beitrittskandidat » Archiv bis 27. Februar 2014 « Zurück Weiter »

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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 21. Februar 2014 - 17:58 Uhr:   

Die Frage ist wirklich, ob nicht eine (friedlich verhandelte) Teilung des Landes die beste Lösung wäre.
Die eigentliche Ukraine besteht ja im wesentlichen aus dem Westen und der Mitte des Landes. Der Osten und die Krim sind überwiegend russisch besiedelt und wäre wahrscheinlich in Rußland besser aufgehoben.
Die Grenzziehung (insbesondere in Bezug auf die Krim) war ja ein rein willkürlicher interner Verwaltungsakt der Sowjetunion und entspricht in keiner Weise der Bevölkerungsverteilung.
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Marc
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Veröffentlicht am Freitag, 21. Februar 2014 - 18:27 Uhr:   

@Ralf Arnemann,

politisch findet man eine deutliche Teilung des Landes, wie man auch an den Wahlergebnissen sieht.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/98/Ukraine_einfach_Wahlen_3WG.png

Gerade in der südlichen Zentralukraine ist die Trennung aber weit weniger scharf und eindeutig. Man kann auch - außer im Fall der Krim - nicht sagen, dass die pro-russischen Kräfte sich selbst als Russen sehen. Auch diese sehen sich als Ukrainer.

Dass Russland sicher eine solche Teilung der Ukraine für sich als günstig betrachten würde ist klar. Aber sie liegt nicht im Interesse der Ukraine und des Westens. Wir müssen ein großes Interesse haben dem russischen Hegemoniestreben Grenzen zu setzen. Nur wenn das gelingt besteht die Chance, dass sich Russland langfristig zu einem "normalen" Land entwickeln kann und seine imperialen Ambitionen in Richtung einer Gegenmachtbildung zum Westen begräbt. Die Ukraine ist aus dieser russischen Perspektive nicht nur Faustpfand, sondern mit ihren fast 50 Millionen Menschen auch ein Faktor der bei einem Übergang ins russische Lager die Macht Moskaus erheblich steigern würde. Und auch nur wenn das für Teile der Ukraine gelten würde, würde dies das geopolitische Gleichgewicht in Osteuropa zuungunsten des Westens verändern.

Das eine Teilung der Ukraine friedlich ablaufen würde, kann ich mir auch nicht vorstellen. Bloße Provinzpolitiker von Gnaden Moskaus wollen auch die ostukrainischen Politiker nicht werden. Bei einer Teilung wären sie aber ein schwacher Rumpfstaat. Umgekehrt wäre auch ein rein westukrainischer Staat nur ein Rumpfstaat - ohne Zugang zum Meer.

Wahrscheinlicher als eine Teilung wäre von daher im Fall der Fortsetzung einer Konfrontation der Ausbruch eines Bürgerkriegs - der durchaus zu einer Teilung führen könnte. Allerdings scheint bei vielen Politikern in der Ukraine aber inzwischen doch Vernunft einzukehren.
Man kann daher nur hoffen, dass man zu einem Arrangement kommt.
Die Ukraine wird wahrscheinlich noch für Jahrzehnte "blockfrei" sein - sowohl unter Einfluss Moskaus wie der EU, schwach, aber als geeinter Staat.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 21. Februar 2014 - 22:04 Uhr:   

Die Ukraine muss man nicht zweiteilen; da gehn mindestens 5 Teile raus. Das wär auch EU-technisch günstiger.
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Marc
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Veröffentlicht am Samstag, 22. Februar 2014 - 15:39 Uhr:   

Die Ereignisse in der Ukraine gewinnen wieder an Dynamik. Präsident Janukowitsch ist aus Kiew geflüchtet. Die dortige Polizeikräfte sollen ins Lager der Opposition übergelaufen sein. Bereits am Donnerstag mittag war ja bereits der Verwaltungschef der Stadt Kiew aus der Partei der Regionen, der Partei des Präsidenten, ausgetreten. Seitdem häufen sich die Parteiaustritte, insbesondere auch von Parlamentsabgeordneten.

Heute wurde ein Vertrauter Timoschenkos zum Parlamentspräsidenten gewählt und die sofortige Freilassung Timoschenkos durch die Werchowna Rada beschlossen.

Mittlerweile kann die Öffentlichkeit die Residenz Janukowitsch nahe Kiew bestaunen - insbesondere den riesigen Fuhrpark mit Oldtimern und den Zoo. Mit seinem Politikergehalt war Janunkowitsch nicht in der Lage diese Reichtümer anzuhäufen. Insofern belegt dies die massive Korruption und Verutreuung von Staatsgeldern durch das Janukowitsch-Regime.
Man kann nur hoffen, dass das ukrainische Staatsfernsehen nach dem Machtwechsel in Kiew diese Bilder schnell in alle Landesteile sendet, so dass Janunkowitsch auch im Ostenn und Süden des Landes die Unterstüzung des einfachen Volkes verliert.

Janukowitsch schloss unterdessen seinen Rücktritt als Präsident aus und kündigte an, er werde den letzten Entscheidungen des Parlaments die Zustimmung verweigern.
Eine Rückkehr von Janukowitsch als Präsident nach Kiew erscheint aber nach seinem nunmehrigen totalen Machtverlust in Kiew kaum denkbar. Bei der nun entstandenen Lage kann nur ein Rücktritt von Janukowitsch den Weg zu einem friedlichen Übergang eröffnen.
Möglicherweise pokert Janukowitsch aber auch um einen Spezialdeal mit der Partei Timoschenkos. Seine Rückkehr als Präsident nach Kiew im Gegenzug gegen die Freilassung von Timoschenko, die in der Ostukraine in Charkiw gefangen gehalten wird - dem derzeitigen mutmaßlichen Aufenthaltsort von Janunkowitsch. Die anderen Oppositionsparteien dürften einen solchen Sonderdeal aber kaum ihre Zustimmung geben.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 22. Februar 2014 - 16:36 Uhr:   

Präsident Janunkowitsch abgesetzt
Eilmeldung NTV
"+++ 16:17 Ukrainisches Parlament setzt Präsident Janukowitsch ab +++

Das ukrainische Parlament hat Präsident Viktor Janukowitsch des Amts enthoben. Zugleich setzen die Abgeordneten Neuwahlen am 25. Mai an.

+++ 15:59 Russland rückt von Janukowitsch ab +++
Die jüngsten Ereignisse in der von Umbrüchen erschütterten Ex-Sowjetrepublik seien Beweis für den Machtverlust des Staatschefs, teilte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Alexej Puschkow, in Moskau mit. "Ein trauriges Ende für einen Präsidenten", schrieb der prominente Politiker bei Twitter. "Zur Residenz von Janukowitsch in dem Vorort Meschigorje bei Kiew hat jetzt wer auch immer Zugang: Er selbst ist abgehauen, das Wachpersonal ist weg...""
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 22. Februar 2014 - 17:14 Uhr:   

++ 16:50 Timoschenko ist in Freiheit +++
Die ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko ist nach mehr als zweieinhalb Jahren Haft wieder frei. Das melden die Agenturen Unian und Itar-Tass übereinstimmend unter Berufung auf Augenzeugen.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 22. Februar 2014 - 22:17 Uhr:   

Julia Timoschenko hat auf dem Maidan gesprochen. Sie erfuhr große Zustimmung. Sie hat bereits ihre Präsidentschaftskandidatur angekündigt. Alles deutet darauf hin, dass sie die nächste Präsidentin der Ukraine werden wird.
Als Wahltermin hat das Parlament den 25.5.2014 festgesetzt.

Die aktuelle Entwicklung in der Ukraine dürfte die Annäherung des Landes an der EU wieder beschleunigen. Das Assozierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine dürfte bei den gegebenen Umständen bald wieder auf die Tagesordnung kommen.
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David
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 23. Februar 2014 - 14:34 Uhr:   

War sie nicht vor drei Tagen noch so todkrank, dass man sie dringend nach Deutschland schaffen wollte? Warten wir erst mal ab, ob die Gasmillionärin überhaupt gewählt wird. Indem Russland vom alten Präsidenten abrückt, bleibt Zeit, einen neuen Kandidaten für eine ähnliche Rolle aufzubauen. Der Osten des Landes ist nicht plötzlich weg.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 23. Februar 2014 - 17:07 Uhr:   

@David,

immerhin war die Dame im Rollstuhl. Ihr Gesundheitszustand ist angeschlagen. Jetzt besteht endlich die Gelegenheit für eine adäquate medizinische Behandlung, die ihr über Jahre vom Janunkowitsch-Regime verweigert wurde. Die Experten von der Berliner Charite haben mitgeteilt, dass der Bandscheibenvorfall bei adäquater medizinischer Behandlung nicht zu einem chronischen Rückenleiden geführt hätte. Hoffentlich können diese Schäden noch behoben werden, so dass Julia Timoschenko vollständig genesen wird. Sie ist jetzt schon ein Symbol des erfolgreichen Widerstands gegen den diktatorisch regierenden Janunkowitsch, der sie mit fadenscheinigen Gründen ins Gefängnis werfen ließ.
Hoffentlich wird Janunkowitsch jetzt selbst dort landen.


Bei der Präsidentenwahl wird es auch ohne Zweifel viele Kandidaten geben. Klitschko hat ja schon seine Kandidatur angekündigt. Und zweifellos wird auch das östliche Lager versuchen einen Kandidaten aufzubauen. Bei den gegeben Umständen dürfte dieser jedenfalls in einer Stichwahl keine Chance haben. Janunkowitsch hat als Präsident der Ukraine vollständig versagt. Auch der Osten des Landes leidet unter der chronischen wirtschaftlichen Krise des Landes. Das es auch im Osten der Ukraine zu Protesten gegen Janunkowitsch kam zeigt, dass auch seine dortige Machtbasis erodiert ist.
Zweifellos besteht die Chance in den nächsten fünft Jahren einen halbwegs gemäßigten blauen Kandidaten aufzubauen (Janukowitsch hatte ja auch im Wahlkampf 2010 Kreide gefressen). In den nächsten drei Monaten dürfte das aber keineswegs gelingen. Russland wird sich also mit einer Präsidentin Julia Timoschenko anfreunden müssen. Diese ist dort auch als Verhandlungspartnerin bekannt und war ja auch in vielen Punkten konzillianter als der damalige Präsident Justschenko. In einem Punkt wird sie aber klar sein: Die Ukraine wird klar auf EU-Kurs gehen. Eine "Rückkehr" in einen postsowjetischen Wirtschaftsblock wie die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft wird es nicht geben.
Der Weg der Ukraine führt nach Westen - in die EU. Eine finnische Lösung (EU ja, Nato nein) wäre das beste, was Russland in der gegenwärtigen Lage noch erreichen kann.
Russland hat Angst vor einer solchen Entwicklung. Denn gelingt nunmehr im zweiten Anlauf eine demokratische Reform der Ukraine könnte dies auch in Russland die Zivilgesellschaft beflügeln sich für den Wandel einzusetzen. Das auch die russische Zivilgesellschaft langsam an Stärke gewinnt haben die Proteste nach den gefälschten Parlamentswahlen 2011/12 gezeigt. Noch ist sie viel schwächer als in der Ukraine. Aber die Dinge können sich auf mittlere Frist auch hier ändern. Und davor hat die russische Machtelite Angst.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 24. Februar 2014 - 15:08 Uhr:   

> Gerade in der südlichen Zentralukraine ist
> die Trennung aber weit weniger scharf und
> eindeutig.
Richtig.
Bei einer Teilung mit Volksabstimmung würde der Süden wohl eher für die Ukraine votieren. Nur die Krim wäre wohl sicher russisch, und wohl der größte Teil des Ostens.

> Dass Russland sicher eine solche
> Teilung der Ukraine für sich als
> günstig betrachten würde ist klar.
Das glaube ich gar nicht mal. Im wesentlichen will Putin schon die ganze Ukraine zurückholen. Bei einer Teilung könnte er sich zwar einen Teil unter den Nagel reißen, aber der Rest wäre dann definitiv im Westen.

> Wir müssen ein großes Interesse
> haben dem russischen Hegemoniestreben
> Grenzen zu setzen.
Richtig.
Aber extrem schwer, weil es in Deutschland den Willen dazu fast nicht gibt.

> Das eine Teilung der Ukraine friedlich
> ablaufen würde, kann ich mir auch nicht
> vorstellen.
Leider wahr.

> Umgekehrt wäre auch ein rein westukrainischer
> Staat nur ein Rumpfstaat - ohne Zugang zum Meer.
Wie schon oben gesagt: Ich sehe eine potentielle Trennungslinie deutlich östlicher als bei reinen Vergleich der Wahlergebnisse.
Ansonsten ist Zugang zum Meer heute nicht mehr wirklich wichtig.

> Ukrainisches Parlament setzt
> Präsident Janukowitsch ab
Ob das Parlament dazu überhaupt die Befugnis hat? Genauso die Frage ob das Parlament eine rechtskräftig Verurteilte einfach freilassen darf?

> Julia Timoschenko hat auf dem Maidan
> gesprochen. Sie erfuhr große Zustimmung.
Der Beifall galt wohl in erster Linie der allgemeinen politischen Richtung, für die ihre Freilassung natürlich ein wichtiges Symbol war.
Wie gut nach ihrer doch recht gemischten Amtszeit die Bereitschaft sein wird, sie wieder zu wählen, das bleibt abzuwarten und hängt stark von den Mitbewerbern ab.

> davor hat die russische Machtelite Angst.
Die interessante Frage ist, ob das in dieser Machtelite zu einer Schwächung Putins führt. Er scheint ja eigentlich unangefochten zu herrschen - aber die Entwicklung in der Ukraine ist eine ganz heftige Niederlage für ihn.
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Anatolii
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 25. Februar 2014 - 07:05 Uhr:   

Ich denke nicht, dass eine Repräsentantin der korrupten Oligarchie oder ein ausländischer Sportler, der keinen längeren Satz in Landessprache zustande bekommt, die Wahl bestimmen werden. Das wird eher zwischen einem glaubhaften Oppositionskandidaten, einem Kandidaten aus dem Ostlager und einem Nationalisten ablaufen. Ich tippe am Ende auf den Nationalisten. Die EU und Russland haben durch ihr Nichthandeln jeden Kredit verspielt.
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A
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 25. Februar 2014 - 09:12 Uhr:   

Wenn heute Präsidentschaftswahlen stattfänden, läge Klitschko knapp vor Tymoschenko. In der Stichwahl würde dann Klitschko gegen einen Vertreter des Janukowytsch-Lagers antreten und verlieren.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 25. Februar 2014 - 13:41 Uhr:   

@Anatolii,

Frau Timoschenko war und ist die beliebteste Politikerin der Ukraine. Bei der Stichwahl 2010 erzielte sie immerhin über 45 % der Stimmen - trotz der Zerstrittenheit und der mageren Bilanz des Reformlagers. Nach der katastrophalen Bilanz und dem katastrophalen Verhalten von Janukowitsch kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand aus seinem Lager die nächsten Wahlen gewinnen wird. Bei den übernächsten Wahlen kann das ganze aber auch wieder anders aussehen.

Das Frau Timoschenko sehr gute Chancen hatte und hat zeigt ja auch der Umstand, dass Janukowitsch sie mit fadenscheinigen Argumenten wegsperren ließ, weil er ihre Popularität fürchtete.


@Ralf Arnemann,

dass das Verfahren gegen Timoschenko ein Schauprozess war hat ja nicht nur die EU sondern auch der EGMR festgestellt. Das Parlament hatte daher jedes Recht dazu, ihre Entlassung anzuordnen. Daneben hat das Parlament ja auch das Strafgesetz geändert, so dass ihre Tat - selbst wenn man darin überhaupt eine Pflichtverletzung sehen wollte - nicht mehr straflos ist.
Wo kommen wir denn hin, wenn man Politiker künftig strafrechtlich dafür belangen kann, dass sie bestimmte Abkommen mit anderen Staaten abgeschlossen haben? Nach den Maßstäben könnte man auch Janunkowitsch verfolgen, weil er Russland statt bis 2017 bis 2047 die Nutzung von Sewastopol als Sitz der Schwarzmeerflotte gestattet hat im Gegenzug gegen eine etwas höhere Pacht und um ein Drittel verbilligter Gaspreise (allderdings nicht bis 2047, sodern NUR bis 2019). Das kann man schon per se für einen schlechten Deal halten. Für viele Ukrainer war und ist diese Vereinbarung Landesverrat.

Nach der ukrainischen Verfassung ist ein Amtsenthebungsverfahren möglich. Die diesbezüglichen komplexen Bestimmungen wurden nicht eingehalten.
Allerdings hat das Parlament sich nicht darauf bezogen, sondern festgestellt, dass Janunkowitsch nach seiner Flucht aus Kiew die Funktion des Präsidenten nicht mehr ausübt. Es gibt immer auch die normative Macht des Faktischen. Offensichtlich sind Janukowitsch die eigenen Sicherheitskräfte davon gelaufen, die nicht mehr ihm als Präsident auf Abruf schützen wollten. Ein Staatsmann hätte in dieser Situation die Größe haben müssen zurückzutreten. Mit etwas größerer Klugheit hätte er diesen Schritt getan gegen Zusage einer Ausreiseerlaubnis. Jetzt versteckt sich Janukowitsch wie ein gesuchter Räuber - der ja auch mal war (zweimalige Vorverurteilung in der Sowjetunion). Vielleicht ist er übers Meer nach Abchasien abgehauen.

Falls nicht wird man ihn irgend wann schnappen. Dann wird er wohl für Jahrzehnte ins Gefängnis wandern. Zurecht. Neben der mutmaßlichen Verantwortung für die Schüsse auf Demonstranten - die allerdings rechtlich nachgewiesen werden muss - dürfte ihm jedenfalls der Vorwurf der Veruntreuung und Unterschlagung von Staatsgeldern treffen. Anders hätte er seine prunkvolle Residenz inklusive seines gigantischen Fuhrparks und sonstiger kostbarer Einrichtungsgegenstände wohl nicht finanzieren können. Ihn trifft daher wahrlich der Vorwurf des Amtsmissbrauchs.


(Beitrag nachträglich am 25., Februar. 2014 von Marc editiert)
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 26. Februar 2014 - 12:19 Uhr:   

> dass das Verfahren gegen Timoschenko
> ein Schauprozess war ...
Ändert aber nichts daran, daß es erst einmal ein rechtsgültiges Urteil gab. Daß man dann wohl per Revision und in den normalen Instanzen aufheben müßte.
Mal abgesehen davon: Der Prozeß mag ja Schiebung gewesen sein. Aber ihr 7 Milliarden Vermögen hat sie wohl nicht durch ehrliche Geschäfte verdient.
Es dürfte halt ziemlich schwer sein, einen Neuanfang mit wirklich unbelasteten Personen ohne Korruptionsvergangenheit zu machen ...

> Daneben hat das Parlament ja auch das Strafgesetz
> geändert, so dass ihre Tat - ... - nicht mehr straflos ist.
Sollte wohl heißen: "Nicht mehr strafbar ist".
Eine solche Gesetzesänderung führt aber normalerweise nicht dazu, daß sofort alle Betroffenen auf Parlamentsbeschluß freigelassen werden. Sondern m. E. müßte dann das zuständige Gericht prüfen, ob von den verhandelten Vorwürfen im Sinne der neuen Gesetzeslage noch Strafbares festzustellen ist.

> Für viele Ukrainer war und ist diese Vereinbarung Landesverrat.
Kann ich nachvollziehen. Aber das Ding ist ja wohl durchs Parlament gegangen ...

> sondern festgestellt, dass Janunkowitsch nach
> seiner Flucht aus Kiew die Funktion des
> Präsidenten nicht mehr ausübt.
Interessante Konstruktion. Müßte aber eigentlich bedeuten: Falls er jetzt zurückkommt, wäre er wieder im Amt.

> Es gibt immer auch die normative
> Macht des Faktischen.
Schon klar. Im Prinzip haben wir hier eine revolutionäre Situation (die schon qua definitionem außerhalb des Rechtswegs erfolgt), und das Parlament hat sich halt drangehängt.
Einige der aktuellen Beschlüsse haben wohl auch den Hintergrund, daß die ehemaligen Janukowitsch-Anhänger im Parlament sich jetzt als tolle Revolutionsunterstützer profilieren wollen. Wendehälse.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 26. Februar 2014 - 12:38 Uhr:   

@Ralf Arnemann,

der Begriff "Wendehälse" wird ja generell negativ gebraucht. Aber ohne solche Flexibilität wäre die Ukraine jetzt völlig führungslos. Denn im Parlament hatte die Partei der Regionen nunmal die Mehrheit.
Offensichtlich haben hier Abgeordnete staatspolitische Verantwortung übernommen um die Einheit der Ukraine sicherzustellen. Die nun beschlossenen demokratischen Reformen werden im Übrigen auch für die künftige "blaue" Opposition nützlich sein, da damit die Rechte des Parlaments gestärkt werden - und das blaue Lager wird im Parlament auf jeden Fall eine erheblichen Sitzanteil erreichen.

Janukowitsch wird mittlerweile per Haftbefehl gesucht.
Der Umstand das Timoschenko freigelassen wurde zeigt im Übrigen, dass auch die verantwortlichen Entscheidungsträger im Osten der Ukraine, inklusive des Militärs und der Sicherheitskräfte die neue Führung anerkennen.

Nach den mir vorliegenden Informationen beträgt das Vermögen von Timoschenko übrigens nur einige hundert Millionen Dollar. Der Umstand eines großen Vermögens spricht im Übrigen nicht pauschal für illegales Verhalten. Ein solches müsste erstmal gerichtlich festgestellt werden.

Timoschenko hat sich schon sehr früh für Reformen eingesetzt - auch als das noch nicht opportun war. Sie steht für eine Neuausrichtung der Ukraine Richtung Westen. Zugleich ist sie in der ukrainischen Elite gut vernetzt. Zu glauben das ein völliger Außenseiter dort etwas bewirken könnte ist naiv - sowohl in der Ukraine wie es auch hier naiv wäre. Klitschko muss sich erstmal in der politsichen Landschaft und in der Elite ausreichend vernetzen. Dann und nur dann hat er vielleicht mal in der Zukunft Chancen auf höhere Funktionen.
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 26. Februar 2014 - 13:36 Uhr:   

> der Begriff "Wendehälse" wird ja
> generell negativ gebraucht.
Das kommt halt auf das genaue Verhalten an.
Schon richtig, sich auf neue Verhältnisse einzustellen und einen vernünftigen Machtübergang zu unterstützen ist hier wohl hauptsächlich Verantwortung wahrnehmen.
Aber im Einzelfall wird da oft ein Gschmäckle bleiben, wie der Meinungswechsel gelaufen ist. Und zu befürchten ist, daß jetzt in der anderen Richtung übertrieben wird, um sich in der neuen Landschaft zu profilieren.
So habe ich gelesen, daß das Parlament jetzt auch Sonderrechte für die russische Minderheit (bzw. die Sprache) gekippt hat. Das hielte ich für gefährlich.

> Der Umstand das Timoschenko freigelassen wurde
> zeigt im Übrigen, dass auch die verantwortlichen
> Entscheidungsträger im Osten der Ukraine,
> inklusive des Militärs und der Sicherheitskräfte
> die neue Führung anerkennen.
Das zeigt funktionierende Reflexe bei einem Machtwechsel - da hilft die kommunistische Erfahrung.
Es spricht aber nicht unbedingt für rechtsstaatliches Denken. Wird man dort auch nicht unbedingt erwarten können ...

> Der Umstand eines großen Vermögens spricht
> im Übrigen nicht pauschal für illegales Verhalten.
Selbstverständlich nicht. Das müßte dann aber auch für Janukowitsch gelten - der ist auch noch nicht rechtskräftig verurteilt.

Der Anschein sieht aber schon so aus, daß alle beteiligten Spitzenpolitiker Vermögen auf eine Weise erworben haben, die nach unseren rechtsstaatlichen Maßstäben wohl nicht korrekt war ...

> Timoschenko hat sich schon sehr
> früh für Reformen eingesetzt ...
Hoffen wir mal das Beste.

> Klitschko muss sich erstmal in der
> politsichen Landschaft und in der
> Elite ausreichend vernetzen.
Nicht unbedingt. Es gibt Beispiele aus anderen Ländern, da haben gerade Außenseiter gute Chancen. Eben weil sie nicht mit der bisherigen Elite verbandelt sind.
Ich persönlich kann aber Klitschkos Fähigkeiten und Aussichten nicht beurteilen.
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Marc
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. Februar 2014 - 11:29 Uhr:   

@Ralf Arnemann,

das die Anordnungen des Parlaments befolgt wurden, zeigt zunächst einmal, dass die gesamtstaatlichen Strukturen funktionieren. Der Beamtenapparat bzw. Staatsapparat jedes Staates ist hierarisch aufgebaut. Das gilt auch und gerade für demokratische Staaten. Die Abgeordneten und Minister sind immer darauf angewiesen, dass nachgeordnete Behörden, Amsträger, Sicherheitsorgane, etc. ihre Beschlüsse, Anordnungen und Weisungen befolgen.
Diese hierarische Struktur ist völlig staatsformunabhängig.

Ein einfacher Beamter ist auch nicht verpflichtet, die Verfassungsmäßigkeit von Anordnungen zu prüfen. Dafür fehlt ihm auch die Kompetenz. Insofern war dieses Verhalten der Behörden in Charkiew ein Zeichen dafür, dass die staatlichen Strukturen in der Ukraine noch funktionsfähig sind und eben nicht zerfallen - im Sinne einer Sezession des Ostteils, der den Anordnungen der Vorgesetzten in Kiew nicht mehr Folge leistet.

Problematischer ist die Situation auf der Krim. Mittlerweile scheint dort vieles denkbar - bis hin zu einer russischen Invasion. Der Westen muss jetzt Russland seine Grenzen aufzeigen. Die Abhaltung eines großen Militärmanövers der Nato im Schwarzen Meer - natürlich rein routinemäßig zur Prüfung der Einsatzbereitschaft - wäre das richtige Signal auf die russischen Manöver und der damit erfolgten Truppenkonzentration in Westrussland nahe der Ukraine. Russische Truppen werden im Zuge der Manöver zusammengezogen, die mit Leichtigkeit und in kurzer Frist auf der Krim einmarschieren könnten zum "Schutz russischer Bürger". Abgesehen von der großen Truppenpräsenz in Südrussland während der olympischen Spiele - Truppen, die bald eine andere Verwendung finden könnten.
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Björn
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. Februar 2014 - 12:55 Uhr:   

"Problematischer ist die Situation auf der Krim. Mittlerweile scheint dort vieles denkbar - bis hin zu einer russischen Invasion. Der Westen muss jetzt Russland seine Grenzen aufzeigen"

Warum muss der Westen Russland seine Grenzen aufzeigen. Ich finde es problematisch, wenn jetzt die Übergangsregierung praktisch den Westen auffordert, im Falle eines Übergriffs Russland einzuschreiten. Die jetzt in Kiew sind, haben doch gar kein Mandat eigentlich.
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Anatolii
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. Februar 2014 - 14:11 Uhr:   

Nicht nur kein Mandat. Auch ihr Rückhalt ist dahin, sobald die Geldgeber den Hahn zudrehen. So abhängig wie der alte von russischen Zuckerstückchen ist der neue von Zuckerstücken aus EU-Staaten.
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Good Entity
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 27. Februar 2014 - 14:27 Uhr:   

Die Übergangsregierung könnte natürlich auch auf die Idee kommen, die Chance zu ergreifen und sich von der Krim zu trennen, das Geschenk aus den 1950ern also an Russland zurückzugeben.

Mit einem Schlag würden die Mehrheitsverhältnisse wieder eindeutig werden und der Bevölkerungsanteil der russischen Minderheit in der Ukraine deutlich sinken, der der muslimischen Minderheit gleichzeitig sogar praktisch auf Null. Der oben erwähnte Meereszugang bliebe als Bonus erhalten, denn Odessa wäre unverändert ukrainisch. Gegenüber der oben von Ratinger Linke vorgeschlagenen Teilung in 5 Teile bliebe immerhin noch ein Staat etwa der Bedeutung Polens oder Spaniens.

Russland wäre eher nicht begeistert, denn diese Ukraine hätte dann einen deutlichen Westdrall mit sinkendem russischen Einfluss. Historisch wäre es ohne Weiteres plausibel, da die Grenzen von 1950 wieder hergestellt würden.

Vermutlich wäre das innenpolitisch in der Ukraine derzeit gleichwohl nicht vermittelbar und würde auch Begehrlichkeiten in der Slowakei auf das ruthenische/russinische Gebiet im äußersten Westen der Ukraine wecken, da lief 1945 die Grenze ja auch noch anders.

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