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Bundesverfassungsrichterwahl verfassu...

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Oliver
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 16. Februar 2013 - 18:09 Uhr:   

Hallo!

Seit längerem ist mir bekannt, dass die praktizierte Wahl der Richter verfassungswidrig ist. Es steht klar im Grundgesetz, dass die Richter vom Bundestag zu wählen sind. Sie werden jedoch einfach nur vom Wahlausschuss gewählt. Dass sich der Bundestag über den Wortlaut des Gesetzes hinwegsetzt, ohne dass es in Deutschland zu einem Aufschrei kommt ist schon schlimm.

Schlimmer ist nur noch, dass das BVerfG in eigener Sache urteilt und diese klar verfassungswidrige Praxis auch noch gutheißt.

Was kann ich gegen das Problem tun. Als Bundesbürger ist es mir nicht zuzumuten, dass der Bundestag die Verfassung bricht. Aber ich besitze ja nicht einmal Möglichkeiten rechtlich dagegen vor zu gehen. Vielleicht sollte ich mich mal an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden. Was meint ihr?
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Werner Fischer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 16. Februar 2013 - 20:09 Uhr:   

Wieso sollte das verfassungswidrig sein? Der Bundestag hat entschieden, die Zuständigkeit für die Wahl an den Wahlausschuss zu delegieren. Der Wahlausschuss ist Teil des Bundestages und wird nach der gleichen Parität besetzt.

Der Bundestag könnte die Wahlentscheidung jederzeit durch entsprechenden Beschluss wieder an sich ziehen - kein anderes Ergebnis käme dabei aber kaum zustande.

Man sollte den Tatsachen in's Auge sehen: Der einfache Bürger hat auf Bundesebene kein direktes Mitspracherecht - und mit seiner Wahlentscheidung bestätigt es alle 4 Jahre dieses System. Man wählt weder Bundespräsidenten (oberster Repräsentant), Bundeskanzler (Exekutive) oder Verfassungsrichter (Judikative). Bei all diesen Wahlen werden die Bürger durch die alle 4 Jahre gewählten Volksvertreter vertreten. Wer da auf dem Wahlzettel zur Auswahl steht, bestimmen die Parteien - zumindest werden bisher immer nur deren Vertreter gewählt. Die Mehrheit der braven Bürger macht alle 4 Jahre ihn "Kreuzchen" und festigt damit genau dieses System - das wird auch 2013 wieder so sein.

Wer die Macht im Staate beeinflussen will, muss nur die Parteien und gewählten Volksvertreter für sich gewinnen - mit welchen Mitteln auch immer. Genau das wird seit Jahrzehnten praktiziert.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 16. Februar 2013 - 20:50 Uhr:   

Dass das Vorgehn nicht sonderlich verfassungsgemäß ist, ist schon ziemlich klar. Ich darf ja die Wahl des Bundestags auch nicht delegieren. Abgesehn davon ist es auch keine freie Delegation, sondern gesetzlich geregelt, wobei auch der Bundesrat involviert ist. Ein Beschluss reicht da jedenfalls nicht. Die offizielle Sprachregelung ist ja auch, dass der Bundestag die von ihm zu berufenden Richter selber wählt, bloß halt nicht direkt.

Praktisch ist es aber ziemlich irrelevant. Wenn auch nur eine nennenswerte Minderheit ernsthafte Probleme damit hätte, wär das früher geklärt worden. Da ist absehbar, dass der Bundestag die Vorschläge eh bloß abnicken würd. Wenn fast alle für das praktizierte Verfahren sind, wär es aber sauberer, die Verfassung entsprechend zu ändern. Das sollte dann ja kein Problem sein.
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Wilko Zicht
Moderator
Veröffentlicht am Sonntag, 17. Februar 2013 - 11:22 Uhr:   

@Oliver: Einen zulässigen Rechtsweg sehe ich nicht. Von daher bleibt Dir nur eine politische Lösung, also entweder durch demokratischen Machterwerb oder durch einen gewaltsamen Umsturz.
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Taugenichts
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 18. Februar 2013 - 14:14 Uhr:   

@Wilko Zicht
Ich hoffe, „oder durch einen gewaltsamen Umsturz“ ist ironisch gemeint!

@Oliver
Für Ihre Forderung gibt es übrigens einen prominenten Fürsprecher. Bundestagspräsident Norbert Lammert möchte die Verfassungsrichter von allen Abgeordneten wählen lassen:
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gastbeitrag-in-der-f-a-z-lammert-will-wahl-der-verfassungsrichter-aendern-11929575.html
sowie
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-07/lammert-bundesverfassungsgericht

Lammerts Argumentation finde ich gut. Ausgerechnet bei seinem eigenen Wahlverfahren legt das Bundesverfassungsgericht nicht die strengen Demokratiemaßstäbe an, die es sonst von anderen Institutionen verlangt.
Klar ist für mich auch warum: Es passt nicht zum intransparenten Auswahl- und Arbeitsverfahren des BVerfG. Man will einem künftigen Richter ein unangenehmes Anhörungsverfahren und öffentliche Diskussionen über seine Person ersparen.

Der Deutschlandfunk brachte 2008 eine Sendung unter dem schönen und treffenden Titel „Undemokratischer als die Papstwahl? Die Ernennung der Richter am Bundesverfassungsgericht“, hier der Text:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/740948/
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 18. Februar 2013 - 20:49 Uhr:   

"Klar ist für mich auch warum: Es passt nicht zum intransparenten Auswahl- und Arbeitsverfahren des BVerfG."
Das halte ich nicht für den Grund. Ein Abnicken durchs Plenum bedeutet doch mitnichten mehr "Transparenz", was auch immer das genau sein soll. Zumindest ist ja jedem ansatzweise Interessierten klar, dass die Richterposten hälftig zwischen Union und SPD aufgeteilt sind und diese gelegentlich eine "ihrer" Richterstellen an die FDP bzw. die Grünen abtreten.

Der Grund dürfte ganz einfach der sein, dass keine Institution gerne die eigene Legitimität in Frage stellt.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 19. Februar 2013 - 13:53 Uhr:   

"Der Wahlausschuss ist Teil des Bundestages und wird nach der gleichen Parität besetzt.
Der Bundestag könnte die Wahlentscheidung jederzeit durch entsprechenden Beschluss wieder an sich ziehen - kein anderes Ergebnis käme dabei aber kaum zustande. "


Das stimmt i.A. nicht: Im aktuellen Wahlausschuss sind die Fraktionen nach d'Hondt mit 5:3:2:1:1 vertreten, sodass Schwarz-Rot dort eine Zweidrittelmehrheit hat, im Plenum aber bei weitem nicht. (Tatsächlich gibt es zurzeit KEINE mögliche Verteilung der Sitze auf die Fraktionen, die alle Zweidrittelmehrheiten wahrt und keine neuen entstehen lässt. Um das allgemein zu gewährleisten, ist die Ausschussgröße viel zu klein. Fraktionen unter ca. 7% wären überhaupt nicht im Ausschuss vertreten!) Die großen Parteien können also die Richterposten nach Belieben "unter sich" besetzen, was sie bei einer Wahl im Bundestag zurzeit nicht könnten.

Übrigens ist der Wortlaut des GG für die Verfassungsrichterwahl der gleiche wie für die Kanzlerwahl ("wird/werden vom Bundestage gewählt"), und bei letzterem ist ja offensichtlich eine Wahl durch das Plenum gemeint.

Auch der Bundespräsident wird ja von der sogar doppelt so großen ganzen Bundesversammlung gewählt, was seinem "Ansehen" und dem "Vertrauen in seine Unabhängigkeit" (das war die Begründung des BVerfG-Urteils in eigener Sache) wohl kaum schadet. Das Urteil ist wahrlich kein Ruhmesblatt für das Verfassungsgericht...
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Taugenichts
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 19. Februar 2013 - 16:01 Uhr:   

@Thomas Frings
„Der Grund dürfte ganz einfach der sein, dass keine Institution gerne die eigene Legitimität in Frage stellt.“
Zustimmung! Die Befangenheit der Richter ist offensichtlich. Sie sind ja alle auf diese Weise ins Amt gekommen.
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Christian Haake
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 19. Februar 2013 - 16:45 Uhr:   

@Taugenichts:
Naja, nur die Hälfte der Richter ist durch den Wahlausschuss des Bundestags ins Amt gekommen.

@Holger81:
Der Wortlaut für die Richterwahl ist nicht die gleiche wie für die Kanzlerwahl, denn für den Kanzler steht explizit etwas von Mehrheit der Mitglieder des Bundestags. (Art. 63 Absatz 2). Eine ähnliche Spezifizierung fehlt in Art. 94, daher ist die Direktwahl durch den Bundestag nicht verpflichtend.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 19. Februar 2013 - 19:44 Uhr:   

@Christian Haake:
Der Wortlaut (Art. 63 Abs. 1) ist sehr wohl der selbe. Nach der BVerfG-Interpretation dieses Wortlautes wird bei der Kanzlerwahl also nur aus dem Kontext (dem von Ihnen zitierten weiteren Absatz) klar, dass wohl die Plenumswahl gemeint ist. Streng logisch folgt das aber auch nicht aus Art. 63 Absatz 2 - ein Ausschuss von z.B. 400 Abgeordneten könnte auch eine Wahl durch eine Mehrheit der Mitglieder des Bundestags hervorbringen. Und im 3. Wahlgang wäre genau wie bei den Verfassungsrichtern auch eine Kanzlerwahl durch einen 12er-Ausschuss möglich, wenn man der BVerfG-Logik folgt.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 19. Februar 2013 - 21:17 Uhr:   

"Und im 3. Wahlgang wäre genau wie bei den Verfassungsrichtern auch eine Kanzlerwahl durch einen 12er-Ausschuss möglich, wenn man der BVerfG-Logik folgt."
Nein, aus dem Kontext ergibt sich etwas anderes, es ist auch hier von der "Mehrheit der Mitglieder des Bundestages" die Rede. Beim BVerfG schreibt das GG gar keine Mehrheit vor.

Im Fall von Art 41 Abs. 1 Satz 2 (Verlust der Mitgliedschaft im Bundestag) entscheidet übrigens im Regelfall auch nicht das Plenum, obwohl lt. dieser Bestimmung der Bundestag zu entscheiden hat, siehe § 47 Bundeswahlgesetz.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 22. Februar 2013 - 15:01 Uhr:   

Naja, beim 3. Kanzlerwahlgang schreibt das GG auch keine "Mehrheit der Mitglieder des Bundestages" vor, es erwähnt diese nur als Möglichkeit, die den Bundespräsidenten zum Ernennen zwingen würde. (Ein Kanzlerkandidat, der eine relative Mehrheit und den Bundespräsidenten hinter sich hat, könnte sich aus Angst vor Abweichlern lieber im Ausschuss wählen lassen.) Aber gut, es ist plausibel, dass diese Möglichkeit nicht von Vornherein ausgeschlossen sein darf.

Dass bzgl. dem Verlust der Mitgliedschaft im Bundestag oft nicht das Plenum entscheidet, finde ich auch zweifelhaft. Aber in diesem Fall hat der Bundestag/Ausschuss ja ohnehin keinen Entscheidungsspielraum, daher ist der Unterschied zumindest praktisch irrelevant.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 22. Februar 2013 - 16:24 Uhr:   

@Holger
Das GG spricht hier auch von einem weiteren "Wahlgang" - ich kann mir nicht vorstellen, dass das BVerfG eine Elektoratsverengung von einem Wahlgang desselben Wahl zum nächsten dulden würde. Vor allem aber kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendein Bundespräsident eine Ausschusswahl mit relativer Mehrheit im 3. Wahlgang durchwinken würde.
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Holger81
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 22. Februar 2013 - 17:02 Uhr:   

Naja, bei Bundespräsidenten kann ich mir seit Herrn Wulff einiges vorstellen...
Natürlich sind das alles reine Gedankenspiele; ich denke aber, wenn die Verfassungseltern die BVerfG-Interpretation von "werden vom Bundestage gewählt" für möglich gehalten hätten, hätten sie zumindest beim Bundeskanzler explizit eine Plenumswahl vorgeschrieben.

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