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Schweiz – Nationalratswahlen

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1-25Thomas Frings25 14.11.03, 15:15h 
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 14. November 2003 - 16:39 Uhr:   

Die Volkswahl des Bundesrates war schon mehrmals Thema im Parlament und Gegenstand verschiedener Volksbegehren. Allerdings sind diese vom Volk jeweils verworfen worden.
Die Erklärung des heutigen Zustandes ist zunächst einmal rein historisch als Überbleibsel des Zustandes von 1848, als die Regierungen überall von den Parlamenten gewählt wurden.
Daneben werden allerdings auch andere Argumente angeführt, z. B. die Schwierigkeit, eine regionale ausgewogene Verteilung zu garantieren, ohne die Auswahlfreiheit des Volkes zu sehr einzuschränken oder aber das Wahlverfahren allzu kompliziert zu gestalten. Ein anderes Argument, das nur scheinbar unzutreffend ist, besagt, dass viele der bisher Gewählten eigentlich nur in ihrem Kanton und vielleicht in dessen Nachbarkantonen bekannt gewesen seien, dass es sich also um Leute handelte, die gesamtschweizerisch kaum bekannt waren. Wie sollte das Volk da überhaupt eine Auswahl treffen? Ein Gremium von Insidern könne die Kandidaturen viel besser beurteilen. Bei einer Volkswahl müssten sich die Kandidaten natürlich national präsentieren, womit sich einiges ändern könnte. Anderseits ist von den heute Amtierenden ausser Leuenberger vor der Wahl in den Bundesrat niemand national wirklich bekannt oder gar prominent gewesen. Ein wesentlicher Teil der Politik spielt sich nach wie vor in den Kantonen ab, und der politische Horizont deckt sich dabei noch oft genug mit der Grenze zum Nachbarkanton. Insofern ist dieses Argument nicht so abwegig, wie es vielleicht aus ausländischer Sicht scheinen könnte.
Je nach Ausgang der Wahl vom 10. Dezember kann die Volkswahl allerdings wiederum zum Thema werden, und vielleicht ändert sich dann tatsächlich etwas.
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Ruedi Lais
Veröffentlicht am Freitag, 14. November 2003 - 17:36 Uhr:   

Volkswahl von Regierungen im Mehrheitswahlsystem

Es gibt bei der Volkswahl von Regierungen zwei Modelle, die den Bestimmungen des kantonalen Wahlrechts entsprechen. Wo vorgedruckte Wahlzettel verwendet werden müssen, schliessen sich Parteien zu Blöcken zusammen; es findet de facto eine Listenwahl mit Majorz-Auszählung statt. Dies ist in Bern und den französischsprachigen Kantonen der Fall. Hier spielt ein freiwilliger Proporz, in dem der mehrheitsfähige Block darauf verzichtet, alle Sitze zu beanspruchen. Die Ausnahme waren die vorvorletzten Wahlen in Genf, als 7 Leute von den 3 rechten Parteien gewählt wurden. Die Legislatur wurde zum Fiasko, weil die Linke wichtige Referenden gewann.

In den anderen Kantonen erhält der Wähler einen leeren Wahlzettel. Das ist die echte Majorzwahl, wo die Persönlichkeit eine grössere Rolle spielen kann. Bevor die SVP zur Opposition wurde, dominierten in diesen Kantonen "Bürgerblöcke", die je nach Konstellation bereit waren, der Linken Alibi-Sitze zuzugestehen. Heute profitiert hier die Linke von der Spaltung der Rechten und hat diverse Regierungssitze gewonnen (zB dieses Frühjahr im Kanton Zürich, aber auch in GL und SO und in vielen grösseren Städten).

Übertragen auf den Bundesrat heisst das, dass wahrscheinlich ein Listenwahlsystem eingeführt werden müsste, das den freiwilligen Proporz unter den Parteiblöcken und innerhalb der Blöcke zugunsten der Sprachminderheiten sicher stellt.

Meine Einschätzung ist, dass eine Mehrheit, bestehend aus den Sprachminderheiten und der Linken, die Volkswahl des Bundesrates verhindern würde.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Samstag, 15. November 2003 - 16:13 Uhr:   

Einige Korrekturen zum vorausgehenden Posting:

"Echte" und "unechte" Mehrheitswahl unterscheiden sich nicht nach der Existenz vorgedruckter Wahlzettel. Im Kanton Bern werden zwar Wahlzettel mit Vordruck versandt, aber es gibt immer auch einen leeren Wahlzettel. Darauf kann eingetragen werden, wer immer das passive Wahlrecht zum Regierungsrat besitzt. Dies schliesst z. B. auch Personen ohne Wohnsitz im Kanton, aber mit Berner Bürgerrecht mit ein.
In der Praxis werden sich aber die allermeisten Wählenden an die vorgeschlagenen Kandidaten halten, auch wenn sie theoretisch eine andere Person wählen dürften.
Dies zeigt auch die Wahl zum Ständerat im Kanton Bern: Gewählt wurde Lauri SVP und überraschend Somaruga SP. Gäbe es eine Pflicht, die vorgedruckten Zettel zu verwenden, dann wäre diese Wahl nicht möglich gewesen, weil auf dem Zettel des Bürgerblocks Somaruga nicht stand und umgekehrt Lauri nicht auf dem Zettel der Links-Grünen-Allianz. Es müssen also zahlreiche Wählende Lauri und Somaruga auf den amtlichen Wahlzettel gesetzt haben.
Besonders ist im Kanton Bern nur die Berechnung der Stimmen: Das absolute Mehr wird so berechnet, dass leere Linien auf einem Zettel nicht mitzählen, was das Mehr senkt. Im Prinzip durchbricht dies den Grundsatz der absoluten Mehrheitswahl.
Ferner werden für den dem französischsprachigen Jura zustehenden Regierungssitz die Stimmen u. U. anders gewichtet, je nach dem, ob sie im Jura oder im übrigen Kantonsgebiet abgegeben wurden. Auch diese Bestimmung durchbricht den Grundsatz der absoluten Mehrheitswahl. Dies hat jedoch mit der Gestaltung der Wahlzettel nichts zu tun.

Auch die Einschätzung, dass eine Allianz aus Linker und Minderheiten die Volkswahl des Bundesrates verhindern würde, scheint mir einigermassen seltsam. Die Minderheiten (und diese bilden die Mehrheit in der Schweiz) würde mit einer z. B. dem Berner Modell nachgeahmten Schutzbestimmung eher besser fahren als mit der heutigen Regelung, bei der die Vertretung z. B. des Tessins vom Wohlwollen der Mehrheit in der Bundesversammlung abhängt. Das Argument, dass ein solches Verfahren für den Bürger zu kompliziert sei, ist im übrigen eher aus bürgerlichen Kreisen zu hören.
Wie sich im übrigen wieder bei der vergangenen Runde der Ständeratswahlen gezeigt hat, ist eine links-grün-progressive Allianz durchaus in der Lage, erfolgreich auch bei Mehrheitswahlen anzutreten. Mancherorts ist dieser Block gleich stark wie der Bürgerblock, den Ausschlag geben dann von Fall zu Fall die flottierenden Wähler der Mitte. Bei einer Volkswahl des Bundesrates hätte die Linke kaum etwas zu verlieren und wäre wohl die dauernden Drohungen, sie aus dem Bundesrat zu werfen, endgültig los.
Anderseits ist zur Zeit niemand ernsthaft daran, die Volkswahl des Bundesrates zu betreiben, weder links noch rechts der Mitte. Gelegentliche Parolen dieser Art dürften eher als politischer Gag zu verstehen sein denn als ernsthafte Bestrebungen.
Allerdings kann ein entsprechendes Ergebnis der nächsten Wahl durchaus dazu führen, dass das Vorhaben wieder ernsthaft betrieben wird, sei es von links oder rechts, sei es aber auch von einer Gruppe unzufriedener Bürger ohne unmittelbare Parteibindung.
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Ruedi Lais
Veröffentlicht am Montag, 17. November 2003 - 01:12 Uhr:   

Schlussresultat der Wahlen in der Schweiz

Mit dem heutigen 2. Wahlgang für die Ständeratswahlen in Kanton Tessin ist das Parlament neu zusammengesetzt:
(NR/SR)

SVP 55/8 (+11/+1)
SPS 52/9 (+1/+3)
FDP 36/14 (-7/-4)
CVP 28/15 (-7/0)
Grüne 13/0 (+4/0)
LPS 4/0 (-2/0)
EVP 3/0 (0/0)
PdA 2/0 (0/0
EDU 2/0 (+1/0)
CSP 1/0 (0/0)
AdG/Sol 1/0 (0/0)
SGA 1/0 (+1/0)
Lega 1/0 (-1/0)
LdU 0/0 (-1/0)

Die SVP-Fraktion nahm den NR der Lega auf. Die FDP-Fraktion nahm die 4 NR der LPS auf, die nach über 100 Jahren keine eigene Fraktion mehr bilden können. Die Grünen nahmen die NR von CSP und SGA auf, und EVP und EDU schlossen sich wieder zu einer Fraktion zusammen.
Ob die 3 NR von PdA und AdG/Sol sich auch noch der Grünen Fraktion anschliessen, ist noch offen.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Mittwoch, 10. Dezember 2003 - 12:28 Uhr:   

Blocher ist gewählt. Alles andere hätte mich auch schwer überrascht. Ist wohl mittel- und langfristig auch für die CVP besser so.
Populisten entzaubert man am besten in der Regierung, siehe Niederlande, Österreich, Ungarn oder Hamburg. Die SVP ist allerdings schon seriöser als LPF, FPÖ, Kleinbauernpartei und Schill-Partei, aber auch ihr wird es wahrscheinlich nicht gut bekommen, populistische Phrasen in praktische Politik umsetzen zu müssen. Eine Einbindung von Blocher ist die einzige Chance, den Aufstieg der SVP zu stoppen und wenigstens teilweise rückgängig zu machen.
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Ruedi Lais
Veröffentlicht am Mittwoch, 10. Dezember 2003 - 17:25 Uhr:   

Mit der Wahl von Christoph Blocher (SVP) anstelle der bisherigen Bundesrätin Ruth Metzler (CVP) wurden zwei Uralt-Traditionen entsorgt: Zum ersten Mal seit 132 Jahren wurde ein wieder kandidierendes Mitglied der Regierung abgewählt. Und die parteipolitische Zusammensetzung wurde nach 44 Jahren geändert.

Der entscheidende 3. Wahlgang bei der 3. Bestätigungswahl heute Morgen brachte das Resultat von 121:116. Gemäss Parteistärken hätte das Resultat 121:122 lauten müssen. Netto 6 "Abweichler" von CVP, SP, Grünen haben diese historische Wende bewirkt und sich der Überlegung von Thomas Frings angeschlossen ("Entzauberungsstrategie").

Kurzfristig werden allerdings alle drei anderen Regierungsparteien ausser der SVP ihre internen Krisen bewältigen müssen: Die SP muss entscheiden, ob sie im nach rechts gerutschten Bundesrat bleibt, die CVP muss mit den eigenen Dissidenten umgehen, und die FDP hat ein Frauenproblem, da sie eine bürgerliche Frau abgewählt und gleichzeitig ihre eigene neue Kandidatin nicht genügend unterstützt hat. Nur für die SVP geht die kurzfristige Rechnung auf. Sie kann nun ihre beiden Flügel zufrieden stellen und wohl auch ihre harte Oppositionspolitik weiter führen, denn Bundesräte sind für 4 Jahre nicht abwählbar.

Ruedi
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 11. Dezember 2003 - 10:44 Uhr:   

Irgendwelche Traditionen mußten halt nach dem Wahlergebnis über Bord gehen.
Und das Konkordanzprinzip als solches (incl. einer angepaßten Zauberformel) ist ja eher bestätigt worden.
Mir kommt das also recht traditionsnah vor, was geschah.

Weiß man eigentlich, wer die Abweichler waren (offenbar sind ja die zugehörigen Parteien bekannt)?

Erstaunlich ist natürlich, daß ausgerechnet von der CVP selber die entscheidenden Stimmen gegen die eigene Kandidatin kamen.

Und wieso hat die FDP ihre eigene Kandidatin nicht genügend gestützt?
Die FDP hat doch weiterhin zwei Bundesräte - und eine dritte Kandidatur gab es doch wohl nicht, oder?
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Ruedi Lais
Veröffentlicht am Donnerstag, 11. Dezember 2003 - 13:46 Uhr:   

@ralf

Abweichler: Vor der Wahl haben sich auf der rechten Seite 3 FDP-Leute als Abweichler zu erkennen gegeben. Auf der linken Seite waren es 2 CVP- und 1 Grüner. Man ging aber etwas von der doppelten Anzahl aus. In Wirklichkeit müssen es auf der linken Seite aber nochmals ca. 5 Leute gewesen sein, die Blocher in der Regierung wollten.

(In der französischsprachigen Presse war vom "Blocher in der Regierung einsperren" die Rede gewesen).

Aber da die Wahl geheim war (auf der Tribüne gab es sogar ein Fernglas-Verbot !), wird man das nicht so leicht herausfinden. Einige des Abweichens Verdächtigte zeigten ihre ausgefüllten Wahlzettel demonstrativ ihren Nachbarn...

Zur Frauenfrage bei der FDP: Die FDP stellte für den 7. Sitz zwei Leute auf: die bisherige Ständerätin C. Beerli aus Bern und den schliesslich gewählten Ständerat HR. Merz aus Appenzell-Ausserrhoden.
Da Beerli eher linksliberal eingeschätzt worden war, dürfte sie alle linken Stimmen erhalten haben. In der eigenen Fraktion war sie nur als zweite Wahl nominiert worden, nachdem sie in der ersten Wahl praktisch keine Stimmen erhalten hatte. Offensichtlich wollte die FDP aber nicht ein rein männliches Zweierticket einreichen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 11. Dezember 2003 - 15:33 Uhr:   

@Ruedi:
Danke für die Erklärungen.

> Auf der linken Seite waren es 2 CVP- und 1 Grüner.
Die CVP gilt als links? Interessant.
Wobei mal abgesehen von der links-rechts-Frage: Zumindestens bei der eigenen Kandidatin sollte man doch mitstimmen ...

> Einige des Abweichens Verdächtigte zeigten ihre ausgefüllten
> Wahlzettel demonstrativ ihren Nachbarn...
Soweit zum Wahlgeheimnis ...
In deutschen Parlamenten gibt es bei Personenwahlen meistens Wahlkabinen mit Benutzungspflicht. Scheint mir sinnvoller zu sein.

> Die FDP stellte für den 7. Sitz zwei Leute auf:
Apart. Dann gehe ich mal davon aus, daß es keine weiteren Kandidaten von anderen Parteien mehr gab - ansonsten wäre das ja maximal doof.

> Da Beerli eher linksliberal eingeschätzt worden war, dürfte sie
> alle linken Stimmen erhalten haben.
Aber wohl fast keine von den eigenen Leuten ...

Im Prinzip finde ich es ja gut, daß da nicht so ein sturer Fraktionszwang herrscht wie in den meisten Ländern (insbes. Deutschland).
Aber so ein Stimmverhalten ist schon schwer verständlich.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob die FDP da einen Kurs fährt, der verständlich ist und bei der nächsten Wahl die Schlappe von diesmal ausbessern könnte ...
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 11. Dezember 2003 - 15:49 Uhr:   

@ Ralf
"Wobei mal abgesehen von der links-rechts-Frage: Zumindestens bei der eigenen Kandidatin sollte man doch mitstimmen ..."
Wäre die SVP tatsächlich in die Opposition gegangen, wäre die CVP in eine schwierige Lage gekommen. Ein tatsächlicher oder vermeintlicher Pakt mit der SP wäre beste Wahlkampfmunition für die SVP gewesen und der ohnehin schon vorhandene Abwärtstrend für die CVP hätte sich noch beschleunigt. Die CVP ist vielen ihrer Wähler offensichtlich zu links.

"Apart. Dann gehe ich mal davon aus, daß es keine weiteren Kandidaten von anderen Parteien mehr gab - ansonsten wäre das ja maximal doof."

Daß eine Partei mehr als einen Kandidaten für einen ihr "zustehenden" Bundesratsposten macht, ist üblich. Es sind auch schon öfter nicht-offizielle Kandidaten gewählt worden.
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Ruedi Lais
Veröffentlicht am Donnerstag, 11. Dezember 2003 - 16:14 Uhr:   

@ralf

Natürlich ist die CVP nicht links, sie schloss für diese eine Wahl einen Pakt mit der Linken, um ihre zwei Sitze zu halten. Innerhalb der CVP wurde der christlichsoziale Flügel im Gegenteil bei den Wahlen stark geschwächt.
Im 7. Wahlgang gab es nur noch die beiden FDP-Kandidierenden. In den letzten Jahren war es üblich geworden, dass bei jedem Rücktritt zwei Vorschläge gemacht werden. Dies, nachdem das Parlament ein paar Mail absichtlich nicht offiziell nominierte Personen wählte, um die betroffene Partei zu schwächen. (Die letzte noch amtierende solche Person ist BR S. Schmid, SVP)
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 12. Dezember 2003 - 11:21 Uhr:   

Die Wahl, wie sie nun ausgefallen ist, hat eine Menge Geschirr zerschlagen. Man muss sich vorstellen, dass erstmals seit Jahren Demonstrationen gegen eine vollzogene Bundesaratswahl stattfinden.
Die Wahl hat die Frauen, die Jungen (sc. Personen unter 50!) und auch die nicht-rechten Kreise verärgert. Alles in allem handelt es sich somit um eine schlechte Wahl. Ganz sicher ist die jetzige Zusammensetzung nicht repräsentativ für die gesamte Bevölkerung.
Auch das Argument des "Einbindens" halte ich für schwach. Die SVP ist seit Jahrzehnten im Bundesrat vertreten, sie hat sich dennoch nie gescheut, Stimmung gegen die Regierungspolitik zu machen und alle verfügbaren Oppositionsmöglichkeiten zu nutzen. In den letzten vier Jahren hat sie sogar regelrechte Obstruktion betrieben. Ähnliche Tendenzen sind auch bei den 3 andern Regierungsparteien bisweilen zu beobachten gewesen, wenn auch niemals sehr ausgeprägt.
Wenn allerdings die mit dieser Wahl gezeigte Haltung die nächsten vier Jahre andauern sollte, dann wird sich vermutlich in der Tat etwas in der gegenteiligen Richtung ändern, dann wird nämlich ein grosser Teil der Bevölkerung vor den Kopf gestossen sein und entsprechend von den traditionellen Parteien abwandern.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 12. Dezember 2003 - 12:03 Uhr:   

"Alles in allem handelt es sich somit um eine schlechte Wahl. Ganz sicher ist die jetzige Zusammensetzung nicht repräsentativ für die gesamte Bevölkerung."
Wo auf der Welt ist die Regierung repräsentativ für die Bevölkerung? Es ist bei nur 7 Bundesräten unmöglich, gleichzeitig Partei-, Regional-, Altersgruppen- und Geschlechterproporz zu verwirklichen. Und wenn man das zu sehr anstrebt, kommt die Kompetenz der Kandidaten völlig unter die Räder.
Natürlich kann die SVP weiter ihren Kurs fahren, nur ist sie dann wohl weniger glaubwürdig, jetzt wo ihr faktischer Parteiführer in der Regierung ist. Sie wird sich nicht mehr so leicht als "Dreiviertelopposition" präsentieren können. Das war bisher auch deshalb leicht, weil der bisher einzige SVP-Bundesrat Samuel Schmid kein Mann vom Blocher-Flügel ist (darum wurde er ja auch gewählt).
Es ist eine Tendenz in vielen europäischen Ländern, daß sich der politische Wettbewerb verschärft. Das ist offensichtlich auch in der Schweiz der Fall, unabhängig davon wie der Bundesrat aussieht. Ein Blocher außerhalb der Regierung ist ja nicht weniger konfliktträchtig als in der Regierung- eher im Gegenteil.

Gibt es schon Gerüchte darüber, welche Ressorts Blocher und Merz bekommen? Nach der bisherigen, ungeschriebenen Regel hatten die bisherigen Bundesräte Vorrang und die neuen sich mit dem zu begnügen, was übrig bleibt. Aber mit ungeschiebenen Regeln nimmt man es ja nun auch in der Schweiz nicht mehr so genau.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 12. Dezember 2003 - 14:38 Uhr:   

Wenn die Regierung nirgendwo auf der Welt für die Bevölkerung repräsentativ ist, dann haben wir auch nirgendwo auf der Welt Demokratie.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 12. Dezember 2003 - 15:16 Uhr:   

Eine wirklich für die Bevölkerung repräsentative politische Klasse und Regierung ist doch unrealistisch. Ich halte das auch nicht für wünschenswert. Man stelle sich vor, man würde 600 Wahlberechtigte per Zufallsgenerator auswählen und in den Bundestag setzen (oder 200 in den Schweizer Nationalrat). Ich glaube nicht, daß eine bessere Politik rauskäme. Die Erfahrungen mit Laienpolitdarstellern waren bisher durchweg negativ. Das mag wohl auch daran liegen, daß so etwas nur bei populistischen Parteien vorkam wie die Grünen in der Anfangszeit, LPF, DVU, STATT oder Schill, aber die Tendenz ist schon generalisierbar. Unterrepräsentation ist auch nicht Zeichen von Benachteiligung sondern von politischem Desinteresse dieser Gruppen. In allen im Bundestag vertretenen Parteien sind die Männer z.B. weit überrepräsentiert, sogar bei den Grünen sind es über 60%. Daß Frauen nur ein Drittel der Abgeordneten stellen, ist also keine Benachteiligung sondern logische Konsequenz ihres geringeren politischen Interesses.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Samstag, 13. Dezember 2003 - 10:32 Uhr:   

Das gesamte Blabla über politische Klasse und Amateurpolitiker geht voll und ganz am Problem vorbei.
Tatsache ist, dass die Frauen die grösste Gruppe darstellen, nämlich die Mehrheit der Bevölkerung. Dass so einfach eine Frau aus dem Bundesrat gekippt werden kann und dass man sich nicht einmal um Ersatz kümmert, wird offensichtlich schlecht aufgenommen. Heute Nachmittag werden die Frauen in Bern demonstrieren (soviel zum Engagement der Frauen). Zudem wäre es einfach gewesen, eine Frau in der FDP zu finden, die nicht nur wählbar, sondern auch qualifziert wäre. Mit Egerszegi FDP AG z. B. wären die Frauen, die liberaleren Kräfte und auch die geographisch mittleren Kantone vertreten gewesen. (Übrigens finde ich persönlich Egerszegi nicht sonderlich sympathisch, das nur nebenbei.)
Das durchgespielte Szenario erinnert an die Wahl von Kopp 1984: Der FDP-Kandidat, der gewählt werden soll, wird mit einer Kandidatin verbunden, von der festzustehen scheint, dass sie nicht wählbar ist. Dass Beerli nicht gewählt werden würde, war leicht abzusehen (noch mehr Westschweizer Gewicht hätte es nicht ertragen). Wie das Manöver 1984, bei dem wider Erwarten doch die Frau gewählt wurde, am Ende herausgekommen ist, wissen wir unterdessen. Und es steht zu vermuten, dass auch diese Wahl mehr Probleme schaffen wird als dass sie lösen kann.
Dann gibt es aber auch noch eine andere, ganz naheliegende Frage: Wie repräsentativ ist die gegenwärtige Zusammensetzung des Bundesrates für das Parlament? 27% haben SVP gewählt. Der ganze Rest hat andere Parteien gewählt. Mehr als ein Drittel ist eindeutig links (über 70 Stimmen im Nationalrat, 9 Sitze im Ständerat). CVP und Teile der FDP sind zwar nicht links, aber stehen in der Mitte.
Wie immer man auch rechnet, ergibt sich nie und nimmer eine rechts-aussen-Mehrheit. Im Bundesrat sitzen nun aber 4 Leute, die eindeutig zum ganz rechten Lager gezählt werden müssen.
Vom Wählerwillen (den immer nur seine angeblichen Vertreter im Munde führen) abgesehen ist auch höchst fraglich, ob der Wille der Parlamentsmehrheit wirklich dahin geht, dass die Schweiz von 4 rechtslastigen Herren im Rentenalter regiert werden solle. Möglicherweise werden einige derjenigen, die diese Wahl ermöglicht haben, selbst noch erwachen.
Und jedenfalls entspricht dies nicht der Schweizer Tradition, auf Gleichgewicht zu achten. Grössere Ungleichgewichte haben in der Politik IMMER zu Problemen geführt. In der Schweiz ist diese Tradition nach wie vor im Volk stark verankert. Dass man dies in Deutschland mit seiner ausgeprägten obrigkeitsstaatlichen Tradition anders sieht, mag sein, entspricht aber nicht der Tradition der Schweiz und, wie ich meine, auch nicht ihrer Gegenwart.
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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 14. Dezember 2003 - 21:38 Uhr:   

Ruedi:
> Zum ersten Mal seit 132 Jahren wurde ein wieder kandidierendes
> Mitglied der Regierung abgewählt.

Es erstaunt mich immer wieder, dass bei nicht erfolgter Wiederwahl gleich von "Abwahl" die Rede ist (hier von Ruedi wenigstens sauber beschrieben ;) ). Ich halt es für völlig normal, dass bei erneuter Wahl jemand anders gewählt wird, weil sich die Präferenzen oder Gewichte verschoben haben, ohne dass es den Zweck einer Abwahl haben müsste, die eine Unfähigkeit der betreffenden Person unterstellt.

Philipp:
> Wenn die Regierung nirgendwo auf der Welt für die Bevölkerung repräsentativ
> ist, dann haben wir auch nirgendwo auf der Welt Demokratie.

Entscheidend ist doch, ob die Bevölkerung von ihrer Regierung repräsentiert werden möchte, und nicht, ob sie im demografischen Sinn repräsentativ ist. Repräsentativität kann sich eh immer nur auf bestimmte Teilaspekte beziehn, die man ziemlich willkürlich bestimmen muss.

Thomas:
> Daß Frauen nur ein Drittel der Abgeordneten stellen, ist also keine Benachteiligung
> sondern logische Konsequenz ihres geringeren politischen Interesses.

Die Frage ist, was die Ursache und was die Wirkung ist. Tatsache ist jedenfalls, dass die Politik nach wie vor ziemlich männlich geprägt ist. Höchstens könnte man argumentieren, dass das in der Natur der Sache liegt, aber solche Argumentationen haben sich im geschichtlichen Rückblick schon öfters als falsch erwiesen.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Montag, 15. Dezember 2003 - 10:37 Uhr:   

Die Dinge kommen ins Rollen: Am Samstag demonstrierten rund 15000 Leute gegen diese Wahl, Frauen aller Altersgruppen, aller Parteien, auch Männer. Blocher hat es mit dem Justiz- und Polizeidepartement auf dem falschen Fuss erwischt, stehen doch zahlreiche Vorlagen an, die er nun im Sinne der Mehrheit zu vertreten hat, die aber seiner SVP gar nicht passen wie Asylgesetzrevision, Verhandlungen mit der EU, Verschärfung des Waffenrechts und zahlreiche andere.
In diesem Departement wird er auch zeigen müssen, ob seine grossmäuligen Sprüche über die Kriminalitätsbekämpfung, Ausländer und "Asylmissbrauch" in der Praxis etwas taugen.
Möglich ist auch, dass sich in nächster Zeit etwas tut wie Wiederaufnahme der Bestrebungen zur Einführung der Volkswahl des Bundesrates oder eine Neuauflage der Quoteninitiative. Eine gemässigte Vorlage hätte im Augenblick gewiss gute Chancen, angenommen zu werden, selbst wenn das politische Establishment geschlossen dagegen wäre.
Es ist offensichtlich, dass sich erhebliche Teile des Volkes durch die neue Regierung nicht repräsentiert fühlen. Somit erübrigt sich auch das theoretische Geschwätz über Repräsentativität.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Montag, 15. Dezember 2003 - 14:18 Uhr:   

"Das gesamte Blabla über politische Klasse und Amateurpolitiker geht voll und ganz am Problem vorbei.
"Es ist offensichtlich, dass sich erhebliche Teile des Volkes durch die neue Regierung nicht repräsentiert fühlen. Somit erübrigt sich auch das theoretische Geschwätz über Repräsentativität."

Ich habe von diesem unsachlichen und unverschämten Ton langsam genug. Fakt ist, daß die vom Volk gewählten Abgeordneten mehrheitlich genau diese Leute im Bundesrat sehen wollten. Falls es noch nicht verstanden sein sollte: In einer Demokratie entscheidet die Mehrheit und das gilt auch dann, wenn das Ergebnis einer Wahl oder Abstimmung einer nennenswerten Gruppe gar nicht gefällt.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 15. Dezember 2003 - 14:19 Uhr:   

@Philipp Wälchli:
> Dass so einfach eine Frau aus dem Bundesrat gekippt werden kann und
> dass man sich nicht einmal um Ersatz kümmert, wird offensichtlich
> schlecht aufgenommen.
Das glaube ich schon.
Aber bei der Vielzahl der Proporzbedingungen, die in nur sieben Bundesräten abgedeckt werden sollen, ist wohl nicht immer eine perfekte Lösung möglich.

Mal abgesehen davon, daß m. E. nicht so sehr Kantonsgröße / Sprache / Geschlecht / politischer Standort etc. wichtig sein sollten, sondern die persönliche Kompetenze.
Aber vor dem Hintergrund deutscher Politik steht es uns wohl überhaupt nicht zu, den Schweizern da Ratschläge zu geben ...

> Übrigens finde ich persönlich Egerszegi nicht sonderlich
> sympathisch, das nur nebenbei.
Noch so ein Kriterium. Und vielleicht findet die FDP es nicht gut, dem allgemeinen Proporz zuliebe eine Frau vorzuschlagen, die unsympatisch rüberkommt.

> Wie immer man auch rechnet, ergibt sich nie und nimmer eine rechts
> -aussen-Mehrheit.
Ja aber im Bundesrat doch auch nicht.
Du hast doch selber geschrieben, daß CVP und FDP der Mitte zuzurechnen seien.

> Am Samstag demonstrierten rund 15000 Leute gegen diese Wahl,
Das mag für Schweizer Verhältnisse ähnlich ungewöhnlich sein wie diverse andere Sachen in letzter Zeit.
Aber eine solche Demo läßt doch überhaupt keine Rückschlüsse darüber zu, wie die übrigen Schweizer diese Wahl finden.

> Blocher hat es mit dem Justiz- und Polizeidepartement auf dem
> falschen Fuss erwischt, ...
Na also!
Genau mit diesem Bereich wurde auch Schill vorgeführt (und der hatte sogar die nötige Vorbildung).
Da soll doch Blocher mal zeigen, wie er Politik macht, anstatt immer nur über andere zu meckern.
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c07
Veröffentlicht am Montag, 15. Dezember 2003 - 14:22 Uhr:   

Thomas: Bei indirekten Wahlen wie im vorliegenden Fall erwart ich allerdings schon, dass die Wählenden auch die ursprüngliche Mehrheit in ihren Überlegungen berücksichtigen.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Montag, 15. Dezember 2003 - 15:51 Uhr:   

@ C07
"Bei indirekten Wahlen wie im vorliegenden Fall erwart ich allerdings schon, dass die Wählenden auch die ursprüngliche Mehrheit in ihren Überlegungen berücksichtigen."
Was ist denn die ursprüngliche Mehrheit? Jede Partei neigt doch dazu, den Volkswillen für sich zu reklamieren. Was nun der "wahre Volkswille" der Schweizer im Hinblick auf die Zusammensetzung des Bundesrates ist, kann ich nicht beurteilen. Da sagen auch ein paar Tausend Demonstranten in Bern wenig drüber aus. Wenn nur 42,5% überhaupt wählen gegangen sind, obwohl klar war, daß die Zauberformel zumindest gefährdet war, scheint die Mehrheit das ganze aber nicht sonderlich zu interessieren.

Zum Thema Frauen&Politik
"Die Frage ist, was die Ursache und was die Wirkung ist."
Den Grünen wird man wohl kaum Frauenfeindlichkeit vorwerfen können. Bei denen besetzen unabhängig von der Kompetenz der Kandidaten die Frauen immer die ungeraden und Männer die gerade Listenplätze. So wurde ja auch der Metzger abgeschossen, obwohl es keine einzige profilierte Grüne aus Baden-Württemberg gibt. Trotzdem ist selbst bei den Grünen die Mitgliedschaft überwiegend männlich. Ursache und Wirkung sind eindeutig: Desinteresse ist Ursache, Unterrepräsentation die Wirkung.
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Sole
Veröffentlicht am Montag, 15. Dezember 2003 - 16:22 Uhr:   

"In allen im Bundestag vertretenen Parteien sind die Männer z.B. weit überrepräsentiert, sogar bei den Grünen sind es über 60%. "

Du hast die 100 % weiblichen Abgeordneten und die ca 45 % Frauen der PDS vergessen ;-)
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c07
Veröffentlicht am Montag, 15. Dezember 2003 - 16:26 Uhr:   

Auch bei den Grünen funktioniert Politik schon intern nicht mehr viel anders als bei anderen Parteien. Und die Frauen, die in der Politik sind, passen sich ziemlich stark den Gegebenheiten an. Selbst bei ausgeglichener Repräsentation wird sich das erst langfristig ändern.

Zu Metzger: Hat er sich nicht faktisch selber abgeschossen, weil er beleidigt war, keinen guten Listenplatz bekommen zu haben? Wenn ich es richtig mitbekommen hab, hätt er spätestens Platz 10 gekriegt und säße damit heute im Bundestag.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Montag, 15. Dezember 2003 - 17:05 Uhr:   

Nun, es geht bei der ganzen Sache auch um so etwas wie Respekt der Repräsentanten vor den Repräsentierten. Dass dies jemand, dem es selbst an Respekt vor anderen mangelt, nicht einleuchtet, versteht sich von selbst.
Zur Frage von Sympathie und Antipathie ist anzumerken, dass es in concreto meine ganz persönliche Antipathie gegen eine bestimmte Person ist, der ich im übrigen sachlich nichts vorzuwerfen habe (im Falle Blochers ist es anders, da. z. B. gerade wieder eine Strafuntersuchung wegen Ehrverletzung gegen ihn läuft).
Und die Argumentation mit Parteien geht ebenfalls nicht auf: FDP und CVP sind insgesamt "mittlere" Parteien, sogar die SVP als ganze weist einen gemässigten Flügel auf. Das gilt aber nicht für Couchepin und Merz FDP und ebenfalls nicht für Blocher und Schmied SVP; alle vier müssen dem rechten Lager zugezählt werden, sind also nicht einmal für ihre eigenen Parteien repräsentativ, sondern nur für deren jeweils rechtesten Flügel (wobei dies im Falle Schmieds wiederum problematisch ist, weil ausser ihm selbst kein Mensch weiss, wofür er genau steht).
Wenn man im übrigen Zahlenspielereien anstellt, dann kann man auch errechnen, dass fast 3/4 der Wählenden Blocher und die SVP nicht wollten, weiter kann man errechnen, dass die SVP von knapp 1/8 aller Stimmberechtigten gewählt wurde, und ferner sagen jetzt auch die Umfragen (neben den Demonstrationen), dass das Volk nicht sonderlich zufrieden ist.
Auch das Argument der Qualifikationen sticht wohl kaum. Inwiefern ist Blocher besser qualifiziert, das Justiz- und Polizeidepartement zu führen, als Metzler (immerhin eine Juristin)?
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Ruedi Lais
Veröffentlicht am Montag, 15. Dezember 2003 - 21:20 Uhr:   

@ Philipp

Dass Blocher eine Mehrheit fand, ist nicht anders zu erklären, als dass er nebst der Minderheit, die von ihm die grosse Wende in Richtung einer obskuren "Wirtschaftsfreundlichkeit ohne Wettbewerb" erwarten, auch noch von Leuten gewählt wurden, die ihn durch die Wahl aus dem Verkehr ziehen wollen. Ich vermute sogar, dass dazu auch massgebliche Leute aus dem innersten Kreis der SVP zählen.

Diese Leute sind die Ersten, die eine Weiterführung der Oppositionspolitik auch gegen ihren einstigen Übervater versprechen.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Montag, 15. Dezember 2003 - 23:54 Uhr:   

Also, mit den Stimmen der SVP war eine Mehrheit nicht zu machen. Auch die kühnste Arithmetik macht aus einem runden Viertel keine Hälfte.
Und darüber zu spekulieren, wer warum wie gewählt hat, halte ich für kontraproduktiv.

Ich möchte etwas nachtragen: Eine junge Frau sagte in einer Strassenumfrage sinngemäss folgendes: "Die Schweiz ist jetzt nicht mehr wie früher, sie ist jetzt wie das Ausland." Andere Leute benutzten die Begriffe "Putsch" oder "Staatsstreich".
FORMAL - ich betone: FORMAL - ist die Wahl zweifellos korrekt. Dass aber solch harte Worte fallen, hat mit etwas anderem zu tun: Neben den geschriebenen Regeln der Verfassung wird die Politik in jedem Land auch von ungeschriebenen geprägt. Und auch wenn sich diese ändern, so gibt es doch gewisse Grundregeln, die niemand ohne Folgen verletzen kann. Genau das ist nun geschehen. Die Tradition der Rücksichtnahme, des Aushandelns und Diskutierens, des freiwilligen Teilens ist durch diese Wahl gravierend verletzt worden. Ich blende in die Geschichte zurück: Der erste Nichtfreisinnige wurde nicht deshalb in den Bundesrat gewählt, weil eine nichtfreisinnige Mehrheit dies gewollt hätte. Sondern die freisinnige Mehrheit war klug genug, FREIWILLIG die Macht zu teilen und die stärkste Oppositionsgruppe miteinzubeziehen, wobei in Kauf genommen werden musste, dass vom "reinen" freisinnigen Programm vielleicht etwas abgerückt werden müsse.
Diese Tradition ist nun verletzt worden. Die Art und Weise, wie die Kandidatur Blocher mit Drohungen und lauten Ansprüchen verkündet wurde, die Art, wie sie gegen eine Amtsinhaberin durchgesetzt wurde, die Absage der traditionellen Feier im Kanton usw., all das widerspricht der Tradition zutiefst. Es ist dies ein Stil, der vielleicht in andern Ländern üblich sein mag, aber nicht in der Schweit (obwohl die SVP stets die gute alte Schweiz beschwört und gegen alle Fremde zu verteidigen verspricht).
Mag auch Blocher im Bundesrat eine kurze Erscheinung bleiben, so hat doch die Art und Weise der ganzen Geschichte die Art der Politik wohl auf einen Schlag stärker verändert, als die Akteure selbst es sich eingebildet haben. Möglicherweise werden ihnen die Folgen davon selbst nicht lieb sein. Allerdings kann es auch möglich sein, dass dieser Schritt unumkehrbar bleibt.
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anita
Veröffentlicht am Sonntag, 11. Januar 2004 - 02:17 Uhr:   

toll wie ihr euch um unsere demokratie sorgt! aber ist wohl inzwischen schon überholt. blocher ist jetzt einer der sieben bundesräte. jetzt kann er nicht mehr polemisieren sondern er muss beschlüsse des gesamtbundesrates vertreten. bald werden die wähler der SVP merken das auch er keine wunder vollbringen kann.

unsere direkte demokratie ist nicht in gefahr und wird es auch in 100 jahren nicht sein. :)
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Sole
Veröffentlicht am Montag, 12. Januar 2004 - 09:15 Uhr:   

"jetzt kann er nicht mehr polemisieren sondern er muss beschlüsse des gesamtbundesrates vertreten"

Muss er das?
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Samstag, 17. Januar 2004 - 10:41 Uhr:   

Mit dem Müssen ist es so eine Sache ...
"Muss! Derwisch! Derwisch muss! Kein Mensch muss müssen, und ein Derwisch müsste? Was müsst' er denn?" (Lessing, Nathan der Weise)

Streng rechtlich betrachtet, muss ein Mitglied des Bundesrates nicht allzu viel. Natürlich ist es verpflichtet, Beschlüsse des Kollegiums in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich zu vollziehen. Und gewisse Dinge wie z. B. einen offiziellen Auslandsbesuch unternehmen kann es ebenfalls nur mit Billigung des Kollegiums.
Im übrigen ist ein Mitglied des Bundesrates ein Mensch und in dieser Eigenschaft im Genuss der Menschenrechte, die u. a. Gedanken- und Redefreiheit einschliessen. Wenn ein Mitglied des Bundesrates also brav seine offiziellen Verlautbarungen verliest, die das Kollegium beschlossen hat, und im übrigen immer klar darlegt, was seine eigene Meinung ist und nicht etwa die Mehrheitsmeinung im Bundesrat, darf es so ziemlich alles sagen, was es will.
Jede weitergehende Verpflichtung ist nicht rechtlicher Natur, sondern eine Gewohnheit und aus der Solidarität unter Mitgliedern eines Kollegiums erwachsen.

Eine andere Frage ist die, ob Blocher überhaupt anders kann, als er bisher getan hat. Sein jüngster Auftritt auf der Albisgüetli-Tagung der AUNS ist jedenfalls nicht dazu angetan, etwage Besorgnis zu zerstreuen. Die Frage bleibt, ob jemand, der 20 Jahre lang alles gesagt hat, was er wollte, und dabei auch vor rüdesten Tönen nicht zurückschreckte, sich von einem Tag auf den andern disziplinieren kann.

Solche Bedenken allein hätte genügt, ihn für nicht wählbar anzusehen weil nicht fähig, sich in das Bundesratskollegium einzuordnen. Und auch wenn man davon ausgeht, dass er am Ende doch "gezähmt" wird oder politisch scheitert (was nicht unwahrscheinlich ist), so stellt sich doch die Frage nach den Kosten - nach den finanziellen ebenso wie nach den politischen und moralischen. Immerhin hat seine Wahl auf Kosten einer Person, die mindestens so qualifiziert war und der im Grunde ausser der Parteizugehörigkeit nichts Wesentliches vorzuwerfen war, ein schlechtes Beispiel geliefert. Sie hat viele Leute vor den Kopf gestossen. Sie hat das politische Klima eindeutig verhärtet. usw. usf.
Am Ende wird man sich fragen müssen, ob seine Wahl diesen Preis wert war.
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Wähler
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 22. April 2012 - 13:39 Uhr:   

Ich verstehe ohnehin nicht, warum sich die Schweizer die Konsensokratie antun. Es wäre doch viel besser, eine Regierungsmehrheit und dagegen einen starken Opoositionsblock zu haben, der eine brauchbare Alternative für einen Regierungswechsel darstellt. Eine parlamentarische Demokratie lebt vom Wechsel der Parteien an der Regierung.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 22. April 2012 - 17:44 Uhr:   

@Wähler
"Eine parlamentarische Demokratie lebt vom Wechsel der Parteien an der Regierung."
Die Schweiz ist aber vor allem eine direkte Demokratie. Volksabstimmungen "stören" die Politik einer Regierung mit knapper Mehrheit. Ursprünglich hatte die Schweiz eine klare Frontstellung zwischen freisinniger Mehrheit und katholisch-konservativer Minderheit und in den ersten 43 Jahren der heutigen Eigenossenschaft stellten die Freisinnigen alle 7 Bundesräte. Nach der Einführung der direktdemokratischer Elemente 1874 wandelte sich die Schweiz im Laufe der Jahrzehnte zur Konsensdemokratie. Von den Ergebnissen her muss sich die Schweizer Demokratie auch wirklich nicht verstecken.

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