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Archiv bis 20. September 2012

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Wahlen in den USA (US-Präsident, US-Senat usw.) » Wahlen in den USA » Archiv bis 20. September 2012 « Zurück Weiter »

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B.Schuett
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 11. September 2012 - 13:29 Uhr:   

Nach dem RCP-Durchschnitt liegt Obama aktuell 2,9 % vor Romney. Entscheidend sind aber ja die electoral votes (EV).

Ziemlich sicher hat Obama 243 EV, während Romney 206 EV sicher hat. Das bedeutet, daß Obama von den folgenden Staaten (in denen sich nun fast
der gesamte Wahlkampf abspielt)

- Colorado 9 EV
- Iowa 6 EV
- Wisconsin 10 EV
- Ohio 18 EV
- Virginia 13 EV
- New Hampshire 4 EV
- Florida 29 EV

noch 27 EV benötigt. Diese würde er alleine durch einen Sieg in
Florida gewinnen! Florida MUSS Romney also gewinnen, entsprechend
viel Geld muß er hier investieren, Geld, daß ihm in anderen Staaten
entsprechend fehlt. Es sieht also ziemlich schlecht für Romney
aus. Da Obama und Biden als gute Debattenredner bekannt sind,
dürften auch die 4 Debatten zwischen dem 3. und 22. Oktober
nicht viel an dieser Ausgangsbasis ändern.

Romney ist in den Augen der Mehrheit der Wähler einfach kein
überzeugender Kandidat, was sowohl mit seiner Persönlichkeit als
auch mit seinem Programm zusammenhängt. Das große Problem der
Republikaner ist aber der große Einfluß der Tea-Party-Bewegung,
die es einem Kandidaten, der die Wahlen in der Mitte gewinnen
will wie es z. B. George H. W. Bush 1988 schaffte, unmöglich macht,
Kandidat zu werden, ohne daß er sich verbiegen muß. Und daß der
eigentlich moderate Romney im Vorwahlkampf inhaltlich der Tea-Party-
Bewegung nachlief, um nominiert zu werden, um im letzten Moment
einen Schwenk zur Mitte zu machen, macht auf die Wähler einen
schlechten Eindruck.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 11. September 2012 - 21:04 Uhr:   

Dass Romney Florida unbedingt gewinnen muss, dürfte unstrittig sein. Allerdings muss Obama das auch zu verhindern trachten. Und je weniger Obama dort investiert, desto billiger wird es für Romney. Von daher gehe ich davon aus, dass sich die Wahlkampfausgaben beider anteilsmäßig ähnlich auf die umstrittenen Staaten verteilen werden.

Ich kann an Romney nichts Extremes erkennen. "Extremer" als George W. Bush kommt er sicher nicht rüber. Wähler könnten ja u. a. auch extrem finden, dass Obama in gut drei Jahren mit 5 Billionen $ so viel Schulden gemacht hat wie sein bereits extrem viel Schulden machender Vorgänger in acht. Aber wer sich darüber Sorgen macht, ist natürlich ein extremistischer Tea-Party-Populist. Ebenso klar ist, dass für unsere Linken jeder zukünftige republikanische Präsidentschaftskandidat auch ein Extremist und eine Gefahr für den Weltfrieden sein wird. Ebenfalls wird natürlich jeder Wahlkampfslogan eines Republikaners platt und peinlich sein und keine inspirierende und tiefschürfende Botschaft wie "Yes, we can".
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 11. September 2012 - 23:48 Uhr:   

Also, man kann Obama sicherlich vieles vorwerfen. Insbesondere hat er natürlich die überbordenden Erwartungen, die ihn 2008/9 ins Amt gehievt haben, nicht erfüllen können.

Nun aber gerade die Schulden rauszugreifen, ist ziemlich unpassend. Für die Sache mit den Schulden sollte man sich nämlich ins Gedächtnis rufen, dass allein im ersten Haushaltsjahr für Obama die durch Bush verursachte Neuverschuldung bei 1,5 Billionen $ lag. Informativ ist dazu auch die Wikipedia:
http://en.wikipedia.org/wiki/United_States_public_debt#Change_in_debt_position_since_2001
Dort kann man aufgeschlüsselt finden, wie es kommt, dass seit Anfang der Bush-Legislatur das Land um 10 Bio $ schlechter dasteht als erwartet; knapp 3/4 davon gehen auf legislative Maßnahmen zurück, d.h. verursachte zusätzliche Kosten durch Bushs Kriege etc. und geringere Einnahmen durch Bushs Steuerkürzungen und 1/4 auf schlechtere Wirtschaftsdaten; von diesen wiederum die Hälfte auf die Zeit seit 2009.

Wie immer findet Thomas Frings hier aber eine sehr perfide Formulierung, in der er die von Bush verursachten Kosten nun Obama anlassten möchte, weil - oh, Wunder - es mit Amtsübernahme nicht möglich war, Bushs Fehler spontan ungeschehen zu machen und die enormen Kosten durch seine Kriege usw. von einem Moment auf den nächsten verschwinden zu lassen.

Jemand, der Obama diese Schulden so einseitig betrachtet vorwirft, muss kein extremistischer Tea Party-Populist sein - er muss nur eine ähnlich oberflächliche Betrachtungsweise wie diese haben.

Ich hätte ja lieber Thomas Frings Kommentar gelesen, wenn Obama Bushs Steuergeschenke zurückgenommen und die Staatseinnahmen vielleicht noch weiter erhöht hätte, um die vorgegebenen erhöhten Staatsausgaben zu decken. Oder wie stehen Sie nochmal zu Steuererhöhungen?

Ob nach Obamas 2008er-Wahlspruch "Change - Yes, we can" der 2012-Wahlparteitagspruch Romneys "We can change it" platt und oberflächlich wirkt, soll jeder für sich entscheiden. Wichtiger wird vermutlich sein, dass Romney etwas wankelmütig daherkommt: Er versucht, sich als Kämpfer gegen das politische Washington zu inszenieren, ist aber seit Jahren Teil dieses Establishments; er verdammte Obamacare, hat als Gouverneur aber selber im Wesentlichen dasselbe umsetzen wollen; mittlerweile hat er seine Meinung wieder geändert und würde Obamacare bei einer Wahl doch weitgehend beibehalten.
Aber da hat B.Schuett wohl recht, er kann die Wahl nur in der Mitte gewinnen; muss aber gleichzeitig die Tea Party Bewegung bei Laune halten, weil die ihn sonst eiskalt den Dolch in den Rücken stößt. Dieser Tanz auf zwei Hochzeiten in Kombination mit seinen kleinen Fehltrittchen wird aber wahrscheinlich seine einzige Chance auf die Präsidentschaft ruinieren.
Dass kann auch ein fabulierender Clint Eastwood nicht heilen.

(Beitrag nachträglich am 11., September. 2012 von Arno Nymus editiert)
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 12. September 2012 - 11:45 Uhr:   

@Arno:
> Insbesondere hat er natürlich die überbordenden Erwartungen,
> die ihn 2008/9 ins Amt gehievt haben, nicht erfüllen können.
Das ist eine hübsch gewundene Formulierung. Als wären da von irgendwoher Erwartungen rübergeschwappt, die einen völlig überraschten Obama ins Weiße Haus gespült hätten.

Klarer formuliert: Obama hat den Wählern das Blaue vom Himmel versprochen, die sind darauf reingefallen, und danach hat er seine Versprechen gebrochen.

> Nun aber gerade die Schulden rauszugreifen, ist ziemlich unpassend.
Für Obamas Wahlkampf schon.
Ansonsten ist das ein ganz wichtiger Fakt für die Beurteilung seiner Amtszeit.

> dass allein im ersten Haushaltsjahr für Obama die durch
> Bush verursachte Neuverschuldung bei 1,5 Billionen $ lag.
Gähn. Die "Altlasten" der Vorgänger sind wohl die älteste Ausrede einer Regierung.
Natürlich hat er auch Schulden übernommen. Aber danach eben noch kräftig draufgesattelt, und dabei besonders seine Lobbygruppen mit Geld überschüttet.
Man kann ja diese Maßnahmen inhaltlich gut finden - aber sie waren eben schuldenfinanziert in einem bis dahin nicht gesehenen Ausmaß.

> verursachte zusätzliche Kosten durch Bushs Kriege
Das waren keine Privatkriege Bushs, sondern die von beiden Häusern und beiden Parteien mitgetragene Reaktion auf einen Angriff auf die USA.
Auch da kann man natürlich viel im genauen Ablauf kritisieren. Aber die durch die Kriegsführung verursachten Kosten waren im Großteil Konsens, da hat auch Obama als Senator mitgestimmt.

> Er versucht, sich als Kämpfer gegen das politische Washington
> zu inszenieren, ist aber seit Jahren Teil dieses Establishments;
Gängiger Wahlkampftrick seit Jahrzehnten - damit sind auch Clinton und Obama gewählt worden.

> er verdammte Obamacare, hat als Gouverneur aber selber im
> Wesentlichen dasselbe umsetzen wollen
Eben nicht "im wesentlichen dasselbe".
Nur weil es in beiden Fällen um Gesundheitsfragen geht, gibt es doch wesentlichen inhaltliche Unterschiede.
Insbesondere eben um die entscheidende Frage, ob solche Maßnahmen in die Kompetenz des Bundes gehören.
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B.Schuett
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 12. September 2012 - 12:11 Uhr:   

Es ist paradox, der Anteil der weißen Bevölkerung nimmt
immer mehr ab (2000: ca. 69 %, 2012: ca. 63 %), der Anteil
der konservativen Weißen entsprechend - die Republikaner
driften aber immer weiter nach rechts. Der frühere Governeur
von Florida, Jeb Bush, ein moderater Republikaner, hat sich
so geäußert, daß sein Vater mit seinen Ansichten heute kaum
noch eine Chance hätte, nominiert zu werden. Speziell die
heutige Immigrationspolitik der Republikaner spielt den
Demokraten in die Hände: Obama wird wohl wieder doppelt so viele
Stimmen der Hispanics erhalten wie sein Kontrahent.
Ich bin mir sicher: angesichts der miserablen wirtschaftlichen
Daten würden die Republikaner mit einem angesehenen, moderaten
Kandidaten die Wahl gewinnen. Aber wie erfolgreich heute solche
Politiker bei den Republikanern sind, hat man ja am Abschneiden
von Jon Huntsman (ehem. Governeur von Utah) gesehen, der auf niedrige einstellige Prozentanteile kam, während sich solche Politclowns
wie Newt Gingrich noch einige Zeit im Rennen hielten.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 12. September 2012 - 14:36 Uhr:   

Ralf Arnemann schrieb

quote:

Aber die durch die Kriegsführung verursachten Kosten waren im Großteil Konsens, da hat auch Obama als Senator mitgestimmt.



Obama ist 2005 Senator geworden, also hat er offensichtlich nicht als US-Senator für die Kriege von 2001 und 2003 gestimmt. Es wäre schon gut, wenn Du die Fakten nachschaust, anstatt einfach irgendwas zu erfinden.

Freundliche Grüße,
Arno Nymus
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 12. September 2012 - 20:36 Uhr:   

Viel propagandistisch aufgeladener Text kann nicht von der Tatsache ablenken, dass Obama pro Jahr im Schnitt mehr als doppelt soviel Schulden gemacht hat als sein bereits nicht gerade verantwortungsbewusster Vorgänger. Ich werde mich nicht auf dieses Niveau begeben, persönliche Auseinandersetzungen und Demagogie liegen mir nicht.
Es ist mitnichten so, dass Obama wegen seines fiesen Vorgängers so viele Schulden machte. Wer schon in den ersten Wochen seiner Amtszeit mal eben fast 800 Mrd. zusätzliche Schulden für ein Konjunkturprogramm macht, den kümmert die Verschuldung einen Dreck. Nach keynesianischer Logik ist hohes Defizit in einer Krise ja auch gerade die Lösung. Wer jemandem Einseitigkeit vorwirft, sollte selber um Ausgewogenheit bemüht sein, und nicht Bush zum Sündenbock machen, auch wenn der sicher große Mitschuld an der Verschuldung hat. Dieser hatte ja auch einen Vorgänger. Clinton gelang es einerseits in der zweiten Hälfte der 90er Jahre in fruchtbarer Zusammenarbeit mit dem republikanisch dominierten Kongress, die Verschuldung stark zu senken. Andererseits ist er der Hauptschuldige der Immobilienkrise. Seine Administration sorgte dafür, dass Fannie Mea und Freddie Mac anfingen, indirekt massenhaft Hypothekenkredite an die nicht kreditwürdige, überproportional aus Minderheiten bestehende Unterschicht zu vergeben, die angeblich bis dahin bei der Kreditvergabe diskriminiert worden war. Das katastrophale Ergebnis dieser Politik kennen wir. Fannie Ma und Freddie Mac hatten natürlich auch ihre mit Spenden bedachten Lobbyisten im Kongress. Einer davon war Senator Barack Obama.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 13. September 2012 - 00:10 Uhr:   

Die knapp 2 Bio. $ Neuverschuldung aus Obamas erstem Jahr entstammen nun mal weitgehend dem von Bush vorgelegtem Haushaltsplan. Dass Obama die Neuverschuldung im Jahr darauf nur auf 1,6 Bio. $ und 2011 auf 1,2 Bio. $ senken konnte, ist tatsächlich schade.[1] Einen Orden bekommt er dafür nicht; ich wollte mit meinem Einwand nur darauf hinweisen, dass Obama bei Amtsantritt eben nicht in der ausgezeichneten Position wie Bush war, dass der Vorgänger Clinton die Neuverschuldungsquote merkbar unter dem Wirtschaftswachstum hielt; sondern vielmehr in der miserablen Ausgangsposition, dass Obamas Vorgänger Bush ihm fürs erste Haushaltsjahr eine Rekordneuverschuldung in Höhe von fast 20% der bisherigen Gesamtverschuldung hinterließ. Ich stimme aber den Ausführungen zu, dass die ein Jahr vor Obamas Wahl aufbrandene Finanzkrise maßgeblich auf die Immobilienfinanzpolitik der 90er und den in dem Bereich aufgekommenen Derivatehandel zurückgeht.

Die reinen Zahlen zur Neuverschuldung pro Jahr im Vergleich zum Wirtschaftswachstum finden sich z.B. hier:
[1] http://www.sgipt.org/politpsy/finanz/schuldp/usa/usa0.htm

PS:

quote:

persönliche Auseinandersetzungen und Demagogie liegen mir nicht



Das kann aber kaum an fehlender Übung liegen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 13. September 2012 - 17:22 Uhr:   

Dass Bush ein unverantwortlicher Schuldenmacher war, ist offensichtlich. Ebenso, dass Obama ihn in dieser Hinsicht noch weit übertroffen hat.

Aber selbst wenn Bush hier noch schlimmer gewesen wäre als Obama, politisch wäre es nicht wichtig. Kritik am "deficit spending" kommt in den USA sowieso nur von rechts, insbesondere aus der Tea-Party-Ecke. Da wird Obama sowieso nicht gewählt und gilt als Sozialist oder Schlimmeres. Die Tea Party sieht sich ja auch gerade nicht als Teil des republikanischen Establishments. Dass ihre Forderungen wie niedrige Steuern, wenig Staat und ausgeglichener Haushalt von vielen für extremistische Spinnereien gehalten werden, ist nachvollziehbar. Aber das wirft eher ein schlechtes Licht auf ihre Kritiker statt auf die Tea Party-Bewegung.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 17:36 Uhr:   

Thomas Frings schrieb

quote:

Kritik am "deficit spending" kommt in den USA sowieso nur von rechts, insbesondere aus der Tea-Party-Ecke, insbesondere aus der Tea-Party-Ecke.



Das ist ja nicht ganz korrekt. Kritik daran kommt durchaus auch von links; von der Seite ist die Forderung aber meist moderater, da sie ja auch seltener einen ausgemergelten Staat fordern.
Auch haben diejenigen, die die lauteste Kritik daran äußern leider oft die unkonkretesten Vorstellungen (oder zumindest Pläne), wie das umzusetzen sei. Das fällt einem gerade bei der Tea Party auf. Da kann man ja eher mal ein "den ganzen Staatsapparat wegbomben" hören als ein realistisches Szenario zur Kostensenkung.

An den tatsächlichen Zahlen der Präsidenten seit dem 2. Weltkrieg gemessen sind wiederum sehr deutlich die Demokraten die besseren "Sparer"; die sechs demokratischen Präsidenten haben jeweils im Mittel ihrer jeweiligen Amtszeit die Neuverschuldung unter dem Wirtschaftswachstum gehalten, vier der fünf Republikaner (die Ausnahme: Nixon) hingegen haben dieses Ziel jeweils sehr deutlich verfehlt (allen voran die Schuldenkönige Reagan und Bush jr.). Obama wird es aber schwer haben, sein Defizit in der zweiten Amtszeit noch auszugleichen, falls er eine bekommen sollte. Bei Romney braucht man sich gar nicht erst Hoffnungen auf eine geringere Neuverschuldung machen.

Wer von beiden gewählt wird, wird aber am grundsätzlichen System(-fehler)* sicher nichts ändern - da kann man ganz entspannt die Wahl abwarten.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 19:34 Uhr:   

"Das ist ja nicht ganz korrekt. Kritik daran kommt durchaus auch von links; von der Seite ist die Forderung aber meist moderater,"
So moderat, dass sie keiner wahrnimmt.

"Auch haben diejenigen, die die lauteste Kritik daran äußern leider oft die unkonkretesten Vorstellungen (oder zumindest Pläne), wie das umzusetzen sei."
Romneys Vize-Kandidat Ryan hat da, im Gegensatz zur Gegenseite, sehr konkrete Pläne. Die Obama auf seiner Kampagne-Seite auch aufgreift und natürlich als größtes Übel hinstellt:
Ryan’s extreme budget plan, which Mitt Romney has embraced, would make deep spending cuts now to pay for tax cuts for the wealthy, which would weaken the recovery and cost the economy jobs.
http://www.barackobama.com/romney/ryan/

Wir lernen daraus: Sparen stört nach Ansicht von Obama nur bei der Erholung der Wirtschaft und nutzt den Reichen, ist also was ganz Schreckliches.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 21:36 Uhr:   

Naja, sagt ja nichts über das Defizit aus; kommt ganz drauf an, was da im Saldo übrig bleibt. Direkt mit Schuldenfinanzierung macht selten wer Werbung, aber letztlich kommt das doch fast immer raus, egal auf welcher Seite sie ansetzen wollen. Wobei Einnahmekürzungen immerhin den Vorteil haben, dass sie relativ leicht rückgängig zu machen sind, während Ausgabesteigerungen häufig lang faktisch bindend sind.

Mag auch sein, dass Ryan in der Beziehung glaubwürdiger ist, aber das heißt noch nicht, dass er sich auch durchsetzt oder gar am Schluss weniger neue Schulden (und sonstige Altlasten) rauskommen. Aktuell scheint Romney z.B. beliebig viel Geld im nahen Osten versenken zu wollen (muss man auch nicht unbedingt glauben). Als Wähler, dem sowas wichtig ist, hat man da echt ein Problem. Hoch gewichten kann man das kaum, weil das Resultat so unsicher ist.
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 19. September 2012 - 15:23 Uhr:   

Der Plan von Ryan ist leicht zu kritisieren, da er nur ein Problem löst, aber überhaupt nicht auf ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht abzielt.

Einfach nur den Haushalt sanieren und Schulden abbauen hilft ja nicht, um Wachstum zu erzeugen oder die Arbeitslosigkeit zu senken.

Die Annahme, das sich diese Faktoren positiv entwickeln, wenn nur der Haushalt saniert ist, verwechselt Ursache und Wirkung. Möglich ist eine positive Entwicklung, aber eben nur möglich, nicht einmal wahrscheinlich.

Auch ist es möglich, das der Plan sogar weitere Haushaltsdefizite herbeiführt, wenn z.B. die Wirtschaft massiv einbricht.

Aber darauf kommt es nicht an, wichtig ist festzuhalten, das der Plan einseitig ist.

Außerdem ist er Wirtschaftspolitisch nicht durchsetzbar. Selbst mit einer Mehrheit der Republikaner nicht, denn genug Abgeordnete und Senatoren werden das Paket aufschnüren, um für ihren Staat bzw. Wahlkreis mehr herauszuholen, wofür sie in den Medien auch noch belohnt werden.

So ähnlich ging es Obama mit der Krankenversicherung: so vieles musste er streichen, das sein Plan kaum wiederzuerkennen ist.

Obwohl er satte Mehrheiten hatte.

Ryan würde es ganz genauso ergehen, und am Ende werden aus den eingesparten Milliarden dann Millionen, was aber keinen Haushalt saniert.

Ich denke, Ryan weiß das genau, wie auch Romney, aber im Wahlkampf klingt der Plan einfach und populär, die Nachteile sind dagegen nur schwer erklärbar. Das ideale Wahlverspechen also.

Ähnlich wie die Bierdeckelansätze bei der Steuererklärung oder die Flat Tax von Paul Kirchhof.

Sie könnten funktionieren und sind leicht erklärbar. Die Nachteile klingen wie theoretisches Geschwafel, aber sie wären bei der Einführung greifbar.

Man darf nur nicht so dumm sein, solche Versprechen umzusetzen.
So wie die SPD sich mit der Agenda 2010 abgeschossen hat, denn die Vorteile traten nie ein, die Nachteile sind aber gerade für ihre Stammwähler nun offenbar.

Ryan ist klüger als Schröder. Es weiß, er kann es so ohnehin nicht durchsetzen, aber wenn es im Kongress scheitert, dann ist er ja nicht mal schuld.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 19. September 2012 - 16:21 Uhr:   

Spannend finde ich vor allem Romney's Kehrtwende bei Obamacare: er verspricht jetzt, die Möglichkeiten für Menschen mit Vorerkrankungen, sich zu versichern, zu erhalten - aber nur für diejenigen, die vorher ununterbrochen versichert waren.
Damit nimmt er genau diejenigen von der Krankenversicherung aus, für die er nun behauptet, 12 Mio. neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist eine ganz ganz bittere Pille für genau diejenigen, die angeblich von seinen Plänen am meisten profitieren sollen.
Das ist ungefähr so widersprüchlich als würde hier eine Partei gleichzeitig die steuerliche Gleichstellung von Homosexuellen und einen neuen Paragraphen 175 ankündigen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 19. September 2012 - 21:12 Uhr:   

"Spannend finde ich vor allem Romney's Kehrtwende bei Obamacare: er verspricht jetzt, die Möglichkeiten für Menschen mit Vorerkrankungen, sich zu versichern, zu erhalten - aber nur für diejenigen, die vorher ununterbrochen versichert waren."
Die Armen können sich doch bereits über Medicaid absichern (sofern nicht illegal, aber den Illegalen hilft Obamacare auch nicht). Wir sollten uns hier sowieso nicht in Detaildiskussionen über Sachen verlieren, von denen wir gar keine oder nur sehr begrenzte Ahnung haben. Jedenfalls ist die Realität komplex und nicht so, wie es normalen deutschen Medienkonsumenten erscheinen muss, dass die Armen bisher alle unversichert waren und ihnen nun Messias Obama die Erlösung bringt. Das erklärt zum Teil schon die nicht so große Begeisterung in den USA.

Wir sollten sowieso nicht die höchst einseitige Berichterstattung für bare Münze nehmen. Das sah man ja gestern wieder. Die deutschen Medien hyperventilierten über die heimlich mitgeschnittene Rede Romneys. Und zogen auch gleich Schlüsse wie jetzt habe sich Romney entlarvt, das sei sein Ende usw. Inhaltlich gehe ich darauf nicht ein. Aber ich halte solche Schlüsse mindestens für voreilig. Für linke Journalisten und der Mehrheit der Öffentlichkeit ist sowieso alles peinlich, was Romney und die Republikaner sagen oder tun und unterstellen wohl, dass sei für die Amerikaner auch so. Demokraten mögen sich in der Ansicht bestätigt fühlen, die Republikaner seien Schufte. Aber warum sollen sich Amerikaner, die Romney wählen und/oder Obama loswerden wollen, sich von dieser Rede abgestoßen fühlen?

"Einfach nur den Haushalt sanieren und Schulden abbauen hilft ja nicht, um Wachstum zu erzeugen oder die Arbeitslosigkeit zu senken."
Wie zahllose gescheiterte keynesianische Experimente mit populistischem Geldverteilen seit den 70er Jahren beweisen und jetzt auch Obama, dem es auch mit über 5 Billionen $ zusätzlichen Schulden nicht gelang, für einen nachhaltigen Aufschwung zu sorgen, ist der Staat gar nicht in der Lage, mit Mehrausgaben, Steueranreizen, Gelddrucken Protektionismus und sonstigem Staatsdirigismus Wachstum anzukurbeln, das über ein Strohfeuer hinausgeht. Der Aufwand von Staatsdirigismus steht garantiert in krassem Missverhältnis zum Nutzen, wenn es den überhaupt gibt. Die Immobilienkrise wurde ja z. B. damit in Gang gebracht, dass der Staat auf Teufel komm raus der Unterschicht zu eigenen Immobilien verhelfen wollte. Am Ende gab es fast nur Verlierer.
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 20. September 2012 - 00:38 Uhr:   

@Thomas Frings:

Wer hat den von den 70ern oder Keynes geredet?

Mir ging es nur um Ryans Plan, wie er einzuschätzen ist, und ob er realistische Chancen hätte, durchgesetzt zu werden.

Im ersten Punkt muss man sagen, er könnte den Haushalt sanieren und Schulden abbauen, aber er garantiert das nicht. Außerdem hat er das hohe Risiko, das man an einer Schraube dreht, aber nicht wirklich das Ganze reparieret.
Das er den Plan nie durch den Kongress kriegt, selbst bei republikanischer Mehrheit ist aber viel entscheidender. Der Plan ist schlicht nicht durchsetzbar, oder aber er wird abgespeckt, dann aber verfehlt er sein Ziel ganz sicher.

Ob Obama es richtig gemacht hat, bezweifele ich auch, aber das macht Ryans Plan eben nicht besser.

Und nun sind nicht die frühen 70er, als Brandt mit Keynes (oder trotz?) Haushaltsüberschüsse hatte, und noch die Schulden abbauen konnte.
Schon Schmidt konnte es mit Keynes nicht mehr.
BTW: Schiller trat aus Protest gegen Schulden zurück.
Würde Schäuble (oder vorher Steinbrück) das auch nur in Erwägung ziehen?
Da zeigt sich, wie “ernst” die Absicht ist.

Seitdem ist es hier überhaupt nicht gelungen, und Clinton hat es in den 90ern im Boom geschafft. Einen solchen haben wir nun mal nicht.

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht genau, wie man derzeit Haushaltsüberschüsse hier oder in den USA bekommen kann, aber jede Milliarde weniger Schulden macht den Abbau in der Boomphase leichter, das steht fest.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 20. September 2012 - 04:23 Uhr:   

@Ingo Zachos:
"Einfach nur den Haushalt sanieren und Schulden abbauen hilft ja nicht, um Wachstum zu erzeugen oder die Arbeitslosigkeit zu senken."

Ja, aber das Gegenteil langfristig noch weniger. Wobei insbesondere beim Wachstum schon die Frage ist, inwieweit es überhaupt ein wünschenswertes Ziel oder gar Aufgabe des Staats ist.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 20. September 2012 - 13:42 Uhr:   

@Thomas Frings
Das Problem ist ja, dass Medicaid nicht für alle eine richtige Krankenversicherung bietet ... ansonsten gäbe es in den USA ja nicht soviele Unversicherte.
Es ist für diejenigen nicht da, die ein richtiges Einkommen haben. Und die werden oftmals in Versicherungsverträge gelockt, die sich bei einer teuren schweren Erkrankung als wertlos erweisen, weil erst dann nach einer Vorerkrankung gefahndet wird, die die Zahlungspflicht aushebelt. Manche werden auch gar nicht aufgenommen, weil sie bereits eine solche Vorerkrankung kennen und angeben - liegen aber mit ihrem Einkommen über der Armutsgrenze und fallen so auch aus Medicaid heraus.

Und genau das ist die Gruppe, die Romney so zweischneidig umwirbt: er gibt ihnen eine Arbeit, die ihnen Einkommen verschafft - während sie nach aktueller Rechtslage von der Armenversicherung Medicaid in Obamacare wechseln könnten, stehen sie nach Romneys Plänen ohne Versicherung da! Das gilt natürlich auch für diejenigen, die während der Obama-Regierung schon wieder Arbeit gefunden haben.

Die 47% sind laut Romney Menschen, die ernsthaft glauben, sie hätten ein Anrecht auf Gesundheitsversorgung, etwas zu Essen und ein Dach überm Kopf. Der Umkehrschluss: Obdachlosigkeit, Verhungern und das Sterben an eigentlich behandelbaren Krankheiten sind für Romney eigentlich akzeptable Randerscheinungen einer freien Marktwirtschaft.
Selbst ein FDP-Bundesparteitag würde einen solchen Redner mit Moet-Chandon-Flaschen steinigen!
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 20. September 2012 - 17:28 Uhr:   

@ Ratinger Linke:

Kein Wachstum und die Arbeitslosigkeit nicht senken? ("Das Gegenteil")

Wer schlägt denn das als Ziel vor?

Das ist ganz klar keine mehrheitsfähige Option.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 20. September 2012 - 18:37 Uhr:   

"Die 47% sind laut Romney Menschen, die ernsthaft glauben, sie hätten ein Anrecht auf Gesundheitsversorgung, etwas zu Essen und ein Dach überm Kopf. Der Umkehrschluss: Obdachlosigkeit, Verhungern und das Sterben an eigentlich behandelbaren Krankheiten sind für Romney eigentlich akzeptable Randerscheinungen einer freien Marktwirtschaft."
Bewusste (?) Verdrehung. Romney sagte, diese Menschen meinten, sie hätten ein Recht darauf, das vom Staat geliefert zu bekommen und dass er diese Menschen nie davon überzeugen werde, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Dass die Menschen selbst schauen sollten, wie sie klar kommen, statt nach dem Staat zu schreien, also auf Kosten anderer zu leben (Sozialisten nennen das Solidarität), dem kann eigentlich kein vernünftiger Mensch widersprechen, schon gar kein Liberaler. Da die FDP allerdings keine liberale Partei ist, ist es aber wahrscheinlich richtig, dass Romney bei einem Auftritt auf einer FDP-Veranstaltung auf ein sehr feindliches Publikum stoßen würde. Übrigens ist "freie Marktwirtschaft" ein Pleonasmus. Es gibt keine Marktwirtschaft ohne Freiheit (und umgekehrt).

Der Rest ist auch nur Halbwahrheit. Arbeitgeber mit mindestens 25 Beschäftigten waren z. B. bisher schon verpflichtet, eine HMO anzubieten und das ist auch eine sehr häufige Versicherungsform.

Worauf es aber ankommt, ist nicht unsere Meinung, sondern die der Amerikaner. Republikaner werden Romneys Aussagen wohl kaum abschrecken, allerdings könnten sie die Demokraten ein wenig Mobilisierungseffekt haben und US-Wahlkämpfe sind vor allem Mobilisierungswahlkämpfe. Am Ende ist es wahrscheinlich ein Sturm im Wasserglas.

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