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Archiv bis 25. November 2010

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Landtagswahlen in Deutschland » Landtagswahl in Schleswig-Holstein » Archiv bis 25. November 2010 « Zurück Weiter »

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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 10. September 2010 - 09:35 Uhr:   

So wird es ganz sicher nicht laufen. Für die (weiter überhangträchtige und damit nicht klar verfassungskonforme) Minimallösung steht ja vorallem die SPD, während das in der Koalition jedenfalls nicht konsensfähig ist. Falls sie letztlich trotzdem in diese Richtung geht, wird sie sich zumindest mit der SPD einigen können. Wenn die Koalition tatsächlich einen eigenen Vorschlag durchdrücken will, wird das dagegen ein Systemwechsel sein.

Wahrscheinlicher ist aber, dass trotz der harten Worte seitens der (offensichtlich wenig kompetenten) Fraktionsspitzen ein Gesamtkonsens auf eher fachlicher Ebene gesucht wird, zumal eine interne Abstimmung bei der CDU praktisch nicht vorhanden ist, und dabei kann eigentllich nur eine Lösung mit Mehrmandatswahlkreisen rauskommen, was zumindest auch für SSW und Linke akzeptabel ist. Die Grünen sind zwar stark auf ihren Vorschlag fixiert, sollten aber grundsätzlich überzeugbar sein. Die SPD wird letztlich auch damit leben können, wenn es weiter geschlossene Landeslisten gibt.

Offen ist jedenfalls die genauere Ausgestaltung. Die FDP legt offenbar auf das Panaschieren und Kumulieren Wert, der SSW ist für ein Einstimmensystem. Der Rest hat sich zu solchen Fragen noch nicht geäußert. Die Grünen wollen allerdings bei Kommunalwahlen ein Panaschier-und-Kumulier-System, wobei sie aber noch nichtmal bei der Bestandsaufnahme der Möglichkeiten sind. Erst nach der Entscheidung für ein neues Kommunalwahlsystem sollen Modelle für die Landtagswahl geprüft werden, obwohl das jetzt ansteht. Ob das so auf dem Parteitag beschlossen wird, halt ich aber für fraglich.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Freitag, 10. September 2010 - 15:44 Uhr:   

Bei den Grünen liegt jetzt (wie zu erwarten war) ein Änderungsantrag vor.

"Darum werden wir jetzt die Chance für eine umfassende Neuordnung des Wahlrechts zu mehr direkten Bürgereinfluss nutzen und die notwendigen Verhandlungen mit den Fraktionen und Parteien in diesem Sinne zu führen. Basis wären der Vorschlag des Vereins Mehr Demokratie und die Modelle aus Hamburg und Bremen."

Vordringliches Ziel wären demnach nicht die Mehrmandatswahlkreise (die durch Änderung von 30 auf höchstens 30 Wahlkreise ermöglicht werden), sondern die Form der Personalisierung.
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 12. September 2010 - 02:50 Uhr:   

Der Zeitplan ist jetzt doch etwas straffer als von Kubicki angekündigt. Bis Ende Oktober sollen alle Fraktionen ihre Vorschläge vorstellen; in der Dezembersitzung (15.-17.) soll es eine erste Lesung geben. Unklar ist, ob das schon ein gemeinsamer Gesetzentwurf sein soll oder diverse konkurrierende. Das bestehende Verfahren zum Entwurf der Grünen will man also offenbar nicht nutzen (ist aber auch praktisch relativ egal, wenn man sich zunächst eh nicht im zuständigen Ausschuss sondern in informellen Runden beim Landtagspräsidenten verständigen will).
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Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 12. September 2010 - 22:04 Uhr:   

Die Grünen haben offenbar den ursprünglichen Antrag beschlossen und beharren damit auf ihrem Gesetzentwurf. Vermutlich ist die Quote wichtiger als der Bürgereinfluss. Wobei sie dann konsequenterweise keine Direktkandidaten aufstellen dürften, zumindest da, wo die Gefahr besteht, dass sie gewählt werden.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 27. Oktober 2010 - 18:34 Uhr:   

Die CDU will das Problem nun doch mit einer Verfassungsänderung lösen, hat das aber nichtmal mit der FDP abgesprochen. Daneben soll es eine Alibireduzierung auf 37 Wahlkreise geben. Die SPD findet die Vorschläge "interessant".

http://www.ndr.de/regional/schleswig-holstein/cduwahlgesetz101.html
http://www.ltsh.de/presseticker/index.html
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 27. Oktober 2010 - 20:08 Uhr:   

Noch interssanter finde ich die von der CDU vorgeschlagene Rückkehr zu einer Stimme. Das ist auch noch der mit Abstand vernünftigste Teil des CDU-Vorschlags. Das könnten CDU und SPD theoretisch allein beschließen. Für eine Verfassungsänderung fehlen ihnen aber fünf Stimmen.

Auffällig ist insgesamt, dass weder CDU noch SPD noch FDP noch Grüne auf die Idee kommen, die Einerwahlkreise in Frage zu stellen. Da müsste aber jede sinnvolle Reform ansetzen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 27. Oktober 2010 - 22:03 Uhr:   

Dass die CDU zum Einstimmensystem tendiert, falls sie sich für eine Minimallösung entscheidet, war ja schon ziemlich klar, und die SPD hat das ja auch schon explizit genannt. Interessant ist eher, dass sie das gegen die FDP durchsetzen will, obwohl die Koalition unbedingt einen gemeinsamen Vorschlag vorlegen wollte, und das am Tag vor dem Treffen dazu (das erst direkt vor Fristablauf stattfindet) lanciert. Über die Replik auf die Reaktion der Grünen ist inzwischen auch offiziell bestätigt, dass das tatsächlich der Vorschlag der CDU ist.

Unklar ist mir, was sich die CDU davon verspricht. Ohne die FDP wird es so gut wie sicher keine Verfassungsänderung geben, und ohne Verfassungsänderung ist der Vorschlag selbst nach Aussage von CDU-Politikern völlig untauglich. Die FDP ist momentan auch nicht in der Position, in der sie es sich ohne Weiteres leisten kann, in aller Öffentlichkeit dermaßen vor der CDU einzuknicken.

Abgesehn davon ist es mindestens pikant, wenn der Landtag den Zustand seiner Verfassungswidrigkeit durch entsprechende Änderung der Verfassung beseitigt. Nicht umsonst haben das alle Politiker nach der Urteilsverkündung weit von sich gewiesen. Die Frage ist, welche Aussicht da etwaige Klagen hätten.

Bei den Mehrpersonenwahlkreisen mangelt es sicher nicht an der Idee. In der CDU ist das zumindest ernsthaft diskutiert worden, bei der FDP ist bisher unklar, ob nicht sogar die eigenen Vorstellungen (sofern vorhanden) in diese Richtung gehn (laut shz.de ist sie aber eher voll auf der Linie der Grünen), bei den Grünen hat der Parteitag derartige Überlegungen explizit abgelehnt, und der SSW präferiert ohnehin ein am dänischen Modell angelehntes Wahlrecht. Klar ist aber, dass man in Schleswig-Holstein mit Einerwahlkreisen einfach keine mit der bisherigen Verfassung konforme Lösung bekommen wird, wenn man an die 50% Direktmandate (oder noch mehr) haben will.
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Casper
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 28. Oktober 2010 - 08:50 Uhr:   

Ratinger Linke: "und der SSW präferiert ohnehin ein am dänischen Modell angelehntes Wahlrecht"

Das dänische System besteht ja eben auch aus Mehrsitzwahlkreisen mit Ausgleich.}
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 28. Oktober 2010 - 18:32 Uhr:   

Die Aussagen bezüglich CDU und FDP werden immer widersprüchlicher:

"CDU und FDP ringen in Schleswig-Holstein weiter um einen gemeinsamen Vorschlag für die Novellierung des Wahlrechts. Bei Gesprächen am Dienstag habe es Annäherungen gegeben, sagte CDU-Fraktionssprecher Dirk Hundertmark am Donnerstag. Über Einzelheiten hätten beide Seiten jedoch Stillschweigen vereinbart. Sowohl Union als auch Liberale zeigten sich zuversichtlich, einen gemeinsamen Vorschlag vorlegen zu können. Für Freitag sind weitere Gespräche geplant."

Hamburger Abendblatt, nur über Suchmaschinen kostenlos zugänglich.

Auf shz.de ist obiger Artikel inzwischen ziemlich verändert; demnach will Kubicki "um die 30 Wahlkreise"; einen relativ guten Kommentar dazu gibts auch (bloß erwähnt er am Schluss nicht die Konsequenz von Mehrmandatswahlkreisen).

Konkrete Eckpunkte gibts jetzt vom SSW, der demnach auch auf den Erhalt des bisherigen Systems samt Zweistimmenwahlrecht eingeschwenkt ist. Dabei will er 23 Wahlkreise, was immerhin eine taugliche Problemlösung wäre. Erwähnenswert ist noch, dass er einen Zuschnitt der Wahlkreise nach Wahlberechtigten statt Bevölkerung erwägt.

Die Linke hat auch Vorschläge eingereicht, aber nicht veröffentlicht. Klingt aber auch nach einer grundsätzlichen Beibehaltung des bisherigen Systems. Wenn dabei Überhang tatsächlich "mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen" werden soll und zudem das angestrebte Quotensystem nicht zu völlig unvermittelbaren Ergebnissen führen soll, bedeutet das aber jedenfalls höchstens 30 Wahlkreise.

Wobei grundsätzlich die Frage ist, wie ernst das Vermeiden von Überhang praktisch genommen wird. Die CDU hat sich ja im Koalitionsvertrag auch darauf festgelegt, und im konkreten Vorschlag ist davon praktisch nichts übrig geblieben.

Die CDU hat inzwischen erneut mit einer Pressemeldung reagiert.

@Casper: Ja, war auch so gemeint, dass der SSW eben entsprechend informiert ist.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 29. Oktober 2010 - 22:10 Uhr:   

Von Mehr Demokratie gibts jetzt einen konkreten Gesetzentwurf (und eine Pressemitteilung zu den anderen Vorschlägen).

http://sh.mehr-demokratie.de/

Ist auch schon im Landtag angekommen; dort gibts als Bonus noch einen Vorschlag von Behnke dazu (20 2er- oder 14 3er-Wahlkreise, offenbar auch mit unwirksamer separater Wahlkreisstimme) sowie seinen Vorschlag mit 2er-Wahlkreisen für den Bundestag (umfangreicher Artikel aus ZParl):

http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/umdrucke/1400/umdruck-17-1420.pdf

Damit ist klar, wie die Einzelbewerber funktionieren sollen: Sie laufen im Wahlkreis mit und erhalten einen Sitz, wenn die 0,7er-Höchstzahl zieht. Solche Sitze werden (wie bisher) vom Kontingent der Verhältniswahl abgezogen. Etwaige weitere Sitze werden im Wahlkreis anderweitig verteilt, während ein nicht besetzbarer erster Sitz zur Verteilung an die Landeslisten geht und bei späterem Ausscheiden leer bleibt. Die Grundmandatsklausel wird gestrichen.

Das doppelte Stimmengewicht bei der Wahl von Einzelbewerbern (oder Parteien ohne Landesliste) bleibt erhalten. Allerdings war es bisher praktisch kaum relevant, während nun Sitze für Einzelbewerber realistisch werden. 12% können ohne Weiteres reichen. Damit wird man als Wähler gezwungen, einen akzeptablen Einzelbewerber der präferierten Partei (für die die Wahlkreisstimme nahezu wertlos ist) vorzuziehen. Die meisten Wähler werden das nicht bemerken, aber einer Partei könnte die Möglichkeit zur Stimmenverdopplung schon auffallen (außerhalb Deutschlands kommen sie typischerweise selbst bei Standardzweistimmenwahlrecht auf diese Idee).

Wählerseitig wird das Überhangproblem dadurch etwas entschärft, dass nicht vergebene Wahlkreisstimmen zwangsweise an die gewählte Partei gehn. Nachdem man offenbar nicht damit rechnet, dass diese keine Wahlkreisliste hat, hat man wohl nicht durchblickt, dass eine Partei sich schadet, wenn sie eine Wahlkreisliste aufstellt, anstatt ihre Kandidaten separat laufen zu lassen.

Nebenwirkung davon ist, dass es nicht mehr trivial ist, eine ungültige Wahlkreisstimme abzugeben (selbst Streichung hilft nicht), was in Konflikt mit der Freiheit der Wahl stehen könnte.

Nicht vergebene Wahlkreisstimmen sollen auch (analog zum Thüringer Kommunalwahlrecht) konkreten Personen zugeordnet werden. Die Begründung legt nahe, dass man das System nicht besser verstanden hat, als es ein durchschnittlicher Wähler verstehen wird. Mit den Wahlkreisstimmen erreicht man ja gerade nicht, dass die gewählte Partei besser vertreten ist (selbst bei Überhang, da weitgehend ausgeglichen werden soll). Falsch ist auch die Behauptung, dass das das übliche System wäre. Meines Wissens gibt es Vergleichbares wirklich nur in Thüringen, aber da handelt es sich zumindest um Stimmen, die tatsächlich für die Partei zählen.

Bemerkenswert ist noch, dass die Wahlkreislisten mindestens 4 Kandidaten (und höchstens 8) umfassen müssen. Damit wird es für die Parteien noch unattraktiver, überhaupt welche aufzustellen.

Übersehn hat man, dass die bisherige Regelung zur Aufstellung von Wahlkreisbewerbern (im Wahlgesetz ist die Wahl per relativer Mehrheit ausdrücklich festgeschrieben) nun nicht mehr vernünftig funktioniert.

Die Option zur Personalisierung auch der Landeslisten hat man nicht umgesetzt (würde auch die Chancen zur Verwirklichung deutlich verringern bzw. hat das schon getan).

Abgesehn von ein paar kleineren Mängeln (die Formulierung ist auch nicht gerade vorbildlich) liegen alle wesentlichen Probleme letztlich nur an der separaten "Landesstimme". Wenn man darauf verzichten würde und stattdessen die Wahlkreisstimmen zur Grundlage für den Verhältnisausgleich machen würde, hätte man ein Wahlsystem, das jedenfalls deutlich besser als die meisten üblichen Systeme ist.
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Martin Fehndrich
Moderator
Veröffentlicht am Freitag, 29. Oktober 2010 - 23:48 Uhr:   

@RL
Es ist auch weiter eine Art negatives Stimmgewicht möglich, dadurch daß Überhangmandate einer unter 5%-Partei nicht ausgeglichen, sondern sogar aus dem Proporz genommen werden. Mit den Mehrsitzwahlkreisen wird das auch ein Stück realistischer.

Das doppelte Stimmgewicht gilt nicht nur für Einzelbewerber, sondern auch bei zwei nicht konkurrierenden Parteien z.B. DVU und NPD, wenn von denen eine nur in den Wahlkreisen, die andere nur mit einer Landesliste kandidiert.

Das hängt beides (das erste faktisch) am Versuch das Zweitstimmensystem zu retten. Aber nicht nur auf diese Zweit- oder Viertstimme kann man verzichten, die drei Wahlkreisstimmen erscheinen ziemlich viel für die wenigen Kandidaten. Warum sollte man da nicht kumulieren? Dann kann man das ganze ohne Nachteil auf eine Stimme reduzieren und es wäre dann weiterhin oder sogar besser als jetzt auszählbar.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 30. Oktober 2010 - 09:29 Uhr:   

Für einen taktisch rational handelnden und informierten Wähler ist es auch bei längeren Listen so gut wie nie sinnvoll, nicht maximal zu kumulieren. Das Streuen von Stimmen rentiert nur, wenn man mangels Information die Wirkung überhaupt nicht absehn kann.

Der Hauptschaden des Kumulierens (und noch mehr des Panaschierens) ist, dass man damit die viel wichtigere Möglichkeit von Ersatzstimmen verbaut. Wäre zwar bei 3 Stimmen und 4er-Wahlkreisen noch durchführbar, aber für durchschnittliche Wähler nicht mehr einfach handhabbar. Ansonsten erkauft man sich halt die subjektive Befriedigung einiger Wähler mit höheren Kosten, langsamerer Auszählung und mehr ungültigen Stimmen.

Praktisch dürfte das Kumulieren aber auch noch den Vorteil haben, dass man damit in der Regel Gewicht von den Spitzenkandidaten abzieht und damit die Selektion eines eventuellen zweiten Listenmandats auf einer etwas weniger schmalen Basis steht. Dafür wird die Position des Spitzenkandidaten wohl eher noch gestärkt, wenn ausnahmsweise ein anderer reale Aussichten auf die meisten Stimmen hätte.

Man kann das Kumulieren auch vor dem normalen Wähler verstecken, indem nur 1 Ankreuzmöglichkeit pro Kandidat vorgesehen wird und ein einzelnes Kreuz automatisch dreifach zählt. Eine 2er-Kumulation müsste man dann durch die Zahlenangabe kennzeichnen. Das Ergebnis wird wesentlich davon abhängen, wie man das kommuniziert. Das könnte alles die Wahlordnung regeln, obwohl es eigentlich eine ziemlich wesentliche Entscheidung ist.

Entscheidend ist die Kommunikation auch bei der vorgesehenen automatischen Vergabe der Wahlkreisstimmen. Wenn sich ein wesentlicher Teil der Wähler auf die Landesstimme beschränkt, sind die Kandidaten jenseits von Platz 3 reine Dekoration.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 30. Oktober 2010 - 13:58 Uhr:   

Der Vorschlag hat dieselben Systemfehler wie das Hamburger Wahlrecht. In der Tat wäre es sinnvoll, die Stimme für die Landesliste zu streichen und die Zahl der Stimmen für die Wahlkreislisten auf eine zu reduzieren. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen wird eine Wahlkreisliste sowieso nur null bis zwei Sitze kriegen.

"Nicht vergebene Wahlkreisstimmen sollen auch (analog zum Thüringer Kommunalwahlrecht) konkreten Personen zugeordnet werden. Die Begründung legt nahe, dass man das System nicht besser verstanden hat, als es ein durchschnittlicher Wähler verstehen wird."
Man scheint auch nicht verstanden zu haben, dass damit die angestrebte Personalisierung abgeschwächt wird.


Nicht durchdacht ist auch die Regelung zur Wahlkreiseinteilung. Man will 11 Wahlkreise mit gleicher Sitzzahl. Wohl nicht ganz zufällig hat SH 11 Bundestagswahlkreise, so dass es nahe läge, diese auch für Landtagswahlen zu benutzen. Aber für die Landtagswahlkreise will man nur noch maximal 15% Abweichung zulassen. Damit könnte es passieren, dass man die Bundestagswahl kreise doch nicht nehmen kann. 15% ist sowieso willkürlich. Ein Wahlkreis, der 15% nach unten oder oben abweicht, hat rechnerisch eine Idealansruch von 3,4 bzw. 4,6. Die einzig vernünftig zu begründende Grenze wäre 12,5%.
Sinnvoller wäre es, statt einer fixen Sitzzahl eine Spanne vorguben. Bei Wahlkreisen mit 3 bis 5 Sitzen wäre eine Einteilung ohne Durchschneidung von Kreisgrenzen möglich.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 30. Oktober 2010 - 17:52 Uhr:   

Die 15% wären nicht das Problem, nachdem ja auch beim Bundestag diese Grenze eingehalten werden soll. Ende 2008 war nur Lübeck mit ungefähr -15,04% (die Strukturdaten beim Bundeswahlleiter sind auf volle 100 gerundet) minimal jenseits der Grenze. Allerdings ist in Schleswig-Holstein schon ein durchschnittlicher Wahlkreis um 2,38% zu klein, weswegen für die Landtagswahl schon eine bundesweite Abweichung von gut 12% die Grenze nach oben ist.

Außerdem beziehn sich die Zahlen für den Bundestag nur auf die deutsche Bevölkerung, die für den Landtag dagegen auf die gesamte Bevölkerung. Pinneberg wird bei den für den nächsten Bundestag maßgeblichen Zahlen wohl noch deutlich unter +13% sein, für die Landtagswahl dagegen schon bei +17,0% (eigentlich müssten die Zahlen von Ende 2008 für eine Wahl im Jahr 2012 maßgeblich sein, aber die Landeswahlleiterin verwendet offenbar die römische Zählung, dann wäre es Ende 2009). Segeberg ist bei +16,9%, wird aber auch schon im Bericht der Bundestagswahlkreiskommission oberhalb von +15% sein. Lauenburg ist bei +15,4%; beim Bundestag besteht noch kein Änderungsbedarf.

Wobei das einzige reale Problem Pinneberg ist, wo der Wahlkreis dem Kreis entspricht. Da wäre eine Änderung wohl nicht mit dem BWG vereinbar, solang die Abweichung unter 15% ist und auch sonst keine bundestagsspezifischen Gründe vorliegen, für die Landtagswahl aber zwingend erforderlich. Ansonsten sind die Kreise eh schon zerstückelt, und Segeberg und Lauenburg müssten über kurz oder lang ohnehin was an Steinburg, Plön und Ostholstein abgeben, die beim Bundestag alle nah bei -15% mit abnehmender Tendenz sind. Da ließe sich beim Bundestag sicher eine Anpassung (schon bevor sie unvermeidbar ist) durchsetzen. Pinneberg müsste nur für die Landtagswahl mindestens das Amt Hörnerkirchen plus Klein Offenseth-Sparrieshoop an Steinburg abgeben.

Wenn man die Berechnungsgrundlage auf Wahlberechtigte ändert, war Pinneberg bei der Bundestagswahl noch bei +14,64%, dafür aber Segeberg schon bei +18,14% und Lauenburg bei +16,73%. Nach gültigen Stimmen waren alle drei Wahlkreise noch deutlich weiter oberhalb vom Schnitt (Lauenburg bei +21,86%).

Alles ist natürlich davon abhängig, dass sich beim Bundestagswahlrecht nichts Wesentliches ändert. Wenn es bei 299 Wahlkreisen bleibt, sind die 11 für Schleswig-Holstein aber langfristig ziemlich sicher. Bei getrennten Wahlgebieten würde Schleswig-Holstein rechtzeitig zur nächsten Bundestagswahl einen 22. Sitz bekommen, so dass bei 50% die 11 Wahlkreise auch dann gesichert wären.

Gegen die (weitgehende) Übernahme der Bundestagswahlkreise spricht, dass sie im Schnitt ziemlich schlecht geschnitten sind und sich wohl auch nicht wesentlich besser schneiden lassen. Gemeinsame Wahlkreise haben aber auch Vorteile; letztlich ist da die Entscheidung Geschmackssache. Dass man die Spanne zwischen Idealansprüchen von 3,5 und 4,5 wohl nicht einhalten kann, spricht aber sicher dafür, gleich schön geschnittene Wahlkreise mit 3 bis 5 Sitzen zu nehmen (Wahlergebnis dazu).
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 01. November 2010 - 22:31 Uhr:   

Laut Hamburger Abendblatt haben sich zwar CDU und FDP nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag einigen können, die FDP schließt aber eine Verfassungsänderung nicht aus. Damit könnte es letztlich doch auf 35 Wahlkreise, Zweistimmenwahlrecht und Verfassungsänderung rauslaufen. Nach der Wahl kann man dann ja wieder auf 40 Wahlkreise erhöhen. Fraglich ist nur, warum sich dann CDU und FDP nicht schon vorher darauf einigen können oder wollen.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 24. November 2010 - 21:16 Uhr:   

Wie vermutet läuft es auf Verfassungsänderung, 35 Einerwahlkreise, Zweistimmenwahlrecht und Wegfall der Ausgleichskappung raus. Das ist jetzt zumindest der gemeinsame Vorschlag von CDU und FDP und deckt sich weitgehend mit den Vorstellungen der SPD, die als Preis für die Zustimmung noch einen möglichst frühen Wahltermin durchdrücken will (als Kompromisslösung wird ein gemeinsamer Wahltermin mit Hamburg, also wohl im Februar 2012, gehandelt).

Dass die FDP dermaßen einknickt, ist erstaunlich, nachdem das, was wohl immer noch im Wesentlichen ihre eigentliche Position ist, im Koalitionsvertrag steht:

"Die Landesverfassung sieht vor, dass der Landtag grundsätzlich aus 69 Abgeordneten bestehen soll. Nach der letzten Landtagswahl wurde deutlich, dass das aktuelle Wahlrecht nicht ausreicht, diese Vorgabe in einem Parlament mit fünf bis sechs Fraktionen abzubilden. Deshalb wollen CDU und FDP zeitnah das Landeswahlrecht mit der Zielsetzung überarbeiten, eine Überschreitung der in der Landesverfassung vorgesehenen Landtagsmandate zu vermeiden."

Da steht eigentlich ziemlich klar drin, dass das Wahlgesetz an die Verfassung anzupassen ist und nicht umgekehrt, wie es jetzt gemacht werden soll.

Sonstige Details sind noch nicht bekannt, aber wahrscheinlich wird auch Sainte-Laguë kommen, nachdem das die SPD will und die FDP wohl zumindest gegen D'Hondt ist. Wesentlich engere Grenzen für die Wahlkreisgrößen sind wohl eher unwahrscheinlich, nachdem sich bei der CDU in den potenziellen Verliererkreisen jetzt schon Widerstand regt. Bei 5 Wahlkreisen weniger ist nicht unbedingt eine komplette Neueinteilung nötig, sondern es werden wohl eher 5 Wahlkreise aufgelöst und sonst die Grenzen nur marginal verändert. Das könnte durchaus noch Verzögerungen verursachen, aber wenn CDU, FDP und SPD die Sache tragen (potenziell auch noch die Linke), sind etliche Abweichler drin (zumindest beim Wahlgesetz, aber auch für die Verfassungsänderung wär die Mehrheit nicht direkt knapp).

Unterdessen haben heute Grüne und SSW einen gemeinsamen Gesetzentwurf (noch nicht online, aber auch in der Pressemitteilung) mit 27 Einerwahlkreisen vorgelegt. Ansonsten ist er (bis auf eine Fehlerkorrektur) identisch mit dem bisherigen Gesetzentwurf der Grünen. Reaktionen: CDU, SPD.

Das Wahlrecht war heute auch Thema im Innen-und-Rechtsausschuss.

Nebenbei bemerkt wird momentan auch ein Weisungsrecht der Parlamente gegenüber den Vertretern im Bundesrat diskutiert:

http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/themen/thema-weisungsrecht.html
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 24. November 2010 - 23:16 Uhr:   

"Dass die FDP dermaßen einknickt, ist erstaunlich"
Nö, wieso soll denn gerade die Landtagsgröße für die FDP der wichtigste Punkt sein? Die Abschaffung von d'Hondt ist für sie wichtiger und das in Verbindung mit einer nicht allzu drastischen Reduktion der Landtagswahlkreise ist optimal für die Wiederwahlchancen ihrer Abgeordneten. Für die CDU ist dagegen die Zahl der Wahlkreise wichtiger als die Beibehaltung von d'Hondt. Schließlich betrifft der Wegfall von Wahlkreisen direkt bestimmte Fraktionsmitglieder. Eher komisch ist da schon, dass die SPD d'Hondt nicht mehr will.

"Nebenbei bemerkt wird momentan auch ein Weisungsrecht der Parlamente gegenüber den Vertretern im Bundesrat diskutiert"
Auf die Rechtsgültigkeit der Bundesratsbeschlüsse hätte ein von der Weisung abweichendes Verhalten aber keine Auswirkung. Letztlich kann der Landtag die Regierung nicht zwingen, in einem bestimmten Sinne abzustimmen. Solange es eine Mehrheitsregierung gibt, wird das sowieso kaum praxisrelevant sein.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. November 2010 - 00:39 Uhr:   

Wenn das Sitzzuteilungsverfahren für die FDP in Schleswig-Holstein wichtiger als die Landtagsgröße wär, würd wahrscheinlich im Koalitionsvertrag (wo D'Hondt trotz unabhängig vom Urteil des Landesverfassungsgerichts beabsichtigter Wahlrechtsänderung nicht infrage gestellt wird) was Anderes stehn. Auch die Fragen an den wissenschaftlichen Dienst und bei der öffentlichen Anhörung sowie was an geforderten Eckpunkten für einen Gesetzentwurf bekannt geworden ist legen nahe, dass ihr die Landtagsgröße deutlich wichtiger war.

Dass sich das nicht unbedingt mit den persönlichen Interessen der einzelnen Abgeordneten deckt, mag ein Grund für das Nachgeben sein, aber Entscheidungen für die politischen und gegen die unmittelbar persönlichen Interessen sind nicht so ungewöhnlich. Parlamente sind schon ziemlich oft mit recht breiten Mehrheiten verkleinert worden, was bei ausschließlicher Orientierung am Eigennutzen praktisch unmöglich wär. Bei der FDP dürfte der Anteil der Parlamentarier, die sich als reine Berufspolitiker bis zur Pensionierung begreifen, auch deutlich niedriger sein als bei der CDU oder SPD; insbesondere nach einem weit überdurchschnittlichen Wahlergebnis.

Übrigens noch die Stellungnahme des wissenschaftlichen Diensts zur Verfassungsmäßigkeit einer deutlichen Reduzierung der Wahlkreise (Anfrage der Grünen; sowohl Frage als auch Antwort scheinen unausgesprochen zu unterstellen, dass es sich stets um Einerwahlkreise handelt):

http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/umdrucke/1500/umdruck-17-1514.pdf

30 Wahlkreise werden für verfassungsgemäß gehalten; bei 23 Wahlkreisen (1/3, alter SSW-Vorschlag) macht der wissenschaftliche Dienst keine klare Aussage.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. November 2010 - 17:35 Uhr:   

"Parlamente sind schon ziemlich oft mit recht breiten Mehrheiten verkleinert worden, was bei ausschließlicher Orientierung am Eigennutzen praktisch unmöglich wär."
Nicht unbedingt. Vielleicht stimmte manche nur dafür, weil sie es sowieso nicht verhindern konnten. Ein Beispiel war vor zwei Jahren die einstimmig beschlossene Selbstauflösung des hessischen Landtags. Die SPD konnte das nicht verhindern und stimmte zu. Wäre in Hessen ein Zweidrittelmehrheit dafür nötig (wie in vielen anderen Ländern), hätte die SPD die Auflösung blockieren können und das wahrscheinlich auch getan. Nebenbei waren Sachsen und Berlin in den letzten Jahrzehnten die einzigen Länder, wo man die Zahl der Wahlkreise um ein Viertel reduzierte. Ansonsten waren es, wenn überhaupt, 8-15%:

Bayern: von 104 auf 92 (unfreiwillig)
Schleswig-Holstein: von 45 auf 40
Niedersachsen: von 100 auf 87
NRW: von 151 auf 128
Sachsen: von 80 auf 60
Berlin: von 120 auf 90, später 78
Sachsen-Anhalt: von 49 auf 45

Es ist insgesamt sehr selten, dass die Zahl der Wahlkreise wesentlich geändert wird.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 25. November 2010 - 19:25 Uhr:   

Wenn ausschließlich die persönlichen Wiederwahlchancen entscheidend wären, wäre schon eine einfache Mehrheit bei Verkleinerungen aussichtslos, geschweigedenn eine 2/3-Mehrheit. Ob die Zahl der Wahlkreise oder die Gesamtsitzzahl relevant ist, ist unterschiedlich. Die potenziellen Abgeordneten der FDP profitieren nur deshalb in Schleswig-Holstein von vielen Wahlkreisen, weil dann Überhang und Ausgleich sehr wahrscheinlich sind.

Der Bundestag ist auch verkleinert worden, wenn auch nicht sehr stark. Union und FDP haben geschlossen dafür gestimmt, die SPD stattdessen (bei 1 Enthaltung) für ihren Konkurrenzentwurf, der die selbe Verkleinerung vorgesehn hat. Die Grünen wollten noch weiter verkleinern. Strittig war vorallem die Überhangfrage, nicht die Verkleinerung.

Laut Lübecker Nachrichten sind sich die relevanten Parteien (inklusiv FDP) übrigens auch über die Beibehaltung von D'Hondt einig (was formalen Überhang reduziert und den Ausgleich begrenzt).

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