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Archiv bis 20. Februar 2012

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Wahl des Bundespräsidenten » Bundespräsidentenwahl 2012 » Archiv bis 20. Februar 2012 « Zurück Weiter »

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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Februar 2012 - 20:55 Uhr:   

Georg Kaller schrieb "Es kann keine Rede davon sein, daß Köhler gezeigt hätte, daß er es nicht könne, oder daß Köhler eine Fehlbesetzung gewesen wäre."
Doch, davon kann die Rede sein. Horst Köhler hat bei der Begründung seines Rücktrittes doch sehr deutlich gemacht, wie unerfreulich er die Realität der Amtsführung des Bundespräsidenten empfunden hat. Dabei nahm er nicht nur singulär Bezug auf die berechtigte Kritik (sowohl von Medien, Politikern und einfachen Bürgern) an seinen kurz vor dem Rücktritt geäußerten Aussagen, die er unerhört fand - sogar in einem Maße, welches beim Bundesbürger ein riesiges Fragezeichen hinterließ, warum er sich kurz vorher für eine zweite Amtszeit zur Wahl stellte.
Entsprechend kann man das "nicht können" hier auch gerne als "nicht wollen, da das Führen des Amtes ihm unerträglich ist" interpretieren.
Explizit möchte ich anmerken, dass das den Wert der Person Horst Köhler in keinster Weise schmälert.

Georg Kaller schrieb "Jetzt Gauck zu nominieren, wäre für die Koalition das offene Eingeständnis, 2010 den Falschen durchgedrückt zu haben."
Das wäre aber durchaus auch positiv zu deuten. Die aktuelle Sachlage ist, dass die Koalition 2010 den Falschen durchgedrückt hat. Dieses zu leugnen, würde nur bedeuten, dass man die Augen vor der Realität verschließt und den Eindruck zu erwecken, dass die CDU-Spiutze in ihrer eigenen, abgehobenen kleinen Welt lebte.
Diesen "Fehler" hingegen einzugestehen, würde Größe demonstrieren und insbesondere die Möglichkeit bieten, klarzustellen, dass man 2010 zwar den Falschen gewählt hat, die Fakten, die heute vorliegen, aber unmöglich wissen konnte. Die CDU könnte also den Eindruck erwecken, dass man bereit ist, den "Fehler" zu korrigieren und gleichzeitig klarzustellen, dass der Fehler nicht bei ihr lag, sondern sie ebenfalls getäuscht wurde - wie alle anderen auch.
Ich bin mir aber bewusst, dass Politiker zu so einer Einsicht in unserer "Demokratie" nicht bereit sind, insbesondere aus der Guttenberg/Wulff-Fraktion heißt es Abstreiten bis zum Untergang.

Bernhard Nowak schrieb 'könnte dann ein kommissarischer Bundespräsident als "Befugnisinhaber", als Vertreter des Bundespräsidenten, den Bundestag auflösen und Neuwahlen ermöglichen?'
Wenn er es nicht dürfte, würde das die neue Frage aufwerfen, wieso es überhaupt eine Vertretungsregelung gäbe. Die Vertretungsregelung soll ja eine lückenlose Funktionsfähigkeit des Staates ermöglichen. Und bei dieser Funktionsfähigkeit des Staates wird sicherlich eher etwas wie das Sicherstellen eines schnellen Ablaufes im geschilderten Fall gemeint sein als, dass kein Gesetz 30 Tage lang ununterschrieben liegen bleibt (insbesondere wenn man sich anschaut, wie lange Gesetze mitunter sowieso liegen ohne unterschrieben zu werden).

Gregor Kaller schrieb "Wie wäre es denn mit Margot Honecker? Da würde auch die Linke mitmachen..."
Die Linke wäre da wohl ebenso uninteressiert dran wie die CDU an einer Kandidatur von Eva Braun.
Aber mit etwas Glück äußert sich der ein odere Rückwärtsgewandte ungeschickt über die Tagebuch-Veröffentlichung und offenbart seine SED-Verbundenheit und muss seinen Hut nehmen.
Wir können die Linkspartei aber getrost ignorieren - weil die anderen Parteien es auch tun. Sie wird bei der Bundespräsidentenwahl 2012 keinerlei Rolle spielen. ;)

Ratinger Linke schrieb
Am einfachsten wär es, wenn sie mehrere breit wählbare Kandidaten aufstellen (das könnten auch Töpfer und Gauck sein) und die Bundesversammlung richtig wählen lassen. Da verliert von den mittigeren Parteien niemand dabei und die Wahl wär auch nicht so langweilig.
Bloß ist das natürlich eine unerhörte Idee, eine richtige Wahl für sowas durchzuführen, wo man das Ergebnis (oder zumindest das Sollergebnis) nicht schon vorher kennt.

Zustimmung auf ganzer Linie. Das wäre mal eine erfreuliche Wendung für die Demokratie. Und die Gestaltung der Wahlgänge (absolute Mehrheit für 1./2. Wahlgang) würde vermeiden, dass dabei irgendein Wirrkopf mit 10% gewinnt.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Herr Gauck.
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Björn
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Februar 2012 - 20:55 Uhr:   

@Wahlticker:

Oh, da sind die ersten Spin-Doktoren schon wieder unterwegs. ;)
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Februar 2012 - 20:56 Uhr:   

Hat den jemand schon mal Gauck gefragt, ob er denn jetzt noch will?
Sicher ist das nicht, das er dieses taktische Spiel der Parteien, ohne ihn vorher zu fragen, überhaupt mitmacht.
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Wahlticker
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Februar 2012 - 21:15 Uhr:   

Ich weiß nicht ob er gefragt wurde, und einverstanden ist, aber die Tatsache dass er gerade neben Merkel sitzt spricht eher dafür. :-)
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Februar 2012 - 21:29 Uhr:   

Hätte Merkel einfach jemand aus den eigenen Reihen aufgestellt ohne Abstimmung mit der Opposition anzustreben, stünde sie jetzt nicht als Verliererin da. Die FDP hat wider Erwarten taktisches Geschick bewiesen, zum ersten mal überhaupt seit ihrer Rückkehr in die Bundesregierung. Wäre die FDP jetzt nicht für Gauck gewesen, hätte sich Merkel mit SPD und Grünen geeinigt, und die FDP hätte mal wieder als überflüssige Verliererin dagestanden.

In der Situation, wie sie entstanden ist, war es aber wohl am besten für Merkel, nachzugeben. Eine Niederlage bei einer letztlich ziemlich unwichtigen Personalie interessiert bei der Bundestagswahl keinen mehr.

Allgemein scheint Deutschland ja keine ernsten Sorgen zu haben, wenn so ein Thema derart dominiert.

Gauck ist m.E. zwar bei weitem keine Idealbesetzung, aber zumindest ist er unter den gehandelten Namen ziemlich gut. Er hat mit seiner Kritik an den Occupy-Sektierern wirtschaftlichen Restverstand angedeutet und er wird dafür Sorge tragen wollen, dass kommunistische Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten. Er hebt sich positiv von den ökosozialistischen Ideologen wie Töpfer und Göring-Eckardt ab. Letztere ist außerdem viel zu jung. Nicht gerade eine Empfehlung ist es auch, weder eine abgeschlossene Ausbildung zu haben noch jemals außerhalb der Politik berufstätig gewesen zu sein.
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Februar 2012 - 21:34 Uhr:   

Das ging aber schnell.
Wer h�tte das gedacht?
Der erste Bundespr�sident ohne Parteibuch.
Ist das nun ein Vorzeichen f�r 2013?


Manchmal �berrascht die Demokratie eben doch:
http://www.youtube.com/watch?v=hr0W5JEZtvQ
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Gregor Kaller
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Februar 2012 - 21:42 Uhr:   

Es dürfte einige Enthaltungen aus den Reihen der Unionswahlleute geben nach diesem - vorsichtig ausgedrückt - unfreundlichen Akt der FDP.

Ich hoffe doch, daß Merkel wenigstens ein paar brauchbare Gegenleistungen rausgeholt hat, so z.B. eine Aufgabe der unverantwortlichen Blockadehaltung von Leutheusser-Schnarrenberger beim Thema Vorratsdatenspeicherung.
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Björn
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Februar 2012 - 21:42 Uhr:   

Schon ein wenig beeindruckend, wie dramatisch es zugegangen sein muss hinter den Kulissen, wenn man dem Phoenix-Berichten glauben möchte. Scheint ja wirklich knapp vorm Bruch gestanden zu haben und Merkel quasi aus Angst vor der Reaktion der Börsen auf eine Staatskrise eingelenkt hat. Tja, die Börse regiert die Welt.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Februar 2012 - 21:47 Uhr:   

@Arno Nymus:

Es können auch mehr als 30 Tage sein, wenn der Bundespräsident sein Amt nicht ausüben kann, aber noch existiert (oder die Bundesversammlung länger braucht). Solche Fälle sind generell ein Problem, wenn der Betroffene auch nicht in der Lage ist, zurückzutreten. Beim Bundespräsidenten ist wenigstens die Vertretung eindeutig geregelt.

Und in den 30 Tagen gibts womöglich Gesandte, die dringend empfangen werden wollen. Trotzdem bin ich aber der Auffassung, dass der Vertreter grundsätzlich alle Befugnisse hat und selber entscheiden muss, ob er sie nutzen will.
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CHeine
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Sonntag, 19. Februar 2012 - 22:59 Uhr:   

Ich bezweifle, dass bei der Mehrheit der Leute die (wahrscheinliche ) Wahl von J. Gauck als Sieg der FDP innerhalb der Koalition gedeutet wird. Wahrscheinlicher ist doch eher die Annahme, dass dies als Erfolg von SPD/Grünen gewertet wird. Diese können jetzt immer wieder dezent darauf verweisen, dass ihr Vorschlag von 2010 der Bessere war, sollte sich Gauck als guter BuPrä erweisen. Wenn nicht, hängen CDU/CSU und FDP mit drin.
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Februar 2012 - 00:19 Uhr:   

Merkel war nicht durchsetzungsfähig.
Der Konsenskandidat war der SPD-Kandidat.
Rot-Grün haben weitaus mehr Einigkeit gezeigt als Schwarz-Gelb.
Sogar Rösler sah besser aus als Merkel, denn er hat den Knoten durchschlagen.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Februar 2012 - 00:41 Uhr:   

Thomas Frings schrieb Hätte Merkel einfach jemand aus den eigenen Reihen aufgestellt ohne Abstimmung mit der Opposition anzustreben, stünde sie jetzt nicht als Verliererin da.
Das mag sein, wenn man sie unbedingt als Verliererin sehen will; aber dafür hätten sonst die Medien die kommenden 30 Tage durchgängig darüber spekuliert, dass die knappe 2-Personen-Mehrheit möglicherweise nicht reichen wird und dass sie schon wieder einen BuPrä von Ihren Gnaden gegen den Rest der Welt durchdrückt und welch' Schande es für sie wäre, wenn der durchfällt usw.
Die Entscheidung für einen Konsenskandidaten war mit Sicherheit die klügere Wahl, zumindest dürfte die Saar-CDU sich dafür bedanken.

Zur "ökosozialistischen Weltverschwörung" wäre noch zu erwähnen, dass Leute wie Töpfer nun mal erkannt haben, dass es meist klug ist, in Wertvolles und Notwendiges zu investieren, um auch langfristig eine gute Rendite zu bekommen - bei den Ressourcen der Umwelt ist ebenso wie in der Wirtschaft eine nachhaltige Entwicklung unabdingbar für anhaltenden Wohlstand der Bevölkerung.
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Gregor Kaller
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Februar 2012 - 08:32 Uhr:   

Merkel wird ja gerne als die große Taktikerin dargestellt. Hier hat sie aber eine Niederlage auf ganzer Linie erlitten. Und schuld daran ist eigenes Versagen.

Der Grundfehler war, daß sie die Schlacht von Anfang verloren gegeben hat und trotz absoluter Mehrheit der Koalition einen Konsenskandidaten wollte. Daß es aber ein Ding der Unmöglichkeit sein würde, jemanden zu finden, der sowohl für Union und FDP als auch für Rot-Grün wählbar wäre, hat sie dabei übersehen. Entweder zu schwarz-gelb, dann macht Rot-Grün nicht mit, oder zu schwarz-grün bzw. schwarz-rot, dann macht die FDP nicht mit.

Gabriel brauchte nichts weiter zu tun, als für seinen Kandidaten Gauck zu werben, während die Koalitionsparteien sich gegenseitig blockierten. Dann ist die FDP auf den rot-grünen Kurs eingeschwenkt und Merkel stand als die große Verliererin da, die den rot-grünen Kandidaten akzeptieren mußte.

Hätte Merkel von Anfang an einen schwarz-gelben Kandidaten gesucht, dann hätte sie den auch durchgebracht. Gauck wäre nicht noch einmal als alleiniger rot-grüner Kandidat angetreten. Rot-Grün hätte, um einen eigenen Kandidaten gegen einen Koalitionskandidaten durchzubringen, jemanden gebraucht, der sowohl für die Linkspartei als auch für die FDP wählbar gewesen wäre. Und so jemanden hätte Gabriel nicht gefunden.

Insgesamt hat Merkel schwer versagt. Und für Unionsanhänger bleibt das bittere Gefühl, daß Merkel mal wieder eine rot-grüne Position, diesmal sogar einen rot-grünen Kandidaten übernommen hat, wenn auch widerwillig.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Februar 2012 - 13:45 Uhr:   

Ziemlich gut wird der Entscheidungsfindungsprozess für "Röslers Präsident" (Zeit) hier beschrieben: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-02/gauck-nominierung-2/komplettansicht
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Ralf Arnemann
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Februar 2012 - 15:09 Uhr:   

@Gregor Kaller:
> Merkel wird ja gerne als die große Taktikerin dargestellt. Hier
> hat sie aber eine Niederlage auf ganzer Linie erlitten. Und
> schuld daran ist eigenes Versagen.
Richtig. Und das Presse-Echo ist recht eindeutig - Merkel ist die große Verliererin.

> Der Grundfehler war, daß sie die Schlacht von Anfang verloren
> gegeben hat und trotz absoluter Mehrheit der Koalition einen
> Konsenskandidaten wollte.
Das hatte m. E. weniger damit zu tun, daß sie nicht an die eigene Mehrheit glaubte. Sondern sie wollte wohl mit dieser einseitigen und in der Koalition nicht abgesprochenen Festlegung a) der FDP wieder einmal eins reinwürgen und b) davon ablenken, daß Wulffs Scheitern ganz wesentlich auch ihr persönlich zuzurechnen ist. Denn sie hat Wulff ja damals gegen alle Widerstände in der Koalition durchgedrückt.

> Daß es aber ein Ding der Unmöglichkeit sein würde, jemanden
> zu finden, der sowohl für Union und FDP als auch für Rot-Grün
> wählbar wäre, hat sie dabei übersehen.
Das ist so trivial, das hat sie bestimmt nicht übersehen. Aber sie wollte eben nur eine Einigung mit der Opposition, nicht unbedingt mit der FDP. Sie rechnete sich gute Chancen aus, z. B. einen Töpfer als Signal für eine neue Koalition nach der nächsten Wahl durchzusetzen. Die FDP wäre zwar dagegen gewesen, hätte aber kein echtes Druckmittel in der Hand gehabt: Die Koalition platzen zu lassen, nur weil man die beleidigte Leberwurst spielen will - das wäre ein Desaster geworden.

Mit der öffentlichen und klaren Festlegung auf Gauck hat die FDP diesen Spieß umgedreht: Auch Merkel konnte die Koalition nicht platzen lassen, nur um beleidigte Leberwurst zu spielen. Und SPD/Grüne waren natürlich taktisch gezwungen, die Gauck-Kandidatur zu unterstützen - obwohl sie inhaltlich inzwischen wohl große Vorbehalte gegen ihn haben.

Merkel war schlicht zu langsam. Anstatt schnell einen Kandidaten à la Töpfer festzunageln, hat sie mit verschiedenen Möglichkeiten taktiert. Sie hat Rösler wohl ein so präzises und entschlossenes Handeln nicht zugetraut. Und wurde voll erwischt - Blattschuß sozusagen.

> Hätte Merkel von Anfang an einen schwarz-gelben Kandidaten gesucht,
> dann hätte sie den auch durchgebracht.
Richtig.
Aber dann hätte auch die FDP Ansprüche anmelden können. Nach diversen CDU-Kandidaten ist die FDP durchaus mal "wieder dran", die aktuellen Umfragezahlen spielen da keine Rolle. Speziell nachdem die letzten beiden CDU-Kandidaten das Handtuch geworfen haben, und speziell bei Wulff größerer Flurschaden entstand, wäre eine erneute CDU-Kandidatur nicht so leicht zu begründen gewesen bzw. das wäre teuer gewesen in Form von inhaltlichen Zugeständnissen innerhalb der Koalition.

Genau deswegen hat Merkel "über die Bande" gespielt und einen Konsens mit der Opposition gefordert. Damit hat sie jede Idee einer FDP-Kandidatur zuverlässig abgewürgt. Aber genau mit dieser Taktiererei hat sie sich selber abgesägt: Dann konnte eben auch umgekehrt die FDP den Konsens mit der Opposition suchen.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Februar 2012 - 15:55 Uhr:   

"Daß es aber ein Ding der Unmöglichkeit sein würde, jemanden zu finden, der sowohl für Union und FDP als auch für Rot-Grün wählbar wäre, hat sie dabei übersehen."
Lammert wäre für die FDP wohl akzeptabel gewesen, vielleicht auch für Rot-Grün. Nur: als klar war, dass es so einen Kandidaten nicht gibt, hätte Merkel natürlich eine Einigung nur mit der FDP anstreben müssen statt Töpfer aufstellen zu wollen und so der FDP das Gefühl zu geben, sie werde nicht gebraucht und habe zu kuschen. So hatte die FDP nur die Wahl, entweder selbst gedemütigt zu werden oder Merkel vors Schienbein zu treten. Merkel hat sich ihre Niederlage in der Tat ausschließlich selbst zuzuschreiben.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Februar 2012 - 16:42 Uhr:   

Meine Einschaetzung:
Es gab von Anfang an einen Interessengegensatz zwischen Frau Merkel einerseits und der FDP (und moeglicherweise Teilen der Union) andererseits. Die FDP - und moeglicherweise Teile der Union - setzten zur Stabilisierung der Koalition eindeutig auf einen schwarz-gelben Kandidaten a la Koehler und Wulff. Auch wenn dieser Kandidat erst im 3. Wahlgang in der Bundesversammlung gewaehlt w�rde, so haette die Koalition - aus dieser Sicht der Dinge - "Handlungsfaehigkeit" bewiesen.

Frau Merkel jedoch, die ein Gespuer auch f�r eigene Fehler und die Popularitaet in der Bevoelkerung hat, wu�te sehr genau, dass die oben beschriebene Variante zwar moeglich gewesen waere, aber die Gefahr barg, dass ein Scheitern des neuen Bundespraesidenten dann ihr - Frau Merkel - und zwar ihr alleine - angelastet worden w�re. Einen dritten "Fehlgriff" - so hat sie gedacht - wollte sie unbedingt verhindern. Also preschte sie kurz nach Wulffs Ruecktrittserklaerung am Freitag mit der - bemerkenswerten - Erklaerung hervor, sie wolle einen Konsenskandidaten gemeinsam mit der Opposition finden. Vorteil f�r Frau Merkel: scheitert dieser "Konsenskandidat" im zukuenftigen Bundespr�sidenten-Amt, ist nicht sie, Frau Merkel, "Suendenbock" - mit allen Konsequenzen.

Offenbar - dies schlie�e ich aus den Verlautbarungen vom Freitag - hat Frau Merkel mit der Ank�ndigung, einen Konsenskandidaten zusammen mit SPD und Gr�nen zu finden (sie dachte dabei vermutlich an Klaus Toepfer und hatte dessen Ablehnung durch die FDP nicht erwartet oder gemeint, diese Ablehnung ignorieren zu k�nnen), die FDP ueberrascht, die - wie wohl auch Teile der Union - einen schwarz-gelben Kandidaten notfalls auch gegen die Oppositionsparteien in der Bundesversammlung durchsetzen wollte. Doch die FDP - und die Teile der Union, die der FDP beipflichteten - waren durch Frau Merkels Ankuendigung vom Freitag vor vollendete Tatsachen gestellt worden, auch wenn nach wie vor kolportiert wurde, die FDP beharre auf einem schwarz-gelben Kandidaten.

Dann - so schlie�e ich dies aus den Presseberichten - einigten sich Union und FDP auf den Praesidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Dr. Andreas Vosskuhle (den Merkel wohl allerdings mit ihrer Aeusserung vom Freitag mittag nicht als Konsenskandidaten im Sinne hatte, denn sonst haette sie sich vorher seiner Zustimmung versichert), der zwar parteilos ist, aber von der SPD als Richter f�r das Bundesverfassungsgericht vorgeschlagen worden war. Moeglicherweise wollte Frau Merkel einen in der Eurokrise unbequemen Verfassungsgerichtspraesidenten in ein anderes Amt "wegloben".

Jetzt waere alles nach "Plan" gegangen - wenn, ja wenn Vosskuhle "zugesagt" h�tte. Doch er lehnte ab. Der ganze "Plan" der Regierungskoaliton war gescheitert. H�tte Vo�kuhle zugesagt, haette sich die SPD der Nominierung Vo�kuhles nicht entziehen k�nnen. Zumal die SPD am Samstag - ebenso wie die Gruenen - nicht auf Gauck "bestanden" hatten.

Doch nach Vosskuhles Absage gab es wohl keinen "Plan B." Gegen Lammert gab es Vorbehalte von Frau Merkel und wohl auch von Abgeordneten der FDP, die sich durch ihn nicht ausreichend beruecksichtigt fuehlten, wie kolportiert wurde. Als dann SPD und Gr�ne in der Bundespressekonferenz ihr moegliches Veto nicht nur gegen Kabinettsmitglieder der schwarz-gelben Bundesregierung, sondern auch gegen "aktive Politiker" ankuendigte, war Lammert klar, dass er nicht "Konsenskandidat" von allen Parteien werden w�rde. Da er aber wohl wegen seiner unbequemen Art wohl kaum als schwarz-gelber Kandidat gegen Oppositionskandidat Gauck durchsetzbar gewesen w�re, verzichtete er.

Daraufhin ging die Union auf die Bedingung der SPD ein und benannte nacheinander Klaus Toepfer, Wolfgang Huber und Petra Roth. Alle drei - zumindest Toepfer und Huber - haetten wohl die Zustimmung von SPD und Gr�nen bekommen - aber die FDP "blockierte". Warum sie dies tat, ist mir nicht ganz klar, denn ihr muss bewu�t gewesen sein, dass sie als kleinste Partei nicht ohne einen eigenen Vorschlag alle genannten Kandidaten "blockieren" konnte. Dies muss - anders sind f�r mich die Ereignisse des gestrigen Tages nicht zu erklaeren - die Union auf die Palme gebracht haben. Die FDP wollte offenbar - so muss es die Union gesehen haben - die Bemuehungen von Frau Merkel, einen Konsenskandidaten mit SPD und Gruenen zu finden (um bei einem erneuten Scheitern des Bundespr�sidenten nicht alleiniger "Suendenbock" zu sein) konterkarieren. Die FDP rechnete wohl damit, dass Merkel aufgeben und auf ihre "Linie" einschwenken und einen schwarz-gelben "Konsenskandidaten" akzeptieren w�rde. Frau Merkel dachte aber nicht daran. Die Union mu� die FDP - weil sie die Partei im Verdacht hatte, Konsenskandidaten zu blockieren - gereizt gefragt haben, wen sie denn vorschlagen wolle und dass sie nicht nur andere Kandidaten ablehnen, sondern selber einen konstruktiven Vorschlag f�r enen Kandidaten machen solle, der auch f�r SPD und Gr�ne akzeptiert werden k�nne. Da Vo�kuhle abgesagt hatte, entgegnete die FDP, hier sehe sie nur Gauck als Konsenskandidat, denn sie bleibe bei ihrem Veto gegen T�pfer, Huber und Frau Roth.

Die Union lehnte ab. Daraufhin wurden die Verhandlungen unterbrochen und die FDP holte sich einen einstimmigen (!) Pr�sidiumsbeschlu� f�r Gauck. Damit ging sie in die Verhandlungen mit der Union zur�ck. Diese hatte sich nun ebenfalls beraten und Gauck abgelehnt.
Ob die FDP die Regierungskoalition wirklich haette scheitern lassen (Roesler hat laut einem Bericht der "Zeit" erkl�rt, bei einer Weigerung der Union, Gauck mitzutragen, h�tte die FDP Gauck zusammen mit SPD und Gr�nen nominiert) oder nur eine Drohkulisse aufbaute, wage ich nicht zu entscheiden. In den Live-Tickern hie� es kurz vor 20.00 Uhr, die FDP sei offen f�r "einen ganz neuen Kandidaten". Doch sie hatte nun die Rechnung ohne SPD und Gruene gemacht. Diese hatten nat�rlich von den Differenzen in der Koalition geh�rt und ihre Kompromisslinie vom Samstag, Gauck vorzuschlagen und sich auf Toepfer als "Kompromisskandidat" einzulassen, aufgegeben. Als SPD und Gruene h�rten, dass die FDP sich f�r Gauck ausgesprochen hatte, erklaerten sie, mit Gauck in jedem Fall anzutreten - wie 2010. Da die FDP hinter ihrem Votum f�r "Gauck" nun nicht mehr "zurueck" konnte und SPD und Gruene nun nicht mehr f�r einen Alternativ-Kandidaten zu gewinnen waren, ergaben sich f�r Frau Merkel folgende Optionen:
a) sie geht auf die urspruengliche Forderung der FDP ein und riskiert einen schwarz-gelben "Konsenskandidaten" gegen Joachim Gauck. Das Risiko, dass dieser gegen Gauck "durchfallen" wuerde, war hoch, zumal die FDP mittlerweile - weil sie ihre Positon als "Koenigsmacher" erkannte, Gefallen am "Konsenskandidaten Gauck" gefunden hatte.
b) sie einigt sich mit SPD und/oder Gruenen auf einen anderen der genannten Kandidaten, also Huber, Roth oder mutma�lich Klaus Toepfer. Dann w�re mutmasslich Toepfer - oder die beiden anderen Kandidaten - ohne die FDP gewaehlt worden. Die FDP haette dann vermutlich die Regierungskoalition aufgek�ndigt und ihre Minister aus dem Kabinett zur�ckgezogen, denn der Gesichtsverlust war zu gross. Frau Merkel scheint auch unterschaetzt zu haben, dass Roesler angesichts der Umfragewerte und der bevorstehenden Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein mit dem "Rue�cken zur Wand" steht und um sein politisches �berleben k�mpft. Seine "Kompromissbereitschaft" war also begrenzt.
c) sie riskiert, dass sich SPD, Gr�ne, FDP und Freie Waehler f�r Gauck entscheiden und dieser gegen die Stimmen der Union und der Linkspartei sp�testens im dritten Wahlgang mit relativer Mehrheit zum Bundespraesidenten gew�hlt wird, v.a., wenn die Linkspartei eine/n eigene/n Kandidaten/Kandidatin gegen Gauck aufstellt und daran durch alle drei Wahlgaenge hindurch festh�lt - wie sie dies 2010 mit Luc Jochimsen getan hat. Dann haette sie die FDP-Minister entlassen und die Koalition beenden m�ssen.
d) sie "springt ueber ihren Schatten", wendet eine Koalitionskrise ab und traegt ihre Niederlage mit Fassung. Diese Niederlage kann ihr sogar als menschliche Gr��e ausgelegt werden (weil sie einen Irrtum korrigiert) und sie ist f�r ein moegliches "Scheitern" des Bundespr�sidenten Gauck nicht verantwortlich zu machen, weil sie ihn ja eigentlich nicht wollte.

So erklaere ich mir den Gang der Dinge. Die Fehleinsch�tzung von Frau Merkel lag moeglicherweise darin, sich nicht rechtzeitig mit der FDP abgesprochen zu haben und - moeglicherweise - die Entschlossenheit der FDP, weitere Demuetigungen durch die Union nicht hinzunehmen und an Gauck um den Preis des Koalitonsbruches und Neuwahlen festzuhalten, unterschaetzt hat. Sie hat hier die Zaehigkeit Roeslers, der als Machtpolitiker gilt, wohl unterschaetzt. Mit einem FDP-Chef Westerwelle, mit dem Frau Merkel menschlich viel besser "kann" als mit Roesler, haette sie wahrscheinlich vorher eine Einigung gefunden und diese Situation vermieden. Verbessert wird das Klima in der schwarz-gelben Koalition so jedenfalls nicht, aber der Koalitionsbruch wurde vermieden.

Zufrieden d�rften aber insgeheim SPD und Gruene nicht sein: denn Gauck war ja nicht wirklich ihr Kandidat f�r das Bundespraesidentenamt (dies war wohl Toepfer), sondern als "Verhandlungsmasse" gedacht. Erst als die FDP auf Gauck einschwenkte, sahen SPD und Gruene die ideale Gelegenheit, Merkel zu dupieren. Im Ergebnis: mit der (moeglichen) Ausnahme der FDP (wenn deren Zustimmung zu Gauck nicht nur rein taktisch, sondern auch programmatisch bedingt war) bekommen jetzt alle Parteien den Praesidenten, den sie eigentlich gar nicht wollen, sondern nur nach aussen "wollen" muesen. Die Pressekonferenz der Kanzlerin mit den Parteichefs von SPD, FDP, Gruenen und der CSU hatte m.E. etwas heuchlerisches an sich - hier wurde nach au�en offenbar "anders" gesprochen wie innen "gedacht" wurde - weil Gauck in der Bevoelkerung populer ist und keine Partei es sich vor den Wahlen mit "dem Waehler" verderben will. Diese Konsenssosse gefaellt mir gar nicht. Demokratie lebt von Wettbewerb - auch von Personen. Ich hoffe daher doch auf weitere Kandidaturen in der Bundesversammlung, auch wenn ich nicht daran glaube.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 20. Februar 2012 - 17:06 Uhr:   

Von "Merkels größter Schmach" spricht Spiegel Online, von "Röslers gefährlichem Sieg" die Süddeutsche Zeitung: http://www.sueddeutsche.de/politik/schwarz-gelb-nach-der-entscheidung-fuer-gauck-roesler-feiert-einen-gefaehrlichen-sieg-1.1288748
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Timo
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 20. Februar 2012 - 18:04 Uhr:   

Heute die Posts von gestern zu lesen ist eine interessante Rückschau. Merkel hat nun also doch zugelassen, was gestern kaum jemand (auch ich nicht) für möglich gehalten hat. Um mit Ingo Zachos zu sprechen: Sie hat zugelassen, dass das liberale Schwänzlein mit ihr wackelt.
Wir hätten es besser wissen müssen. Gauck ist ein weiteres Glied in der Hauptschule-Atomausstieg-Finazntransaktionssteuer-...-Kette. Mal gucken was als nächstes kommt.

Dass die Nominierung Gaucks eine gigantische Niederlage Merkels ist dürfte doch wohl klar sein. Einen Sieg von Rot-Grün kann ich aber nicht sehen. Es hätte wohl einen Haufen mögliche "Konsens-Kandidaten" gegeben, die dem linken Lager näherstehen als Gauck - das gilt zum Beispiel für die am öftesten genannten Namen Huber und Töpfer.
Das gestrige Ergebnis ist eindeutig in erster Linie ein Sieg der FDP über Merkel und auch wenn ich nicht - wie Özdemir halluziniert - vom Ende der Koalition ausgehe, so dürfte die FDP gestern an Popularität und Selbstbewusstsein gewonnen haben.
@Gregor Kaller:Gegenleistungen von FDP an CDU wird Merkel wohl kaum herausgeholt haben. Im gegenteil: künftig wird sie wohl einen anderen Umgang mit dem Wunschpartner von einst pflegen müssen!

Ein Vorzeichen für eine Ampel - wie Marc es ausgemacht hat -sehe ich auch nicht, die Gegensätze in wirtschafts- und Sozialpolitik zwischen der FDP einerseits und rotgrün andererseits sind so groß wie nie zuvor.

Die genannten Namen Voßkuhle und Papier sind zwar nicht abwegig - ich glaube beide würden das Amt solide - und das ist nach Wulff wichtig - führen können. Trotzdem finde ich(ohne irgendeiner berufsgruppe zu nahe treten zu wollen), dass wir nicht gerade einen Mangel an Juristen in der Politik haben. Was aus Sicht des Wirtschaftsliberalen Atheisten gegen Gauck spricht verstehe ich nicht. Gauck ist ein Intellektueller, ob er Theologe, Historiker oder Philosoph ist spielt wirklich keine Rolle. Im Übrigen hat er nicht als Pfarrer gewirkt, sondern als Bürgerrechtler; bei Huber verhält es sich da völlig anders.

Die wirklich wichtige Neuigkeit:
Viel wichtiger als ein Sieg von der einen oder anderen Partei ist, dass das Präsidentenamt einen Teil seiner Bedeutung zurückbekommen hat. Merkels hat das Amt völlig missachtet und es weit mehr als der letzte Amtsinhaber bestätigt. Dass eine Kanzlerin dem Präsidenten ihr Vertrauen ausspricht, wie es in den letzten Woche geschehen ist, ist skandalös! Es müsste andersherum sein.
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CHeine
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 20. Februar 2012 - 19:23 Uhr:   

Einen Gegenkandidaten dürfte es wohl geben - den "Dauerkandidaten" Rennicke!

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