Themen Themen Profil Profil Hilfe/Anleitungen Hilfe Teilnehmerliste Teilnehmerliste [Wahlrecht.de Startseite]
Suche Letzte 1|3|7 Tage Suche Suche Verzeichnis Verzeichnis  

Archiv bis 09. September 2010

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Landtagswahlen in Deutschland » Landtagswahl in Schleswig-Holstein » Archiv bis 09. September 2010 « Zurück Weiter »

Autor Beitrag
 Link zu diesem Beitrag

Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. September 2010 - 23:13 Uhr:   

@Martin Fehndrich,

zur Wahlprüfung: Ich finde die geringe Resonanz bedauerlich.
In diesem Forum gibt es sicherlich sehr unterschiedliche Auffassung über Art und Umfang von Wahlrechtsreformen, so dass kein breiter Konsens darüber zu erwarten ist. Ich denke daher, das eine separate Debatte über eine Verbesserung der Wahlprüfung sinnvoll ist. Diese Problematik stellt sich ja unabhängig vom konkreten Wahlsystem.
Das die Wahlprüfung zunächst dem Organ überantwortet ist das selbst betroffen ist, ist ein grundlegendes strukturelles Problem dieses Prüfungssystems. Daher dürfte jedenfalls hier im Forum doch ein recht großer Konsens über die Notwendigkeit eines Judifizierung des Verfahrens bestehen. Der Vorschlag die Aufgabe der Wahlprüfung bei einer Kammer des Wahlprüfungsgerichts zu konzentrieren erscheint mir sehr sinnvoll. Wobei in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens einige Fragen bleiben. Aus meiner Sicht sollte man die gängige Differenzierung zwischen Fachgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit übernehmen.
Das Wahlprüfungsgericht überprüft als einzige fachgerichtliche Instanz eine Klage. Dem Wahlprüfungsgericht würde damit die Auslegung des einfachen Wahlrechts obliegen. Gegen seine Entscheidung sollte es aus meiner Sicht nur den Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht geben. Diese beschränkt sich auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts, wärend bloße Auslegungsfragen des einfachen Rechts in die alleinige Kompetenz des Wahlprüfungsgerichts fallen sollten.
Sollte das Wahlprüfungsgericht der Meinung sein eine Norm des Wahlrechts sei verfassungswidrig, sollte es gemäß Art. 100 I GG zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht verpflichtet sein.
 Link zu diesem Beitrag

Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 05. September 2010 - 23:19 Uhr:   

@Martin Fehndrich,

Mehrpersonenwahlkreise wären durchaus mit einem Zweistimmenwahlrecht denkbar.
Nehmen wir Schleswig-Holstein als Beispiel.
Anstelle der 40 Einpersonenwahlkreise könnte man 20 Zweipersonenwahlkreise einführen. Jeder Wähler hat nach wie vor 2 Stimmen, einen für den Wahlkreiskandidaten, einen zweiten für die Landesliste. Der erst- und zweitplatzierte Direktkandidat würden bei diesem Modell stets einziehen.
Das muss nicht unbedingt ein langweiliges System sein. In einigen Wahlkreisen würden dann SPD und Grüne-Kandidaten um eben jenen zweiten Platz ringen.
Überhangmandate wären bei so einem System weiterhin theoretisch denkbar, aber doch extrem unwahrscheinlich. Ein Landtag mit 69 Mandaten wäre so erreichbar....
 Link zu diesem Beitrag

Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 06. September 2010 - 00:20 Uhr:   

@Sinnvoll Wählen:

Kein Wähler kann das Wahlverhalten der Wähler vorhersagbar oder gar sinnvoll beeinflussen. Deshalb ist auch das häufige Gerede vom "Wählerwillen" Schwachsinn. Insbesondere wäre zur Schaffung von Hochburgen eine praktisch unmögliche Koordinationsleistung (die auch nicht mit den Wahlrechtsgrundsätzen vereinbar wäre) nötig. Sicher funktionieren tut es genau dann, wenn alle mit allen Stimmen die gleiche Partei wählen (was ohnehin die sicherste Methode gegen Überhang ist).

@Timo:

Für die Vergabe der Erststimmen ist eher das Wahlsystem als der Wähler verantwortlich. Wenn man dazu gezwungen wird, eine fremde Partei zu personalisieren, darf man sich nicht wundern, wenn dabei Überhang rauskommt. Überhaupt sollte sich der Wähler nicht dem Wahlsystem anpassen müssen, sondern das Wahlsystem sollte umgekehrt den Willen der einzelnen Wähler soweit wie möglich in ein halbwegs sinnvolles Gesamtresultat umsetzen.

@Marc K.:

Sperrklauseln kann man völlig problemlos so formuleren, dass sie auch bei stärkerer Zersplitterung noch funktionieren, und man sollte das auch tun. Man braucht dazu keine Grundmandatsklauseln, die besonders im Fall mehrerer nötiger Mandate wirklich etwas komplexer sind und doch nicht wirken.

Um den vorgeblichen Zweck der Sperrklausel zu erreichen, wär ohnehin eine Limitierung der Parteienzahl angesagt, anstatt zusammenhangslose Mindestanforderungen aufzustellen. Wenn man die 5% behalten will, kann man problemlos die 1-3 stärksten Parteien oder so davon ausnehmen.

Generell funktionieren gerade die einfacheren Wahlsysteme in jeder Situation. Je mehr Komplexität man einbaut, desto stärker ist gemeinhin die Ausrichtung auf eine konkrete Konstellation, die nicht unbedingt von Dauer ist.

@Martin Fehndrich:

Das Zweistimmensystem wird bei Mehrmandatswahlkreisen nur insofern obsolet, als es andere Möglichkeiten der vom Wähler praktisch nutzbaren Personalisierung bietet. Tatsächlich gibt es aber durchaus Fälle, in denen das Zweistimmensystem (und damit dessen Nachteile) auf Mehrmandatswahlkreise übertragen wird. Der Vorschlag von Mehr Demokratie in Schleswig-Holstein geh[rt ja auch dazu.
 Link zu diesem Beitrag

Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 06. September 2010 - 10:58 Uhr:   

@Ratinger Linker,

natürlich "funktionieren" die einfachen Wahlsyteme immer.
Wobei man den Begriff "funktionieren" dann auch rein funktionalistisch meint, nämlich das das Wahlsystem gewährleistet das ein Parlament gewählt wird.

Ein reines Mehrheitswahlsystem funktioniert in dem Sinne immer und genauso ein reines Verhältniswahlsystem ohne Sperrklausel. Und auch unser Zweistimmenwahlsystem funktioniert immer. Erreicht keine Partei mehr als 5%, so wären immer noch die Hälfte der Sitze durch die Direktmandate besetzt.

Aber rein funktionalistisch wird diese Frage ja gerade in Deutschland nicht betrachtet, sondern mehr im Zusammenhang mit bestimmten Wahlgrundsätzen. Gerade in Deutschland wird dabei der Gleichheit der Wahl ein sehr großes Gewicht beigemessen. Andererseits soll eine völlige Zersplitterung des Parteiensystems vorgebeugt werden, was eine Sperrklausel erforderlich macht. Diese beiden Ziele stehen im Konflikt miteinander da die Sperrklausel dazu führt das der Erfolgswert von einigen Stimmen Null ist. Das wird gemeinhin als akzeptabel angesehen, wenn nur ein kleiner Teil der Stimmen davon betroffen ist.
Ihr Modifizierungsvorschlag für die 5%-Hürde ist von diese Prämisse ausgehend nicht zielführend. In dem von mir geschilderten Szenario gäbe es z.B. 30 Parteien die alle unter 5% liegen. Wenn sie 1-3 Parteien davon ausnähmen wären letztlich vielleicht 4-14% der Bevölkerung parlamentarisch repräsentiert und 86-96% der Bevölkerung nicht. Funktionalistisch betrachtet ist das kein Problem. Mit Blick auf das Ziel der Repräsentativität des Parlaments wäre es hingegen ein sehr gravierendes Problem.
Eine Klausel die solchen Eventualitäten vorbeugen will müsste daher komplexer sein als ihr Vorschlag, z.B. dahingehend das wenn die Über-5%-Parteien zusammengenommen einen bestimmten Schwellenwert (z.B. 70%) unterschreiten die jeweils stärksten weiteren Parteien nachrücken bis dieser Wert überschritten ist.
Eine solche Regelung würde einerseits eine gewisse Sperrwirkung erhalten, andererseits die Repräsentativität einigermaßen gewährleisten. Praktisch schwierig wäre die Festlegung des Wertes. Je nach dem ob man der Repräsentativität oder der Zersplitterungsvorbeugung ein höheres Gewicht beimißt könnte dieser zwischen 50-80% (oder sogar mehr) liegen.

Es wäre natürlich möglich Regelungen zu treffen die ein Szenarium einer völlig zersplitterten Parteienlandschaft betreffen. Nur erforderlich ist das nicht. Derart extrem zersplittert ist unsere Parteienlandschaft nicht. Selbst wenn wir in Zukunft ein Szenarium mit z.b. 4-5 etwa gleichgroßen Parteien hätten wären das eine ganz andere Situation als das von mir geschilderte völlig realitätsferne Szenario bei dem keine Partei über 5% bekommt.
 Link zu diesem Beitrag

nowhereman
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 06. September 2010 - 16:24 Uhr:   

Dieses 5%-Beispiel ist nicht sehr überzeugend. Es würden sich bei wachsender Zersplitterung der Parteienlandschaft gegensätzliche Kräfte entwickeln, die für gemeinsame Listen bei Wahlen (natürlich so gestrickt, dass sie nicht am Wahlrecht scheitern) sorgen würden.
Zuletzt wurde ja gerade bei Gegnern von Rot-Rot spekuliert, dass die beiden roten Parteien zusammenfinden werden. Ähnliches würde sich im konservativen Lager abspielen.
Historisch verkürzt: Die CDU hat in den Jahren nach 1990 die DA und DSU geschluckt. Die Grünen haben sich mit Bündnis 90 zusammengetan, trotz prinzipiell verschiedener Vorstellungen. Man hatte auch in diesen Jahren die Sorge, es gäbe eine zersplitterte Parteienlandschaft.
Mappus hat in seinem Wahlkreis und dem benachbarten Enzkreis durch rechte Thesen den Republikanern ihre Hochburgen genommen (sich damals schon von Öttinger abhebend) und 2001 unter 5% gedrückt, ein strategisches Mittel gegen das 5%-Szenario.
Ich denke, wenn mal 8-9 Parteien im Parlament sitzen werden - selbst in Sachsen fehlt da noch einiges dazu - wird man sich schon mal Gedanken um diesen Grenzfall machen, vorher ist es Unsinn. Unsinn ist es aber nicht zu diskutieren, dass mit rund 20% alle Wahlkreise an eine Partei gehen könnten und dies zu übergroßen Parlamenten führt, bzw. wie man diesem Phänomen mit möglichst geringem Eingriff in die durchaus bewährte Praxis entgegenwirken kann.
Im Zweifel finde ich das Eingreifen an wenigen Stellen alle 4 Jahren dem großen Wurf vorzuziehen, der auch immer Kritiker haben wird. Und mit Erstaunen lese ich, dass man die Verfassung in SH ändern solle... Politik und Juristerei denken erst an Verfassungsänderung, wenn sonst der Laden zusammenbricht, schien mir bisher common sense zu sein.
In SH wären meines Erachtens 30 Wk genug, das ist leicht zu erreichen und die Sitzanzahl in 2012 käme dem Urteil in Schleswig (und was wichtiger ist) der Verfassung sehr nahe. Die Komponente Direktmandat wäre in SH immer noch (auf Wahlbevölkerung umgerechnet) besser als in großen Flächenstaaten umgesetzt. Würde man die 70 Wahlkreise in BW auf SH überschlagsmäßig umrechnen, käme man auf knapp 20 Wahlkreise. Ich habe noch nie gehört, dass man sich in Baden-Württemberg über zu große Wahlkreise aufgeregt hat, eher war einmal die Reduzierung um 10 % im Gespräch.
 Link zu diesem Beitrag

Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 06. September 2010 - 17:14 Uhr:   

@nowhereman,

die wiedersprechen sich im Ergebnis, wenn Sie einerseits das 20%-Szenarium als Möglichkeit unterstellen wollen, andererseits eine Reduzierung auf 30 Wahlkreise für ausreichend halten. Unterstellt man Ihren Vorschlag würde es dann wohl 15-16 Überhangmandaten + noch mehr Ausgleichsmandate geben. Wenn Sie daher dieses Szenarium als zu berücksichtigendes Szenarium betrachten so ist Ihr Vorschlag ungenügend. Wenn Sie ihn hingegen - wie ich - für fernliegend und daher außer Betracht zu lassen ansehen dann besteht zwischen uns gar kein großer Dissens.

Die Debatte hat sich an der Aussage von Martin Fehndrich entzündet, dass ein Wahlsystem auch extreme (mithin jedenfalls gegenwärtig fernliegende) Wahlergebnisse vernünftig in Sitze umsetzen können muß. Das halte ich für eine überspannte Anforderung. Ich stimme Ihrer Aussage zu, dass man regelmäßig das Wahlsystem überprüfen und - sollte die gegenwärtige Fragmentierungstendenz anhalten - anpassen muss. Dafür bietet sich in Schleswig-Holstein die Reduzierung der Zahl der Direktmandate an. Aus meiner Sicht sollte bei den gegenwärtigen Verhältnissen eine Reduzierung auf 35 Direktwahlkreise ausreichend sein um künftig 69 Mandate zu erreichen bzw. nahe an diese Zahl zu kommen. Sollte die Fragmentierungstendenz weitergehen wird man ggf. in 5-10 Jahren über eine weitere Reduzierung etwa auf 30 Direktwahlkreise nachdenken müssen.
Dabei wundere ich mich aber mit welcher Sicherheit viele von einer Fortsetzung dieser Tendenz ausgehen. Tatsächlich kann es auch wieder zu eine stärkeren Konzentration im Parteiensystem kommen. Z.B. hat in Westdeutschland die Partei Die Linke keine feste Verankerung in gesellschaftlichen Gruppen (anders als in Ostdeutschland). Sie sammelt nur Protestpotential ein, das für eine SPD in Opposition durchaus auch erreichbar ist. Das schwache Ergebnis der Linken in NRW - nur 5,6% - zeigt dies. Und das in einem Bundesland das sozio-strukturell von den westdeutschen Bundesländern mit die besten Voraussetzungen für diese Partei bietet (neben den Stadtstaaten und dem Saarland). Ein Ausscheiden dieser Partei aus den westdeutschen Landtagen innerhalb der nächsten Dekade ist genauso ein mögliches Szenarium wie die weitere Fragmentierung des Parteiensystems und ein weiterer Niedergang der Volksparteien.

(Beitrag nachträglich am 06., September. 2010 von Marc editiert)
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 06. September 2010 - 18:59 Uhr:   

@Martin Fehndrich
"Du willst Do hoffentlich den Fall, daß alle Parteien unter 5% liegen, in die Kategorie "selten" schieben, um dann zu folgern, daß man weil eh nicht alles lösen könne, gar nichts machen brauche."
Alle Parteien unter 5% ist in der Tat so unwahrscheinlich, dass man das getrost ungeregelt lassen kann. Bei Mehrpersonenwahlkreisen kann es selbst bei nur einer Stimme Überhangmandate in großer Zahl geben, wenn die Wahlbeteiligung extrem unterschiedlich ist. Das gilt zumindest, solange es feste Sitzzahlen für die einzelnen Wahlkreise gibt. Ich seh auch keinen logischen Zusammenhang zwischen Zwei-Stimmen-Konstruktion und Wahlkreisgröße.
 Link zu diesem Beitrag

Interessierter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2010 - 15:46 Uhr:   

@Thomas Frings
"Alle Parteien unter 5% ist in der Tat so unwahrscheinlich, dass man das getrost ungeregelt lassen kann. Bei Mehrpersonenwahlkreisen kann es selbst bei nur einer Stimme Überhangmandate in großer Zahl geben, wenn die Wahlbeteiligung extrem unterschiedlich ist. Das gilt zumindest, solange es feste Sitzzahlen für die einzelnen Wahlkreise gibt. Ich seh auch keinen logischen Zusammenhang zwischen Zwei-Stimmen-Konstruktion und Wahlkreisgröße."

Ich fachte immer, der Fall alle Parteien unter 5% würde einfach zum regulären Arbeiten mit Direktmandaten führen. Ggf. mit losen, falls auch da keine Eindeutigkeit besteht, die Grundmandatsklausel wird in dem Fall schon zufällig geknackt.

Welche Reformvorschläge werden eigentlich momentan in SH gemacht? Ich bin da nicht so informiert.
 Link zu diesem Beitrag

Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2010 - 20:41 Uhr:   

@Interessierter,

1. In Schleswig-Holstein gibt es keine Grundmandatsklausel.
2. Die Verfassung von Schleswig-Holstein schlägt ein Verhältniswahlsystem vor. Kommt keine Partei über 5% bei den Zweitstimmen bliebe die Parlamentssitze für die Listenmandate unbesetzt (derzeit 29 von 69) und es verblieben 40 direkt gewählte Abgeordnete. Der Landtag wäre damit also faktisch nach Mehrheitswahlrecht besetzt, was den verfassungsrechtlichen Vorgabe (Verhältniswahl) widerspricht. Darüber hinaus wäre die Landtagsgröße mit 40 Abgeordnete auch weit entfernt von der verfassungsrechtlichen Soll-Zahl von 69, der das Landesverfassungsgericht ja so große Bedeutung beimißt;)

Bislang liegen in Schleswig-Holstein zwei Vorschläge zur Reform des Wahlrechts vor:
1. Der Vorschlag der Grünen. Reduzierung der Wahlkreis von 40 auf 30, so dass das Verhältnis von Direkt- zu Listenmandaten von 40/29 zu 30/39 veränert würde. Damit würden Überhangmandate erheblich unwahrscheinlicher.
2. Einen Vorschlag der SPD zur Reduzierung der Wahlkreise auf 35, so dass das Verhältnis von Direkt- zu Listenmandaten 35/34 betrüge. Darüber hinaus schlägt die SPD ein Einstimmenwahlsystem vor (Stimme für den Wahlkreiskandidaten wäre damit zugleich eine Stimme für die Landesliste).
Ich persönlich sehe grundsätzlich ein Einstimmenwahlsystem positiv. Für Schleswig-Holstein halte ich den Vorschlag im Gesamtpaket allerdings nicht für gut durchdacht. Bei einem Zweistimmensystem gibt es die Chance für Stimmensplitting innerhalb der "Lager". Davon könnte und dürfte die SPD mehr profitieren als die Union, da die Grünen mehr Zweitstimmenwähler haben als die FDP. Fällt die Splittingmöglichkeit weg wird von daher wohl eher die SPD einen Nachteil davon haben, was dazu führen könnte das sie weniger Wahlkreise gewinnt als im Fall eines Zweistimmenwahlsystems. Das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit von Überhangmandaten.
Wilko Zicht weißt in seinem Artikel darauf hin, dass ein Einstimmenwahlystem mit Blick auf die Überhangmandate nicht unbedingt positive Wirkungen hat.

http://www.wahlrecht.de/news/2010/11.htm

Grundsätzlich dürfte es wohl auf eine Reduzierung der Wahlkreise hinauslaufen - wahrscheinlich auf 35. Ich persönlich glaube auch das Schleswig-Holstein am Zweistimmensystem festhalten wird, da insbesondere die Grünen - und wohl auch die FDP - einen Wechsel zu einem Einstimmensystem ablehnen.
 Link zu diesem Beitrag

Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2010 - 20:58 Uhr:   

@Interessierter, Marc K.
Es gibt in SH eine Grundmandatsklausel (ein Direktmandat), im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern. Meine Äußerung bezog sich auf Bayern, Saarland und Bremen.

"Welche Reformvorschläge werden eigentlich momentan in SH gemacht? Ich bin da nicht so informiert."
Wahrscheinlich wird es nur eine Minimalreform geben, also Reduzierung der Direktmandate und Vollausgleich, evtl. auch Umstellung auf Sainte-Lague (was je nach konkretem Ergebnis den Landtag um zwei Sitze vergrößern könnte gegenüber d'Hondz, theoretisch ist auch mehr möglich). Die SPD schlägt die Rückkehr zum Einstimmenwahlrecht übrigens NICHT vor.
http://www.spd.ltsh.de/presse/spd-fraktion-legt-eckpunkte-f-r-wahlgesetz-vor
 Link zu diesem Beitrag

Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Dienstag, 07. September 2010 - 21:16 Uhr:   

Danke für diesen Hinweis. Dann wäre das Problem in der Tat im Fall von Schleswig-Holstein nicht in der Weise vorhanden. Allerdings wäre es ja vorstellbar das auch in dem Fall eine einzige landesweite Splitterpartei einen großen Teil der Direktmandate gewinnt, andere aber nur je eines oder wenige. Dann wären wieder viele Überhangmandate und Ausgleichsmandate nötig um den Proporz zwischen den Parteien wiederherzustellen. Kurzum stünde man vor strukturell ähnlichen Problemen wie derzeit.
Nur welche Lösungen gangbar und möglich sind kann man nur mit Blick auf die jeweiligen politischen Verhältnisse entscheiden. Bei den gegenwärtigen Verhältnisse könnte sogar eine "Minireform (Reduzierung auf 35 Wahlkreise) ausreichend sein um künftig den Landtag auf 69 Sitze oder nahe daran zu reduzieren.
Im Fall einer zersplitterten Parteienlandschaft würde man hingegen entweder eine ganz drastische Reduzierung der Wahlkreiszahl durchführen müssen oder Mehrpersonenwahlkreise an deren Stelle einführen müssen.
 Link zu diesem Beitrag

nowhereman
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2010 - 19:47 Uhr:   

@ Mark K.
...Minireform (Reduzierung auf 35 Wahlkreise)ausreichend sein ...

das halte ich für eine gewagte Vermutung(!)
Sie kennen den zukünftigen Wahlkreiszuschnitt nicht, gehen von einer heute vielleicht richtigen, aber morgen schon falschen Prognose aus.
Was halten Sie davon:
Die SPD könnte einen beliebteren Kandidaten aufstellen (OB in Kiel), somit besser als erwartet landesweit abschneiden.
Die CDU mit ihrer älteren Wählerklientel könnte sich unter einem neuen Spitzenkandidaten (jünger als einst Barschel) schwertun, trotzdem viele Wahlkreise gewinnen.
Die Grünen könnten in der Nähe von Krümmel sicher keine Wahlkreise gewinnen, aber landesweit sehr gut abschneiden, wenn das Thema Atomkraft hochkommt.
Schließlich wüchse der SSW weiter an und was ich nicht hoffe, die Linke zöge ein.
Keiner kann sagen, ob die SPD wieder diese Exwähler an linken Rand einfängt, das ist schon mit den Grünen nicht geglückt.
Wenn Kubicki noch seine FDP über 5% rettet, dann reicht es hinten und vorne nicht mit 69.
Es müssen aus heutiger Sicht 30 Wahlkreise werden, um 69 Sitze zu erreichen, wie es Schleswig (und die Verfassung "verlangt"!
Man kann nicht einfach eine Partei aus dem Landtag herausrechnen, die heute drin sitzt, selbst bei passender Prognose.
Sollte es mit 35 Wk 2012 hinkommen, etwa weil nur 4 Parteien im Parlament sitzen werden, dann widerspricht dies nicht meiner Forderung.
Eher schlägt das Pendel zufällig gerade in Richtung "günstig" aus, was "Wochen später schon" oder "Tage früher noch" ganz anders sein könnte.
 Link zu diesem Beitrag

Martin Fehndrich
Moderator
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. September 2010 - 21:59 Uhr:   

@Marc K.
>Mehrpersonenwahlkreise wären durchaus mit einem Zweistimmenwahlrecht denkbar.

Bei Zweiststimmenwahlrecht kann immer das Erst- und Zweitstimmenergebnis auseinanderfallen. Bei einem Einstimmensystem nicht. Da reduzieren sich Überhangmandate auf ein kumuliertes Rundungsproblem, das mit der Zahl der Wahlkreise kleiner wird.

Die ausschließliche Betrachtung der Landtagswahl 2010 stellt nun das Gegenteil von "alle theoretischen Eventualitäten" dar. Das hat man auch nicht, wenn man reale Wahlergebnisse betrachtet und nicht als selten herausnimmt, oder sich auf Umfragewerte bezieht, egal für wie unrealistisch man diese hält.
Da ist man auch noch nicht, wenn man auf zur Zeit denkbare worst case Fälle noch einen Schlag drauf setzt.

Mit "mehr Zusatzmandate" lag wirklich ein Tip von mir daneben. Das Ergebnis ist aber auch eine ziemliche Punktlandung mit keinen 6000 Stimmen zwischen den großen Parteien. Für so ein Ergebnis dürfte es nur marginale Verschiebungen in Richtung SPD oder CDU oder zu weniger Sonstigen geben. Als Kronzeuge gegen das Auftreten von Überhangmandaten ist das Wahlergebnis kaum geeignet.

@Sinnvoll Wählen
Das Ergebnis kann man als zufällig betrachten, wenigstens für den einzelnen Wähler. Der hat kaum eine Möglichkeit in Richtung eines Ergebnisses SPD=CDU zu wählen.
 Link zu diesem Beitrag

Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. September 2010 - 09:39 Uhr:   

@Marc K.:

Die Sperrklausel führt nicht dazu, dass der Erfolgswert von Stimmen null ist. Das tut sie erst in Verbindung mit der Abwesenheit von Alternativstimmen.

Wie viele Wähler von einem künstlich auf null gesetzten Erfolgswert betroffen sind, ist eigentlich ziemlich egal; entscheidend ist nur, ob in jedem einzelnen Fall eine ausreichende Begründung dafür vorhanden ist. Ganz im Gegenteil ist die Ungleichbehandlung der Wähler sogar noch krasser, wenn für fast alle Gleichheit gilt und ein paar wenige als Aussätzige herausgegriffen werden. (Juristen und Politiker haben da meist eine recht seltsame Vorstellung von Gleichheit, und im vorliegenden Fall kommt noch dazu, dass vorgeblich Wähler (mehr oder weniger) gleich behandelt werden, tatsächlich aber Parteien).

Wenn man die von der Sperrklausel betroffenen Wähler minimieren will, wäre in der Tat eine Sperrklausel sinnvoll, die beispielsweise 90% der Wähler einen Erfolgswert sichert. Das ist alles andere als kompliziert, selbst wenn man es mit einer 5%-Klausel kombinieren will. Wenn aber 10% erfolglose Wähler akzeptabel sind, ist es egal, ob sie sich auf 1 oder 10 Parteien verteilen.

Wenn man dagegen das Ziel hat, die Regierungsbildung besonders leicht zu gestalten (wozu man außerdem noch ein starkes Mehrheits- anstatt eines Konsensprinzips voraussetzen muss, was nicht im Grundgesetz verankert ist und selbst aus der Geschäftsordnung des Bundestags nur indirekt extrahierbar ist), muss man eher die Zahl der Parteien beschränken. Wirklich kompliziert wär auch die sachgerechtere Lösung nicht, dass an so viele Parteien Sitze zugeteilt werden, dass entweder die absolute Mehrheit einer Partei, 2 verschiedener Zweierkoalitionen oder 3 Dreierkoalitionen gesichert ist.

Eine 5%-Klausel ist dagegen nur ein prohibitives Mittel gegen neue Parteien, was zwar Nebenwirkungen auf den Grad der Zersplitterung haben kann, der seinerseits weitere gewünschte Nebenwirkungen haben kann, was aber in der Theorie gerade vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt wird.

Dafür, dass eine Partei mit 20% alle Wahlkreise gewinnt, braucht man nicht mehr Parteien als jetzt (in Schleswig-Holstein müssen es wirklich Parteien sein, anderswo reichen auch Wählergruppen), sondern bei einem Zweistimmenwahlrecht reichen schon 2, was insbesondere dann relevant ist, wenn diese Konstellation taktisch vorteilhaft ist.

Die bisherige Entwicklung der Parteienlandschaft in Deutschland sollte nicht zur Annahme verleiten, dass sie immer kontinuierlich und vorhersagbar ist. Tatsächlich kann sich eine Volkspartei innerhalb kürzester Zeit zerlegen und womöglich ein halbes Dutzend aussichtsreicher Nachfolgeparteien verursachen. Wenn man in so einer Situation kein funktionierendes Wahlrecht hat, wird man es auch nicht so leicht bekommen. Man muss nicht unbedingt der Meinung sein, dass dann revolutionsartige Zustände ohnehin das Beste sind.

Zuletzt hat in Schleswig-Holstein die CDU mehr vom Stimmensplitting profitiert als die SPD. Generell sind FDP-Wähler deutlich splittingfreudiger als die der Grünen. Wenn die Grünen Aussichten auf Direktmandate haben, wird sich das eher noch verschärfen. Entscheidend ist aber die Situation in den kritischen Wahlkreisen. 2009 waren Erst- und Zweitstimmenmehrheiten in allen Wahlkreisen identisch.

@nowhereman:

Die Möglichkeit zu gemeinsamen Listen ist inzwischen zumindest bei Bundestagswahlen ziemlich wasserdicht vernagelt. Wobei der Sinn der Sache natürlich angezweifelt werden kann und gemeinsame Listen ermöglicht. Aber auch das müsste man rechtzeitig tun.

Um 10 Uhr ist übrigens die Debatte im Landtag zum Thema.

http://www.landtag.ltsh.de/plenumonline/september2010/texte/36A_wahlgesetz.htm
 Link zu diesem Beitrag

Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. September 2010 - 10:04 Uhr:   

Die Debatte gibts auch life (demnächst, soll 35 Minuten dauern):

http://www.ltsh.de/ParlaTV/index.html
 Link zu diesem Beitrag

Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. September 2010 - 12:02 Uhr:   

Hat fast 2 Stunden gedauert. Anfangs hauptsächlich reiner Wahlkampf (außer bei SSW und Linker), aber später hat es dann auch sonst vernünftige Beiträge gegeben.

Kubicki sagt, die Koalition könnte einen Vorschlag bis Dezember vorstellen und dann auch allein beschließen, wenn er den Anderen nicht gefällt. Außerdem hat er (und ein weiterer Redner der FDP) seine Sympathie für den Vorschlag von Mehr Demokratie geäußert. Das hat auch Werner Kalinka von der CDU (innenpolitischer Sprecher) getan, aber sein Rückhalt in der Fraktion scheint fraglich. Der Innenminister geht jedenfalls (ebenso wie die SPD) ausschließlich von Minimalkorrekturen aus. Der Landtagspräsident will weiter einen Konsens.

Werner Kalinka will im März oder April eine erneute öffentliche Anhörung unter Zugrundelegung des dann vorliegenden konkreten Gesetzentwurfs. Das ist auch sinnvoll, um möglichst zu einem vernünftigen Gesetz zu kommen. Zeit einsparen kann man besser, nachdem das Wahlgesetz beschlossen worden ist.
 Link zu diesem Beitrag

Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. September 2010 - 12:51 Uhr:   

@nowhereman,

wenn die SPD besser als erwartet abschneidet dann sind auch ihre Chancen mehr Wahlkreise zu gewinnen besser. Kurzum das Problem mit den Überhangmandanten würde sich voraussichtlich reduzieren. Wenn die Zahl der Wahlkreise etwas reduziert wird kann das schon ausreichen um Nahe an den Wert von 69 heranzukommen. Mehr verlangt auch das Verfassungsgericht nicht. Die Landesverfassung läßt ja auch ausdrücklich Überhang- und Ausgleichsmandate zu. Es geht nur um die Größe der Abweichung der Istgröße von der Sollgröße, die nach der letzten Wahl in der Tat massiv war.
Bei einer Reduzierung auf 35 Wahlkreise würde das Problem sich deutlich verringern. Etwas anderes würde nur dann gelten wenn CDU und SPD beide dauerhaft unter 30% oder gar 25% absinken.


@Martin Fehndrich,

natürlich kann bei einem Zweistimmenwahlrecht immer das Ergebnis von Erst- und Zweistimmen auseinanderfallen. Nur muss das nicht zwingend zur mehr Überhangmandaten führen. Denn Direktmandate gehen bei den gegebenen politischen Verhältnissen an eine der beiden Großparteien. Durch Stimmensplitting kann die Zahl der Überhangmandate nicht nur vergrößert sondern auch reduziert werden.
Nehmen wir ein Beispiel:
Erstimmen
Partei S 35
Partei G 10
Partei C 35
Partei F 5

Zweitstimmen
Partei S 25
Partei G 20
Partei C 30
Partei F 10

Als Wahlergenis bei einem Einstimmenwahlsystem unterstelle ich das Zweitstimmenwahlergebnis beim Zweistimmensystem.
Bei einem Einstimmenwahlsystem besteht bei so einer politischen Konstellation eine hohe Wahrscheinlichkeit das Partei C alle oder fast alle Dirketmandate gewinnt, so dass Überhangmandate entstehen.
Bei einem Zweistimmensystem hingegen könnte dies durch taktisches wählen der Koalitionswähler abgemildert werden - wovon gerade die Partei S profitiert, da ihr potenzieller Koalitionspartner stärker ist. So werden Überhangmandate der Partei C verhindert, die bei einem Einstimmenwahlrecht mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten würden.


@Ratinger Linker,

ich bezog mich natürlich auf die Sperrklausel unseres Wahlsystems. Diese soll gerade eine gewisse Konzentration des Parteienspektrums fördern und eine gewisse prohibitive Wirkung ist daher durchaus gewünscht. Problematisch wird es allerdings dann wenn die Zahl der erfolgswertlosen Stimmen eine hohe Zahl (etwa 40%) erreicht. Dann dürfte die Repräsentativität und auch die Legitimität des Wahlsystems in Frage gestellt werden.

"Zuletzt hat in Schleswig-Holstein die CDU mehr vom Stimmensplitting profitiert als die SPD."
Das stimmmt, kann aber auch anders laufen.
CDU.....36.9 31.5 34 34
SPD.....29.7 25.4 25 ..6
FDP.... 10.7 14.9 15 ..0
GRÜNE 10.8 12.4 12 .0


Die Diskrepanz zwischen Erst- und Zweitstimme beträgt bei der CDU 5,4%, bei der SPD 4,3%. Also profitieren beide gleichermaßen. Bei der nächsten Wahl ist es im übrigen relativ wahrscheinlich das die SPD stärker vom Splitting profitiert, da zum einen die Grünen mehr Zweistimmen erhalten dürften und insgesamt mehr Grüne vom Splitting Gebrauch machen als bisher zum anderen dies im Fall der FDP weniger wird - weil die Zahl der FDP-Wähler insgesamt zurückgehen dürfte.

Auch sonst ist es im übrigen nicht immer so das Schwarz-Gelb vom Splitting mehr profitiert als Rot-Grün.
So hat bei der Bundestagswahl 2002 die SPD davon besser profitieren können.

SPD.....41.9 38.5 251 171
CDU.....32.1 29.5 190 ..82
CSU..... 9.0 .. 9.0 .58 ..43
GRÜNE 5.6 .. 8.6 .55 ... 1
FDP.....5.8 ... 7.4 .47 ....0

Insgesamt scheinen also auch mehr Rot-Grün Wähler die strategischen Möglichkeiten unseres Wahlsystems zunehmend besser zu verstehen.....
 Link zu diesem Beitrag

Ratinger Linke
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. September 2010 - 14:18 Uhr:   

Die äußerst kleinparteienfreundlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung lassen nicht darauf schließen, dass eine Konzentration des Parteienspektrums als Grund für die Diskriminierung der Wähler von Kleinparteien herangezogen werden kann. Früher war es immerhin ein anerkannter Grund für den Ausschluss von der Sitzverteilung, mit der ziemlich abstrusen Begründung, dass Parteien unter 5% grundsätzlich gemeinwohlfeindliche Ziele haben und darüber gemeinwohlorientiert sind. Davon hat sich das Bundesverfassungsgericht aber zuletzt distanziert ("Unabhängig davon, ob und inwieweit diese Gesichtspunkte eine Fünf-Prozent-Sperrklausel auf Bundesebene rechtfertigen könnten", im Urteil zur kommunalen Sperrklausel in Schleswig-Holstein, obwohl das zuvor klar bejaht worden war). Damit bleibt als Rechtfertigungsgrund nur noch die Funktionsfähigkeit des Parlaments, wozu die momentane Sperrklausel ziemlich ungeeignet ist.

Ob koalitionsmäßig splittende Wähler die strategischen Möglichkeiten des Wahlsystems besser verstehen, ist fraglich. Entgegen der landläufigen Meinung bietet der Gewinn von Direktmandaten ja keinerlei Vorteil, solang es keinen Überhang gibt. Wo man den relativ sicher ausschließen kann, ist es genauso sinnvoll, den Kandidaten des politischen Gegners zu wählen, solang der weniger schlecht als der typische Listenkandidat ist (oder schlechter und man lieber der gegnerischen Partei schaden will als die Parlamentszusammensetzung zu optimieren). Das uniforme Splittingverhalten auch in überhangsicheren Ländern zeigt nur, dass die Wähler keine Ahnung haben, was ihre Stimme bewirkt.
 Link zu diesem Beitrag

nowhereman
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. September 2010 - 17:16 Uhr:   

@ Mark K.

Ob Grüne-Wähler in SH so wie Sie denken und Stimmen splitten, lasse ich dahingestellt. Ich lese von großen Unterschieden zwischen wichtigen Kräften in SH, was Rot und Grün angeht. Somit könnten auch grüne Wähler, wenn sie die Presse lesen, von dieser Wahlmöglichkeit abkommen und einheitlich wählen, wie das auch oft Wähler der Linken machen. Aus der Vergangenheit mag man Trends ableiten, ob man Sie vorhersehen kann, da habe ich Zweifel.
Vor einem Jahr waren ganz andere poltische Realitäten angesagt und in einem Jahr (erst recht 2012) kann es noch ganz anders kommen.
 Link zu diesem Beitrag

Marc K.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. September 2010 - 21:03 Uhr:   

@Ratinger Linke,

ich bezog mich auf die Motive des Gesetzgebers für die Einführung der 5%-Hürde. Verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann sie natürlich nur mit dem Argument der Gewährleistung der "Funktionsfähigkeit des Bundestages" (bzw. der Landtage).


@nowhereman,

wenn man die allgemein-politischen Entwicklungen betrachtet so läuft derzeit alles wieder auf eine stärkere Lagerbildung (schwarz-gelb versus rot-grün) hinaus. Wobei rot-grün wohl nach dem Vorbild von NRW auf "Tolerierung" durch die Linken setzen dürfte. In einem solchen mehr polarisierten Parteienspektrum ist mit signifikanten Anteil von Splittingwählern zu rechnen.
Differenzen zwischen SPD und Grünen in Schleswig-Holstein sehe ich hauptsächlich in der Wahlrechtsfrage. Wobei hier zunächst einmal die Regierungskoalition von CDU und FDP am Zug ist. Parteitaktisch wäre es natürlich klug einen Kompromiß zwischen CDU, FDP und SPD zu suchen, so dass die Grünen isoliert dastünden. Es ist aber sehr fraglich ob die SPD da mitmacht. Zumal ja auch große persönlichen Animositäten der Spitzenleute von SPD und CDU bestehen.

Wenn es keine Verständigung gibt wird wohl die Regierungskoalition aus CDU und FDP eine Minimallösung präsentieren, die dann von SPD und Grüne, etc. gemeinschaftlich abgelehnt wird (ohne das diese aber ein gemeinsames Gegenmodell anbieten können).

Admin Admin Logout Logout   Vorige Seite Vorige Seite Nächste Seite Nächste Seite