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Archiv bis 13. Juni 2010

Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Landtagswahlen in Deutschland » Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (NRW) » Archiv bis 13. Juni 2010 « Zurück Weiter »

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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 10:34 Uhr:   

@Timo:
Ich sehe dies anders. Denn Ziel der SPD war immer, einen Politikwechsel im Land herbeizuführen und auch der, die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat zu brechen, gerade angesichts des Sparpaketes und des Sozialausstieges. Mir ist schon klar, dass Frau Kraft nicht als "machtgeil" erscheinen will. Sie vergibt sich aber Gestaltungsmöglichkeiten. Ich könnte die Kritik nachvollziehen, wenn sich eine Minderheitsregierung Rüttgers im Bundesrat bei ihrem Abstimmungsverhalten nach den Beschlüssen der Landtagsmehrheit richten müsse. Dies ist aber nicht der Fall, weil der Bundesrat - ein Relikt aus der Kaiserzeit - ein reines Regierungsorgan ist. Und insofern enttäuscht die SPD diejenigen ihrer Wähler, die für einen Politik- und Regierungswechsel gestimmt haben, egal, wie man im Einzelnen die Politik der SPD beurteilt, d.h. ob man dafür oder dagegen ist. Darauf bezieht sich Frau Löhrmann, wenn sie davon spricht, die SPD sehe nicht die Befugnisse einer Regierung im Bundesrat. Und daher kann ich diese Kritik durchaus teilen.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 10:49 Uhr:   

Manchmal ist es ja gut, wenn man gerade Urlaub hat, dann kann man die politischen Entwicklungen direkter verfolgen. Gerade sehe ich auf Google.de/news einen Artikel von Welt Online zum Thema: http://www.welt.de/politik/deutschland/article8010406/Hannelore-Kraft-lehnt-Neuwahl-in-NRW-ab.html

Hier sagt Frau Kraft im Deutschlandfunk: es liege nicht im Interesse der SPD, Neuwahlen herbeizuführen. Genau darum geht es wohl. Frau Kraft will sich nicht den Vorwurf einhandeln, sie habe alle Sondierungsgespräche scheitern lassen, um auf Neuwahlen zu spekulieren. Diesen Vorwurf hatte ihr als erster ja der Bundesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, nach dem Abbruch der Sondierungen mit der Linkspartei gemacht. Und dies ist mir - angesichts der Auswirkungen, die - aus Sicht der SPD gesehen - das Weiteramtieren einer Regierung Rüttgers für Bundesratsentscheidungen hat - einfach zu wenig. Hier erwarte ich von der SPD mehr Wille zur Gestaltung.

Ich hätte nachvollzogen, wenn sich Frau Kraft zur Ministerpräsidentin einer Minderheitsregierung hätte wählen lassen - egal, ob rein sozialdemokratisch oder rot-grün. Ich hätte nachvollzogen, wenn es zu einer großen Koalition ohne Rüttgers gekommen wäre. Aber diesen Schritt kann ich nicht verstehen, er wirkt auf mich wie eine Flucht vor der Regierungsverantwortung.
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Engel
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 11:02 Uhr:   

@ Beobachter

"Im Grunde genommen hat die SPD unglaublich versagt."

Nein, sie hat im Gegensatz zu anderen Parteien mit von Anfang an, wie es sich in einer Demokratie gehört, mit allen anderen Kräften verhandelt. Dass es zu keiner Regierung gekommen ist liegt eben auch an der CDU, die in den maßgeblichen Sondierungen Kompromssbereitschaft vermissen lies. Andersartige Aussagen in Boulevardzeitschriften tragen auch nicht zur Vertrauensbildung bei.
Und eine Ampel ist vordergründig an dem problematischen Verhältnis von FDP und Grüne gescheitert. Hätten nur FDP und SPD verhandelt, hätte man sich einigen können.

"Ich dachte immer, in einer Demokratie müßten grundsätzlich alle demokratischen Parteien in der Lage sein zusammenzuarbeiten."

Tja, die NRW-SPD war die einzigste Partei, die diese Selbstverständlichekeit mit allen Parteien zu verhandeln, zumindestens im Ansatz gezeigt hat.

"Weiter dachte ich, wenn gar nichts anderes mehr geht, dann geht wenigstens noch eine große Koalition."

Warum sollte das so sein? Eine große Koalition ist keine Selbstverständlichkeit und hat es zudem in NRW noch nie gegeben.

"Angesichts des NRW-Wahlergebnisses wäre eine große Koalition dringend angezeigt. Aber wie in Hessen 2008 verweigert sich die SPD ihrer staatspolitischen Verantwortung, weil sie es - wie in Hessen - nicht verwinden kann, daß sie eben nur Zweiter hinter der CDU geworden ist."

Wenn die CDU in NRW politisch aus ihrem Wahlergebnis keine Konsequenzen zieht, ist es auch sehr schwierig eine gemeinsame Basis für eine Zusammenarbeit zu finden.
In Thüringen hat das die dortige CDU getan (Althaus weg und andere Programmatik) und die SPD hat dort eine solche Zusammenarbeit anderen Optionen sogar vorgezogen.


"In Hessen hat die Sache ein gutes Ende genommen."

Herr Koch und Bouffier sind ein gutes Ende??

"Bleibt zu hoffen, daß es in NRW ähnlich läuft."

Erwarten sie das bei dem bundespolitischen Trend ernsthaft?
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Silencio
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 11:22 Uhr:   

"In Hessen hat die Sache ein gutes Ende genommen."

Ja genau, Koch hinterlässt einen Schuldenberg, wie ihn Hessen noch nie zuvor gesehen hat, welch ein guter Ausgang.
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Interessierter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 11:22 Uhr:   

@Timo
"Insgesamt gehe ich von deart veränderten Bedingungen aus, dass wohl keine Partei ihre vor der Wahl gemachten Aussagen derart unflexibel auslegen wird. Die FDP bspw. hat sich ja als erste Partei, über ihren Beschluss hinweggesetzt."

Das stimmt aber nur, wenn man diese Aussagen nur als taktisches-realpolitisches Statement versteht, das nur soviel Aussage, wie der Beschluss des Parteivorsitzenden oder des Fraktionschefs. Sieht man das aber als eine Art "Basisentscheidung", um schon vor den Wahlkampf klar zu machen, welche Verbündeten man für sich sieht, dann ist es höchst problematisch wenn willkürlich davon abgerückt wird.

@Beobachter
"Das ist definitiv nicht richtig. Unser Rechtssystem kennt Parteien sehr wohl. Eine Partei ist - unabhängig von ihrer konkreten Organisationsform - eine juristische Person, vgl. § 3 des Parteiengesetzes. Ebenso wie zum Beispiel ein eingetragener Verein, eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft."

Da stimme ich Ihnen ja zu, aber spätestens die Parlamentarier sind eigentlich nur ihern Gewissen verpflichtet und Kraft könnte daher auch gleich versuchen, die Abgeordneten einzeln für sich zu überzeugen statt die Parteien. Dagegen tritt in der Realität die Person des Abgeordneten voll hinter gesichtslosen Großverstanstalltungen wie Parteien zurück...

@Engel
"Dass es zu keiner Regierung gekommen ist liegt eben auch an der CDU, die in den maßgeblichen Sondierungen Kompromssbereitschaft vermissen lies."

Ich würde eher sagen, an der SPD, die sich nicht mit ihrer Rolle als Juniorpartner und (teilweise) Hinterbänkler der CDU-Fraktion im Falle einer gemeinsamen Regierung zufrieden geben konnte.

Muss schon hart sein, als Erneuerer anzutreten und dann doch nichts anderes machen zu können, aber, tja, das ist das politische Leben!

"Wenn die CDU in NRW politisch aus ihrem Wahlergebnis keine Konsequenzen zieht, ist es auch sehr schwierig eine gemeinsame Basis für eine Zusammenarbeit zu finden."

Sie meine, das Ergebnis, bei dem die CDU klar vor der SPD lag sollte diese dazu veranlassen, ihre gesamten Inhalte zur Disposition zu stellen? Nein, so machtgeil ist die CDU dann doch nicht.
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 11:27 Uhr:   

Die Verfassung von NRW sieht eine Wahl zum MP vor.
Es wäre völlig unredlich diese zu umgehen.
Kraft wird sich, auch ohne absolute Mehrheit, stellen müssen.
Wenn nicht, wird sie tatsächlich wie Ypsilanti enden.

Das sollte ihr klar sein.
Sonst blamiert sich die SPD nur.
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zwors
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 18:34 Uhr:   

Eine Frage: Ist es für die Opposition überhaupt machbar, einen Haushalt aufzustellen, ohne Zugang zu den Ministerien zu haben?
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 20:41 Uhr:   

Rüttgers hat wie erwartet reagiert und will "sehr lange" - möglicherweise auch über eine Haushaltsperiode hinaus - im Amt bleiben: http://www.focus.de/politik/deutschland/…aid_518698.html
http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/1000575

Der Beschluss der SPD ist wirklich ziemlich dumm, denn die Regierung Rüttgers kann im Bundesrat so stimmen, wie sie es will - und nicht, wie die potentielle Landtagsmehrheit es möchte. Daher wird Frau Kraft diesen Schritt wohl bald überdenken und sich doch zur Wahl zur Ministerpräsidentin stellen müssen:


"Ein wichtiger Gesichtspunkt ist dabei die knappe schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat. Sie wäre im Fall eines politischen Wechsels in Nordrhein-Westfalen hin zu einer SPD-Minderheitsregierung gekippt. Der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, nannte es deshalb «unverantwortlich, wenn nun Sparpaket und die Verlängerung der Laufzeiten (von Atomkraftwerken) mit Zustimmung aus NRW den Bundesrat passieren». Der Linken-Vizefraktionschef im Bundestag, Ulrich Maurer, warf Kraft vor, «sehenden Auges zu riskieren, dass Rüttgers den Sozialabbau der Bundesregierung im Bundesrat durchwinkt».

Dazu gab es von der SPD-Spitze zunächst keine konkreten Aussagen. Falls die Bundes-CDU es im Bundesrat übertreibe, könne Kraft ihren Verzicht auf eine Minderheitsregierung jederzeit überdenken, sagte ein Teilnehmer bei der Bielefelder Konferenz."


Aus der obigen Meldung der Süddeutschen Zeitung.

Offenbar merkt die SPD erst jetzt, was die Entscheidung der Parteispitze, in die Opposition zu gehen, in Bezug auf den Bundesrat bedeutet.
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görd
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 21:31 Uhr:   

Die SPD geht denke ich sehr schlau vor. Man kann ihr nicht vorwerfen, Wahlversprechen zu brechen.

Sollte dann Rüttgers im Bundesrat unpopuläre Sparvorhaben zustimmen. Könnte das die SPD als Anlass nehmen, Kraft mit rot-grünen Stimmen zur MP wählen lassen und würde dabei die Bevölkerung hinter sich wissen. Anschließende Neuwahlen würden ihr sicher eine satte Mehrheit beschaffen.

Bis dahin kann man viele populäre Gesetze dagegen im Landtag beschließen, z.B. Abschaffung der Studiengebühren. Umsetzen muss es ja dann die Regierung Rüttgers.

Die SPD spielt auf Zeit und bei dem was gerade im Bund los ist, steigen die Chancen auf einen Wahlsieg bei Neuwahlen Woche um Woche.
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Silencio
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 21:57 Uhr:   

Ich würde es ehrlich gesagt auch nicht so negativ und strategisch dumm nennen, was Kraft und SPD da machen. Eindeutiges Ziel ist, Rüttgers in seiner Handlungsfähigkeit zu schwächen. Geschäftsführend im Amt zu sein und keine eigenen Gesetzesvorhaben durchbringen zu können, kann auf Dauer schon recht frustrierend sein. Der Vergleich mit Hessen hinkt aber auch ein wenig, weil hier eine ganz klare linke Mehrheit im Landtag sitzt. An der Reaktion von Rüttgers hat man eindeutig gemerkt, dass er ganz und gar nicht erbaut ist von der gesamten Situation und dass sein kleiner Traum nach der Wahl, MP in der großen Koalition nicht zu machen ist. Und wieso sollte die SPD sich unter Wert verkaufen. Kraft und die SPD werden aus der Opposition heraus, den geschäftsführenden Ministern ihre Grenzen der Macht aufzeigen. Mal sehen, wie lange sie bereit sind unter diesen Bedingungen zu "regieren" und sich vielleicht doch noch neuen Koalitionsverhandlungen mit der SPD unter neuen Bedingungen stellen. Daher wäre es auch unsinnig, wenn Kraft sich jetzt zur MP wählen lässt ohne Koalitionsvereinbarung. Denn dann fängt wieder die ideologische Keule des rechten Lagers an zu schwingen. Daher redet sie ja auch nicht von Minderheitsregierung und vermeidet so den gleichen Fehler wie Ypsilanti ihn begangen hat.
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Beobachter
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 22:05 Uhr:   

Dann kommt es halt darauf an, wer das größere Sitzfleisch hat. Die CDU wird sich nicht darauf einlassen, Kraft oder irgendeinen anderen SPDler zum MP zu wählen. Warum sollte sie auch? Die CDU ist die stärkste Partei in NRW, die SPD ist nur die Nummer Zwei (und nicht in der Lage, eine Regierungsmehrheit zusammenzuzimmern).
Mag sein, daß es für Rüttgers unter den gegebenen Umständen ungemütlich wird, aber da muß er eben durch.
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Werner Fischer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 22:06 Uhr:   

Richtig, mit dieser unüblichen Taktik setzt die SPD/Kraft die CDU/Rüttgers ganz schön unter Druck. Zudem hat sie die demokratischen Grundwerte im Rücken, denn gewählt wurde ja allein die Volksvertretung (=das Parlament), nicht die Regierung. Regierungen werden in Deutschland (zumindest ab Landesebene) nicht direkt vom Volk bestimmt, sondern indirekt durch die von ihnen gewählten Volksvertreter.

Wenn sich der Landtag nicht zu einem Wahlgang entschließen kann, bleibt es eben bei der alten. Die "Schuld" tragen dann alle Fraktionen, auch die CDU. Auch sie könnte ja auf Klärung drängen und eine MP-Wahl beantragen - wird sie das tun?
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 22:14 Uhr:   

Der Vergleich mit Hessen zieht in der Tat nicht, da Frau Ypsilanti nur mit absoluter Mehrheit der Mitglieder des Landtages Ministerpräsidentin werden konnte und diese Mehrheit aufgrund der "vier" (Volker Zastrow) nicht zustande bringen konnte. Frau Ypsilanti hatte also keine Alternative, als aus der Opposition heraus zu agieren. Frau Kraft hätte aber die Chance, Ministerpräsidentin zu werden.

In Bezug auf die Entwicklung in NRW und in Bezug auf Neuwahl-Spekulationen bei anhaltendem Chaos in der schwarz-gelben Bundeskoalition ist die Entscheidung von Frau Kraft in der Tat nicht dumm. Aber die SPD riskiert mit dieser Entscheidung, das zweite Wahlversprechen einzulösen, nämlich, die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat zu brechen. Und dies bedeutet: die Teile des "Sparpaketes", die durch den Bundesrat gehen, kann sie nicht "blockieren" und - sollte der Bundesrat an einem Ausstieg vom Atomausstiegsgesetz beteiligt werden, was ja noch offen ist, kann die SPD dies auch nicht verhindern. Denn sie würde zwar nach einer Abstimmung im Bundesrat mit Sicherheit Rüttgers abwählen, aber dann ist es - was den Bundesrat betrifft - schon etwas spät.

Ich sehe aber auch in Bezug auf NRW eine etwas andere öffentliche Wahrnehmung. Die lautet m.E. nicht: die SPD hat sich klug verhalten, sondern: die SPD hat drei Regierungsoptionen (rot-rot-grün, schwarz-rot, rot-grün-gelb) nicht genutzt und "flüchtet" jetzt in die Opposition. Zwar stimmt diese Wahrnehmung nicht in Bezug auf das Scheitern der Ampelsondierungen, die nicht von der SPD, die gerne weiterverhandelt hätte, sondern von der FDP und dann auch von den Grünen beendet wurden, aber zwischen "stimmen" und "Wahrnehmung" in der Öffentlichkeit gibt es verschiedene Paar Schuhe.

Nochmal: in Bezug auf die Landespolitik in NRW und deren Wahrnehmung in Bezug auf Umsetzung von Wahlversprechen mag der Schritt taktisch klug sein; in Bezug auf die Auswirkungen, die ein Verbleib der CDU/FDP-Minderheitsregierung für das Abstimmungsverhalten des Landes im Bundesrat bedeutet, halte ich die Entscheidung der SPD für unklug. Und das Verhalten könnte auch als "Flucht aus der Verantwortung" wahrgenommen werden. Deshalb hätte ich ein aktives Handeln der SPD für richtig empfunden: aus SPD-Sicht hätte "richtiges Handeln" m.E. bedeutet:
- entweder einen Neuwahl-Antrag ins Parlament einbringen (wenn dieser scheitert, müssen die Neuwahl-Gegner eine Regierungsbildung versuchen, um ihr "Nein" gegenüber Neuwahlen zu begrünen)
- eine Minderheitsregierung bilden (von der Linkspartei toleriert)
- erneute Gespräche mit der Linkspartei führen zum Versuch einer rot-rot-grünen Mehrheitsbildung
- eine große Koalition eingehen unter der Bedingung, dass die CDU Rüttgers als Ministerpräsidenten durch einen anderen CDU-Politiker, der für die SPD eher tragbar wäre (Laschet?) ersetzt.

Aber die von der SPD gewählte Option erscheint mir - besonders wegen der verbleibenden Richtlinienkompetenz einer Minderheitsregierung, was das Abstimmungsverhalten im Bundesrat angeht, zu kurzsichtig und damit auch dumm zu sein.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 22:23 Uhr:   

Tippfehler: die SPD riskiert mit der Entscheidung, das zweite Wahlversprechen nicht einzulösen...
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Werner Fischer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 22:33 Uhr:   

Schwarz-gelb "zerlegt" sich doch immer mehr selbst. Warum sollte die SPD die Chance nicht nutzen und die "Opposition" innerhalb der Regierungsparteien so bundesweit ermutigen?

Die NRW-Bürger haben weder SPD noch Rot-Grün (und auch keiner anderen möglichen Formation) eine Mehrheit gegeben - insoweit steht man nicht in der Pflicht. Die jetzige Lage im Landtag entspricht dem Wahlergebnis. Immerhin hat sich die SPD bemüht - was hat die CDU in der gleichen Zeit für die Zukunft des Landes unternommen?
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 22:44 Uhr:   

Die CDU ist zwar stärkste politische Partei in NRW, aber sie hat - da die Grünen eine Jamaica-Koalition abgelehnt haben - nicht den "Schlüssel" zur Regierungsbildung in der Hand. Wenn die Grünen bei ihrer Ablehnung eines Jamaica-Bündnisses bleiben sollten - wovon ich ausgehe - kann gegen die SPD keine Regierung gebildet werden, worauf Frau Kraft ja schon hinwies. Und daher kommt nicht der CDU, sondern der SPD die "Schlüsselposition" in diesem Koalitionspoker zu. Wenn sie aber passiv bleibt, d.h. sagt, wir bleiben in der Opposition, bleibt die Regierung Rüttgers im Amt. Zwar ist diese auch ohne Mehrheit, aber sie wird mit ihrem Abstimmungsverhalten im Bundesrat dafür sorgen, dass alle Gesetze der schwarz-gelben Koalition im Bundesrat "durchgehen". Das Verhalten der SPD in NRW führt dazu, dass - trotz des Wahlergebnisses - CDU, CSU und FDP weiterhin auch eine Mehrheit im Bundesrat haben. Und sie auch bei der Durchsetzung bei zustimmungspflichtigen Gesetzen nutzen werden. Und dann steht die SPD m.E. dumm da, denn sie hat ihr "zweites" Wahlversprechen, durch ihre Regierungsbeteiligung die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat zu brechen, nicht eingelöst. Sparpaket und Ausstieg vom Atomausstieg gehen dann mit Hilfe der sechs Stimmen aus NRW dann durch den Bundesrat, obwohl im Landtag von NRW keine Mehrheit für die entsprechende Politik vorhanden ist.

Sicher kann die SPD dann reagieren und die Regierung Rüttgers abwählen bzw. Frau Kraft zur Ministerpräsidentin wählen lassen - für die Bundesratsabstimmungen könnte dies aber zu spät sein. Und darin sehe ich "den" taktischen Fehler der SPD-Entscheidung, nicht aktiv die Regierungsbildung anzustreben, sondern in der Oppositionsrolle im Landtag zu verbleiben.

Sollte die Hoffnung der SPD die gewesen sein, dass Rüttgers den Verzicht auf sein Amt anbieten werde, so zeigt seine Reaktion, dass sich die SPD hier getäuscht hat. Er wird "sehr lange" - wie er sagte, also sogar über zwei Jahre, wenn man den Artikeln der Presse glauben darf, im Amt verbleiben - ohne Mehrheit. War es das, was die SPD gewollt hat? Wohl nicht. Und deshalb denke ich, wird die SPD ihre Entscheidung überdenken und Hannelore Kraft wird vor den Bundesratsabstimmungen über zustimmungspflichtige Gesetze der schwarz-gelben Bundesregierung sich zur Ministerpräsidentin wählen lassen.
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Bernhard Nowak
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 22:56 Uhr:   

Noch ein Nachtrag: die Taktik der SPD und von Frau Kraft könnte nachvollziehbar sein, wenn sich eine Landesregierung in ihrem Abstimmungsverhalten im Bundesrat einer Landtagsmehrheit beugen müsste. Dies muss sie aber nicht; der Bundesrat ist - Relikt aus der Kaiserzeit - ein reines Organ der Landesregierungen, die nicht an Weisungen durch eine Landtagsmehrheit gebunden sind. Selbst wenn der Landtag mit Mehrheit beschließen sollte: er fordert die Landesregierung auf, dem Gesetz XY der Bundesregierung nicht zuzustimmen, braucht sich die Landesregierung nicht daran zu halten, sie ist an Weisungen des Landtages nicht gebunden. Sie kann nur durch eine neue Regierung ersetzt werden. Daher kann - solange die Regierung Rüttgers im Amt bleibt - die SPD ihr "zweites" Wahlversprechen, die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat durch Regierungsbeteiligung zu "brechen", nicht umsetzen. Und darin liegt - nochmals - aus meiner Sicht der "Denkfehler" der Entscheidung der SPD, in Opposition zu gehen und die Regierung Rüttgers weiterhin als Minderheitsregierung amtieren zu lassen.
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Werner Fischer
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2010 - 23:03 Uhr:   

Schadet sicher nicht, wenn die SPD hier nicht nur an die nächste Abstimmung denkt, sondern langfristig und strategisch agiert. Wenn Rüttgers bzw. Schwarz-Gelb diesem unaugegorenen Sparpaket ohne weitreichende vernünftige Änderungen zustimmen, erschüttert das deren Glaubwürdigkeit und Ansehen massiv.

Überwindet Schwarz-Gelb die jetzige Krise nicht bis zum Ende der WM, dürfte der öffentliche Druck so zunehmen, dass vorgezogene Neuwahlen immer wahrscheinlicher werden.
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Wahlticker
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 13. Juni 2010 - 01:27 Uhr:   

Der einzige Sinn den ich an der Haltung der SPD sehen könnte wäre, dass man Angst hat Hannelore Kraft könnte im ersten Wahlgang von sehr vielen Abgeordneten der Linken - im schlimmsten Fall allen - gewählt werden. Denn dann hätte sie Zwar ein Minderheitenkabinett, aber sofort würde die Diskussion losgehen, ob man jetzt nicht wirklich mit den Linken koalieren müsste.
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Ingo Zachos
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Sonntag, 13. Juni 2010 - 01:56 Uhr:   

Es wäre schlecht vermittelbar für die SPD, wenn sie die von der Verfassung vorgesehene MP-Wahl nicht wagt.
Zudem widersricht das auch dem Geist der Verfassung,die klare Verhältnisse haben will, aber nicht notwendigerweise eine absolute Mehrheit.
Vielleicht ergreift dann sogar Rüttgers die Initiative und stellt sich zur Wahl, damit Kraft sich entscheiden muss.
Würde ich jedenfalls an seiner Stelle überlegen.

Das würde ihm bei einer Neuwahl dann den Bonus bringen, für klare Verhältnisse einzutreten, und Kraft wäre in der moralischen Falle, auch wenn es bei dem derzeitigen Gegenwind aus Berlin für die CDU wohl keinen Wahlsieg geben kann wie in Hessen.

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